Würde es uns im Mittelalter besser gehen?

rubikon

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Um es mit Harald Lesch zu sagen: "Früher wußten sie alles, heute wissen wir wenig über viel und irgendwann wissen wir nichts über alles..." (ggf. nicht der genaue Wortlaut, is schon ein paar Tage her wo ich das gehört hab)

Aber der Punkt ist doch, dass es den Wissenschaftlern im Mittelalter wesentlich besser ging als uns heute. Die hatten damals ein geschlossenes Weltbild und wussten quasi alles, wenn wir auch heute wissen dass davon vieles falsch war. Aber ist es nicht wesentlich beruhigender zu glauben alles zu Wissen als unsr Zustand heute, wo wir ahnen können dass der Yellowstone-Vulkan ausbricht und die Sonne irgendwann auch nicht mehr da ist. Wir wissen dass die Erde irgendwann wieder von einem großen Steinklotz aus dem All getroffen wird und dass wir nicht Mittelpunkt des Universum sind. Wir wissen dass wir eigentlich absolut unwichtig sind.

Glaubt ihr dass es für jedes einzelne kleine Individuum von Vorteil ist so "viel" zu Wissen wie wir heute? Oder wäre es für den kleinen Mensch an sich besser ein beruhigendes, geschlossenes Weltbild zu haben?
 

InsularMind

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Hm, ich hab darüber teilweise schon nachdenken müssen, ob Menschen nicht eher zufrieden sein können mit relativ Wenig, wenn sie nicht den Drang dazu in sich haben möglichst viel zu erfahren oder wissen zu können.
Ich wundere mich ob Unwissende sich damit leichter tun, Glücklichkeit oder Vollkommenheit in sich und mit ihrem Sosein zu erfahren.
Frage mich ob Religiöse deshalb oft so zufrieden oder lustig in sich erscheinen, weil ihre Weltbilder oft einfach strukturiert sind oder nach ganz klaren Vorstellungen geartet sind, als lebte man wie so ein Truman und nur einer kleinen Welt ohne Alternativen zum bestehenden Begriffsbild.

Ich muss aber trotz allem Unkomfort des ewigen Strebens nach mehr Wissen und dem stetigen Unsichersein, Unvollkommnbleiben,dem immerwährenden zwischen Hier und dort - Schweben und den Sorgen um Zukunft und Bestehen die das mit sich bringt sagen, dass ich mir ein Leben mit einem geschlossenen, unverschiebbaren Weltbild nicht vorstellen könnte --- es würde mich verrückt werden lassen nicht rausfinden zu dürfen, was dahinter steckt, oder ob das wirklich der Fall ist, was mir da erzählt wird.

Von den Wissenschaftlern des Mittelalters würde ich eher sagen sie hatten es grundsätzlich schwieriger, denn ihnen wurde das Nachforschen oft unter Androhung von drakonischen Strafen verboten, bei Vielen wurden solche Strafen verhängt weil sie sich mit dem aktuell anerkannten Weltbild nicht vereinbaren konnten.
Ich schätze dass irgendwann ein Zeitpunkt sein wird an dem Menschen viel weiter entwickelt sein werden, und auf die unsrige Zeit zurückblicken werden, und dabei denken "Ach hatten es die noch gut, die kamen mit nur 1 Gehirn noch gut aus" oder sowas, also eine Vorstellung von unseren paar Erkenntnisebenen haben werden als hätten wir es leichter gehabt.
 

morkaz

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Ich erlaube mir mal zu vermuten daß Kepler, Galileo und Newton Deine Frage mit Nein beantworten würde. Es gibt nie genug Wissen.

Zitat Newton: Was wir wissen, ist ein Tropfen; was wir nicht wissen, ein Ozean.

Zitat Galilei: Die Neugier steht immer an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will.

Ein geschlossenes gleichbleibendes Weltbild würde Stillstand und somit Rückschritt bedeuten. Ein Raum in dem es keine neuen Ideen geben würde, keine Fehler mehr aus denen man lernen würde.

Zitatquelle:

http://www.zit.at/namen.php3#zg
 

Artaxerxes

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@ all,

also ich halte es da wie Heraklit mit seinem panta rei .

Das Mittelalter war sicher eine interessante Zeit, doch wenn ich vor die Wahl gestellt werde, ich lebe lieber im Jetzt. Das Weltbild der Wissenschaftler war im Mittelalter doch enormen Zwängen unterworfen - was ja auch den Fortschritt stark behindert hat. Als Jetzt-Wissender würde ich - relativ zügig - im Kerker oder auf dem Scheiterhaufen landen, wenn ich meine heutigen Kenntnisse im Mittelalter publik machen würde.

Derjenige, der lieber eine statische Betrachtungsweise vorzieht, der ist allerdings im Mittelalter richtig aufgehoben!

Oder anders (mit den Worten von Karl Valentin) gesagt:

"Früher ging es uns gut, heute geht es uns besser. Vielleicht wäre es aber besser, wenn es uns wieder gut ginge!" :wink:

Gruß Artaxerxes
 

Calileo

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Artaxerxes:
"Früher ging es uns gut, heute geht es uns besser. Vielleicht wäre es aber besser, wenn es uns wieder gut ginge!"
geiler Spruch!


Als Jetzt-Wissender würde ich - relativ zügig - im Kerker oder auf dem Scheiterhaufen landen, wenn ich meine heutigen Kenntnisse im Mittelalter publik machen würde.
Ne, du musst dich nur geschickt genug anstellen. Das wäre doch das beste was dir passieren kann. Mit dem heutigen Wissen zurück ins Mittelalter! Mann, wär das geil. Ich würd nen Geheimorden aufziehen und die Herrschaft erlangen :lol:
 

Centauri

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Wenn ich an das Mittelalter denke dann fallen mir als erstes die Ritter ein die auf ihrem Pferd angeritten kamen,stark und hoheitlich,mit ihren langen Haaren unter dem Helm...

Ne,jetzt mal im ernst,ich bin mit der Zeit in der wir uns jetzt befinden schon zufrieden,ich glaube nicht das es uns im Mittelalter besser gehen würde.
Im Mittelalter war man entweder Bauer,Adeliger,Ritter,Graf oder Untertan,und wenn ich mir überlege jetzt als Untertan zu enden wäre schon alleine die Vorstellung schrecklich.
Ich weiss nicht ob ihr die Minnelyrik kennt,das sind die Minnegesäge aus dem Mittelelalter.
Da hat man sich noch mit dem Musikinstrument unter das Fenster der Geliebten gestellt und ein Ständchen gespielt.
Ne,ich bin schon zufrieden mit unserem Jahhundert.

Wenn man sich mal überlegt das warscheinlich die Hälfte von uns hier im Mittealter schon gar nicht mehr leben würden,weil man an Krankheiten veredet ist oder direkt nach der Geburt schon starb.

Ich bin aber auch überhaupt kein Mittelalter Fan,ich steh eher auf die modernen Sachen die unser Leben jetzt mit sich bringt.
Ich kann mir nicht vorstellen das es schön war in einer Burg um einen Tisch zu sitzen und dann die Knochen nach dem Essen hinter sich auf den Boden zu werfen.
Und das Gerülpse am Tisch,das war auch normal.
Und die Sanitären Anlagen,eine Katastrophe.
Aber das ist nur meine Meinung.

Das sie ein beruhigendes geschloßenes Weltbild hatten das zweifel ich mal an,denn es gab doch immer wieder welche die mehr erfahren wollten und gesucht haben,erforscht haben.
Die anderen mußten warscheinlich auf dem Acker Kartoffeln suchen damit sie nicht verhungern,verhungert sind auch viele.
Heute stellen sich viele das alles so romantisch vor,Königinnen,Ritter und Prinzessinen.
In Wirklichkeit war das eine Zeit in der man jederzeit auf der Straße angeriffen werden konnte.
Und man mußte um sein Essen bangen wenn der Adelsherr kam und die Ernte abholte.

Romantisch war das bestimmt nicht.
 
W

Weinberg, Oliver

Guest
Mittelalter,
...das ist Bier über den Tag verteilt, nur nicht in Dosen oder PET Flaschen.
..das ist die 100ste Fassung von 'Was Papa auf dem Kreuzug erlebte' statt Internet (und Papa blieb damals hinter Nürnberg in diesem netten Bordell hängen und hat Deutschland eigentlich jie verlassen, aber wie will man ihm beikommen?)
...das ist karge Kost in zugigen und feuchten Räumen
...das ist (in der Regel) von der Welt nicht mehr zu kennen als etwa 30 Kilometer Umkreis vom eigenen Lebensmittelpunkt
...das ist Kirche, die elementare Grundbegriffe ihrer eigenen Lehre im Hinblick auf bessere Zeiten zurück hält, weil dem Kaiser ja zu geben ist, was des Kaisers ist.
...das ist die Option zur Belustigung andere auf verschiedene scheußliche Arten öffentlich zu Tode zu kommen
...das ist zu Bett gehen, wenn die Sonne untergeht.

(Für die wenigen ausnahmen auf die dies nicht zutrifft, lohnt es sich kaum, deren Lebensumstände zu schildern)
 

Simonides

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@Artaxerxes:
Toller Spruch von Karl Valentin!!! Ich hoffe, Du hast nichts dagegen, wenn ich damit heute abend die Leute zutexte in der Kneipe.....

:lol:
 

InsularMind

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Ich glaube im Mittelalter gab es auf europäischen Ackern noch gar keine Kartoffeln.

Kamen die nicht erst so ab Columbus zu uns?

Nun gut sie hätten in den Wäldern nach Eicheln gefahndet oder Meerrettiche gegrillt.
Mich hätte man vermutlich auf dem Jahrmarkt ausgestellt, oder aber mir den Schierlingstrunk serviert. Leute mit grünlicher Haut waren seinerzeit relativ unbeliebt und auch unverstanden.

Das mit dem begrenzten Wissenschaftshorizont muss schlimm gewesen sein, mit neuen Thesengebäuden wie : Wenn es regnet fließt das Wasser hinter dem Himmel hoch, oder wird von Engeln in Joghurtbechern hochgetragen und kommt deshalb von oben wieder herunter.

Ach ja, Joghurtbecher hatten se ja auch nicht... :wink: oder wie Nachbar's Kleine ge´sagt hätte :Wie konnten die nur den Tag überstehen -- so ohne CD's .

Wäre dennoch sehr gespannt wie Welche in 500 Jahren über unsere String - Theory ect. lachen...
 

Tyler-Durden

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Unwissenheit kann wirklich ein wahrer Segen sein. Pilze oder Schwämme denken nicht, die haben nie einen schlechten Tag !

Ich glaube das wir Menschen uns einfach zu wichtig nehmen, was uns gesagt wird glauben wir vielleicht nur weil wir es selbst nicht besser wissen. Ob Forschungsdrang gut oder schlecht ist mag Ansichtssache sein, ich finde ihn eher schlecht. Bei Rudeltieren wird das kranke Tier verstoßen und das finde ich okay weil es eben so ist ! Die machen sich da keine Gedanken darum :" Buhu...der Arme"
Es mag primitiv sein aber wer behauptet das ein Mensch nicht primitiv sein darf ?

Wir Menschen scheinen aber eine verdrehte Sicht der Dinge zu haben und wollen diese auch noch um jeden Preis perfektionieren. Auf einen längeren Zeitraum gesehen glaube ich das uns dieser Forschungsdrang eines tages noch gewaltig was abverlangen wird.
 

SentByGod

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questron schrieb:
Die hatten damals ein geschlossenes Weltbild und wussten quasi alles, wenn wir auch heute wissen dass davon vieles falsch war

Das ist das Problem. Die Menschliche Neugier lässt sich nicht gerne in ein enges Gefäß sperren, wenn sie doch schon mit einfachen Hilfsmitteln und wenig Anstrengung die Fehler im System ausmacht und diese Untersucht. Beispiel hierfür, Galileo Galilei mit seinem ( naja geklauten ) Fernrohr und den Sternen. ;)
Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Und je enger die Grenzen/ bzw. das Weltbild umso eher kommts zum Knall/ der Revolution.
 

Godot

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ein herrliches Gedicht passend zu dieser Thematik kommt von Gottfried Benn:

Verlorenes Ich

Verlorenes Ich, zersprengt von Stratosphären,
Opfer des Ion -: Gamma-Strahlen -Lamm -
Teilchen und Feld -: Unendlichkeitschimären
auf deinem grauen Stein von Notre-Dame

Die Tage gehen dir ohne Nacht und Morgen,
die Jahre halten ohne Schnee und Frucht
bedrohend das Unendliche verborgen -
die Welt als Flucht.

Wo endest du, wo lagerst du, wo breiten
sich deine Sphären an - Verlust, Gewinn -:
ein Spiel von Bestien: Ewigkeiten,
an ihren Gittern fliehst du hin.

Der Bestienblick: die Sterne als Kaldaunen.
der Dschungeltod als Seins- und Schöpfungsgrund,
Mensch, Völkerschlachten, Katalaunen
hinab den Bestienschlund.

Die Welt zerdacht. Und Raum und Zeiten
und was die Menschheit wob und wog,
Funktion nur von Unendlichkeiten -
die Mythe log.

Woher, wohin - nicht Nacht, nicht Morgen
kein Evoe, kein Requiem,
du möchtest dir ein Stichwort borgen -
allein bei wem?

Ach, als sich alle einer Mitte neigten
und auch die Denker nur den Gott gedacht,
sie sich den Hirten und dem Lamm verzweigten,
wenn aus dem Kelch das Blut sie rein gemacht,

und alle rannen aus der einen Wunde,
brachen das Brot, das jeglicher genoß -
o ferne zwingende erfüllte Stunde,
die einst auch das verlorne Ich umschloß.
(1943)


noch besser, glaub ich, weil leichter verständlich ist folgendes Gedicht von Rilke:

Ich fürchte mich so...

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt gerade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gerne.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.



hach, ich finde, das geht unter die Haut.
 

Mr. Anderson

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Ich glaube nicht, daß die Leute im Mittelalter einen Vorteil daraus hatten, alles zu wissen. Der Mensch ist schließlich in der Lage zu denken. Und wenn neue Rätsel auftauchen, dann ist das eigentlich positiv, denn dadurch tritt ein Sinn der Menschlichen Existenz überhaupt erst in den Vordergrund, nämlich zu forschen.

Außerdem: im Mittelalter glaubte man vielleicht oft, alles (oder viel) zu wissen, aber dabei litt und starb man an schlechten Lebensbedingungen; und selbst wenn man diese wegläßt: dann wissen wir vielleicht heute von mehr schlimmeren Problemen der Menschheit als damals. Aber darf man denn wirklich, um glücklich zu sein, nicht wissen, daß man Probleme hat?
 

Centauri

Erleuchteter
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Aber darf man denn wirklich, um glücklich zu sein, nicht wissen, daß man Probleme hat?

Doch,man muß nur damit umgehen können.
Es gibt viele Menschen die mit Problemen nicht richtig umgehen können und dann werden sie unglücklich.
Damals war das so das einige Menschen wohl veruscht haben Hintergründe zu erforschen,wußten dann wohl auch das es ein Problem gibt,wußten aber keine Lösung.
Grade am Suchen der Lösung kann man verzweifeln.
Hätte man den Menschen früher gesagt das sie durch das Abwasser und die Fäkalien die sie auf die Straße werfen krank werden,hätten sie es zwar gewußt,sie hätten aber nicht gewußt warum,Bakterie hätten sie sich nicht vorstellen können,und dann hätten sie bestimmt nach einer Lösung gesucht,die aber vielleicht nicht viel weitergeholfen hätte.

So wie in der heutigen Zeit.
Wir wissen das Probleme da sind und suchen nach Lösungen.
In 200 Jahren wird man sich sicherlich darüber kaputt lachen wie dumm wir waren das wir die Lösungen nicht gefunden haben,die doch teilweise so einfach sind.
 

Spacesoldier

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Weinberg schrieb:
Wenn du alles weißt brauchst du selbst ja garnicht mehr denken...

Alles zu wissen ist die komplexeste Form des Denkens...
(Dieser Hinweis wurde gesponsort durch 'Wer wird Millionär?')
Also ich meinte das eher so:
Wenn ich glaube alles zu wissen, denke ich nicht mehr drüber nach! Auch wenn mein Wissen völlig an der Realität vorbei geht :wink:
 

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