pfaffenheini schrieb:
P.S.: Deine "funktionierende Empfängnisverhütung ohne Hormone" interessiert mich wirklich, das war nicht als Scherz gedacht, ich bin mir noch immer nicht sicher, wovon du sprichst.
Ich verhüte seit dem Beginn meiner zweigeschlechtlichen Sexualität mit Kondomen, also seit 23 Jahren. Früher war meist der Grund, dass meine Freundinnen die Pille nicht nehmen wollten, weil sie ihren Körper nicht mit Hormonen belasten wollten. Ein Standpunkt, für den ich immer Verständnis aufgebracht habe und ich habe nie eine Partnerin dazu gedrängt. (Zu anderen Dingen in diesem Zusammenhang übrigens auch nicht. Und schon gar nicht zum Verkehr).
Später kam dann sowieso die HIV-Diskussion ins Spiel; die Verwendung von Kondomen wurde sowieso obligatorisch.
Fast immer war das Kondom das einzige Verhütungsmittel.
In den ganzen Jahren ist es dabei nicht ein einziges Mal zu einer Schwangerschaft gekommen. Und: Ich
bin zeugungsfähig.
Gut: Man kann sagen, ich habe Glück gehabt. Aber ich sehe das anders.
Ich bin daher der Meinung, dass das Kondom - wenn man es sicher anzuwenden versteht (und das natürlich auch tut !) - in etwa eine Sicherheit hat, die der der Pille gleichkommt. Man darf nicht vergessen, dass in Sicherheitsquoten von Verhütungsmitteln auch Anwendungsfehler mitgerechnet werden.
Das Kondom hat als Verhütungsmittel einige Vorteile: Es funktioniert mechanisch, man verwendet es nur dann, wenn man es auch braucht, es schützt vor Geschlechtskrankheiten und HIV und es ist billig. Der letzte Punkt mag banal sein - für uns ! Für Menschen in Entwicklungsländern ist er das nicht.
Ein Gefühlsunterschied findet in meinen Augen nur im Kopf statt.
Einen "Nachteil" fand ich früher, dass ich meinte, das "Spielerische" der Erotik ginge verloren. Heute sehe ich das anders.
Ist man auf die Verwendung von Kondomen angewiesen, dann gibt es keine "Verlogenheiten" mehr, keinen "fließenden Übergang" zwischen Schmusen und Sex. Man kann sich nicht mehr dahinter verstecken, dass man im Rausch der Sinne "verführt wird" oder selber "verführt".
In dem Moment, wo man sich ein Kondom überstreift, signalisiert man deutlich sichtbar: Ja, es wird zu Sex kommen und ich will das jetzt auch.
Und ja, ich bin durchaus der Meinung, das der Sexualunterricht, wie er heute gelehrt wird - und der viel liberaler ist, als es meiner war, selbst in NRW - richtig ist. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen haben ohnehin gezeigt, dass sich das Sexualverhalten, insbesondere Jugendlicher, aber auch Erwachsener, geändert hat.
Statistische Auswertungen zeigen, dass Jugendliche mittlerweile wieder später mit der Sexualität beginnen und auch die Koitushäufigkeit abgenommen hat (übrigens auch bei Erwachsenen). Man führt das darauf zurück, dass Paare mehr Wert auf die Qualität des Erlebnisses setzen, als auf die Häufigkeit und insbesondere junge Frauen ein höheres Selbstbewußtsein haben, als noch in den 70ern. Sagte damals noch rund ein Drittel aller Frauen über das erste Mal "ich habe es nur wegen ihm getan", so kommt diese Aussage heute praktisch nicht mehr vor.
Und einen intensiv erlebten, emotionalen Sexualakt schafft man auch nicht jede Nacht.
Aber schauen wir doch einmal auf ein westliches Land, wo man eine andere Praxis verfolgt: Die USA.
Im Sexualkundeunterricht Kondome vorzuführen (oder gar sie auf einer Jugendmesse an Jugendliche zu verschenken - dafür habe ich sogar mal Kondome produziert, für die BRAVO) gilt dortzulande als undenkbar, weil unmoralisch. Man versteht das dort als Aufforderung zur Promiskuität.
Gleichzeitig verwendet die Regierung nicht unerhebliche Mittel für "True Love can wait"-Programme, Abstinenz-Kampagnen usw. Darüber hinaus sind einige NGOs mit ähnlichen Aktionen in der Öffentlichkeit unterwegs.
Aber was ist das Resultat ?
Von allen westlichen Ländern (!) haben die USA die höchste Rate an (ungewollten) Schwangerschaften unter Jugendlichen - allen Kampagnen zum Trotz ist "Teen-Pregnancy" in den USA ein ungelöstes Problem geblieben.
Die von kirchlicher Seite oft geführte Diskussion nach dem Motto: "Die Verwendung von Verhütungsmitteln führt zu Abtreibungen, weil dazu kommt es, wenn die Verhütungsmittel versagen. Besser ist Abstinenz." geht an den Realitäten vorbei.
Die Menschen üben keine Abstinenz. Daran können auch noch so intensive Kampagnen nichts ändern. Da könnte man den Menschen auch vorschlagen, das Essen aufzugeben. Die Sexualität ist ein Grundbedürfnis, ein genetisches Programm.
Dämonisiert man Verhütungsmittel, wird es
noch mehr Schwangerschaften geben.
Den Medien vorzuwerfen, sie würden mit der Sexualisierung der Öffentlichkeit erst Begehren schaffen, mag vom kirchlichen Standpunkt naheliegend sein, aber es trifft nicht zu. Obwohl auch ich kein Freund der ewigen "Sex sells"-Masche bin, zeigt die Realität das Gegenteil.
Wir wissen es doch alle: Was Verboten ist, dass macht erst richtig scharf.
Und auch hier wieder Besipiel USA: Gezeigt werden darf in der Öffentlichkeit gar nichts, nicht mal ein nackter Busen, vom nackten Körper einmal ganz zu schweigen.
Und ich kann mir gut vorstellen, wie es dann zu den Teen-Prgnancies kommt. 90% der Amerikaner leben auf dem Land. Da kann dann der Kauf eines Kondoms im örtlichen Drugstore schon mal zur Mutprobe werden - denn vielleicht ist der Händler ja der Vater Deiner Freundin.
Und wenn schon nix gezeigt werden darf, dann ist es auch verpönt, darüber zu reden. Auch in der Beziehung mit der Freundin entstehen dann die Peinlichkeiten. Also wird nichts unternommen und schweigend lässt man sich im Fieber treiben. Die Konsequenzen werden verdrängt und beide hoffen, es werde schon gutgehen.
Was dabei herauskommt, ist bekannt.
Wie ich darauf komme ?
Nun, in meiner Jugend war es ja im Grunde ähnlich. Man darf nicht vergessen, daß vor der AIDS-Kampagne das Wort "Kondom" nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde (das Wort "schwul" auch. Schon interessant, wie die Zeiten sich ändern - Gottseidank

)
Als Bewohner einer Kurstadt mit vielen Apotheken habe ich meine Kondome immer in der Apotheke gekauft. In einer hat der Apotheker die Schachteln selber immer noch in Seidenpapier eingewickelt verkauft - damit die dann auch ja diskret über den Tisch gehen.
Aus heutiger Sicht zum Totlachen.