forcemagick schrieb:
			
		
	
	
		
		
			ich bin mir sicher auch diesmal wird es keine antwort geben...
		
		
	 
Doch. Von mir.
Der Leitsatz deiner These lautet, wenn ich das hoffentlich richtig verstanden habe: Deutschland wird zum Exportland -> Der Binnenmarkt wird aufgrund der Intentionen im Export nicht ausreichend gefördert -> Die Konsumenten im Binnenmarkt können nicht mehr konsumieren -> Der Binnenmarkt schwächelt -> Stärkere Verlagerung auf den Export, da sich das Kapital im Ausland grade wohler fühlt -> Schwächung des Binnenmarktes -> Stärkere Verlagerung usw. usf..
Bei einer Reform wie der Reform des Sozialwesens "Hartz IV", die uns allen ins Haus steht, erscheint es natürlich auf den ersten Blick sinnlos, den Konsumenten, die sowieso schon weniger in der Tasche haben, durch angeblich unzumutbare Kürzungen noch mehr die Konsumbasis zu entziehen. Aber ist es wirklich sinnlos, was hier getan wird? Ich meine: nein.
Fangen wir ganz von vorne an. Die Gesundheitsreform, mit der wir uns inzwischen abgefunden haben sollten, die 10 Euro, die man als Kassenpatient beim Onkel Doktor lassen muss. Wofür ist das nun gut? Ganz einfach: Langfristig gesehen können die Kassen Beiträge senken. Langfristig gesehen wird sich der Konsument überlegen, ob er das überteuerte Medikament kauft, das ihm sein lobbyfreundlicher Arzt schon seit 20 Jahren verschreibt, oder doch das billigere, aber vielleicht ebenso wirksame Produkt erwirbt. Langfristig gesehen wird das Geld, das gebraucht wird, um zum Arzt zu kommen (Benzin, Fahrkarte usw.), in anderen Bereichen investiert werden können. Samhain beklagt sich, dass weniger zum Arzt gegangen wird - wenn einem wirklich was fehlt, sind die 10 Euro wohl weniger das Problem. Ich kenne einige, die jede Woche zum Arzt gegangen sind, obwohl ihnen eigentlich nichts Ungewöhnliches an ihrem Gesundheitswesen aufgefallen ist - sie waren eben zuckerkrank und mussten ein wenig auf ihre Ernährung achten. Aber anstatt sich beim Kuchen zurückzuhalten, wurde fröhlich dem Hobby Arztbesuch gefröhnt; der Hegemonie des Stammarztes hier hat das gut getan, der Kasse nicht. Dem Geldbeutel des Tankenden auch nicht. Insgesamt hat diese Reform also mehr Vorteile, wenn man nicht mit der Trotzreaktion "Staat bezahlt nicht, keine Lust auf Eigeninitiative, alles scheiße" kommt.
Dann noch zu einem vielleicht etwas makaber klingenden Nebeneffekt der Reform. Chronisch kranke Menschen, die regelmäßig zum Arzt müssen, bekamen ja vorher die Fahrtkosten ersetzt; diese müssen sie jetzt selbst tragen. Nun, wenn man die Taxifahrt selbst bezahlt, dann belastet das schon die Staatskasse nicht mehr (es sei denn, die Person bezieht Sozialhilfe). Hört sich vielleicht drastisch und gefühllos von mir an, aber ist nun mal Fakt.
Nun zum richtig großen Brocken (im) Har(t)z. 
Hier gibt es sogar eine Vielfalt von Vorteilen für den Binnenmarkt, man könnte sogar sagen, diese Reform ist das Beste seit Langem für den Binnenmarkt.
Da hätten wir zunächst die 1 Euro-Jobs. Bei allen Kürzungen stellen diese doch eine wunderbare Alternative zum Nichtstun da. Wie du, forcemagick, so bissig angemerkt hast: Ernteeinsatz, Laubfegen im Stadtparkt, Reinigung von öffentlichen Anlagen (auf gut Deutsch: Kloputzen), Unterstützung von Pflegekräften (ja, die nehmen denen nicht die Arbeit weg, sondern höchstens etwas von dem Zuviel an Arbeit, das diese lobenswerten Personen täglich erbringen müssen). Endlich wieder saubere Waldstücke, öffentliche Toiletten, die man begehen kann; wunderbare Vorstellung. Aber das Beste dabei ist, dass man den erhaltenen Lohn zum - exakt - Konsumieren verwenden kann.
Stellt euch nur mal vor, was man mit diesen mindestens 350 Euro pro Monat mehr alles kaufen könnte. Dazu gibt's ja noch AG II; ein Geschenk für unsere Volkswirtschaft. Währenddessen kann sich der AG II-Empfänger auch noch um eine feste Anstellung bemühen oder Weiterbildungen machen oder einen höheren Schulabschluss erreichen oder ähnliches.
Dazu kommt, dass nun die Sparbücher geplündert werden müssen, sonst zahlt der Staat nicht. Meine Devise lautet: ein paar sterile Kästen Wasser im Keller und einige Konserven sind allemal besser als ein Stück Papier mit Zahlen, das mir im Ernstfall gar nichts bringt. Die Deutschen haben mehr Geld auf der hohen Kante, als manch einer denkt, lieber forcemagick. Vielleicht hat nicht jeder 50.000 Euro unterm Kopfkissen, aber jeder halbwegs moderne Mensch (also jeder, dem ein Sparbuch wichtiger als ein steriler Kasten Wasser ist) wird wohl eine kleine Notration angespart haben. Und Arbeitslosigkeit heißt Notsituation ! In den letzten Jahren wurde das bloß viel zu sehr heruntergespielt.
Wenn also das Geld fließt, braucht der Staat nichts zu bezahlen - eine Entlastung für die Allgemeinheit, für den Konsumenten. Da sich der Betroffene wohl kaum Hals über Kopf in den finanziellen Ruin stürzen will, muss er das Geld sparsam ausgeben; es wird also länger reichen. Während dieser Zeit hat er wiederum die Möglichkeit, Weiterbildungen wahrzunehmen. Der Staat muss in dieser Zeitspanne nichts bezahlen. Das kommt der Allgemeinheit sehr zugute.
Natürlich wird sich so mancher auch überlegen, wofür er sein Geld ausgibt. Denn: nicht alles, was heutzutage angeboten wird, ist für jedermann nützlich. Ich glaube kaum, dass in der Scherzartikelindustrie so viele Arbeitskräfte Beschäftigung finden wie z.B. in der Automobilindustrie. Wenn man also auf überflüssigen Ramsch verzichtet und dafür länger auf ein Auto spart, hilft das sicher mehr, als ab und zu und hier und da mal dies und das zu kaufen, was aber keinen wirklich weiterbringt. Nun gut, ich gebe zu, das hat nicht sehr viel mit der Reform zu tun; sollte aber auch mittlerweile eingesetzt haben.
Weiterhin lässt sich feststellen, dass Urlaube im Ausland langsam zu teuer werden. Schlecht? Keineswegs ! Urlaub in der Heimat ist sehr, sehr angenehm. Es fördert den Binnenmarkt, fördert die innerdeutsche Verständigung (wenn ich mir den "Punks für G.W. Bush"-Thread so durchlese, was einige über Bayern denken ... haben wir das sehr nötig) und es ist leichter, sich in einem deutschen Ferienort zu verständigen oder einzukaufen als z.B. in Italien oder Spanien, wenn man die Sprachkenntnisse nicht besitzt. Außerdem fördert es die deutsche Konjunktur, wenn man in einem deutschen Supermarkt einkauft - logisch, oder? Wir müssten alle nicht so viel jammern, wenn wir bei uns gegenseitig Urlaub machen würden.
Aber das schadet doch der Flugbranche? Keineswegs. Schließlich ist es nicht so, dass jetzt Geschäftsreisen überflüssig würden; Bildungsreisen oder Besuche von Verwandten im Ausland ihren Sinn verloren. Es kann auch keine Rede davon sein, dass der Auslandstourismus völlig zusammenbrechen wird; aber ein klein bisschen mehr Heimaturlaub könnte uns nicht schaden.
Zuletzt möchte ich noch anführen, dass die Panik vor Lohndumping und vor einem daraus resultierenden Konjunkturzusammenbruch eigentlich geschürt ist. Schließlich wissen wir doch, wo unsere Stärke liegt; Qualität statt Quantität. Arbeitsleistung statt Schnell und Pfusch. Leider scheint es so, als würde langsam unser alte Stärke verschwinden, aber kein neuer Vorteil für Deutschland "nachwachsen". Ich wäre dafür, mehr Geld in die Jugendarbeit zu investieren, um den jungen Menschen ihr Handwerk beizubringen. Wenn die ersten Autos aus China auf der Straße zusammenbrechen und die Industriemaschinen aus dem Ostblock ihren Geist aufgeben, wird man die deutsche Wertarbeit wieder zu schätzen lernen. Nicht umsonst sind deutsche Ingenieure und Fachkräfte überall auf der Welt gern gesehene Gäste.
Wir sollten nicht zu viel jammern. Packen wir's lieber an !