Auf Obamacare folgt Trumpistan

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Der 44. Präsident ist gerade gegangen; auf ihn folgt der Twitter-Präsident. Barack Obama, vielleicht ein bisschen an der Tradition anknüpfend, gründete noch eine Stiftung, die Obama Foundation mit Hauptsitz in Chicago, und könnte damit noch ein paar Sympathiepunkte einsammeln, und vielleicht sogar noch ein bisschen was bewegen.
Aktuell jedoch dürfte er sich mit seiner Familien in Urlaub befinden und dort mitbekommen, wie sein Nachfolger andere Zeiten einläutet und neue Fakten schafft.
Neue Fakten schafft Trump zwar, Abschaffung von Obamacare, Einreisestopp für Personen aus muslimischen Ländern, Mauerbau, Bauen von Pipelines, Abbau von Umweltregulierungen (etc.), und doch sieht er sich neuen Fakten auch gegenüber. Kaum ist er eine Woche im Amt, treten wichtigste Mitarbeiter des Außenministeriums zurück, erfahrene Personen, die dem Dilettantismus des Twitter-Präsidenten nicht folgen wollen. Und viel Protest.

Die USA haben im Norden und im Süden genau zwei Nachbarn. Es sieht so aus, als ob der Präsident schon beide verprellt hat. Wird Trump den USA in der Aussenpolitik gänzlich seinen narzisstischen Charakter aufdrücken? Oder wie viel Handel bleibt noch möglich, wenn der Präsident sagt "America first"?
Wird Trump Dekrete anhäufen wie kein anderer Präsident vor ihm, vorbei an dem doch so wichtigen und mächtigen Kongress - vielleicht dem mächtigsten Parlament der Welt?

Eine reale Mauer wird in den nächsten Jahren hochgezogen bzw. verstärkt, die Mauer gegen Mexiko, die circa vier Mal so lang ist wie die Mauer, die Deutschland einmal teilte. Eine indirekte Finanzierung ist angedroht. 20 Prozent Strafzoll. Ist das überhaupt realistisch?

Eine Woche, und die Androhung von Strafzöllen sind nichts Neues. Deutsche Unternehmen müssen in Zukunft 30 Prozent Strafzölle in die Bilanzen rechnen. Woher kommen eigentlich die Zahlen?

Ach ja: kann Russland die neuen USA gut einschätzen? Genau so gut wie die VR China? VR China scheint sich verrechnet zu haben und ist zum wirklichen Feindbild aufgestiegen. Hat Putin triumpfiert, als die Forderung nach einer Einrichtung von Flugverbotszonen in Syrien erneuert wurde?

Und noch: sind die Populisten in Europa ihrer Sache so sicher, wenn sie sich über den Populisten Nummer 1 in den USA freuen?

Dann schauen wir doch mal, was uns die Zeit uns lehrt.

Und zu guter Letzt: was haltet ihr von dem neuen Präsidenten?
Und was von dem alten Präsidenten?
 

Giacomo_S

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Zynisch lässt sich sagen: In einer Demokratie bekommt ein Volk die Politiker, die es verdient.

Die Amerikaner haben, als Nation, jahrzehntelang ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Stattdessen haben sie notwendige Maßnahmen immer weiter auf den St. Nimmerleinstag verschoben, ein Leben auf Pump geführt und ausgebaut und sich der Illusion hingegeben, sie müssten sich die Hände nicht mehr mit Arbeit schmutzig machen, sondern könnten allein vom Design und der Organisation des Kapitals leben.

Während die einen im Silicon Valley meinen, sie lebten bereits im Raumschiff Enterprise und sich in der Rolle der Weltverbesserer gefallen, lebt allerdings die Masse immer noch irgendwie im Hinterland in Bretterbuden mit einem Privatschrottplatz drum herum, die sie Häuser nennen und sitzen auf dem Plumpsklo. Da sind die einen, mit durchaus differenziertem Denken, aber auch eine Masse der anderen, zu nichts anderem als dumpfen Patriotismus und schwarzweiß-Denken fähig.

Es ist nicht Trumps Stärke, brillante Konzepte zu entwickeln; seine Stärke besteht darin, Positionen zu vertreten, die von jeder Dumpfbacke am Stammtisch verstanden werden können.
Wo das enden soll, das weiß nur Trump (und vielleicht nicht einmal der), es muss Trump aber klar sein, dass Strafzölle entsprechende Gegenreaktionen der betroffenen Länder zur Folge haben werden. Das Resultat ist mehr oder weniger ein Handelskrieg, mit allen negativen Folgen, die das haben wird.

Was erhofft sich also Trump mit solchen Maßnahmen? Glaubt er, aufgrund der militärischen Stärke der USA so viel Drohgebärden aufbauen zu können, dass die drangsalierten Länder auf Gegenmaßnahmen verzichten werden?
Mexiko vielleicht, aber die EU?
 

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Das ist es wohl: Trump hat seine Vorstellungen davon, wo das enden sollte, hat aber so viel Gegenwehr, schon im eigenen Land, dass es woanders enden wird. Und nach ihm, wahrscheinlich nach vier Jahren Amtszeit, wohl kaum nach acht Jahren, kommt die politische Kehrtwende. Noch eine "Mehrheit" für einen mit-Keule-ins-Glashaus-Präsidenten wird es doch wohl kaum geben.

Was die EU betrifft, ist ihm laut seinen eigenen Äußerungen, das Fortbestehen der EU eigentlich egal bzw. er zieht eine schwache EU vor. Je zerstrittener sie ist, je uneinheitlicher sie auftritt, desto glücklicher Trump und seine Strategen. Gerade hat Tusk über den Teich gekeilt, aber davon wird sich Trump kaum beeindrucken lassen. Auf die Ratschläge seines Vorgängers hat er ja auch nicht gehört.

Die Frage lautet natürlich auch, ob er sich die Folgen von Isolationspolitik und Handelsbeschränkungen oder vielleicht sogar Handelskriege genau durchgerechnet hat. Wie wirkt sich das preislich aus, wenn er Produkten aus der EU, Mexiko, China den Sieb vorhält? Vielleicht läuft ja sogar manch Fließband wieder schneller, aber einen Cut in komplizierte Handelsverflechtungen vorzunehmen hat sicher ungeahnte Folgen, und bestimmt findet der US-Bürger dann auch höhere Preise im Wal-Mart.

Mexiko, Nafta-Mitglied, hat eigentlich noch einen Vorteil gegenüber allen anderen Staaten, mit Ausnahme Kanada: der Lieferweg in beide Richtungen ist kurz. Auf ein großes Containerschiff braucht nicht gewartet werden. Aber wie es aussieht, könnten dem Freihandel in naher Zukunft viele Bremsen eingebaut werden.
Können sich jetzt die Globalisierungsgegner die Hände reiben oder haben sie sich das so nicht vorgestellt?
 

Giacomo_S

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Vergleichen wir den Handel Deutschlands mit dem der USA dann ist

Deutschland (nach China) das Land mit dem höchsten Handelsbilanzüberschuss = wir exportieren weit mehr Waren, als wir importieren

und die

USA sind das Land mit dem höchsten Handelsbilanzdefizit = sie importieren weit mehr Waren, als sie exportieren

und das: Weltweit.

Vereinfacht kann man das auch so sehen:
Während deutsche Produkte überall auf der Welt geschätzt und gekauft werden, kaufen die Amerikaner ihren eigenen Schrott nicht einmal selbst. Stattdessen bevorzugen sie ausländische Produkte.
Außerdem leben sie nach wie vor auf Pump und das in immer höherem Maß. Denn irgendwoher muss das Geld ja kommen.

Warum will keiner amerikanische Produkte haben? Sind sie vielleicht zu teuer, ist das amerikanische Lohnniveau zu hoch? Schon möglich, aber man kann ja kaum sagen, in Deutschland wäre das Lohnniveau niedrig.
Konkret befragt, könnte ich nicht ein amerikanisches Produkt benennen, welches sich in meinem Besitz befände - außer vielleicht Computer. Aber selbst die werden ja nicht in den USA produziert.
Also muss man doch eher zu dem Schluss kommen: Durch eijene Schuld in die Gacke geradn, scheiße organisiert und noch dazu zu hoch geflogen.

Persönlich kenne ich die USA nur aus Filmen und Dokus. Das mag keine verbindlichen Sichtweisen vermitteln, aber eines fällt doch immer wieder auf: Die ewige Beweihräucherung amerikanischer Ideale sowie deren Symbolen, Fahnenschwänkerei und Berufung auf Rechte und Freiheiten - als ob das allein irgendetwas ändern würde.
Parallel eine völlige politische und private Lustlosigkeit, nur mal auch nur ein klein wenig mehr an der Substanz zu arbeiten.

Da baut man Bretterbuden als Häuser, zieht Strom wie Kommunikation oberirdisch an Pfählen an Strippen umeinander - und der nächste Sturm reißt Häuser wie Infrastruktur auseinander. Danach baut man's genauso wieder auf, nichts dazu gelernt. Im Grunde alles auf dem Niveau eines Schwellen- oder Entwicklungslandes. So eine Infrastruktur baut man in Europa vielleicht noch in Albanien so, sonst wird überall bereits ordentlicher gearbeitet.
Los Angeles, mit 4 Mio. Einwohner zweitgrößte Stadt der USA, hat keinen ÖPNV, geschweige denn eine U- oder S-Bahn? Ja, wo gibt's denn so was? Die einzige Millionenstadt Europas, die mir einfällt, die mit dem Bau einer U-Bahn Probleme hat, ist Rom (aus dem naheliegenden Grund, dass man dort überall auf archäologische Reste stößt).
Die USA haben den weltweit höchsten Pro-Kopf-Wasserverbrauch (fast 4x so hoch wie in D), verbrauchen pro Kopf fast doppelt so viel Energie und produzieren rund 40% mehr Müll (wobei wir 64% recyceln und die USA magere 22%).

Nach Ansicht so manches Amerikaners mögen wir spießige Erbsenzähler sein, weil wir selbst noch den Müll sortieren - ich stelle dem aber entgegen: IHR solltet einmal darüber nachdenken, WAS am Ende DAS alles KOSTET.
Noch dazu dann, wenn man sowieso schon seit Jahren auf Pump lebt.
Sparen - Fehlanzeige, hau' raus die Scheiße, als ob's kein Morgen gibt.

Treueschwüre an der Fahnenstange werden daran nichts, aber auch gar nichts ändern. Und Abschottung nach außen auch nicht, wenn die Amerikaner nicht endlich einmal darüber nachdenken, dass "Freiheit" allein kein Wert ist und Gemeinschaftsprojekte und solidarisches Handeln kein Sozialismus (und wenn schon) sind und Umsicht kein Verzicht ist.
 

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Deswegen ist es nervig und auch fatal, dass der Präsident Natur und Umwelt wieder hintenan stellt. Es hat zum Beispiel Gründe, dass Kalifornien unter massiven Wassermangel leidet und alle Jahre wieder Waldbrände aushalten muss. Außerdem ist die Verquickung mit dem Ölsektor so offensichtlich wie unter Präsident Bush.

Schuldenabbau scheint den USA ein Fremdwort zu sein. Die USA haben die höchsten Staatsschulden der Welt, und die sind höher als der BIP. 90% des BIP gilt eigentlich als rote Linie. Eine echte Strategie hat der derzeitige Präsident nicht, also greift er vielleicht auch deswegen zu drastischen Tönen und Mitteln. Dann kann er es auf die anderen schieben, in dem Fall Mexiko, China, EU und in der EU zuallererst der BRD.
Trump hatte ja angekündigt, die Schulden innerhalb von acht Jahren auf null zu senken (!). Steuersenkungen inklusive. Mathematik kann nicht sein Lieblingsfach gewesen sein.

Und was exportieren die USA nun so?
An Fahrzeuge denkt man sicherlich sofort. Aber Autos können die USA nicht mehr so gut wie früher im internationalen Vergleich.
Hard- und Software. Das können sie. Allerdings würde ich beim Beispiel Apple behaupten, dass die Verkaufsstrategie beachtenswert ist, die Produkte kann man im Vergleich knicken.
Rüstung. Da sind sie die absolute Nummer 1. Eine Welt mit weniger Rüstung wäre höchstwahrscheinlich eine bessere.
Flugzeugbau (ist von Rüstung nicht trennbar). Das sind Produkte, die für hohes Energieaufkommen sorgen. Ich würde mal vermuten, dass die Amerikaner in Sachen Inlandflügen auch Weltmeister sind.
Pharmazeutische Produkte gehören zu den wichtigsten Exportprodukten der USA. Allerdings: in Sachen Gesundheit könnte man sicherlich ein neues Fass aufmachen.
Food/Genfood: Es gab mal das Schlagwort "McDonaldisierung". Dahinter steckt eine Essenskultur, die mindestens fragwürdig ist, und Herstellungsverfahren, die eklig sind - Stichwort "pink slime", das Müllaufkommen braucht man wohl kaum kommentieren. Genfood: erste Assoziation "Monsanto" - löst Brechreiz aus.
Maschinenbau: Die USA spielen, überhaupt keine Frage, ganz oben mit.

Wo sind die USA auch ganz vorne? - In der Forschung. Der derzeitige Präsident möchte da an einigen Stellen die Mittel kappen. Das dürfte ein ganz großer Fehler sein, nein mehr noch: damit würde Trump den USA ("America first!") in keinster Weise etwas Gutes tun. Warum droht er damit, Universitäten etc. die Gelder zu beschneiden? Weil er nicht kritikfähig ist?
 

Giacomo_S

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streicher schrieb:
Und was exportieren die USA nun so?
An Fahrzeuge denkt man sicherlich sofort. Aber Autos können die USA nicht mehr so gut wie früher im internationalen Vergleich.

Bei den Autos haben sie einfach eine Reihe von Entwicklungen verschlafen. Riesen Karre ist eben auch nicht alles, wenn der Kunde andere Prämissen hat.

streicher schrieb:
Hard- und Software. Das können sie. Allerdings würde ich beim Beispiel Apple behaupten, dass die Verkaufsstrategie beachtenswert ist, die Produkte kann man im Vergleich knicken.

Prinzipiell habe ich zu Computern mittlerweile ein ambivalentes Verhältnis entwickelt.
Einerseits haben sie ohne Frage viele technologischen Prozesse revolutioniert und/oder überhaupt erst möglich gemacht und zu einer beispiellosen Rationalisierung und Produktionssteigerung geführt.
Andererseits sind sie aber auch - im Privaten - letztlich ein Luxusprodukt. Ein Gimmick, Das vielleicht ein nettes Spielzeug ist und durchaus Kreativität und Kommunikation beflügelt; lebensnotwendig ist es aber nicht und einen Mehrwert schafft es auch nicht. Im Grunde eine Art Fernsehen. Das muss sich der Einzelne, die Volkswirtschaft erst einmal leisten können.

Daher halte ich auch diese absurden Aktienwerte, die IT-Firmen haben, für maßlos überbewertet. Zumal diejenigen, die überhaupt nur Internet machen, wie Google, Fb, Twitter und Co. Apple produziert ja wenigstens noch etwas - die reinen IT-Firmen aber generieren real keinen echten Mehrwert, sie verteilen ihn nur anders.

Können mehr Pizzas gegessen werden, nur weil sie im Internet bestellt werden können und die HP im TV beworben wird? Ein paar vielleicht, aber in der Summe, in der Masse letztlich nicht. Kann ein einzelner Pizza-Lieferdienst dadurch gewinnen, dass er an die Internetbestellung angeschlossen ist? Eine Zeitlang vielleicht, aber spätestens wenn alle seine Mitbewerber auch am Draht hängen, ist es wieder dasselbe wie vorher.

Am Ende wird kein Mehrwert generiert und auch nicht mehr Umsatz gemacht. Es verdienen nur ein paar mehr - und wahrscheinlich sind es die einzigen, die wirklich etwas daran verdienen - die es vorher nicht gab: Die IT-Firmen.
Eine Leistung, die am Ende alle bezahlen, die eine Pizza bestellen, für den Luxus, seine Pizza online zu bestellen. Anstatt den Hörer in die Hand nehmen zu müssen/wollen.
Volkswirtschaftlich gesehen ist das eine Blase, eine Kopfgeburt. Sie funktioniert nur solange, wie Investoren abenteuerliche Summen hinein stecken.

Außerdem: Die Amerikaner sind vor allem darin gut, eine große Klappe zu haben und oft genug ist nicht so viel dahinter. Das viertgrößte Softwareunternehmen, größtes europäisches und größtes außeramerikanisches Softwareunternehmen ist: SAP, und die sitzen in Deutschland. Und produzieren Software, die tatsächlich auch einen Mehrwert bringt, Business-Software eben.
 

Giacomo_S

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streicher schrieb:
Wo sind die USA auch ganz vorne? - In der Forschung.

Ist dem wirklich so? Oder haben wir alle nur zu viele amerikanische TV-Dokus gesehen? Die präsentieren uns nämlich immer gern die amerikanischen Projekte und kehren andere unter den Teppich, während sich die Europäer (zu Unrecht) in vornehmer Zurückhaltung üben.

In der anwendungsspezifischen Forschung mögen die Amerikaner die Nasen vorn haben. Wenn in ein paar Monaten, bestenfalls ein paar Jahren was dabei herausspringen kann: Dann wird's auch finanziert.

Bei der Grundlagenforschung aber haben doch schon längst die Europäer die Hosen an:
- Cern, Genf, LHC
- Europäische Südsternwarte, Chile, VLT
- Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven, Geo-, Bio- und Klimawissenschaften
- Helmholtzgemeinschaft, ein Mitgliedsverbund aus 18 unabhängigen naturwissenschaftlich-technisch und biologisch-medizinisch ausgerichteten Forschungszentren mit zusammen rund 37.000 Beschäftigten, davon sind 15.169 Wissenschaftler, 6.789 Doktoranden und 1.657 Auszubildende (Stand 2015).

Um nur die wichtigsten, ja bei den zwei letzteren nur deutsche zu nennen.

In welcher Forschung sind die USA denn führend?

Weltraumforschung, NASA, ohne Frage. Nur erweist sich ihr größtes Projekt, die ISS, leider zunehmend als teures Astronautenspielzeug ohne wirklichen wissenschaftlichen Gewinn.
Anfliegen können sie die ISS ja leider nicht mehr selbst, da müssen sie schon die Russen darum bitten. Die fliegen dann mit der Sojus-Rakete - seit 1957, aber ständig weiterentwickelt - und wenn unterwegs was kaputt geht, kommt Dimitri mit dem Schraubenschlüssel.
Die Mars-Lander, keine Frage, Chapeau. Allerdings ist ihnen die ESO schon dicht auf den Fersen - auch wenn die den letzten Marssatelliten leider zu Klump geflogen haben.

Pharma? Ja, und was für Medikamente erforschen sie dann?
Die großen Seuchen interessieren sie nicht, denn daran lässt sich ja - kurzfristig - kein Geld verdienen. Malarialänder sind schließlich chronisch knapp bei Kasse.
Entwickelt werden dafür Lifestyle-"Medikamente" für die Upper Middleclass, Psychopharmaka und Medikamente gegen erfundene Krankheiten - das kann man einem mittelmäßig verdienenden Klientel noch eben so andrehen, ohne sozialen Ärger zu bekommen. Abhängigkeit inklusive, aber darüber spricht man schließlich nicht.
 

Simple Man

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OT:
Pharma? Ja, und was für Medikamente erforschen sie dann?
Die großen Seuchen interessieren sie nicht, denn daran lässt sich ja - kurzfristig - kein Geld verdienen. Malarialänder sind schließlich chronisch knapp bei Kasse.
WHO: "Final trial results confirm Ebola vaccine provides high protection against disease"
The vaccine's manufacturer, Merck, Sharpe & Dohme, this year received Breakthrough Therapy Designation from the United States Food and Drug Administration and PRIME status from the European Medicines Agency, enabling faster regulatory review of the vaccine once it is submitted.
 

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Giacomo_S schrieb:
Das viertgrößte Softwareunternehmen, größtes europäisches und größtes außeramerikanisches Softwareunternehmen ist: SAP, und die sitzen in Deutschland. Und produzieren Software, die tatsächlich auch einen Mehrwert bringt, Business-Software eben.
SAP ist zweifelsohne ein Schwergewicht, das sich jedoch stets vorsehen muss, denn Oracle (mit Hauptsitz in Redwood City) ist immer dicht auf den Versen in Sachen Business-Software. Was die Abfragesprache betrifft, SQL (Structured Query Language), auf die beide Unternehmen zurückgreifen, auch wenn SAP seine Variante entwickelt, so muss dann der Name IBM fallen (und wohl auch schon wieder "Oracle"). Gibt es außer SAP noch ein nennenswertes Software-Unternehmen aus Deutschland?
Hardware: da wäre die Halbleiterindustrie zu nennen - ein deutsches und zwei niederländische Unternehmen könnten es unter die ersten 10 der Welt schaffen. Den USA die Stirn bieten (insbesondere Intel), das können eher die Asiaten (Japan und Südkorea...).

Wenn wir gerade bei Hardware sind - Computer als Luxusprodukt und als Generator für mehr Konsum - so stellen sie ein typisches Kennzeichen einer überfließenden Gesellschaft dar. Wie viele Geräte besitzt ein Durchschnittsbürger der Industriestaaten daheim, die sie/er nicht wirklich braucht? Wie viele Küchengeräte, die nicht unbedingt nötig sind, jedoch Platz verbrauchen? Muss in jedem Zimmer auch ein Fernseher stehen? Noch dazu und es klingt wie SciFi: es braucht bald vielleicht nur einen *Click*, und die Drohne bringt das Päckchen. Die Frage stellt sich auch: braucht es das? Was ist der Mehrwert? Der Mehrwert ist bei vielen Produkten samt Lieferung doch schlicht und einfach nur die Illusion.
Und: Haben wir bald mehr Drohnen in der Luft als Vögel in den Bäumen? Auf dieses elektrische+elektronische Gewimmel in der Luft verzichte ich gerne. Die Sicherheit macht mit den drohenden Drohnenschwärmen sicherlich keinen Kurssprung. Hier ist es wieder eine amerikanische Firma, die von sich reden macht und wohl gerne den Luftraum amazonisieren würde. Ja, Amazon hat eine Vorreiterrolle, die mehr als fragwürdig ist und wohl einen kleinen Schnitt bräuchte. Man muss doch nicht jede Technisierung mitmachen.

Vielleicht ist es eben wieder dieser Zusammenhang: die Technisierung wird weiter vorangetrieben (Anwendung!), um weiterhin Wachstum zu generieren. Nase vorne - USA, Japan, Südkorea?!
 

hives

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Kehrtwende gegenüber ISIS et al.?

President Trump and his advisers, venturing for the first time into the fraught world of Middle East peacemaking, are developing a strategy on the Israeli-Palestinian conflict that would enlist Arab nations like Saudi Arabia and Egypt to break years of deadlock.

The emerging approach mirrors the thinking of Prime Minister Benjamin Netanyahu of Israel, who will visit the United States next week, and would build on his de facto alignment with Sunni Muslim countries in trying to counter the rise of Shiite-led Iran.
https://www.nytimes.com/2017/02/09/world/middleeast/trump-arabs-palestinians-israel.html

Passend dazu:
Flynn was a fat target for the national security state. He has cultivated a reputation as a reformer and a fierce critic of the intelligence community leaders he once served with when he was the director the Defense Intelligence Agency under President Barack Obama. Flynn was working to reform the intelligence-industrial complex, something that threatened the bureaucratic prerogatives of his rivals.
https://www.bloomberg.com/view/articles/2017-02-14/the-political-assassination-of-michael-flynn

Zur Erinnerung:
A new memoir by a former senior State Department analyst provides stunning details on how decades of support for Islamist militants linked to Osama bin Laden brought about the emergence of the ‘Islamic State’ (ISIS).
The book establishes a crucial context for recent admissions by Michael T. Flynn, the retired head of the Pentagon’s Defense Intelligence Agency (DIA), confirming that White House officials made a “willful decision” to support al-Qaeda affiliated jihadists in Syria — despite being warned by the DIA that doing so would likely create an ‘ISIS’-like entity in the region.
https://medium.com/insurge-intellig...t-for-al-qaeda-in-iraq-a37c9a60be4#.syhyqvduf

Also: weiter wie bisher ins nahöstliche Chaos? Steht uns eine Eskalierung des Konfliktes mit dem Iran bevor, mit den Saudis, der Türkei und ISIS als direkten und indirekten Verbündeten, in der vermeintlichen Hoffnung, dass sich dadurch der israelisch-palästinensische Konflikt lösen lässt?


Hier noch ein m.E. nicht uninteressanter, wenn auch nicht unproblematischer und sehr entschieden wirkender Kommentar zum Verhältnis Trump/Deep State:
From this broader perspective, it’s clear that far from representing a force opposed to the Deep State, the Trump regime represents an interlocking network of powerful players across sectors which heavily intersect with the Deep State: finance, energy, military intelligence, private defense, white nationalist ‘alt-right’ media, and Deep State policy intellectuals.

According to Scott, this reflects a deepening “old division within Big Money — roughly speaking, between those Trilateral Commission progressives, many flourishing from the new technologies of the global Internet, who wish the state to do more than at present about problems like wealth disparity, racial injustice and global warming, and those Heritage Foundation conservatives, many from finance and oil, who want it to do even less.”

So rather than being a nationalist ‘insurgency’ against the corporate globalist ‘Deep State’, the Trump regime represents a white nationalist coup by a disgruntled cross-section within the Deep State itself. Rather than coming into conflict with the Deep State, we are seeing a powerful military-corporate nexus within the American Deep State come to the fore. Trump, in this context, is a tool to re-organize and restructure the Deep State in reaction to what this faction believe to be an escalating crisis in the global Deep System.

In short, the Deep State faction backing Trump is embarking on what it believes is a unique and special mission: to save the Deep State from a decline caused by the failures of successive American administrations.
https://medium.com/insurge-intellig...inside-the-deep-state-f9e757071c70#.e0avbtfnj
 

hives

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Das Wall Street Journal berichtet, dass die Geheimdienste angeblich manche Informationen an Trump nicht weitergeben würden, weil sie ihm nicht vertrauten und er ein Sicherheitsrisiko darstelle. Die oberste Geheimdienstbehörde ODNI stritt dies jedoch ab. [...]

Dass nun gerade wieder einmal Russland aus dem Pentagon eine Verletzung des INF-Abkommens über Kurz- und Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 km vorgeworfen wird, passt zur Strategie, Trump unter Druck zu setzen, gegen Russland Position beziehen zu müssen, um den für den Apparat wichtigen Konflikt mit Russland aufrechtzuerhalten.

Der Vorwurf wurde nicht offiziell aus dem Pentagon erhoben, sondern wieder einmal über anonyme Quellen an die New York Times geleakt, die dann berichtete, Russland habe geheim Raketen stationiert, die nach dem INF verboten wären. [...] Die NYT berichtet, man würde im Pentagon überlegen, gegen die "hochgradig mobilen" Raketen, die eine Bedrohung darstellen, die Raketenabwehr in Europa verstärken zu wollen, also die Aufrüstungsspirale weiter hochzuschrauben.
Das Machtspiel in Washington schaukelt sich hoch, angeblich soll Stephen Feinberg von außen den mächtigen Geheimdienstapparat überprüfen, Geheimdienste gaben Informationen an Trump nicht weiter
 

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Oh - Überraschung - Obamacare bleibt erst einmal.

Wie schnell sich Trump an so vielen Orten Gegner schafft, ist echt beeindruckend, und zudem scheint er nicht für voll genommen zu werden. Was sich vor der Wahl schon angekündigt hat, bestätigt sich immer wieder aufs Neue: er ist für das Präsidentenamt ungeeignet.
 

haruc

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Schön dass das Parlament in den USA funktioniert. Lasst den Trump nur weiter rumwerkeln, das ist die beste Methode, ihn zu demontieren. Dann ist der Spuk hoffentlich für eine Generation ausgetrieben.
 

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Trump verkündet den Ausstieg aus dem Klimapakt, düpiert die Welt und isoliert die USA weiter.

Haben die USA jemals zuvor eigentlich einen so dummen Präsidenten gehabt?
 

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Und wieder ein Amoklauf. Kürzlich war in einem Artikel zu lesen, den ich nicht mehr finde, dass es für Minderjährige in den USA leichter ist, eine Halbautomatik zu erwerben als an Alkohol jedweder Art ranzukommen. Der Jugendliche, der für den Report hergehalten hat, war wohl 13 Jahre alt. Es gibt ja viel Wahnsinn auf der Welt, aber den gibt es auch.
Jetzt wissen wir ja schon längst, dass der Amoklauf 17 Tote gefordert hat, aber wir wissen mittlerweile auch, dass ein Hilfssheriff tatenlos vor der Schule gestanden hat. Solchen Mut mit Waffe gibt es also auch.

Schüler und Schülerinnen sind auf auf den Straßen, um für strengere Waffengesetze zu kämpfen. Aber was schlägt der Präsident vor - und kriecht dabei der Waffenlobby in den Hintern - verdeckte Waffen für die Lehrer (das ist mal ein Waffenumsatz: man möge die Lehrer zählen). Der Scharlatan hätte wohl lieber Wildwestzustände: eigentlich könnte Michael Moore Bowling for Columbine 2 - oder sollte man sagen "hoch ²" sagen - drehen. Es ist einfach nur noch unglaublich.

Einen Artikel hätte ich da noch:
Das Repräsentantenhaus in Florida hatte kurz zuvor eine Debatte über einen Gesetzentwurf abgelehnt, der bestimmte halbautomatische Schusswaffen und große Magazine verbieten sollte. Als die Entscheidung fiel, waren einige Schüler mit im Raum, einige von ihnen brachen in Tränen aus.
Trump will Lehrer bewaffnen
 

Telepathetic

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In Bowling for Columbine stellt Michael Moore auch die Frage, warum in anderen Ländern trotz recht liberaler Waffengesetze weniger Amokläufe passieren. Die Antwort weiß ich nicht mehr. Ich weiß aber, dass ich die Doku einmal mit Amerikanern diskutiert habe. Einer meinte, dass er mit Moore's Anliegen und Argumenten im Großen und Ganzen übereinstimmt. Ein anderer meinte, dass die Doku sehr tendenziös ist, wenn es um die Darstellung von Charlton Heston und die NRA-Treffen in Orten, in denen Amok gelaufen worden ist, geht. Kein Wunder, dass Heston sich von seinem Interview-Partner distanziert, als er merkt, dass er kein Gespräch mit ihm führen will.

Abgesehen davon, finde ich, müßte die Frage lauten, warum überhaupt jemand so durchknallt, dass er andere umbringen möchte, denn ich denke, dass jeder, der morden möchte, auch eine Waffe finden wird, die keine Schußwaffe ist. Anders gesagt, warum sollte der Besitz einer Schußwaffe eher zu einem Amoklauf führen als der Besitz irgendeiner anderen Waffe oder der Besitz eines zu einer Waffe umfunktionierten Gegenstandes?
 

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Moores Ansichten und Vorgehensweisen sind umstritten. Tatsächlich muss er gewusst haben, dass Heston zum Zeitpunkt des Interviews an Alzheimer erkrankt war (etwa seit 2002, hat Heston öffentlich bekannt gegeben).
Allerdings entlastet das die NRA meines Erachtens nicht, daran interessiert zu sein, Waffennarren zu schaffen. Schusswaffen sind effektiv, auch aus größerer Entfernung: deswegen greifen Täter auch nach ihnen.

Die Gründe dafür, dass jemand so durchdreht (aber die Amoktat oft lange vorbereitet) liegen im breiten Spektrum und Monokausalität lässt sich wohl nicht finden: Rache, Paranoia, ohne Beschäftigung, Isolation, schwere Konflikte im sozialen Umwelt, Hang zum Extremismus (...). Gerade Letzteres lässt Terrorismus (Selbstmordattentat) und Amok etwas miteinander verschwimmen. Über die Extremismusschiene finden einige Täter möglicherweise schneller zu ihrer Tat.

Die Frage muss auf allen Ebenen deswegen auch lauten: wie können in Zukunft solche Taten verhindert werden bzw. präventiv eingegriffen werden?
Wichtig ist doch zum Beispiel auch, dass Schulen/Pädagogen eingreifen (können), wenn sie zum Beispiel das soziale Abrutschen eines Schülers erkennen oder wenn sichtbar wird, dass ein Schüler/eine Schülerin isoliert wird.

Gab es nicht auch neuerdings den Fall, auch in den USA, dass sich ein Lehrer mit Waffe verschanzt hat?
 

Telepathetic

Großmeister
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In Georgia hatte sich ein Lehrer in einem Raum verschanzt und dann durch ein Fenster geschossen.

Die Idee Lehrer zu bewaffnen, trifft entgegen aller Möglichkeiten schlecht ausgehen zu können, auch auf offene Ohren, CNN berichtet über Schulen, die sagen, dass die Bewaffnung von Lehrern richtig gemacht werden kann.

Das Thema "Bewaffnung" erscheint mir als eines der schwierigsten Themen. Alle Argumente scheinen irgendwie richtig zu sein. Es gibt Situationen, in denen Bewaffnung geholfen hat, Gefahr abzuwenden. Es gibt Situationen, in denen der Waffenbesitz erheblichen Schaden an Leib und Leben zu verschulden hat. Ich weiß, dass ich Leute in meiner Umgebung kenne, denen ich einen Schußwaffenbesitz nicht zutrauen würde, weil ich mir vorstellen kann, dass die Waffe zum Unheil werden könnte, wenn die Person austickt. Und es gibt andere Leute in meinem Umfeld, denen würde ich zutrauen, dass sie ihre Waffe tatsächlich nur zur Selbstverteidigung von Heim und Familie benutzen würden und ansonsten dem Schußwaffenbesitz keinerlei Bedeutung zumessen, auch keinen ideologischen oder sonstwie emotionalen Zugang zur Waffe haben. Deren Ego nicht durch's Dach schießt, weil sie eine Waffe haben. Mit dem Besitz einer Waffe, sollte auch eine gewisse Reife und mentale Stabilität/Gesundheit verbunden sein. Dann wiederum ist es so, dass jemand instabil/krank werden kann. Usw usf. Die gesamte Thematik oszilliert unendlich weiter zwischen diesen beiden Polen.

Mir scheint die Lösung ist entweder "Bewaffnung für alle" oder "Bewaffnung für niemanden". Das würde dann aber auch Polizei und Armeen umfassen müssen, mit anderen Worten es ist am wahrscheinlichsten, dass sich entweder nichts ändern wird oder dass aufgerüstet werden wird. Schaue ich in Nachrichten aus Deutschland und lese von No-Go Areas und davon, dass mehr Kriminalität ausgeübt wird und dann noch davon, dass Polizei und Justiz in manchen Gegenden wie Berlin überlastet sind, dann vermute ich, dass der Trend eher zur heimlichen Aufrüstung führen dürfte, sofern man bestimmte Gegenden nicht umgehen kann oder sich aus dem aktiven Leben herausnehmen und sich zu Hause verstecken kann.
 

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Ich frage mich, wo dann beim Waffenverkauf noch die Grenzen zu setzen sind, wenn praktisch jeder Lehrer einen Kurs durchlaufen kann, um dann (unangemeldet) diese immer bei sich zu tragen. Und wenn man sich die Geschichten anhört - wir alle haben ja die Schullaufbahn durchlaufen, sind vielleicht sogar an Schulen tätig - so wird man unter dem Lehrpersonal auch auf delikate Persönlichkeiten gestoßen sein.

Wenn alle bewaffnet werden, dann werden auch die bewaffnet, die diese zu Gewalttaten nutzen. Will man dadurch Polizei und Justiz die Arbeit abnehmen? Oder würde man ihr nicht neue Schwerarbeit schaffen? Man würde sich neue Probleme schaffen, denn es wird schwerer, Einzelpersonen zu überwinden, die Selbstjustiz wird wahrscheinlich. Außerdem könnte sich die bewaffnete Bevölkerung zweifelhaft organisieren und leichter eine Bürgerwehr schaffen, die noch mit ganz anderen Zielen durch die Straßen läuft.

Aber ich glaube auch, dass sich die Bürger mehr darum kümmern, sich im Notfall wehren zu können, Kampfsport oder Kampfkunst betreiben, zu Selbstverteidigungskursen gehen oder auch zu dementsprechenden Kursen bei der Polizei. Viele Kampfkunstarten, wie zum Beispiel Arnis (oder Escrima) bilden im bewaffneten Kampf aus, insbesondere Stockkampf. Dort lernt man dann allerdings, wie man Schusswaffen abnimmt, aber nicht den Umgang mit den Schusswaffen selbst. Wie sehr die dementsprechenden Schulen auf die Persönlichkeit ihrer Schüler und Schülerinnen achtet, ist allerdings Sache der Lehrer und Meister. Und das sieht im Kampfsport vielleicht auch etwas anders aus als in der Kampfkunst.
 

Telepathetic

Großmeister
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"Sache der Lehrer und Meister"

Da wäre ein erster Ansatzpunkt. Keine Waffen an Fremde (egal welcher Ethnie und Geburtsland) und auch nicht an Bekannte, von denen man weiß, dass sie keine Waffen haben sollten. Eine Amtsperson scheint mir auch nicht ideal zu sein, um entscheiden zu können, ob eine Privatperson eine Waffe bekommen sollte oder nicht. Erstens ist es heutzutage bei den Massen an Menschen selbst in den Kleinstädten unmöglich alle zu kennen. Zweitens sind nicht alle Amtspersonen im Zuständigkeitsbereich des Amtes beheimatet oder wohnhaft. Drittens gibt es die Möglichkeit ärztliche Gutachter zu kaufen, bzw. per Falschaussage zu manipulieren.

Und ja, auch ich sehe, dass Entwicklungen, wie Du sie mit Deinen Fragen ansprichst, möglich sind. Wer weiß, wieviel kriminelle Energie tatsächlich in ansonsten harmlos wirkenden Bürgern oder Einwohnern eines Landes steckt. Wer weiß, ob nicht gerade die Angst der schlechteste Grund dafür ist, eine Waffe anzuschaffen. Ich meine damit weniger die Angst, die jemand davor haben kann, dass in sein Haus eingebrochen wird, sondern mehr die Angst, dass es auf der Straße oder im ÖPNV zu Stress kommt. Ich meine so etwas wie eine psychotische Angst, die dann genau zu dem führen könnte, was verhindert werden soll, nämlich Gewalt und Blutvergießen und Schaden an irgendwelchen Unschuldigen. Andererseits, was ist mit der Möglichkeit, dass häusliche Gewalt nicht wegen der Waffe eskaliert, aber durch die Waffe ein schlimmeres Ende nimmt?

Das sind alles so Fragen, die sich nur schwer für alle beantworten lässt. Ich denke mal, dass die allerallermeisten kein allzu großes Interesse an Bewaffnung haben, wegen der oben genannten Gründe, aber ab einem bestimmten, individuell unterschiedlich gefühlten Punkt, sich für Bewaffnung entscheiden würden. Sich also weniger aus ideellen Gründen heraus für eine Waffe entscheiden würden, sondern aus rein emotionalen Gründen. Genau dem gilt es imho entgegenzuwirken und zwar auf eine vernünftige, respektvolle Weise, ohne dabei die Menschen, die ihre Angst äußern gleich als Nazis zu bezeichnen. In dem Zusammenhang muß ich leider an Kandel und den dortigen Frauenmarsch erinnern. Und leider muß ich sagen, dass auch in dem Kaff, in dem ich wohne, sich die Stimmung verändert hat. Frauen scheinen viel häufiger argwöhnisch zu schauen, scheinen mehr Abstand zu brauchen und scheinen viel schneller nach Hilfe zu schauen, sofern man (und d. h. natürlich ich) fremd für sie erscheine. (Ich würde jetzt am liebsten einen Witz hier einbauen, aber das lasse ich mal besser.)

Nebenbei: das Argument, dass es einen Staat braucht, weil die Menschen keine Engel sind und Kontrolle brauchen, wird von libertarischer Seite aus gerne mit dem Gegenargument bedacht, dass auch die Staatsdiener nur Menschen sind. Aber egal wie rum man es betrachtet, Menschen sind Menschen und damit immer auch mit der sogenannten dunklen Seite in sich selbst konfrontiert. Abgesehen davon, kann ein Mensch unmöglich alle Konsequenzen seines Handelns absehen.
 
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