Lehrerin darf mit Kopftuch unterrichten
Der Kopftuchstreit ist beendet, zumindest juristisch. Am Mittwochmorgen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die muslimische Grundschullehrererin Fereshta Ludin ihr Kopftuch im Klassenzimmer einer staatlichen Schule nicht abnehmen muss - ein brisantes Urteil mit weitreichenden Folgen.
Im langjährigen "Kopftuchstreit" zwischen der Lehrerin Fereshta Ludin und dem Land Baden-Württemberg ist die Entscheidung gefallen. Das Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts urteilte am Mittwoch, dass Lehrer mit Kopftuch unterrichten dürfen, so die Karlsruher Richter in der Urteilsbegründung. Mit 5:3 Stimmen hoben sie damit die Urteile von drei Verwaltungsgerichten auf. Nicht Behörden und Gerichte sollten über die Kopftuchfrage entscheiden, sondern der Gesetzgeber. Drei Richter gaben ein Sondervotum ab.
Fereshta Ludin, 1972 in Afghanistan geboren, lebt seit 1987 in Deutschland und hat seit acht Jahren einen deutschen Pass. Sie absolvierte das Lehramtstudium und ihr Referendariat in Baden-Württemberg, weigerte sich aber, als gläubige Muslimin Unterricht ihr Kopftuch abzunehmen. Daraufhin lehnte das Land es im Juli 1998 ab, Ludin als Lehrerin in den staatlichen Schuldienst zu übernehmen. In drei Instanzen der Verwaltungsgerichte klagte die 31-Järhige - stets erfolglos, bis der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht landete.
Noch am Mittwochmorgen unmittelbar vor der Urteilsverkündung hatte der Zentralrat der Muslime seiner Hoffung auf eine höchstrichterliche Zustimmung zum Kopftuchtragen Ausdruck gegeben. Ein Verbot käme "de facto" einem Berufsverbot gleich, sagte Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats, im Deutschlandfunk. Für deutsche Musliminnen sei das Kopftuch Teil ihrer Persönlichkeit und nicht ein Zeichen, um missionieren oder provozieren zu wollen. Die Debatte müsse endlich ein Ende finden, sagte Elyas: "Ein klares Wort wird uns alle erleichtern."
Unterdessen sagte die SPD-Politikerin Lale Akgün, das Tragen eines Kopftuches sei für Musliminennen zwar eine "Verhaltensregel", aber "keine religiöse Pflicht". Die Bundestagsabgeordnete forderte im ARD-Morgenmagazin, die Schule müsse sich ihre Neutralität bewahren. Da alle Eltern ihre Kinder in die Schulen schicken müssten, könnten sie auch erwarten, dass "die Unterrichtenden religiös und politisch neutral" seien. Akgün fügte hinzu, Brauchtum und Religion dürften nicht verwechselt werden. Ein Adventskranz auf dem Schultisch sei "Brauchtum". Wenn eine Lehrerin mit dem Kopftuch aber dezidiert ihre religiöse Haltung demonstriere, gehe davon "ein anderes Signal aus".
Nach jahrelangem erbitterten Rechtsstreit mussten die Karlsruher Richter zwischen dem staatlichen Neutralitätsgebot und dem Recht auf freie Religionsausübung entscheiden; hinzu kommt aber auch zum Beispiel aber auch das Recht auf freie Berufswahl. Nach Auffassung der Richter hat der Gesetzgeber grundsätzlich das Recht, auch das Tragen von Kopftüchern im Unterricht zu verbieten. Allerdings sei die Gesetzeslage in Baden-Württemberg nicht hinreichend präzise.
link:
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,266920,00.html