Die Sonne spielt in vielen religiösen Anschauungen deswegen eine Rolle, weil die Menschen recht früh festgestellt haben, dass die Sonne das Leben auf der Erde ermöglicht: Sie spendet Wärme, Licht, Wohlbehagen, vertreibt die "bösen Geister der Nacht".. Klar, dass man da anfängt, irgendwas göttliches hinein zu projezieren.
Mit der gleichen Berechtigung könnte man Gott in den Wolken suchen. Oder in Flüssen... Alles wichtig für das Leben auf der Erde. Die Leute waren damals ja nicht dumm, die haben durchaus die Zusammenhänge erkannt. Aber eklären konnten sie es sich halt nur dadurch, dass Götter oder göttliche Wesen darin wohnen.
Ich persönlich glaube, dass das Erfinden von Religion mit der Lebensweise des Menschen zusammenhängt: Zu Jäger-und-Sammler-Zeiten konnte man, wenns mit der Nahrungsmittelbeschaffung nicht so klappte, einfach wo anders hin ziehen. Deswegen gibts auch so gut wie keine Hinweise auf religiöse Praktiken aus dieser Zeit, wenn man mal von Grabbeigaben absieht.
Als die Menschen aber zu Viehhaltern und Bauern wurden, spielten plötzlich Sonne und Regen eine ganz wichtige Rolle im täglichen Überleben. Da man aber keinen wirklichen Einfluss darauf hatte, behalf man sich mit einem psychologischen Trick: Die Sonne und weitere Naturerscheinungen sind göttliche Wesen, und wenn wir sie uns mild stimmen (durch Gebete, Opfer, Gottesdienste usw), dann helfen die Götter uns. Damit war wenigstens das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins etwas gemildert.
Das heißt aber noch lange nicht, dass deswegen tatsächlich die Sonne ein Gott ist. Genau so wenig sind die Wollmäuse unter meinem Bett ein schreckliches Monster, das mir nachts die Zehen abbeißt. (Auch wenn ich mir das so vorstelle und ganz doll dran glaube).
Warum also soll die Sonne nicht mehr, als eine thermonukleare Gaskugel sein? Nun, warum sollte sie mehr sein? Warum ausgerechnet "unsere" Sonne, und nicht die millionen anderen Sonnen, die es noch so gibt? Die die Theorie, dass die Sonne eine hyperintelligente Gaswolke ist, gibts genau null Hinweise, wenn man mal von ein paar tausend Jahren Volksaberglauben absieht. Aber viele Leute hielten ja auch bis vor 200 Jahren noch Blitze für die Rache Gottes, ein Bauer, dessen Ernte verhagelt wurde, war nicht fromm genug, und Vulkanausbrüche waren Zeichen für die Nahende apokalypse. Meine Oma glaubt noch heute daran, dass man über Sylvester keine Wäsche aufhängen darf. Bei manchen Airlines folgt auf die Sitzreihe 12 direkt die 14...
Bloß weil Leute an irgendwas glauben (und das teilweise ziemlich überzeugt), heißt das noch lange nicht, dass da irgendwas dran sein muss. Klar, man kann nun argumentieren, dass, sobald man sich etwas denkt, das, was man denkt, auf einer Metabene subjektiv und individuell wahr ist. Aber über den Einzelnen hinaus kann das keine Bedeutung haben.
Und zum Wunder von Fatima gibts mehrere Erklärungen, die überzeugender sind, als die "Sonnengott-Wunder-Theorie". Allein schon deswegen, weil das Herumwackeln der Sonne nur in einem ziemlich kleinen Gebiet beobachtet wurde, nicht aber im Rest der Welt.
Wenn ein paar zehntausend Leute in Erwartung eines Sonnenwunders sich irgendwo versammeln, und danach behaupten, ein wunder gesehen zu haben, mehrere hundert Millionen Menschen gleichzeitig aber nichts Außergewöhnliches bemerkt haben... wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem "Wunder" um ein lokales Ereignis handelt, das wahrscheinlich ganz andere Ursachen hat als die relative Änderung der Position der Sonne zur Erde?