Weniger Demokratie wagen

Simple Man

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agentP schrieb:
Dem kann ich nur entgegenhalten:
Ich verstehe nicht ganz? :gruebel:
Ich halte Wähler nicht für inkompetent ... ich finde es nur belustigend, dass es in den Foren die ich so lese, vor allem User aus dem linken Spektrum zu sein scheinen, die direktere Demokratie und Plebiszite fordern, dabei aber zu übersehen scheinen, dass es bei der letzten Wahl eine Mehrheit für Schwarz/Gelb und damit vermutlich von Teilen deren Programms gab ...

Aber grundsätzlich mal zur Demokratie, Anstoß war dieser Beitrag von penta im Thread "Zu den Regimestürzen in Nordafrika".

Aber da sich das volk genauso uneins ist wie die regierung , sich fortwärend an kleinigkeiten reibt statt über eine sinnvolle gestalltung dieses landes zu arbeiten
Aber da fängt es doch schon an: definiere "sinnvoll" ... ja, Deutschland ist eine Demokratie ... und die Demokratie ist eine anspruchsvolle Staatsform, denn hier können Gesetze nicht einfach erlassen werden ... vielmehr bedürfen sie über kurz oder lang einer Unterstützung durch die Mehrheit ... dies wird umso problematischer, je größer die Bevölkerungszahl eines Landes ist, denn je mehr Leute, desto mehr Meinungen ... daher ist eine Problemlösung in Demokratien nur durch Austausch von Meinungen und Ansichten über Debatten und schlussendlich einen gemeinsamen Konsens möglich ...

Was folgt daraus? Eine Demokratie braucht, um funktionieren zu können, Bürger mit bestimmten Fähigkeiten ... Kompromissfähigkeit, Toleranz und Akzeptanz anderer Meinungen, Verstehen der verfassungsrechtlichen Grundwerte, Unterstützung eben dieser Werte, unbedingte Akzeptanz von Menschenrechten ...

Haben die Bürger diese Fähigkeiten nicht, können sie von einer Demokratie nur enttäuscht werden ... und imhO kann dieser Mangel nicht der Demokratie angelastet werden ... da ändert es auch nix, wenn wir direktere Demokratie haben - eher wären diese Fähigkeiten dann noch mehr gefordert ... hinzu kommt: die Welt wird komplexer, die Entwicklungen schreiten schneller voran ... wie will man dann spezifische Probleme so herunterbrechen, dass sie a)alle potenziellen Wähler verstehen und b)sich auf eine einfache Ja/Nein-Alternative reduzieren lassen?
 

Giacomo_S

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Simple Man schrieb:
hinzu kommt: die Welt wird komplexer, die Entwicklungen schreiten schneller voran ... wie will man dann spezifische Probleme so herunterbrechen, dass sie a)alle potenziellen Wähler verstehen und b)sich auf eine einfache Ja/Nein-Alternative reduzieren lassen?

Möglicherweise ist die Demokratie nicht der Weisheit letzter Schluß, vielleicht wird es andere Systeme geben, die das Erbe der Demokratie antreten. Allerdings sind durch die Systeme, die das in der Vergangenheit versucht haben, immer viele Menschen umgekommen.
 

Simple Man

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Diese Systeme würden dann doch aber zwangsläufig auf Diktatur oder Herrschaftslosigkeit hinauslaufen müssen, oder? Ersteres lehne ich ab, letzteres halte ich für utopisch, wenn nicht sogar illusorisch ...
 

sercador

Meister
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Selbst in den Ländern mit mehr direkter Beteiligung des Volkes gibt es Bereiche der Politik, die abgekoppelt sind.
Außenpolitik , Landesverteidigung, Justiz.
Hierzulande wird imo von der Politiker-Kaste viel zu oft das Argument gebracht, ein Problem sei zu komplex.
Es gehört doch ganz offensichtlich zu den Aufgaben unserer Vertreter in den Institutionen, dem Volk die Probleme, Entscheidungsmöglichkeiten und Konsequenzen aufzuzeigen.
Gäbe es z.Bsp. in Deutschland eine Volksabstimmung zur Frage "Sollen wir uns mehr um soziale Gerechtigkeit oder um internationale Wettbewerbsfähigkeit kümmern?", hätte man hinterher ein hübsches Arbeitspaket und eine Richtlinie, aber keine konkrete Einzel-Entscheidung.

Eigentlich sollten solche Fragen in unserem System durch die Parteien beantwortet werden. Man könnte also von einem Parteienversagen sprechen.
 

agentP

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Ich halte Wähler nicht für inkompetent ... ich finde es nur belustigend, dass es in den Foren die ich so lese, vor allem User aus dem linken Spektrum zu sein scheinen, die direktere Demokratie und Plebiszite fordern, dabei aber zu übersehen scheinen, dass es bei der letzten Wahl eine Mehrheit für Schwarz/Gelb und damit vermutlich von Teilen deren Programms gab ...

Das verstehe ich wiederum nicht.
Ich kann doch für Plebiszite sein und das bayerische Rauchverbot trotzdem doof finden.
Ich kann die parlamentarische Demokratie o.k. finden, aber mit der Regierung unzufrieden sein.

Beim Wasserbegehren am Wochenende konnten die Grünen ihre Wähler in Berlin nicht mobilisieren, dafür haben die sonst CDU-wählenden Eigenheimbesitzer vom Stadtrand das Begehren massgeblich durchgebracht.
Aktuell bekennen sich "offiziell" alle Parteien im Bundestag ausser der CDU zu Plebisziten auf Bundesebene und am weitesten gehen seit Jahrzehnten die rabenschwarzen CSU-Bayern.
Die Schweiz und die USA mit ihren ausgeprägten plebiszitären Elementen sind nun tendenziell auch eher "konservative" Gesellschaften.
Der Zusammenhang mit "rechts" und "links" oder parteipolitischen Interessen erschliesst sich mir daher nicht so recht.
 

Simple Man

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Ich drücke es anders aus: mein Eindruck ist, dass es Leute gibt, die Plebiszite fordern, weil sie glauben, dass sich die von ihnen vertretene Meinung dann eher durchsetzt - frei nach dem Motto: meine Meinung ist die der Mehrheit, nur die Lobbyhörigen Parteien ignorieren das Volk. Plebiszit heißt aber nicht, dass meine Meinung plötzlich in Politik umgesetzt wird. Eigentlich könnte ein Plebiszit sogar noch schlimmer sein: aufgrund einer notwendigen Zuspitzung findet evtl. kein Kompromiss mehr statt und statt wenigstens ein wenig recht zu bekommen, krieg ich den totalen Stinkefinger gezeigt ...
 

agentP

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Jetzt hab ich´s kapiert.
Ja, das stimmt sicher. Das sind vermutlich die gleichen Leute, die auch prinzipiell davon ausgehen, dass die Regierung grundsätzlich und immer gegen die Interessen des gesamten Wahlvolks handeln, solange ihre persönlichen Erwartungen nicht erfüllt werden, oder? :-D
 

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