Hallo, ich bin neu hier und finde das menschliche Bewusstsein sehr faszinierend, also wollt ich auch mal meinen Senf dazugeben, v.a. weil ich denke dass man empirische Erkenntnisse in die Diskussion um das Bewusstseinsphänomen unbedingt einbinden muss.
Zuallererst wird über die Sinne wahrgenommen, wobei bestimmte Sinnesorgane eher an bestimmte Gehirnregionen gekoppelt sind, so ist z.B. der Geruchssinn auf kurzem Wege an das limbische System gebunden, das für die Entstehung von Emotionen verantwortlich ist. So wundert es nicht weiter, dass Zimtgeruch bei vielen Menschen positive Gefühle erweckt.
Das über die Sinne Wahrgenommene wird also im Gehirn verarbeitet, doch die Reizung durch die Umwelt ist so intensiv, dass die Reize bestimmten Selektionskriterien nach Relevanz unterliegen. Was relevant ist und was nicht, entscheiden wohl erbgebundene, evolutionsgemäß erworbene Konstellationen und im Weiteren praktische, traumatische etc. Erfahrungswerte subjektiver Natur, sowie konditionierte Selektionsprozesse. Ich gehe also davon aus, dass bei dem Phänomen der selektiven Wahrnehmung, jene Reize eine bevorzugte Rolle spielen, die dem Selbsterhaltungsprinzip dienlich sind, also intrasubjektive, genetische Strukturen, die sich im Laufe der Evolution als besonders praktisch erwiesen haben, sowie individuelle Erfahrungen mit großem Einfluss auf das Gesamtbewusstsein, die sich als für das Individuum relevant herausgestellt haben. Zu den konditionierten Selektionsprozessen könnte man jede Art von erworbenen Einflüssen rechnen, beispielsweise die Suggestion durch Medien, die den Wahrnehmungsprozess steuert, ohne dass eine genetische oder persönliche Gewichtung vorliegt.
Abgesehen von physikalischen Einschränkungen der Sinnesapparate, wie z.B. die begrenzte Wahrnehmung des Lichtspektrums, können immer noch nicht alle Reize aus diesem beschränkten Bereich verarbeitet werden, wie uns aus der Neurowissenschaft bekannt ist. Dieses Gewichten, Strukturieren und Ordnen ermöglicht aber erst die Bewusstseinsbildung.
Welche grob umrissenen Wahrnehmungsinhalte das Tor zum Bewusstsein passieren, ist also hiermit angedeutet, doch wie das geschieht, darüber entscheidet die Aufmerksamkeit. Sie entscheidet, wie und wie viele Wahrnehmungsinhalte verarbeitet werden. Eine Überflut an Reizen, die schlecht strukturiert werden kann, führt zu „Defiziten“ wie z.B. ADHS und Autismus. Hierbei muss auf die menschliche Konzentrationsfähigkeit hingewiesen werden, die aus der intensiven Anregung eines kleinen Bereichs der Großhirnrinde resultiert, wobei die Reizaufnahme beschränkt ist, während im Normalzustand ein größerer Bereich der Großhirnrinde aktiv und zur Reizaufnahme bereit ist. Den oben angesprochenen „Erkrankungen“ liegt wohl eine Reizüberflutung zugrunde und damit einhergehend ein Konzentrationsmangel, was die Symptomatik von ADHS und die autistische Gebundenheit an geordnete Alltagsstrukturen/Kommunikationsschwierigkeiten erklärt.
Somit gelangt man schrittweise zum Bewusstseinsphänomen, das sich wohl ebenfalls aus geerbten und individuellen Bestandteilen zusammensetzt. Wir alle werden mit einer bestimmten Anzahl an Nervenzellen geboren, wobei natürlich Umwelteinflüsse und genetische Eigenheiten eine gewisse Entscheidungsfunktion bereits in der Entwicklungsphase der Nervenzellenbildung übernehmen, doch man kann sagen dass die überindividuelle Verteilung nicht allzu weit ausufert. Somit könnte man von einer kollektiven, genetischen Grundstruktur des Bewusstseins ausgehen, wobei man nicht sagen kann, ob diese bereits „bewusst“ ist oder bestimmte Voraussetzungen erst erfüllt werden müssen, um dieses zu „aktivieren“. Ist ein Neugeborenes noch nicht ich-bewusst, weil es erfahrungsgemäß noch nicht gelernt hat, das eigene Bewusstsein abzugrenzen? Ist es vielleicht unbewusst mit dem Mutterbild verschmolzen, quasi als evolutionsgebundener Schutzmechanismus und kann/muss deshalb nicht unterscheiden?
Ich denke, die Bewusstseinsbildung ist ein aufbauender Prozess, der sich in einem erblich bedingten Rahmen abspielt und bereits angeborene Überlebensstrukturen mit sich bringt (z.B. Tiefenwahrnehmung). Diesem genetischen Bereich sind wohl viele autonome (unbewusste) Funktionen zuzuordnen, die das Überleben erst ermöglichen, wie beispielsweise Instinkte und Triebfunktionen (deren Einflussnahme auf "bewusste" Entscheidungsfindungen nicht unterschätzt werden darf).
Alles Wahrgenommene wird strukturiert in das Bewusstsein aufgenommen, wobei der Zuwachs an Erfahrungswerten umgekehrt einen Einfluss auf den Wahrnehmungsprozess hat. Bei der Bewusstseinsbildung muss es sich also um ein Wechselspiel zwischen Innerem und Äußerem handeln. Mit dem Alter ergibt sich eine präzisierte Bewusstseinsstruktur dank dem Relevanzkriterium, die aber dennoch einem Wandel unterworfen ist und deren Anteile ausgebaut, aber auch zerstört werden können.
Ein pathologisches Bild ergibt sich aus der Uneinigkeit zwischen dem Bewusstsein und der realen Umwelt, was auch noch dazu führt, dass das Bewusstsein seinen Wahrnehmungsmechanismus nun nach dem ihm eigenen Muster ausrichtet, somit das Problem verschärft und dem Betroffenen als real erscheint. Wie solche pathologischen Bilder entstehen, ist schwierig zu sagen. Traumatische Erfahrungen, Suggestion, latente Konflikte, biochemische Abnormitäten (die entweder aus den Erfahrungen resultieren, umgekehrt darauf Einfluss haben oder durch Substanzmissbrauch ausgelöst werden) oder Läsionen im cerebralen Bereich, all das wird zur Erklärung der Pathogenesis herangezogen.
Es ist aber für das Bewusstseinsphänomen vielleicht nicht uninteressant, sich mit pathologischen Erscheinungen auseinanderzusetzen, da man daraus vielleicht leichter auf die „Norm“ schließen kann.
Nicht uninteressant wäre es auch, den "freien Willen" heranzuziehen, dem die Empirie durch neurowissenschaftliche Experimente den Tod erklärt haben will. Das Gehirn soll demnach Entscheidungen fällen, noch bevor diese bewusst werden. Ist deswegen die Existenz eines freien Willens bereits abgesprochen? Könnte man zur Beantwortung dieser Frage vielleicht von einem Vor-Bewusstsein sprechen, in dem Entscheidungen bewusst nach bestimmten Relevanzkriterien (die im Bewusstsein quasi "herumgeistern") getroffen werden und erst danach als bewusst erkannt werden? Irgendwie komm ich nicht klar damit, dass Entscheidungen nicht bewusst gefällt werden können, ohne dass man sich ihrer Bewusstheit bewusst ist. Vielleicht kann mir da jemand helfen. :k_schuettel:
Ich freue mich auf eure Kritik und Anregungen.