Hallo,
Hurraa! Seit Anfang diesen Monats darf ich mich nun auch zum Heer des arbeitsscheuen Gesindels, welches dem Staat auf der Tasche liegt zählen (Ironie!)
Mein dicker Scheff, der in meinem Arbeitsvertrag eine Präambel reinsetzen liess, daß das Kündigungsschutzgesetz für diese Arbeitsstelle nicht gilt, der händeringend vor 4 Monaten noch willige Arbeitswütige suchte, die sich für 6,-Euro Bruttostundenlohn den A*** aufreißen verlagert seine Produktion nach Asien. Der Aufschwung ist da! Nur leider nicht bei uns, sondern in China...
Was war ich froh, daß mir noch die Zeit vergönnt war von meinen biblischen 19 Urlaubstagen pro Jahr, die 12 nicht genommenen Urlaubstage vom Vorjahr noch im Mai zu verbraten... bevor ich den Tritt bekam. Da wird einem doch so richtig bewusst, daß sich Arbeitseinsatz auszahlt
Ich fasse mal zusammen:
Kein Kündigungsschutz, 19 Tage Urlaub, kein Weihnachts, kein Urlaubsgeld und mindestens 3,50 Euro/h unter Tarif.
Ach ja... die letzten Gehaltszahlungen trudelten nicht am 1. des Monats. sondern kommentarlos am 21 erst ein. Zum "Dank" werden die paar Angestellten vom Boss persönlich auch noch angestänkert, weil Sie aus lauter Unmotiviertheit nicht Ihr ganzes Potential an Aufopferung und Hingabe dem Betrieb widmen. Im Originalton "wem 6,-Euro nicht genug sind der hat es wohl noch nicht nötig" und schließlich sollte hier jeder froh sein, daß er noch einen Arbeitsplatz hat, da sind ja schließlich unbezahlte Überstunden schon eine Pflicht...
Bespiele wie dieses sind und werden keine Seltenheit sein.
Da vorher schon mit knapp 1000 Euronen im Monat keine Konsumgeilheit aufkommen mag wird durch medienwirksames "Kaufen marsch marsch" Gejaule nicht gefördert. Wo nix ist kann auch nix ausgegeben werden. Man übt sich in Kaufzurückhaltung. Schließlich muss man ja in der heutigen Zeit mindestens 3 Monatsgehälter noch auf der hohen Kante haben... und das für den Fall, daß der Scheff mal wieder seinen Lohnzahlungsverpflichtungen nicht nachkommen will. Wers bis jetzt noch nicht gewusst hat: Zahlt eine Firma nicht das Gehalt aus, ist das noch lange kein Grund zur Kündigung! Kündigt man trotzdem brummt einem die Agentur für Arbeit eine Sperre auf.
Wer mir das nicht glaubt, dem kopiere ich gerne den Antrag beim Insolvenzgericht. Mein Lebensabschnittsbegleiter ist nämlich einer der "Glücklichen", der seit 4 Monaten dem noch austehenden Lohn hinterherhampelt. Wohlgemerkt laufen ungeachtet dessen sämtliche Verpflichtungen wie Miete, Strom weiter. Da lädt man gerne den Gerichtsvollzieher zum Kaffe ein...
Ich dachte auch, ich wäre besonders schlau, als ich mich im September letzten Jahres mal prophylaxehalber beim Arbeitsamt als "arbeitssuchend" meldete. Trotzdem ich mir ne halbe Stunde meine berufliche Laufbahn detailliert aus den Fingern sog, schaffte es diese Schnarchnase beim Amt meine 15-jährige berufliche Laufbahn auf eine Berufsbezeichnung zu reduzieren...
Hätte er sich mal bemüht, sämtliche meiner Angaben in seine Computerkiste zu hämmern hätte ich im Laufe des letzen 3/4 Jahres vielleicht sogar mal ein Angebot bekommen... naja, Schwamm drüber. Man hat ja noch ein wenig Eigeninitiative... und man ist ja auch noch flexibel, was die Berufswünsche angeht.
Ich liess mir also sofort ein paar Termine verpassen. Unter anderem dieses Existenzgründerseminar... Suuper! Zwei Tage vorher flattert ein fetter Briefumschlag ins Haus... Ort und Datum des Seminares, anhänglich 4 Seiten Paragraphenbelehrung, welche Sanktionen mir drohen, falls es mir in den Sinn kommen sollte, diesem Event nicht beiwohnen zu können. Was soll ich sagen... Es gibt Momente, da bekommt man einen fatalen "Hals", ganz einfach, weil man sich gemassregelt und gegängelt fühlt. Nach wie vor ist es mir ein Rätsel, wie sich ein Staat einbilden kann, daß man mit einer Existenzeinkommensgrenze auch nur annähernd eine Selbständigkeit aufbauen soll. Überbrückungsgeld und Ich-AG erfüllen auch vorrangig den Zweck, die Arbeitslosenstatistik zu frisieren! Zwangsmassnahmen wie "Bewerbungscoaching" tragen sich laut Auskunft meines Arbeitsberaters alleine schon durch die Zahl der verhängten Sperrzeiten.
Allen Alternativen offen verplempert man auf www://arbeitsagentur.de wertvolle Online-Gebühren. Das Portal ist schneckenlahm und wer schon einmal versucht hat, seine beruflichen Daten dort einzuhäckseln ohne das das System einen rausschmeisst weiss, wie eine vor Wut angebissene Tastatur aussieht. Ich habe munkeln gehört, daß die Erstellung dieses neuen Systems nicht gerade billig war... jedenfalls ist es eines der vielen Beispiele, wo wertvolle Steuergelder verplempert wurden.
Was für ein Glück, daß die Telekom noch nicht die Leitung gekappt hat. Zum Glück gibt es im Internet massigJobbörsen, die doch hin-und wieder mal ein Stellenangebot haben... und zum Glück bin ich nicht auf den Internetanschluss bei der Agebtur für Arbeit angewiesen. Bei meinen letzten 4 Besuchen beim Amt war dieser leider ausser Betrieb.
Hartz IV setzt allem noch die Krone auf. Wer für sein Alter was gespart hat und vielleicht in eine Lebensversicherung investiert hat wird begeistert sein, diese Reserven "zum Wohle der Allgemeinheit und des Pleitestaates" zu verballern. Als Single mit eigener Wohnung lebt es sich sorglos, denn schließlich kann man nicht dazu verdonnert werden, für seinen Lebenspartner mit aufzukommen, nur weil dieser zu faul ist, sich eine Arbeitsstelle zu suchen... Arbeitsplätze scheinen wir ja massig zu haben, denn wer arbeitslos ist, ist ja nur zu bequem. Das Beispiel mit in der Wüste nach Wasser graben kommt da schon auf den Punkt.
Wie praktisch auch, daß der Zivildienst abgebaut werden soll. Man schafft so ausreichend Reserven die "teuren" Zivis durch billige und arbeitsunwillige ALG II Empfänger zu ersetzen. Eine praktische Alternative, führt sie doch gleichzeitig zur Senkung der Arbeitslosenzahl.
Das wir statt 4,5 Mio eher das doppelte an "Arbeitslosen" haben dürfte sich ja auch schon herumgesprochen haben...
Wer hier meint, daß ginge in nichts an, der sollte mal überlegen, wie schnell er selber vielleicht in den Genuss von "Hartz IV" kommen könnte...
Auch meine Schwägerin ist happy, Sie darf Ihren Job noch die nächsten drei Monate ausüben... letzte Woche hat Ihr die Firma eröffnet, daß Sie Ihr leider auch die nächsten 3 Monate nicht das GEhalt zahlen können... Gestern ist Sie zum Sozialamt gerannt... mit dem bahnbrechenden Erfolg, daß die Ihr auch nicht helfen... Das klingt doch echt nach Aufschwung??
Es ist fast egal, im Familienkreis und auch im Freundschafts- und Bekanntenkreis hört man nur noch Gejammere und Kathastrophenschicksale, während im Fernsehen propagiert wird, wie Sozialschmarotzer und Schwarzarbeiter den Staat kaputtmachen.
Vielleicht wird ab Januar 2005 ja mal ein kollektives Aufheulen durch die bürgerlichen Massen gehen. Meine Tolaranzschwelle ist jedenfalls schon jetzt überschritten
liebe Grüße
Lilith