pfaffenheini schrieb:
Hier ist alles so super-neutral und objektiv, dass auch das schon wieder krampfhaft wirkt.
Dem gegenüber möchte ich ein anderes Zitat setzen. Es stammt von Egon Friedell aus dem Jahr 1927:
Egon Friedell schrieb:
Tatsächlich gibt es auch bis zum heutigen Tage kein einziges Geschichtswerk, das in dem geforderten Sinne objektiv wäre. Sollte aber einmal ein Sterblicher die Kraft finden, etwas so Unparteiisches zu schreiben, so würde die Konstatierung dieser Tatsache immer noch große Schwierigkeiten machen: denn dazu gehörte ein zweiter Sterblicher, der die Kraft fände, etwas so Langweiliges zu lesen.
Wir alle wissen: "Objektivität" ist ein rein theoretisches Gebilde - und von einem Spielfilm sollte man sie nicht erwarten.
Und wo wir schon einmal über die Realität sprechen: Als Anneliese Michel starb, wog sie 37 kg. Sie mußte sterben, weil ihre Eltern und die beteiligten Kleriker sie nicht in ein Krankenhaus oder besser gesagt Psychiatrie gebracht haben. Diese Szenen hat uns der Regisseur erspart; ich persönlich nehme an, aus einem gewissen Respekt heraus gegenüber der historischen Anneliese Michel und ihren noch lebenden Verwandten.
pfaffenheini schrieb:
Die kirchlichen Charaktere sind klischeehaft dargestellt und in den letzten drei Minuten kommt schließlich doch noch "die Wahrheit" heraus.
Das mag sein. Die dargestellte Wallfahrt fand ich aber gut beobachtet - für mich sah sie genau so aus wie die Bilder einer Reportage über Lourdes-Fahrer, die ich einmal gesehen habe.
pfaffenheini schrieb:
"Anneliese, das bist nicht du", sagt die beste Freundin.
"Anneliese, du hast einen Riesen-Katholiken-Knall, vergiss endlich die übersinnliche Welt" wäre ehrlicher gewesen.
Es ist schwierig, mit psychisch kranken Menschen zu kommunizieren.
Schon gar nicht kann man - und sollte man nicht - psychisch kranken Menschen etwas so lapidar an den Kopf werfen. Das hilft ihnen nicht sondern macht alles nur schlimmer.
Zweimal in meinem Leben wurden Menschen (die ich sehr mag) psychisch krank, sehr krank. Das ist sehr schwer zu ertragen, vor allem, weil man die Menschen auch anders, gesund kennt.
Für mich war das ganze katholische Thema sowieso nur ein Randgeschehen. Das Ganze erschien mir eher eine Sozialgeschichte in einer konservativen Kleinstadt der 70er. Z.B. die Mutter-Figur: Es wird die oft über "Liebe" gesprochen und die großartige "Liebe" wird thematisert, aber das genaue Gegenteil wird gelebt ! Die wirklich einzige Kommunikation mit den Eltern ist, wenn die Mutter "Essen !" brüllt und ansonsten mogelt man sich um die Wahrheiten herum, von so Dingen wie einer Umarmung oder (soll ich jetzt einmal sagen: "geoffenbarter") Zuneigung mal ganz zu schweigen. Nicht einmal die Geschenke, die die Tochter ihrer Mutter Weihnachten gibt, kann diese annehmen.
Das mag alles überspitzt dargestellt sein, aber in vielem hat mich der Film an meine eigene Jugend auf dem Land erinnert.
Vielleicht habe ich auch deshalb einen besonderen Bezug zu diesem Film, weil ich selbst Epileptiker (und der einzige in meiner Familie) bin. Und genauso, wie meine Mutter früher bei dem Thema Epilepsie nicht offen gesprochen, sondern drum herum geredet hat, genau so ist die Kommunikation hier (siehe auch Trailer). Und der Respekt vor unseren Eltern verbietet uns dann ihnen auch mal zu sagen: Jetzt rück' mal raus mit der Sprache, reden wir darüber. Aber dann auch richtig. Aber diese Kriegsende-/1. Nachkriegsgeneration kann so verstockt sein.
Gottseidank hat sich auch da etwas geändert.
pfaffenheini schrieb:
Wenn ihr wollt könnten wir dann das Thema Beichte abschließen und zu "Adam und Eva" wechseln.
Okay: Adam war Afrikaner. Vor 6 Millionen Jahren und trug noch ein Fell.