Bush bleibt Bush
Keine Kursänderung in Sicht. Wenn nötig, wird Bush weitere »Präventivkriege« führen, »um Amerika zu schützen«. Reaktionen im In- und Ausland nach der Wiederwahl
...Von Jesus selbst auserwählt
Folgt man einem Kommentar in der britischen Tageszeitung The Guardian vom 2. November, dann handelt es sich bei der »Amerika-über-alles«-Politik der Bush-Administration weder um eine persönliche Obsession von George W. noch um eine übertriebene Reaktion auf den Schock des 11. September. Diese Entwicklung liege vielmehr in dem »viel älteren und insbesondere sehr amerikanisch konservativen Gefühl des Exzeptionalismus« begründet, des Gefühls nämlich, auserwählt unter den Völkern zu sein. »Die Militanz und Energie«, die sich in dieser Strömung manifestiere, werde »außerhalb Amerikas immer noch grob unterschätzt«, heißt es in dem britischen Blatt. Die »Mißachtung internationaler Institutionen und stabiler Allianzen« sei die »Signatur dieses militanten neuen Exzeptionalismus«, bei dem es sich um eine Art »Wiedergeburt des ›Manifest Destiny‹« handele. Dieser um 1840 geprägte Begriff spiegelt die missionarischen Vorstellungen der USA-Eliten wider, im Auftrag Gottes die Welt auf den richtigen (amerikanischen) Weg führen zu müssen. So wurde »Manifest Destiny« zur ideologischen Rechtfertigung für eine Reihe von Raubkriegen und Vorstößen der jungen USA, sich als Kolonialmacht zu etablieren.
Die US-Träumereien im 19. Jahrhundert, Kanada zu unterwerfen, wurden ebenso mit der Ideologie des »Manifest Destiny« gerechtfertigt wie die gewaltsamen Annexionen von Texas, das Spanien gehörte, gefolgt von der Annexion Kaliforniens und Oregons bis hin zum Raub der spanischen Kolonien Kuba und der Philippinen im Krieg von 1898.
Die neokonservativen Pläne, die US-»Tankstellen-Staaten« im Mittleren Osten besser zu kontrollieren und ihnen auf der Spitze amerikanischer Bajonette »freedom and democracy« zu bringen, um so die ganze Region den amerikanischen wirtschaftlichen und politischen Interessen zu unterwerfen, können in der Tat als eine moderne Fortschreibung der vom Raubkapitalismus kräftig geförderten Ideologie des »Manifest Destiny« gedeutet werden.
Im letzten Jahrzehnt ist das »Manifest Destiny« insbesondere in konservativen, evangelikalen Kreisen wieder zu einem starken politischen Motiv geworden. Wenn daher der Präsident der mächtigsten Militärmacht der Welt in der Öffentlichkeit seiner Überzeugung Ausdruck verleiht, daß er von Jesus persönlich dazu auserwählt wurde, im Weißen Haus das Werk Gottes zu vollbringen, dann mag das den Menschen rund um den Globus einen Schauder über den Rücken jagen, aber es reflektiert eine Geisteshaltung, die von der Mehrheit der amerikanischen Wähler geteilt wird und die, wäre er zum Präsidenten gewählt worden, auch John Kerry in seiner politischen Manövrierfähigkeit sehr eingeschränkt hätte. Dieser religiös verbrämte militante Konservativismus sei mehr als alles andere »schuld daran, daß es derzeit so schwierig ist, die britische Politik gegenüber den USA produktiv zu gestalten oder ehrenhaft zu führen«, heißt es in dem bereits erwähnten Kommentar des Guardian, der eine schleunige Umorientierung der Politik Londons weg von den USA und Washington hin zu Europa und Brüssel empfiehlt...