samhain schrieb:
genau das gegenteil ist der fall. bist du nicht in der lage dich umfassend zu informieren?
Gut unterstellt ist besser als objektiv beurteilt, wie?
aber dir gehts ja wohl eher darum, selbstgefällig deine neoliberalen statements hier loszuwerden.
Definiere bitte neoliberal - oder informiere dich umfassend über den Begriff, bevor du ihn verwendest -, vergleiche ihn nochmals mit meinen Aussagen und sag mir dann, ob du immer noch der Meinung bist, dass ich ein selbstgefälliger Statement-Abgeber bin.
es wird immer so gerne auf das ausland verwiesen, aber wie sich die lebensumstände dort für die menschen verschlechtert haben, das verschweigt man.
gerade in england, das immer als vorbildhaft hingestellt wird, wurde massiv privatisiert (mit den nach sich ziehenden, entsprechend steigenden preisen), die löhne wurden gekürzt und das gewerkschaftswesen nahezu zerstört.
Wo liegt also dein Problem? Habe ich irgendwo behauptet, dass wir uns an England orientieren sollen? Nein, ich habe gesagt, dass wir doch mal über unseren Tellerrand hinausschauen sollten, England nimmst du mir als Beispiel vorweg, sehr lobenswert. Im Vergleich zu anderen Nationen leben wir nämlich noch so gut wie im Schlaraffenland, was unser Sozialsystem angeht.
-> Miete und das Lebensnotwendigste werden bezahlt
-> Es gibt einen Freibetrag, den man ansparen kann und nicht aufbrauchen muss
-> Es besteht die Möglichkeit, zusätzlich etwas hinzuzuverdienen, das machen die 1 Euro-Jobs möglich; so wurde einer weiteren Expansion der Schwarzarbeit vorgebeugt
-> Der Staat stellt umfassende Möglichkeiten zur Information zur Verfügung, damit im Nachhinein keiner sagen braucht, er habe es nicht verstanden. Wer Probleme mit dem Ausfüllen hat, kann das örtliche Arbeitsamt konsultieren und bekommt Hilfe.
jugendliche haben, ausser in einfachen dienstleistungsjobs, keine aussichten. england hat die längsten arbeitszeiten europas. miese löhne, die kaum jemand auf einen grünen zweig kommen lassen und schlimme arbeitsbedingungen sind die regel.
Dabei wäre ganz relevant zu wissen:
a) Welche Ausbildung die genannten Jugendlichen haben
b) Ob du jemals schon von der Dienstleistungsgesellschaft gehört hast und
c) Die Quelle, die dir das gerauscht hat
Hierzulande kann man, wenn ich richtig informiert bin, studieren, woraufhin sich doch die ein oder andere Chance bietet, nicht als Verkäufer beim Lidl zu versauern. Dass man mit Hauptschulabschluss nicht mehr weit kommt, sollte wohl landläufig bekannt sein; das aber auf alle Jugendlichen zu beziehen, ist schlicht und ergreifend Panikmache.
Die "miesen Löhne", von denen du sprichst, sind aber nicht nur in England bemerkbar. Ich würde sagen, seit den 80ern existiert ein Trend, die Löhne niedriger und die Produkte teurer werden zu lassen (jaja, die 80er ... da gab's solche Reformbrut wie Schröder noch nicht, was?). Das als Folge der Reformen in England zu sehen, zeugt von, nun ja, einem gewissen Mangel an anderen Kausalitätenketten. Schau dir doch die Preisentwicklung hier an - Löhne sind immer nur dann mies, wenn die Preise zu hoch sind. Siehst du das nicht auch als internationales - oder zumindest westliches - Phänomen oder schiebst du es tatsächlich auf die Thatcher-Reformen?
die kluft zwischen arm und reich hat sich auch in großbritannien verbreitert.
die reichsten zehn prozent der bevölkerung verfügen heute über den größten anteil am nationaleinkommen seit 1988, dem höhepunkt der Thatcher-regierung.
Du liebe Güte, die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich in GB verbreitert. Siehe oben, das ist nicht auf bösartige Reformvorgänge zurückzuführen, sondern auf die Mentalität der Konzerne, die sich verändert hat. Als sie noch am Anfang standen, das Geld brauchten, der Chef noch nicht im Glasfensterkomplex in New York sitzen konnte - da berechnete man Löhne und Preise fair. Heutzutage haben einige Herren wohl die Bodenhaftung verloren. Aber bevor ich hier der Schönmalerei (ja, damals ...) beschuldigt werde ...
Und dass die Reichen immer reicher werden, das ist auch ein logischer Vorgang. Schließlich vermehrt sich Kapital immer besser, je größer es wird. Ein angespannter Arbeitsmarkt im Westen tut sein Übriges. Wenn das Volk kein Geld mehr hat, wo soll es denn bleiben?
und genau das wird einem als nachahmenswert verkauft.
Dingeling, da hat wohl jemand meinen Post (absichtlich?) falsch interpretiert.
immer am unteren rand orientieren, gelle?
Es ist auf jeden Fall gut zu wissen, was man hat. Wer von sozialem Kahlschlag spricht, sollte wissen, wie sehr woanders schon gerodet wurde.
Nun wollte ich noch ein paar Wörtchen zu deinem Walter-Spilka-aus-Erfurt-Text verlieren.
Zunächst wäre es von großem Nutzen, wenn man erführen, was der werte Herr Spilka von Beruf ist. Schließlich schreibt er:
Spilkas Walter schrieb:
Nach heutigem Sozialrecht kann SoziaIhilfeempfängern, die mit ihrem Geld notorisch nicht auskommen oder zumutbare Arbeit nicht aufnehmen, die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt von derzeit 282 Euro pro Monat (Thüringen) für längstens drei Monate auf etwa zwei Drittel gekürzt werden
Damit sagt er doch indirekt, dass er Gefahr läuft, seine Gelder gekürzt zu bekommen, weil er zumutbare Arbeit nicht annimmt. Nun müsste man wissen, was für Herrn S. aus E. so unzumutbar ist. Aber der Vollständigkeit halber wurde das weggelassen. Schön.
Allerdings werden wir laut dem Rundschreiben des Sozialamts ab 2005 keinen Anspruch mehr haben auf eine verbilligte, im Haushalt übertragbare Monatskarte zur Benutzung der Erfurter Verkehrsbetriebe; nicht nur die bisher vom Sozialamt getragene Hälfte von monatlich 16,25 Euro ist ab 1.1.05 von uns selbst zu tragen, sondern die Karte verteuert sich auch von 32,50 Euro auf 39 Euro.
Zwei Gesichtspunkte wären hierbei zu berücksichtigen:
a) Die Tatsache, dass die Erfurter Verkehrsbetriebe ihre Preise erhöhen, konnte vom Sozialamt nicht vorhergesehen werden. Daher ist diese Verteuerung nicht direkt auf die Hartz IV-Reform zurückzuführen. Würde man nach diesem Strickmuster vorgehen, könnte man jede Verteuerung auf die Reform schieben.
b) Warum benötigt Familie Spilka eine Karte zur Benutzung der Verkehrsbetriebe, wenn doch die Tochter des Hauses ein Fahrrad finanziert bekommen hat? Da ich davon ausgehe, dass Herr Spilka selbst auch eines besitzt (wenn ihr kritisieren wollt, überlegt bitte, ob ihr jemanden kennt, der keines besitzt), frage ich mich ernsthaft, wofür ein Fahrrad benötigt wird, wenn man gleichzeitig eine Dauerkarte für die Erfurter Verkehrsbetriebe braucht.
Ergo: 273 Euro mehr in der Monatsrechnung
Allerdings werden wir laut dem Rundschreiben des Sozialamts ab 2005 keinen Anspruch mehr haben auf Weihnachtsgeld in Höhe von 124 Euro (62 Euro für meine Tochter und 62 Euro für mich).
Sozial gerecht. Wenn Beschäftige auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten müssen, warum sollten dann Sozialhilfeempfänger, die nicht in die Gemeinschatfskasse einbezahlen, ein solches erhalten?
Ergo: 124 Euro mehr in der Monatsrechnung
Wir haben entsprechend über 17 Monate verteilt 609 Euro an einmaligen Beihilfen erhalten; knapp 430 Euro aufs Jahr gerechnet und knapp 36 Euro pro Monat.
So so, und diese einmaligen Ansprüche kann man als jedes Jahr wiederkehrende Kosten in seinen Finanzplan einbringen. Schauen wir sie uns genauer an:
"Beihilfe zur Anschaffung von Ersatz meiner Matratze" - Gut, die Matratze wird also nicht mehr so schnell kaputt gehen
"Anschaffung von Ersatz meines Waschmaschinenanschlußschlauchs" - Die Waschmaschine funktioniert auch wieder
"Anschaffung von Ersatz meines Kühlschranks" - Der Kühlschrank auch; so langsam haben wir die ganze Inneneinrichtung durch
"Beihilfe zur Anschaffung eines Fahrrads" - Geschenke vom Sozialamt; will ich auch
"Anschaffung eines Fernsehgeräts" - Urplötzlich braucht Herr Spilka ein Fernsehgerät
"neuen Staubsauger kaufen im Wert von 29 Euro" - Was man so alles an Neuem übers Jahr braucht
"Reparatur meines Küchenherds" - Was bleibt noch übrig, was man reparieren könnte? Achja:
"Reparatur des Fahrrads meiner Tochter" - Geht ja heutzutage alles schnell in die Brüche
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, Herr Spilka hat sich noch schnell alles reparieren und erneuern lassen, was man dank der Ansprüche machen lassen kann, und behauptet dreisterweise, dies sei jedes Jahr notwendig.
Ergo: 394 Euro mehr in der Jahresrechnung (die Trauerfeier ist natürlich berechtigt, da so was stets unvorhergesehen passieren kann)
Daraufhin startet Herr Spilka den Versuch, den steten Lochfraß seiner Geldbörse zu stoppen:
"Das Mittagessen in der Schule, das pro Schultag 1,55 Euro kostet, entsprechend pro Jahr (etwa 200 Schultage) etwa 310 Euro und somit knapp 26 Euro pro Monat, reduziert natürlich die Haushaltskosten"
Prima, denkt man sich, doch dahinter steckt nichts weiter als die Behauptung, die Portionen seien zu klein für seine Tochter. Das ist nun eine Behauptung und ich behaupte, die Schule wird die Portionen gerecht bemessen, da ein voller Magen auch guten Leistungen zuspricht.
Ergo: 156 Euro mehr in der Monatsrechnung
Rechnet man die Dinge dazu, die meiner Meinung nach unnötigerweise aufgeführt wurden, kommt man zu folgendem Ergebnis:
-1232+947 = -285
Auf den Monat gerechnet hat Herr Spilger also knapp 24 Euro weniger. Was er nicht angibt, ist etwa der Konsum von Genussmitteln, die Höhe des Taschengeldes usw.. Zieht man diese Überlegung hinzu, schrumpft das Minus ins Kleinkarierte oder gar ins Positive. Die Situation ist also weit nicht so dramatisch, wie in der "Jungen Welt" dargestellt.
@forcemagick:
Neben der Vergütung der Position als Erntehelfer bekommst du ja auch noch dein AGII. Natürlich ist das keine Arbeit fürs ganze Jahr, aber für eine gewisse Zeit im Jahr schaffst du dir so ein kleines Zusatzeinkommen.
Dass die Mietpreise hierzulande relativ hoch sind, das ist mir bekannt. Aber je kleiner die Einkommen werden, umso geringer müssen - empirisch gesehen - auch die Mieten werden, denn ein Vermieter würde nichts mehr verdienen, wenn sich - salopp gesagt - keine Sau mehr ein Zimmer leisten könnte.
Die Botschaft, die deine Großmutter dir mit dem Pfennigstück vermitteln wollte, lautete, denke ich, dass du mit deinem Geld sparsam umgehen sollst. "Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert", so ging der Spruch doch, oder? Vor 20 Jahren konnte man sich damit auch noch eine Kleinigkeiten kaufen ... heute ... wohl kaum mehr.
Sieh es von der positiven Seite. Jetzt, wo man auch wieder aufs Feld muss und echte Arbeit kennen lernt, wird einem erst richtig bewusst, wie gut es uns eigentlich noch geht. Dieses Wissen kann den Lebensabend sicherlich angenehmer gestalten; denn man vermisst etwas Gutes erst dann, wenn man es nicht mehr hat ... und man weiß es umso mehr zu schätzen, wenn es wieder zurückkommt. Klingt vielleicht nach rosa Wolke, aber nach einem so langen Beitrag sah ich es als passendes Schlusswort.
