die wahlen
weist 15.11.2004 17:07
sind um 3 wochen nach hinten verschoben worden. fürs erste. war ja klar. im moment stellt sich die lage so dar, daß es aussieht wie im frühling - nur um 90 grad gedreht - statt fallujah sag mosul, statt abu ghraib bukhris und baquba.
der afghanistaneinsatz wird auf 'wohl noch 10 jahre' angesetzt, wie lange das im irak noch so weitergeht - keine ahnung.
hallo antideutsche: ich kann nicht über die motivation anderer sprechen, aber *genau diese entwicklung*, die absehbar war, war für mich der grund, alles in allem den angriff der usa auf den irak abzulehnen. es ist doch offensichtlich, daß jedes land durch einen krieg destabilisiert wird, und wer kommt heutzutage dort hin wie fliegen zur scheiße, wenn ein *islamisches* land destabilisiert wird? genau. die überwiegende mehrheit der menschen tickt nun mal nicht wie wir weißen wohlhabenden (im globalen vergleich) mitteleuropäer, daher ziehen eure analysen außerhalb dieses kleinen zirkels auch null fisch.
das wirklich bedrückende ist, daß (aber das hab ich vor einem jahr schon gesagt) es keinen ausweg mehr gibt... 'troops out', ja klar, und was DANN, hm? strategisch haben sich die usa im irak komplett in die defensive manövriert. und das ist ja wohl das allerblödeste, denn gerade in einem krieg ist es das allerwichtigste, selbst die dynamik der ereignisse bestimmen zu können. aber was im moment passiert, ist, daß die amis nur reaktiv handeln können.
momentan sind die ideellen träger der irakischen guerilla wohl hauptsächlich ausländer; die irakischen säkulare guerillakräfte sind weitgehend von der bildfläche verschwunden. aber im land wächst eine neue generation heran, die eben nichts weiter kennt als scheiße fressen - im gegensatz zu deutschland nach der befreiung durch die alliierten ist es dort halt nicht chewinggum und frauleins; wie sollen diese kinder das ende des regimes denn je als befreiung empfinden können, so sehr es das (in dieser einen hinsicht) denn auch war? gerade kindern ist es doch scheißegal, was war, sie kennen nur das, was ist. und wenn irgendwelche leute herumtrampeln und nachts die haustür eintreten und bomben abwerfen, wird sie kaum wer jünger als 15, 16 als 'befreier' betrachten.
all diese fakten, dynamiken hätten den verantwortlichen in washington bekannt sein müssen. ich habe keine ahnung, warum sie ignoriert wurden, denn selbst wenn man die übelste profitgier als motiv unterstellt: aus der gegenwärtigen situation ist kaum profit herauszuschlagen, und was man bekommt, wird jetzt und in zukunft teuer bezahlt werden.
eine geisel, die in al-fallujah befreit worden war (fahrer der französischen reporter), war bis zur befreiung davon ausgegangen, daß er nach syrien verschleppt worden war, weil seine geiselnehmer syrer waren. bushs politik hat der welt erstmal nur eins gegeben: eine neue generation jihadis. saubere leistung, alter!
deutschland 1945: so besetzt & befreit man ein land erfolgreich: man macht das alte regime platt und gibt den leuten dann was zu tun, damit sie nicht auf blöde gedanken kommen. man etabliert ein unterhaltungsprogramm, man baut lokale selbstverwaltung zügig wieder auf, von unten nach oben. alles versämnisse, die sich jetzt blutig rächen. als saddam an der macht war, konnten die leute im irak ihr schicksal wenigstens größtenteils selbst beeinflussen; es war hauptsächlich ihre eigene entscheidung, ob sie mit der obrigkeit aneinandergeraten und in die unruhen hineingezogen werden oder nicht. und was ist einem menschen wichtiger; freiheit oder überleben? es mag tragisch sein, aber es ist so: erst kommt das fressen, dann die moral.
unterm strich ist es so, daß das risiko eines vorzeitigen gewaltsamen ablebens sich für den durchschnittsiraki eben nicht geändert hat. nur war es unter dem regime so, daß die leute selbst ihre chancen erheblich beeinflussen konnten (durch s maul halten, aber für sie war das ein akzeptabler preis, wie das halt immer ist), und jetzt ist es anders. selbst die kurden zur anfal-zeit oder die schiiten 1991 hatten eine gelegenheit, die biege zu machen, bevor die scheiße losging, denn sie kannten die stimmung in der community: wem das risiko des aufstandes zu groß war, ist halt zu verwandten nach kirkuk, mosul oder baghdad abgehauen und zurück, als die regimetruppen wieder weg waren. jetzt kannst du im zentralirak wirklich nirgendwo mehr hingehen, ohne um dein leben fürchten zu müssen. und das ist das entscheidende: nicht die reale, sondern die gefühlte sicherheit. gerade im angstland deutschland sollten wir in der lage sein, derlei irrationalitäten nachzuvollziehen. die moralische bewertung bleibt davon unbenommen, aber es erklärt, warum so viele leute im irak momentan das vielleicht irgendwann bevorstehende größere übel einer islamistischen diktatur dem momentanen, real existierenden übel eines anhaltenden kriegs vorziehen: wenns ums eigene leben geht, sind erwägungen, die auf 'vielleicht' oder 'in zukunft' basieren, völlig außen vor: wer weiß, ob man selbst diese zukunft noch erleben wird?