Memetische Entitäten, oder was ist eine Idee?

20-1-30-40

Lehrling
Registriert
11. Dezember 2008
Beiträge
47
Hallo,
angeregt durch den sehr erbaulichen Magie thread und einige Bücher die ich in der letzten Zeit gelesen habe wollte ich gerne einmal ein Thema zur Diskussion stellen.

Im Zentrum des ganzen stehen mehrere Fragen:
1. Was ist eine "Idee" (oder ein Ideen Komplex)?
2. Behandeln wir "Ideen" in der einzigen richtigen Weise?

Richard Dawkins prägte in einer Untersuchung den Begriff Mem. Ein "Mem" bezeichnete er als eine Gedankeneinheit, die sich durch Kommunikation der Memträger vervielfältigt. Ziel der Übung war es Ideen/Gedankeneinheiten (im weiteren "Meme") mit evolutionären Prozessen aus der Genetik zu vergleichen (Mem vs Gen). Durch diese Betrachtung wird das Mem bereits als ein eigenständiges, vom Memträger unhängiges "Ding" betrachtet. Besonders interessant wird die Betrachtung wenn es nicht nur um ein einfaches Mem geht, sondern einen ganzen Memkomplex (Memplex). Hier im Forum kennt man einige Memplexe ganz gut, Verschwörungstheorien lassen sich da sehr schön als Beispiel ins Feld führen.

Es ist für die Evolution eines Mems oder Memplexes wichtig wie die Information von einem Träger zum anderen übertragen wird. Beispiel: Es ist etwas grundverschiedenes, wenn man ein Plakat liest wo Luky Strike beworben wird, oder ein Freund sich eine Luky Strike anzündet und sagt das er die "Neuen von Lucky" raucht. Die eigentliche Idee (das Mem) ist gleich, der Übertragungsweg ist anders. Viralesmarketing fällt in diese Schiene.
VTs haben die eigenart sich als eigene Erkenntnis im Kopf festzusetzen. Der Memplex wird dem träger nicht als ganzes vermittelt, sondern es wird eine Memspur gelegt die dann zu einem AHA Erlebnis und einer eigenen (gewollten) Erkenntnis führt (AHA die globale Elite will die NWO). Ein auf diese Weise übertragener Memplex sitzt echt fest, eigene Erkenntnisse, also Dinge die wir selber als wahr erkannt haben sind schwieriger zu revidieren als andere Ideen.

Erweitert man diese Gedanken, so kann man gigantische Memplexe ausmachen, das Christentum, der Kommunismus, der Nationalsozialismus, ... alles irgendwie "eine Idee" die in den Köpfen der Menschen umherspukt und sich sogar über die Zeiten an die Zeiten anpasst.

Die Katholische Kirche war so freundlich uns zu zeigen, das man eine Idee nicht vernichten kann. Der Versuch die Idee der Magie zu vernichten wurde unternommen, mit Flamme und Schwert, aber interessanter Weise hat dies die Idee eher noch verstärkt. (Dazu liest sich Grimoires: A History of Magic Books ganz schön.
Man bedient eine Idee eben auch wenn man dagegen agiert, als bekanntes Beispiel nenne ich den Antisemitismus. Wenn Israel stark kritisiert wird, so zieht irgendwer die Antisemitismus Karte und verstärkt diese (scheiß) Idee auch noch. (Durch Nennung wird sie am Leben erhalten, dadurch das sich alle die mit der Kritik übereinstimmen plötzlich im Lager der Antisemiten befinden wird es relativiert, Glückwunsch).

Soweit erstmal zu Memen und Memkomplexen. Ich hoffe die Gedanken dazu sind verständlich formuliert. Dies beleuchtet die Frage 1, was ist eigentlich eine Idee, was gebe ich einem anderen Menschen, wenn ich Ihn auf eine Idee bringe, ihn an einer Idee oder einem Gedanken teilhaben lasse, ...

Nun zu Frage 2. behandeln wir diese Meme richtig. Wie näher ich mich bloß dem, was ich sagen will? :roll:
Nun, im Polytheismus, wurden bestimmte "Ideen" von der Welt, beobachtbare Vorgänge, Zusammenhänge, Zustände, ... personalisiert und zu einer Gottheit zusammengefasst. Da es sich dabei auch nicht immer um einfache Zusammenhänge gehandelt hat, kamen da recht schwer verständliche Persönlichkeiten heraus. Wer versteht schon genau warum ein "Loki", ein "Odin" oder auch ein "Seth" oder "Anubis" so handelt wie sie es tun, warum widerspricht sich das oft auch noch, ...
Eigentlich wurde einem Memplex ein Name gegeben und dieser als Persönlichkeit Definiert. Etwas ganz ähnliches passiert im Schamanismus, wo bestimmte Vorgänge, Krankheiten, ... als Geistwesen betrachtet werden.

Wenn wir also bereits darüber nachgedacht haben das ein Mem etwas vom Träger unabhängiges ist, warum nicht auch darüber nachdenken das dieses Stückchen Information auch sowas wie eine Lebensform ist bzw. so aufgefasst werden kann.

Memplexe zu personalisieren hat ungeahnte Vorteile, unser Hirn ist nämlich recht gut zur sozialen Interaktion ausgebildet, ausser dem analytischen Teil springen noch weitere "Analyse" und "Verständnis" Ebenen an die wir beim Interagieren mit Menschen benötigen. Wenn wir also durch Geschichten, Lieder und Erzählungen am Feuer eine Vorstellung ja sogar eine emotionale Verbindung zu dem Wesen "Loki" aufbauen können, so haben wir eine ganz anderen Zugang zu einer Komplexen Idee gefunden als würden wir nur über "Feuer" als schaffer und zerstörer nachdenken. Man kann auf diese Weise hochkomplexe Vorstellungen anders verarbeiten und sogar ausbauen.

Auf dieser Schiene gibt es einige Okkulte Ideen und Techniken die solche Memetische Entitäten erschaffen oder rufen. Wohl eine bekannte Technik ist die Invocation wie sie z.B. im Voodoo zu finden ist. Der Loa wird durch Trance und Extase in den "Zaubernden" gerufen. Der Magier wird von dem Geist geritten um daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Mit obiger Theorie kann man sagen, er steigert sich in eine Idee hinein bis er ganz davon eingenommen wird um die Welt aus diesem Blickwinkel betrachten zu können. Ein Memplex und Imagination.

Ok, ich denke alles weiter führt zu weit für einen Eröffnungspost ich hoffe ich habe mich einigermaßen verständlich ausgedrückt.
 

Semiramis

Großmeister
Registriert
21. August 2005
Beiträge
653
Hallo 20!
Schön, wieder etwas von Dir zu lesen :-D Klingt interessant, Deine Überlegungen ^ ^

So, mein erster Punkt ist:
Was es für das Mem für einen Unterschied machen soll, auf welchem Weg es übertragen wird, habe ich nicht verstanden. Wenn das Mem gleich bleibt, wie Du ja auch selbst schreibst, in welchem Zusammenhang steht es mit den Informationen zum Übertragungsweg und mit den Emotionen, mit denen es weiterverbreitet wird: diese Infos werden mit dem Mem zusammen übertragen - ändern sie das Mem? Wie siehst Du diesen Zusammenhang?

"Meme als etwas vom Träger unabhängiges"...
Ich muss zugeben, so richtig intensiv habe ich mich mit den Memen noh nciht beschäftigt, allerdings stehe ich ihnen aus einem Grunde kritish gegenüber bislang - vielleicht liegt das jedoch auch an meinem mangelnden Wissen zu dieser Materie:
Die Definition einer Idee, die außerhalb eines Körpers und eigenständig existiert, erscheint mir recht seltsam. Ich denke: Da sind die Menschen, die aufgrund ihrer Bauweise und ihrer Verarbeitungsmechanismen im Gehirn Ideen entwickeln. Diese "Ideen" sind Produkt unserer menschlichen Gehirne und sozusagen deren Output. Wir vermitteln diese Ideen anderen Menschen über den "Umweg" der Sprache, versuchen die Idee in Worte zu übersetzen. Diese Worte werden von einer anderen Person aufgenommen und von deren Gehirn "rückentschlüsselt" - und am Ende hat die zweite Person bestenfalls etwas ähnliches wie die Idee der ersten Person sich vorgestellt. Ideen und Gehirne sind, finde ich, gekoppelt und nciht ohne einander denkbar. Es gibt außerhalb dieser "materiellen" Umgebung "Gehirn" diese Ideen nciht - unbestritten allerdings, dass den Auswirkungen dieser Ideen dann doch Realität zukommt: Wenn jemand die Idee des "Bogenbauens" in die Tat umsetzt und einen herstellt, steckt die Idee dahinter. Soweit kann ich dem ganzen folgen. Diese Meme scheinen mir aber - als Folge des Abstrahierungsprozesses - als eigenständige Einheiten gedacht zu sein. Das sind sie imho in der Realität nicht, dieses Modell der Meme vereinfacht die Zusammenhänge - wie jedes Modell -, um die Zusammenhänge klarer zu sehen; ich hege Zweifel jedoch, ob man bei dieser Vereinfachung nicht wichtige Teile weglässt: Wie Ideen entstehen, lässt sich nur innerhalb des gehirnlichen Verarbeitungssystems erklären, - und was Ideen sind, auch?!
Mit der Bezeichnung als Mem geht man doch vielmehr schon bereits davon aus, dass man aus der Welt der Gedanken viele einzelne Ideen herauslösen kann, die als soche kleine Einheit definiert werden können.
Und noch ein Kritikpunkt: Verschleiert diese Bezeichnung nicht auch, dass es "die Idee" als solche, als fest umreißbare einheit vielleicht gar nciht gibt. Die Änderungen / Abweichungen verschiedener ähnlicher Ideen untereinander kann das Konzept der Meme mit der "Evolution" der Meme erklären, aber es bleibt die Vorstellung einer Ur-Idee dabei, die einmal entstand und dann weiterentwicklet wird (durch verschiedene Übertragungswege und alles, was an diese Idee dabei so angeknüpft werden konnte)? Worauf mein Kritikpunkt jetzt abzielt: GIbt es eine solche Ur-Idee überhaupt; ich meine: Gibt es nur eine, für jede "Idee", oder gibt es schon von anfang an mehrere? Beispiel: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass verschiedene Menschen zu verschiedneen Zeiten oder an verschiedenen Orten wirklich unabhängig auf "dieselbe" Idee kommen können: Dass z.B. ein Beil mehrfach "erfunden" wird, an verschiedenen Orten. Sehen die Beile dann deswegen im Detail verschieden aus, weil die Idee, die zwar die gleiche war, von den konkreten Menschen anders umgesetzt worden ist - oder doch eher, weil diese unterschiedlichen Menschen die Idee, die im Mem-Konzept als die gleiche identifiziert würde, doch unterschiedlich gedacht haben?
Wo ich da das Problem sehe, und ich hoffe, ich konnte das deutlich machen, ist: Gibt es überhaupt die eine Idee vom Bau eines Beiles. (und ich meine jetzt nicht die Idee von der Ausführung, sondern die reine Idee von der "Essenz" des Beiles - ich sehe, die ÜBerlegungen über Meme führen uns zu sehr seltsamen Begriffen.


Zu Frage 2:
Du kennst mich, das ist schon eines meiner Lieblingsthemen :-D
Ich muss zugeben, auf den ersten Blick klingt das verlockend und ungeheuer vereinfacht klar, polytheistische Gottheiten als Personalisierung von Memen (oder Memkomplexen) zu verstehen.
Momentan denke ich, diese Zusammenhänge, die Du beschreibst, gibt es. Dass "Ideen" (aber hier würde ich statt von Memen lieber von Zusammenhängen reden, deren Bezug zu Memen / Memplexen mir ehrlich gesagt auch noch nciht so recht klar ist), also bzw. Zusammenhänge personalisiert werden, um mit ihnen interagieren zu können, kenne ich auch, und eigentlich am ehesten aus medizinischem oder (back to the roots ;-) magischem Bereich: Eine Krankheit zu personalisieren, um mit ihr reden zu können, ihr zu drohen, sie verbal vertreiben zu können.
Dieses System jedoch finde ich für die Gottheiten selbst nicht bestätigt, bzw. genauer gesagt, nicht für alle.
Gerade bei den von dir angeführten Gottheiten fällt es mir schwer, die dahinterliegenden "Ideen" zu erkennen. Die Personifizierung einer einzelnen (nicht unbedingt einzigen, aber einer isolierbaren, meine ich) Idee jedenfalls nciht. Das Beispiel, was mich hier am meisten interessiert, natürlich, ist Seth: An welche Ideen, die dahinterstehen, denkst Du? Vielleicht - das kann gut möglich sein - habe ich das Sytsem der Ideenkomplexe auch anders aufgefasst als Du, und daher rühren unsere unterschiedlichen Auffassungen? Mir scheint, gerade Seth ist z.B. nicht die Personifizierung einer einzelnen Idee. Er ist nicht der Tod, der seinerseits durchaus eine Personifizieung erfahren hat, und als "anonymer Feind" angesprochen wird.
Korrigiere mich, wenn ich mit meiner Auffassung zu der Mem-Geschichte falsch liege, aber mir scheint, gesetzt, dieses Ideen-System läge der Entwicklung des Gottes zu grunde, dann müsste eine einzelne Idee ursprünglicher Ausgangspunkt gewesen sein, durch Verbreitung der Idee veränderte sie sich, durch mitgeschleppte Informationen erweiterte sie sich und baute sich aus, durch Personifizierung wurde sie für INteraktionen nutzbar, und änderte ihren Charakter weiter, bis am Ende dieser komplexe und ausgeuferte Vorstellungskomplex mit Namen "Seth" dahintersteht - sehe ich das richtig?
Auf dieser Ebene, auf der ich mich, vielleicht fälschlich, bewege, bringt mir die Erklärung mit den Memen nichts für ein Verständnis der Sache. Ist diese Erklärung nciht auch ein wenig ... naja, monokausal, eindimensional - zu einfach, um die vielschichtigen Prozesse zu erklären, die da hinter stehen?
Andererseits kommen wir hier in das Problem der Gottheiten-Entstehung hinein: Vielleicht haben manche so begonnen, sind uns dann aber überleiferungstechnisch nicht mehr in einem solchen Stadium zu haben. Persönlich rechne ich allerdings erst mal nicht damit.

Auch an diesem Punkt, dem Nachdenken, inwieweit Gottheiten Memplexe verkörpern, beschleicht mich das ungute Gefühl, dass mit dem Mem-System die Dinge mehr verschleiert als klarer werden. Grundsätzlich gilt doch, dass Alles Menschengeschaffene die Umsetzung von solchen "Ideen" sein soll, nicht nur die Götter, sondern alles andere, was der Mensch schafft, um die Ideen umzusetzen. Gut vielleicht haben wir hier den Bereich, dass das Geschaffene, das die Idee umsetzt, selbst nichts materielles ist, sondern seinerseits eine Vorstellung, und den "Sonderfall", dass diese Vorstellung durch Personifizierung in eine Interaktion einbezogen werden kann. Der Fokus richtet sich hier auf diese Zusammenhänge, dorthin fürht die Überlegung mit den Ideen, allerdings führt sie von den einzelnen Fällen, vom Mikrokosmos weg, weg von den Ideen selbst und den individuellen Wegen, die diese Ideen genommen haben.

Neben meinen obigen Fragen ;-) - würde ich gerne noch genauer wissen, was Du unter diesen Memen bezeichnte siehst, wie Du dir das System vorstellst.
Oder hat noch jemand anders eine Idee, oder eine andere Sichtweise?

Gruß,
Semis
 

Ähnliche Beiträge

Oben