Zu den Regimestürzen in Nordafrika

phoenix

Großmeister
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Naja ich glaube, dass "böse" Diktatoren schon Emotionen besitzen, aber sie glauben doch immer an irgendwelche Hirngespinste, die sie ja fleißig verbreiten und dann auch noch selbst glauben... Zudem wird der Mensch im Alter der Empfindsamkeit eines Kindes immer weiter entrückt und die Gewöhnung an Macht und Status lassen auch noch den Sinn für eine weniger verdrehte Sicht trübe werden, da das ganze nicht ohne eine Selbst-"Belügung" bzw. Täuschung funktioniert, leidet natürlich der "Wahrheitssinn"
teilweise so sehr ,dass es für einen nicht involvierten Betrachter ziemlich abstrus erscheint. Ob Hitlers Zionismuswahn oder George Bush's Lügen über den Irak, Gaddafis Aussage seim Volk liebt ihn und Al Quaida ist schuld usw.

Für einen einigermaßen objektiven Beobachter alles Quatsch, für den leider mächtigen Irren die Wahrheit, ob sie nun stimmt oder nicht... Wenn man in schon zahllosen Widersprüchen sich befindet, kommt einfach die Emotion daher, die "dagegen" oder "dafür" ist, basta, also wenn man einen offensichtlichen Widerspruch (zur Realität und den Aussagen und Weltanschauungen in sich) kompensieren will, dann geht das nur auf kosten der Intelligent, Vernunft und Einsicht...

und leider sind oft sehr Mächtige so drauf (meine ich zu beobachten)
 

agentP

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War es logisch Millionen Menschen in Lagern zu vernichten oder steckte da ein irrationaler Hass dahinter?
War es logisch dass Jahr um Jahr Freiwillige in´s heilige Land zogen um in Gottes Namen "Ungläubige" zuhauf zu massakrieren und irgendwelche heiligen Stätten zu befreien oder steckten da irrationale religiöse Gefühle dahinter?
Ist der Nationalstolz der Scharen in Vorfreude auf einen "Spaziergang nach Paris" jubeln lässt ein Gefühl oder entspringt er einer logischen Überlegung?
Werden Massenvergewaltigungen wie in Bosnien von kalten Logikern ausgeführt?

Und natürlich sind diese Taten für "das Böse" auch logisch: Wenn man bestimmte Menschen quasi als Parasiten sieht, dann ist es logisch sie zu vernichten. Für einen mittelalterlichen König ist es logisch über Jerusalem herzufallen ebenso wie für den Kaiser über Frankreich, weil es eine Chance ist Macht und Ansehen zu gewinnen.
Und für den Kriegsverbrechergeneral vom Balkan ist es logisch die Frauen vergewaltigen zu lassen, weil es Teil einer ebenso perfiden wie effektiven Methode zur "ethnischen Säuberung" ist, die er im Sinn hat.

Es steckt immer beides drin, man kann da nicht trennen.
 

haruc

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Ich finde den Begriff "böse" sowieso in diesem Kontext nicht ganz angebracht. Taten sind ja nicht von sich aus universell "böse" sondern sie sind böse, weil wir sie aus unserem heutigen Werterahmen heraus als böse einstufen.

Und das mit den jubelnden Volksmassen vor dem erwarteten Spaziergang nach Paris ist längst als Legende enttarnt. Das war damals die gleiche Klientel, die heute hupend durch die Innenstadt fährt wenn Deutschland in irgendeinem EM oder WM-Spiel irgendeine Mannschaft besiegt - man kann also nicht von einer Volkserhebung oder sonstwas sprechen.

Abgesehen davon sollte der Franzmann mal wieder das Fell über die Ohren gezogen bekommen - was ist daran unlogisch? 1870 erstmal einen Krieg provozieren, kläglich versagen, Gebiete verlieren, die eh damals deutschsprachig waren und dann auch noch so dreisterweise dafür Rache fordern wollen. Als sei das Resultat nicht selbstverschuldet gewesen. Ein Beispiel für typisch französische Maßlosigkeit.

~~~
Dem Nationalsozialismus kann man auch keine Logik zugestehen. Die "Ideologie" (so es denn überhaupt damals eine festgefügte Ideologie gab) basierte ja weitgehend auf Ressentiments und Vorurteilen, die später dann "wissenschaftlich" belegt wurden...
Ich glaube eher dass der NS ein chaotisches System mit unheimlich vielen Aktueren war, die dann und wann aktiv wurden und dass sich daraus eine destruktive Dynamik entwickelt hat, die letztendlich auch im Massenmord gipfelte. Hitler hatte in diesem Gefüge oftrmals nur die Rolle einer bereits getroffene Entscheidungen absegnenden Autorität.
Mommsen nennt das Strukturalismus und Funktionalismus, Broszat charakterisiert das System als eine auf "Polykratie basierende Monokratie".
Da nach Logik zu suchen wird verdammt schwer - und kaum nachvollziehbar.
 

agentP

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Das war damals die gleiche Klientel, die heute hupend durch die Innenstadt fährt wenn Deutschland in irgendeinem EM oder WM-Spiel irgendeine Mannschaft besiegt

Türken¹ und Araber? Sorry, ich wohne in Kreuzberg. :rofl:



¹ Es sei denn natürlich die andere Mannschaft IST die Türkei. Dann sind´s aber dafür 25% mehr Araber.
 

haruc

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Um mal wieder zum eigentlichen Thema zurückzukommen:

Die Lage in Lybien verschlimmert sich zusehens. Die Reaktion erobert Gebiete zurück. Man kann wohl von einem Krieg der Bürger gegen die Regierung reden.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-03/libyen-fluechtlinge-gefechte-interpol

Anfangs sah es so aus als würde der Umsturz in Lybien ähnlich verlaufen wie in Tunesien und Ägypten. Noch vor einer Woche wurde gemutmaßt, dass sich Gadaffi bereits abgesetzt habe, das Regime sei am Zerbröckeln.

Heute werden vonseiten der Regierung militärische Aktionen gegen die Umstürzler durchgeführt. Von zahlreichen Toten ist die Rede und auch von schweren Waffen, die die Umstürzler in ihrem Besitz haben.
Das legt die Vermutung nahe, dass auch Teile des Militärs sich aktiv am Umsturz beteiligen.
Schon vor einer Woche wurde von einer Massenexekution von Soldaten berichtet, die sich geweigert haben, den verbrecherischen Befehlen des sozialistischen Revolutionsführers zu folgen.

Es scheint also ein Bruch mitten durch die Gesellschaft zu gehen, durch alle Klassen hindurch.

Meiner Meinung nach sollte die demokratische Welt keine Zeit verlieren und weiterhin die Humanitären Maßnahmen ausbauen ABER auch für massive militärische Präsenz in der Cyrenaika sorgen.
Man kann nicht tatenlos zusehen, wie ein Regime die eigenen Bürger niederschießt.
Sollte das Säbelrasseln des Westens Gadaffi nicht zur Raison bringen, muss denn das Schwert die Entscheidung herbeiführen. Leider sehe ich keine anderen Alternativen.
 

Goatboy

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Ganz deiner Meinung. Ich finde, spätestens als die Sache mit den Kampfflugzeugen bekannt wurde, hätte man mit der Planung einer militärischen Intervention beginnen sollen. Dieses übliche Vorgehen, ob nun seitens der EU, UNO oder eines beliebigen Landes, tage- und wochenlang zuzusehen, um dann allen Mut zusammenzunehmen und die Phrase "Wir verurteilen die Gewalttaten" rauszuhauen, kotzt mich zunehmend an. Aber womöglich gibt es irgendwelche Klauseln, die militärische Eingriffe in solchen Fällen erschweren, ich weiß es nicht.

Immerhin hilft man den Flüchtlingen.
 

Simple Man

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Die Antwort hat haruc doch selber teilweise gegeben: wie willst du militärisch intervenieren, wenn der Bruch in dem betreffenden Land quer durch die Bevölkerung geht und das Militär anscheinend zweigeteilt ist? Da besteht doch eine riesige Gefahr von "Kollateralschaden" ... darüber hinaus müssen Militäraktionen in unseren Breitengraden parlamentarisch legitimiert werden, auch das dauert ... außerdem muss man sich bewusst sein, dass das Gewaltverbot im Völkerrecht ein ziemlich hohes Gut ist ... von den logistischen und planerischen Herausforderungen gar nicht zu sprechen ... und von den politischen Folgen fangen wir auch gar nicht erst an ... eine erneute Militäraktion des Westens im Nahen Osten, ohne vernünftige Planung für das Danach? Müssen wir das echt noch einmal haben? Und vor allem: würde das nicht den Aufstand in Verruf bringen und Gaddafis Propaganda massiv nützen?

Das Einfrieren der Konten finde ich viel sinnvoller, wenn man bedenkt, dass scheinbar eine Menge Söldner zum Einsatz kommen ...
 

haruc

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Simple Man schrieb:
außerdem muss man sich bewusst sein, dass das Gewaltverbot im Völkerrecht ein ziemlich hohes Gut ist

Aber welche Gewalt ließe sich moralisch am ehesten rechtfertigen? Diejenige Gewalt, die einen Diktator davon abhält seine Bürger niederzuschießen oder die Gewalt die der Diktator selbst anwendet um damit den Drang der Menschen nach besseren Lebensbedingungen und politischer Partizipation abzutöten?

Man muss sich jedoch immer auch Bewusst machen, dass der Schritt hin zum Krieg den Tod tausender Menschen bedeuten wird, die in diesem Kampf eigentlich nur Statisten sind. Der gemeine Soldat wird verheizt und die Verantwortlichen kommen mit einer Villa irgendwo auf einer Insel davon.

Trotzdem darf man nicht tatenlos zusehen wie ein Regime im Überlebenskampf die Bevölkerung in ihrem eigenen Blut ersäufen will. Die Situation ist scheinbar eine andere als in Ägypten, wo es ja auch zahlreiche Tote gab.

Gadaffi wird sich recht wenig dafür interessieren was irgendwelche Diplomaten in Protestdepeschen schreiben. Solange er den Krieg gegen sein Volk ungehindert führen kann wird er es wohl tun.

Es sollte daher zumindest eine Drohkulisse aufgebaut werden, die ihm signalisiert, dass sein Verhalten von der Weltöffentlichkeit nicht akzeptiert wird.

Das Problem ist halt, wie von Simple Man bereits angesprochen, dass es keine klaren Fronten gibt. Es ist vermutlich nicht so, dass westlich der Linie XY die "Bösen" und östlich davon die "Guten" sitzen...

Mal gespannt welche Form von Militärischer Intervention der Liberale für sinnvoll hält, sollte es denn tastächlich so weit kommen.
 

Themis

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Auch wenn laut den Nachrichten führende Oppositionelle die Durchsetzung der Flugverbotszone durch westliche Militärs fordern, müssen diese Länder aufpassen, dass sie nicht im nachhinein Gaddafis Märchen des vom Ausland gesteuerten Aufstands bekräftigen.
Ein echtes Dilemma.
 

Ein_Liberaler

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Kann es denen und uns nicht egal sein, was im nachhinein diesem oder jenem gerechtfertigt erscheint? Machen denn nur die anderen Propaganda und wir gar grundsätzlich nicht?
 

Themis

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Prinzipiell gebe ich Dir recht. Nur mussten die Menschen dort sehr lange unter Fremdherrschaften leben, weshalb ich denke, dass viele Libyer im Falle einer militärischen Intervention sehr anfällig für antiwestliche Scharfmacher sein könnten.
Am elegantesten wäre es, Sie würden den Gaddafi von selbst stürzen.
 

vonderOder

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die große Frage ist wohl: sind das nicht letztlich nur Stammeskriege die ein kleiner Funken zur Explosion gebracht hat, und spielt da nicht in Wirklichkeit wieder einmal eine gewisse "Organisation" mit.
Angeblich hatte sich ja auch damals das afghanische Volk gegen die sowjet-russischen Besatzer gewehrt.
 

haruc

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vonderOder schrieb:
Angeblich hatte sich ja auch damals das afghanische Volk gegen die sowjet-russischen Besatzer gewehrt.

Das Afghanische Volk und die Rüstungsindustrie des Westens ;)

Themis schrieb:
Am elegantesten wäre es, Sie würden den Gaddafi von selbst stürzen.

Sicherlich wäre es das. Aber danach siehts im Moment nicht aus. In Nordafrika metztelt eine undemokratische Regierung gerade ihre Bürger nieder, die vermutlich auf Freiheit und Partizipation aus sind und der Westen steht nebendran, guckt zu und alles, was er neben förmlichen Protestnoten gebacken kriegt ist das Chartern einiger Zivilmaschinen um ein paar Flüchtlinge auszufliegen.
Man sagt ja oft, der Westen habe seine Glaubwürdigkeit verspielt - jetzt wäre die Stunde gekommen um durch entschlossenes Handeln zu beweisen, dass er die Werte die er zu vertreten vorgibt ernst nimmt.
Es müssen ja wie gesagt nicht gleich ein Stahlgewitter über Lybien hereinbrechen - ein paar Flugzeugträger, Lenkwaffenkreuzer und Präsenz in der Luft könnten ja schon ausreichen.

Nicht dass nachher einer auf die Idee kommt, die Haltung des Westens in dieser Frage mit der Haltung der Sowjetunion 44 zu vergleichen als es in Warschau zum Aufstand kam...
 

Simple Man

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Und warum sollte der Westen sich jetzt ausgerechnet in Libyen engagieren und nicht im Sudan, Somalia oder wo sonst Menschenrechte mit Füßen getreten werden?
 

Goatboy

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Weil er dort schon engagiert ist. Völlig unzureichend allerdings, insofern ist deine Frage absolut berechtigt.
 

haruc

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vonderOder schrieb:
das Thema hatte wir an anderer Stelle auch schon durchgekaut.

Ja, dann sind wir uns ja einig, dass es nicht allein das Afghanische Volk war ;)

Simple Man schrieb:
Und warum sollte der Westen sich jetzt ausgerechnet in Libyen engagieren und nicht im Sudan, Somalia oder wo sonst Menschenrechte mit Füßen getreten werden?

Ich hab damit gerechnet, dass von Dir genau dieser Einwand kommen wird. Ich hatte sogar schon einen riesigen Abschnitt dazu geschrieben und ihn dann aus Müdigkeitsgründen nicht mehr überarbeiten können/wollen und ihn daher gelöscht.

Warum ausgerechnet in Lybien und nicht sonstwo?
Sonstwo haben wir schon unsere Glaubwürdigkeit verspielt. In Lybien ist die"Wunde" noch ganz frisch, ein schnelles Eingreifen hier würde genau das widerlegen, was Kritiker dem Westen vorhalten. Das heißt natürlich nicht, dass man andernorts weiter zusehen darf und kann. Aber dort tut man schon seit Jahrzehnten nix, da kommts nicht auf nen Monat oder zwei an.
Außerdem stehen die Nordafrika-Konflikte momentan voll im Rampenlicht. Was sonstwo in Afrika passiert schafft es meist nicht mal in Form von Kurzmeldungn in Zeitungen.
Die mediale Aufmerkssamkeit ist en Multiplikator für die Wahrnehmung und Wertung des Handelns. Hier nicht zu handeln wird weitaus schlimmere Folgen für die Wahrnehmung des Westens und seiner Werte haben als das Nichthandeln in sonstigen Erdteilen.

Wobei traurigerweise die Lage in den von Dir angesprochenen Gebieten durchweg dramatischer ist und eigentlich ein Handeln dort dringender erforderlich wäre.


edit:

http://www.abendblatt.de/politik/au...ruppen-ziehen-sich-aus-Al-Sawija-zurueck.html

Scheint sich ja wirklich ein handfester "bewaffneter Konflikt" zu entwickeln.
 
G

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haruc schrieb:
Heute werden von seiten der Regierung militärische Aktionen gegen die Umstürzler durchgeführt. Von zahlreichen Toten ist die Rede und auch von schweren Waffen, die die Umstürzler in ihrem Besitz haben.
Das legt die Vermutung nahe, dass auch Teile des Militärs sich aktiv am Umsturz beteiligen.

Das dürfte in erster Linie auf das Konto 50.000 (oder 15.000 - ist schwer zu verstehen) der von Israel bezahlten Söldner gehen.

http://www.youtube.com/watch?v=TrZB-hasXf0&feature=player_embedded
 

haruc

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Na toll, die Quelle ist ein mit staatlichen Mitteln finanzierter iranischer Sender...
Soweit ich das verstehe ist von 50.000 Söldnern die Rede. Ich würde das mal - ganz vorsichtig gesat - nicht als Faktum darstellen...
 

Gilgamesh

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Zu den Söldnern kommen mir noch ganz andere Fragen in den Kopf! Was ist denn mit den anderen Bürgerkriegen in Afrika. Sind das wirklich Bürgerkriege oder werden auch in anderen Staaten Söldner gegen Bürger eingesetzt?!
 
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