Leider, Herr Machno, haben wir beide ein Problem mit der Sprache. Sie gebrauchen den Ausdruck Mod für jeden beliebeigen Tötungsakt. Das ist natürlich möglich, insbesondere im poetischen oder ein wenig altmodischen Sprachgebrauch. Nehmen wir die Lutherbibel - da ist es möglich, wenn mich nicht alles täuscht, jemanden mit dem Schwert zu - erwürgen. Und natürlich kann man das Schlachten von Rindern als Morden bezeichnen, wenn man ein Unwerturteil abgeben will, man spricht vom Wüten der Pest usw.
Im alltäglichen Sprachgebrauch, und wenn es auf definitorische Trennschärfe ankommt, halte ich Ihre Wortwahl aber für problematisch, denn Mord bezeichnet nach herrschender Übung nur ganz bestimmte, qualifizierte Tötungshandlungen.
Ich muß auch sagen, daß ich einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Töten von Menschen, Tieren und Pflanzen sehe. Tiere zu töten ist für mich nie Mord.
Mord ist für mich lediglich das Töten eines Menschen aus niederen Beweggründen, und Mord ist nie gerechtfertigt. Es steht niemandem zu, einem Menschen das Leben zu nehmen.
Gerechtfertigt kann dies nur in einer Notwehrsituation sein. Der Junge aus Ihrem Beispiel, der seinen Großvater erschlagen hat, wäre freizusprechen gewesen, wenn er das in einer Notwehrsituation getan hätte, also zu einem Zeitpunkt, als der Mann sich über ihn oder seine Schwester hermachte. Außerhalb einer Notwehrsituation hatte er zu fliehen und den Mißbrauch zur Anzeige zu bringen. Sicher hat sich der Fall nicht in Deutschland zugetragen, wo für Minderjährige eine Höchststrafe von zehn Jahren gilt.
Ein Exkurs zur Wurzel unseres Wohlstands ist nötig. Der Westen verdankt ihn nämlich nicht der Ausbeutung der Dritten Welt.
Erstaunlicherweise bedeuteten die Kolonien vor allem eine Umverteilung innnerhalb der Kolonialstaaten - die Kolonien wurden mit Steuermitteln finanziert, die allen Bürgern weggenommen wurden, den Profit machten einige wenige. Und obwol die Kolonien in Armut versanken, stieg der Reichtum der Mutterländer insgesamt nicht - kolonien rechneten sich nicht! Vgl. beispielsweise das Lexikon der populären Irrtümer von Krämer/Trenkler. Auch der große Adam Smith plädierte schon dafür, die amerikanischen Kolonien in die Unabhängigkeit zu entlassen, weil sie für England insgesamt ein Verlustgeschäft waren.
Erstaunlicherweise haben Staaten, die keine oder kaum Kolonien hatten, prosperiert und Kolonialstaaten hinter sich gelassen - die USA, Deutschland, die Schweiz, Skandinavien.... Alte Kolonialstaaten wie Spanien und Portugal sind dagegen sang- und klanglos pleite gegangen.
Natürlich, sagen Ökonomen. Mit friedlichem Handel mit starken Partnern verdient man eben mehr als mit der Ausbeutung von unterdrückten Völkern oder mit kontrolliertem Handel mit künstlich unterentwickelt gehaltenen Ländern.
Der Kolonialismus war ein abscheuliches Verbrechen, er hat Menschenleben zu abertausenden auf dem Gewissen, er hat Völker ihrer Entwicklungsmöglichkeiten beraubt - aber er hat uns nicht reich gemacht.
Übrigens ist Kolonialismus auch gar nicht kapitalistisch...
Zurück zur Schuld. Sie vermischen alles. Strafrechtliche Schuld, die bestraft werden kann. Moralische Schuld. Mittäterschaft, die zum legitimen Ziel von Notwehrhandlungen macht. Ich muß sagen, daß ich sehr viel mehr differenziere.
Man ist nicht an allem schuld, was man nicht verhindern kann. Sie und ich können an Guantanamo nichts gewaltsam ändern, und weil Guantanamo von Soldaten bewacht wird, gegen die Sie und ich nichts ausrichten können, sind wir auch nicht für die Menschenrechtsverletzungen dort verantwortlich. Der amerikanische Soldat in Deutschland, den Sie oder ich aus dem Hinterhalt töten könnten, ist auch nicht für Guantanamo verantwortlich.
Verantwortung ist zunächst einmal persönlich.
Ich freue mich, daß ich ihnen meinen Gedankengang hinsichtlich der unglaublichen Verbesserungen, die gerade das Leben der Armen im Kapitlismus erfahren hat, vermitteln konnte. Vollziehen Sie noch einenn Schritt! Führen Sie sich vor Augen, daß auch der obszönste Reichtum heute nicht viel mehr Lebensqualität bedeutet als vor hundert und mehr Jahren, und daß gerade die bedeutendsten Verbesserungen nicht nur den Reichen zugute gekommen sind, sondern allen! Zahnmedizin, Penicillin, künstliche Hüftgelenke, Sieg über die Kinderlähmung - von allem profitieren heute in den entwickelten Ländern reich und arm. Alles was sich für die Reichen wesentlich gebessert hat, gehört ihnen nicht exklusiv.
Vieles hat sich für sie sogar verschlechtert, sie sind allen möglichen staatlichen Reglementierungen unterworfen, die es früher nicht gab.
Natürlich haben sie wesentlich mehr Millionen als heute, aber warum auch nicht? Diese Millionen fehlen den kleinen Leuten gerade nicht! Alle haben heute mehr als früher. Während der Staat nur Bestehndes umverteilen kann, schafft der Kapitalismus, die freie Wirtschaft, täglich neues. Natürlich fällt ein ganzer Batzen an die Industriellen, aber verglichen mit den Lohnkosten insgesamt sind Managergehälter und Dividenden normalerweise vernachlässigbar.
Die Unterschicht kämpft auch nicht ums Überleben, und daß wir so viele Arbeitslose haben, ist nicht die Schuld der Kapitalsten. Die leben doch von der sogenannen Ausbeutung und würden lieber noch viel mehr Arbeiter ausbeuten - nur macht ihnen der Staat einen Strich durch die Rechnung.
"Bonzen" werden auch durchaus einesperrt, wenn sie Straftaten begehen. Nur fällt mir zur Zeit keiner ein, der einen Mord oder eine Vergewaltigung begangen hätte. Daß deutsche Staatsanwälte keine Angst vor Ackermännern haben, haben sie doch bewiesen.
Es ist auch keine Ausbeutung, daß der Arbeiter nicht den vollen Erlös des Unternehmens bekommt. Stellen Sie sich vor, der Arbeiter und seine Kollegen müßten sich das Geld leihen, um Maschinen und Gebäude anzuschaffen und ihren eigenen Lebensunterhalt besteiten, bis Monate oder gar Jahre später das Prdukt, zum Beispiel ein Auto, fertig ist. Das sind Kosten, die alle das Unternehmen trägt. Der Arbeiter bekommt jeden Monat seinen Lohn (schon während der Ausbildung!) und geht sorglos (naja) nach Hause. Selbst wenn das Unternehmen Verlust macht, bezieht er weiter seinen Lohn. Es ist völlig klar, daß ihm nicht der ganze Gewinn zusteht! Wenn er den will, soll er mit eigenem Geld und eigenem Risiko ein eigenes Unternehmen gründen!
Mit Geld, daß keineswegs sein Feind ist. Geld ist ein Tauschmittel, ohne das unsere Wirtschaft nicht funktionieren würde. Soll der VW-Arbeiter einmal im Jahr ein Auto als Lohn erhalten und gegen Brötchen tauschen? Der Arme wäre arm, auch wenn es kein Geld gäbe - arm ist nichts als ein anderes Wort für "ohne Tauschmittel". Ohne Geld hieße es eben "ohne Getreide/Kaurischnecken/Kakaobohnen kein Arzt, keine Wohnung, keine Kleider".
Oder, wenn sie an die völlig geldlose Kommune denken, eben ohne Mitarbeit, Anpassung, Wohlwollen.
Kleine Kommunen, Familien, Sippen, etc. funktionieren natürlich ohne Geld hervorragend, vor allem aufgrund der persönlichen Bindungen. Sie sind aber nicht in der Lage, komplizierte, aber durchaus nicht unwichtige Güter und Dienstleistungen bereitzustellen: Medikamente, Rettungshubschrauber, Unversitäten.
Dazu sind große und komplexe Wirtschaften nötig, die nicht mehr auf persönliche Bindungen gestützt funktionieren können, sondern nur mit Geld oder mit Zwang. Mir gefällt eine Gesellschaft nicht, in der irgendjemand entscheiden darf, ob ich mehr habe als ich braucht und mir einen auf die Zwölf geben darf- da ziehe ich das Geld vor.
Warum die Dinge Preise haben, erklärt Ludwig von Mises sehr schön in "Die Gemeinwirtschaft". Wenn man nicht weiß, was ein Mensch aufzugeben bereit ist, um etwas anderes zu bekommen, weiß man nicht, was am dringendsten hergestellt werden muß, amn fischt im Trüben, produziert an den Bedürfnissen vorbei. Deshalb waren die Länder des Ostblocks so verhältnismäßig arm und mit Medikamenten, Rettungshubschraubern und Universitäten zwar durchaus ausgestattet, aber viel schlechter als der Westen.
Im Gegensatz zu Mises verfolge ich aber keinen rein utilitaristischen Ansatz. Für mich steht die Freiheit im Vordergrund. Wenn ich mehr erzeuge, als ich brauche, um es zu "bunkern" oder einzutauschen, wer sollte das Recht haben, mich daran zu hindern?