2.3 Zur „Gefühls-Synästhesie“/metaphorischen Synästhesie
Was ich nun vorzutragen habe, könnte man leicht abtun als reine Assoziationspsychologie bzw. als einen Beitrag zur Imaginationsforschung, der mit Synästhesie im eigentlichen Sinne nichts zu tun habe; andererseits aber könnte es sich zeigen, dass es sich hier um ein besonders interessantes Paradigma psychologischer Forschung handelt, weil es um die Erforschung von Singularitäten geht, um die Untersuchung des Einmaligen, des Einzelnen und Besonderen und zwar im Hinblick auf eine Forschungsthematik der Gefühlspsychologie. Worum also geht es?
Wenn in der Öffentlichkeit, in Rundfunk, Presse, Fernsehen Hinweise auf das Phänomen der Synästhesie gegeben werden, so fühlen sich immer auch teilweise Menschen angesprochen, die ausgeprägte bildhafte geometrische und farbige Erlebnisse haben, beispielsweise beim Anhören von Musik, in Meditationen, in Ausnahmesituationen ihres Lebens etc. Wie Cytowic berichtet, werden üblicherweise diese Probanden aus den Synästhesiestudien herausgenommen. So berichten beispielsweise die Autoren der oben referierten italienisch/englischen Studie über metaphorische Beschreibungen beispielsweise von Dvoráks „Symphonie aus der neuen Welt“ als eine besonderer Form der „Grünheit“ oder bestimmte Literatur als „Violetthaft“ und schließen die Probanden von der Untersuchung aus. Nach unseren Erfahrungen ist diese Unterscheidung aber nicht immer so sicher durchzuführen. So ist ja beispielsweise auch bei dem Komponisten Skrijabin unklar, inwieweit echte Synästhesie, Randgruppen-Synästhesie oder lediglich eine assoziativ-imaginative Leistung vorlag. So berichtet eine Probandin, für sie seien die Zahlen, wenn sie im Alltag auftreten, immer mit Farben verbunden, wobei sie diese Farben aber nicht von mitlaufenden Emotionen abtrennen kann: „Es haben nicht alle Zahlen Farben, aber es haben ein paar Farben ganz deutlich für mich Zahlen. Und ich habe jetzt darüber nachgedacht: keine einzige dieser Farben, die ich in den Zahlen sehe, ist eine Farbe, die ich besonders mag.Also es ist, gelb ist die 4, richtig schönes normales gelb, das würden die Leute sagen sonnengelb, wunderbar, ist doch positiv, ist eine Farbe, die mich nicht anspricht. Meine Lieblingsfarbe blau ist die 7 aber leider nicht in schöner Farbe sondern in Vergißmeinnichtblau. Mag ich auch nicht so gern. Ist auch ein Anbiederblau. Und dann habe ich lange gerätselt . . . welches ist nun eigentlich rot und welches grün, weil sich das immer vermischt bei mir, ich glaube inzwischen ziemlich sicher, das grün ist die 5 und rot ist die 8. Und beides in Hochfarbe, richtig knallgrün . . . ist eine Farbe, die ich überhaupt nicht mag. Mag ich nicht, ist mir zu aufdringlich.“ Gleichzeitig treten bei dieser Probandin Farberlebnisse bei Musik auf. „Ich möchte also mehr mich in die Musik fallen lassen, dann ist Musik für mich in den tieferen Tönen und das ist auch sehr schön verbunden mit kalten Farben wie grün und blau, ganz egal, das kann auch so ein bisschen wie indifferent sein, wie verschleiert. . . In den Formen, in den Abgrenzungen mag ich Klarheit sehr gern, aber wenn ich das mit Musik zusammen sehe, dann finde ich alle diese Erdtöne und so schön, so Brauntöne und braungrau ist für mich eine Farbe, da könnte ich mir also wenn man sich vorstellt, man mischt schwarz und weiß und tut da braun rein das gibt also eine dreckige Farbe wo die meisten Leute sagen I gitt, I gitt, also in eine solche Farbe könnte ich mich theoretisch reinsetzen und das toll finden. Und wenn Musik in diesem Bereich ist, dass ich so etwas dann fühle, das ist wie wenn ich mich in so braun setze, finde ich schon toll. Aber nicht abrufbar. Ich kann nicht in ein Konzert gehen und sagen jetzt habe ich das und das . . . das ist ganz unterschiedlich.“