marionetten- ha ha ha..so schallte es bei der kundgebung vor der SPD-zentrale und genau die kriegen jetzt auch durchhalteparolen von ihren strippenziehern:
Wirtschaft mahnt Politik bei Hartz zur Härte
Dienstag 17 August, 2004 19:49 CET
Berlin (Reuters) - Führende Vertreter der Wirtschaft haben Regierung und Opposition aufgefordert, ihren Streit um die Arbeitsmarktreform zu beenden und den wachsenden Protesten in der Bevölkerung nicht nachzugeben...
reuters
auch für die noch arbeitenden gibts wieder eine neue kröte zu schlucken- "selbstverantwortung" wird ja schließlich ganz groß geschrieben im neoliberalen wunderland:
Grenzenlose Raffgier
Neuer Vorstoß von BDA-Präsident Hundt: Beschäftigte sollen für Wegeunfälle zukünftig selbst haften
Bisher haftet die vom »Arbeitgeber« finanzierte gesetzliche Unfallversicherung für Unfälle, die Beschäftigte auf dem Weg zur bzw. von der Arbeit erleiden. »Die Betriebe können nicht für Dinge haftbar gemacht werden, auf die sie keinen Einfluß nehmen können«, begründete der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, sein Ausstiegsverlangen am Montag im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Anderenfalls seien die Berufsgenossenschaften gefährdet, denen die Durchführung der Unfallversicherung obliegt, drohte Hundt. Wegeunfälle machten 15 Prozent der gewährten Leistungen aus: »Die müssen aus dem Leistungskatalog ausgegliedert werden.« Aber auch Unfallrenten ganz allgemein hat der BDA-Präsident wegen einer angeblichen »Überversorgung« im Visier. Am heutigen Mittwoch wird sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag vermutlich Hundts Forderung anschließen. Er will in Berlin eine »Reform« der Unfallversicherung vorschlagen. Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) beabsichtigt Änderungen bei den Berufsgenossenschaften.
...Besonders dreist ist es, daß der Vorstoß von Unternehmern, sich aus der Haftung für Wegeunfälle zu verabschieden, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt kommt, zu dem per Gesetz festgelegt wird, daß immer längere Arbeitswege für Beschäftigte »zumutbar« sind.
http://www.jungewelt.de/2004/08-18/011.php
hehe, hundt und konsorten faseln also was von "überversorgung"- natürlich die der dummen bürger.
ich habe heute in meiner stadtzeitung (zitty) ein treffendes interview gefunden, das es allerdings nicht online gibt, weshalb ich es mal abgetippt habe.
sehr lesenswert!
Willkommen in der Wirtschaftskolchose
Fünf Fragen an Walter van Rossum, den Kritiker der Chefetagen
Herr van Rossum, in Deutschland spricht man gern von Sozialneid. Schüren Sie den nicht auch, wenn sie die Elite verunglimpfen als „mit Sondervergütungen und Subventionen gemästete Multimillionäre“ und „Spitzenbeamte mit beträchtlichen Nebeneinkünften“?
So interpretiert die Chefetage die fehlende Liebe des Fußvolkes zu den Besserverdienenden- und sucht Rettung in den Wonnen des Moralischen. Es geht aber um etwas anderes: Von 1950 bis 2000 stieg das Bruttoinlandsprodukt um das 41-fache. Die Nettolöhne stiegen um den Faktor 14,4. Die Bankzinserträge um das 231-fache und das Geldvermögen um das 207-fache. Irgendwann wurde versäumt, über wie auch immer zu begründende „Gerechtigkeit“ zu diskutieren.
Heute zwingt die immense Unruhe des aberwitzigen Kapitalberges die Reichen dazu, immer reicher zu werden und dem Rest der Welt wird es entsprechend schlechter gehen. Wer jetzt über die moralische Begründung von Managergehältern räsoniert, der will einfach nicht den kritischen Zustand des Systems sehen.
Sie haben in ihrem Essay geschrieben, dass mit Neoliberalismus in der Praxis nichts anderes gemeint sei, „als die Sozialbindungen der Wirtschaft zu kappen“, und Sie haben auf die USA verwiesen. Bedeutet der aktuelle Sozialabbau schon eine Amerikanisierung des Systems?
Das Wort Sozialabbau sagt viel über die Hilflosigkeit der Kritiker. Als handele es sich dabei um die Rücknahme karitativer Volksfürsorge. Der sogenannte Wohlfahrtsstaat ist ja nichts anderes als der bislang ziemlich gelungene Versuch eine tief gespaltene und hochdifferenzierte Gesellschaft zu befrieden, auf ein gemeinsames Projekt zu verpflichten und insofern effizienter zu machen. Außerdem sollen über Umlagen individuelle Risiken minimiert werden.
Mittlerweile besteht das Problem des Wohlfahrtsstaates allerdings darin, das Wachstum der Wirtschaft zu finanzieren- und zwar durch ungeheure direkte und indirekte Subventionen, durch absurde Staatsverschuldung und mit einer Arbeitslosigkeit von weit über fünf Millionen Menschen. Und die entscheidende Frage lautet, ob wir uns diese Art von Wohlfahrtsstaat noch erlauben können oder sollen. Insofern hat jedenfalls längst eine Amerikanisierung der Wirtschaft stattgefunden. Dazu gehört ja nicht nur die ständig wachsende Zahl der Arbeitslosen, sondern auch die permanente Bedrohung der Arbeitenden. Man sollte mal ausrechnen, wie viel reguläre Arbeitsverhältnisse die rot-grüne Regierung in den letzten Jahren zerstört hat. Ich kenne fast nur noch Leute, die auf Zeitvertragsbasis arbeiten und immer schlechter über die Runden kommen.
Grüne und Sozialdemokraten sind für Sie nützliche Idioten, die gebraucht würden, um das Land in eine „kapitalistische Wirtschaftskolchose“ zu verwandeln. Was ist das?
Werfen Sie mal einen Blick in die Agenda 2010. Das ist eine Art Zehn-Jahresplan zur Abrichtung der Gesellschaft auf die Belange der Wirtschaft. Angeblich geht es dabei um die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Aber wenn man mit dieser Agenda auch nur einen Arbeitslosen von der Straße bekommt, dann darf man die elementaren Gesetze der Mathematik für überwunden betrachten. Die Agenda- Politik basiert auf dem vagen Verdacht, dass man mit regelmäßigem Wachstum von mehr als drei Prozent im Jahr neue Arbeitsplätze schafft. Wie viele weiß man allerdings nicht so genau. Das andere Problem besteht darin, dass in hyperentwickelten Ökonomien wie in Deutschland ein stetes Wachstum von drei Prozent nicht mehr zu erreichen ist. Um das zu übersetzen: drei Prozent hieße, dass wir alle zwanzig Jahre unseren Konsum verdoppeln müssten. Aber wie soll man das schaffen, wenn in den letzten zehn Jahren das Nettorealeinkommen um über vier Prozent gesunken ist, während die Wirtschaft in diesem Zeitraum über fünfzehn Prozent gewachsen ist. Da entsteht eher der Verdacht, dass Wachstum Arbeitslosigkeit erzeugt.
Der Export läuft gut, die Gewinne der Unternehmen sind hoch wie lange nicht, die Steuern für sie niedrig wie nie. Trotzdem soll das Land am Abgrund stehen, und Gewerkschaften und Sozialhilfeempfänger sollen Schuld daran sein. Warum wird dieses Szenario so gern geglaubt?
Weil die meisten Leute längst nicht mehr ihrer eigenen Wahrnehmung trauen. Es sieht nicht gerade so aus, als verstünde jemand, was in dieser Gesellschaft passiert. Und je weiniger wir uns selbst verstehen, um so mehr orientieren wir uns an den Instinkten des Rudels.
Wenn man in der Zukunft die mentale Verfassung unserer Tage beschreiben will, dann wird man vielleicht von einem hysterischen Stupor sprechen- von der Erstarrung in der hellen Aufregung.
345 Euro pro Person, das ist die neue Richtzahl für den Rand der Gesellschaft. Welche Chancen hat der Widerstand gegen Sozialabbau und Lohnkürzungen?
Ich glaube, jeder Widerstand setzt Perspektiven voraus. Und die meisten Menschen haben wohl Angst davor, den Glauben an die kapitalistische Utopie zu verlieren. Aber ich möchte noch mal an die meisterliche Perfidie von Hartz IV erinnern. Das Problem besteht ja nicht nur in den lächerlichen Almosen, sondern in der sonderbaren Güte, eine gewisse Summe hinzuverdienen zu dürfen, sprich müssen. So wird eine Armeee von Handlangern dem Markt zugeführt, die dafür sorgt, dass noch mehr reguläre Arbeitsplätze verschwinden werden.
Walter van Rossum: „Meine Sonntage mit ‚Sabine Christiansen’- Wie das Palaver uns regiert“