Die neue Johnny Cash !

agentP

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Seit Montag ist sie draussen, die CD auf die ich seit 2 Jahren warte: Johnny Cash - American Recordings IV.
Wie die 3 anderen Werke aus der American Recordings wurde auch diese wieder von Rick Rubin dem Gründer des legendären Def Jam Labels und Produzenten von Acts wie Slayer, Public Enemy, Rage Against The Machine oder Red Hot Chili Peppers produziert.
Die Zusammenarbeit von Rubin und Johnny Cash enstand aus einer Geschichte, die fast für ein Hollywood-Drama reichen würde: Vor ein paar Jahren stand Mr. Cash schwer von einer seltenen Krankheit gebeutelt ohne Plattenvertrag da und keiner schien sich für den alternden Country Gott zu interessieren.
Das traditionelle Nashville-Country-Business hatte mit Cash bereits in den 60ern gebrochen, da dieser ganz entgegen den wertkonservativen Traditionen die hier gepflegt wurden (und werden) sich politisch engagierte unter anderem für die Rechte der amerikanischen Ureinwohner, kostenslose Konzerte gab für Strafgefangene (Live at St. Quentin ist eine seiner besten Platten) oder sich kritisch zum Vietnamkrieg äusserte. Durch diesen Umstand setzte sich Mr. Cash quasi zwischen die Stühle: Der Country-Szene war er politisch zu liberal,
den Hippies waren die Musik und das Amerika für das sie stand zu konservativ.
Im Prinzip hielt sich dieser Zustand bis in die neunziger Jahre: den vergangenen Ruhm im Nacken, aber ohne Chance an alte Erfolge anzuknüpfen dümpelte die Karriere vor sich hin, bis Rick Rubin plötzlich auf die Idee kam, seinem alten Helden Idol eine Kooperation anzubieten.
Und wie sich zeigte hatte der erfahrene Produzent mal wieder das richtige Händchen: Anstatt aufwendig orchestrierten Bombast zu schaffen, setzte er den den alten und kranken Mann auf einen Barhocker mit einer Wanderklampfe und reduzierte so das Phänomen Cash auf das wesentliche, nämlich die Stimme und die Songs. Der zweite grosse Geniestreich war aber weitere Cash-Verehrer einzuladen mitzuwirken oder Songs zur Verfügung zu stellen.
So finden sich auf den 4 CDs von Johnny Cash interpretierte Versionen von Liedern von: Danzig, Tom Petty, Leonard Cohen, Tom Waits, Trent Reznor, Nick Cave, U2 und Depeche Mode. Aktiv beteiligten sich bisher Tom Petty, Nick Cave, Will Oldham, Sheryl Crow und einige andere.
Interessanterweise hat er damit ohne wirklich etwas anders zu machen als vor 10, 20 oder 30 Jahren den Sprung von einer Genre-Schublade in eine andere geschafft: Fand man J.C. früher höchstens als Best-Of-CD
in der Country Wühlecke von media Markt, habe ich die Vinyl-Version der letzten beiden Werke immer zuerst in den Schaufenstern irgendwelcher Kreuzberger Indy-Plattenshops und Besprechungen findet man heute eher in der Spex als in der Trucker-News.
Wer hören will, woher all die Muppet-Mephistos von heute die Kunst des dunklen Liedes erlernt haben, der gehe hin und kaufe, stelle eine Flasche Whiskey bereit und eine Packung Taschentücher und lausche dann andächtig, was der Meister zu erzählen hat.

Anspieltipps
auf American IV - The Man Comes Around: Hurt, Personal Jesus
auf American III - Solitary Man: I See a Darkness, One
auf Ameerican II - Unchained: Rusty Cage (ja, genau ! Soundgarden)
auf American I - American Recordings: Beast in Me, Delia's Gone
 

DrPeterVenkman

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Johnny Cash ist ein Gott. Es gibt keinen anderen der ihm das Wasser reichen kann!

Bei seinem Welthit "Ring of Fire" bekommt so manch einer Hemorrieden!

:wink:
 

samhain

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hört sich gut an!
muss mal wieder in meinen cd-verleih...
ich kenne das stück "one" von ihm, das ja mal ursprünglich von U2 war.
während mich die U2 version nicht gerade vom hocker reisst, ist das mit seiner interpretation des stückes ganz anders. wahnsinn...
 

DrPeterVenkman

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Hier mal was über den Altmeister persönlich:

Der Sohn eines Baptisten lernte schon im Alter von 12 Jahren das Gittarenspiel. Er hatte immer das Ziel vor Augen mal ein grosser Countrysänger zu sein. Anfang der Fünfziger Jahre gründete er zusammen mit dem Bassisten Marshall Grant und den Gittaristen Luther Perkins die Band "Tennessee Two". Im Jahre 1960 holten sie sich den Drummer W.S. Holland mit in die Band, so das sie sich fortan "Tennessee Three" nannten.
1955 brachte Johnny seine erste Single "Hey Porter" beim legendären Sun Records Label heraus. Die zweite Single "Cry, Cry, Cry" kletterte bis auf Platz 14 der Billboardcharts. Mit dem Produzenten von Sun Records Sam Phillips, war er fortan in sehr guter Gesellschaft, waren dort so Stars wie Elvis Presley, Carl Perkins und Jerry Lee Lewis unter Vertrag. Zur damaligen Zeit nannte man die Vier auch "The Million Dollar Quartet". 1956 nahm Johnny seinen Superhit "Folsom Prison Blues" auf. Kurze Zeit später dann seinen Welterfolg "I Walk the Line", der wurde dann auch seine erste Nr. 1 in den Countrycharts.
Durch diesen Erfolg entstand dann auch sein Debutalbum "Johnny Cash with His Hot & Blue Guitar". Der Anfang einer beispiellosen Karriere. Er wurde 1980 in die Country "Hall Of Fame" und 1992 in die Rock n' Roll "Hall Of Fame" aufgenommen und bekam 10 x den Grammy. 1999 bekam er den "Lifetime Achievement Award".
Im Laufe seiner Karriere brachte Johnny Cash zahllose Alben heraus die fast alle mit Gold oder Platin ausgezeichnet wurden. Ein Meilenstein seiner Laufbahn jedoch war die Zusammenarbeit mit seinen Freunden Waylon Jennings, Willie Nelson und Kris Kristofferson, den legendären "Highwayman".
In den letzten Jahren musste er etwas kürzer treten, da ihn seine Krankheit (Parkinson) sehr zu schaffen machte.
Am 26. Februar 2002 wird Johnny Cash 70 Jahre.
 

Terrapansen

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lol @ DrPeterVenkman.: Johnny Cash und Ring of Fire hat ja wirklich was mit Hämmorhoiden zu tun! Oder wie auch immer man das schreibt!
 

agentP

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Hier noch ein Artikel mit ein paar interessanten Details :

Country ist primitiv. Country ist reaktionär. Country ist peinlich. Johnny Cash ist der wahrscheinlich bekannteste Countrysänger der Welt. Johnny Cash ist großartig.

Angefangen hat alles allerdings ganz woanders, in Bayern Anfang der 50er Jahre. "I"m no stranger to Deutschland.", sagt Johnny Cash später einmal, "Ich war hier drei Jahre. United States Airforce. In Landsberg am Lech..." GI Cash. Für 20 Mark kauf er sich seine erste Gitarre und gründet die Landsberg Barbarians. Zurück in den USA startet er durch: Mitte der 50er spielt er im Vorprogramm von Elvis. Bald ist er selbst ein Star.

Viriler Typ, latent brutal, mit zuviel Sex im Bariton. Zudem bricht er ständig die Regeln des reaktionären Country. Als einer der ersten spielt er mit linken, pazifistischen Folkmusikern zusammen, Dylan zum Beispiel.

Die Kehrseite des Ruhms: Cash wird 7 mal verhaftet. Mal, weil er Blumen gekauft hat, meist aber, weil sich zuviel Pillen im Handgepäck befinden. Alkohol ist dagegen legal und Cash Mitte der 60er ein Wrack. Seine Mit-Musikerin June Carter organisiert schließlich den Entzug, wird seine zweite Ehefrau und die Liebe seines Lebens.

Neue Energie. Songs und Konzerte für die Entrechteten, für Indianer und Strafgefangene. Die sozial, religiöse und eben auch die ins Dunkle verliebte Seite des Mr. Cash: "Ich erschoß einen Mann, nur um zu sehen, wie er stirbt", singt er im Gefängnis San Quentin, das ist heute noch im gleichnamigen Dokumentarfilm zu bestaunen. Harter Stoff für harte Jungs. So was hat ihm immer gefallen.

Mitte der 80er schmeißt die Firma Columbia Cash nach 30 Jahren schäbig aus einem Plattenvertrag, der ihr einst viel Geld gebracht hatte. Doch was aussieht wie das Ende der Karriere ist in Wahrheit der Beginn seiner Apotheose: Hiphop-Produzent Rick Rubin nimmt ab 1994 drei Platten mit dem Alten auf. Eine besser als die andere. Nicht mehr nur Country. Cash covert U2, Nick Cave oder Beck. Er singt, längst schwer krank, vom Anfang und Ende aller Dinge. Und klingt dabei, als sei er gerade dem alten Testament entstiegen. Ein Mann, der alles vom Leben weiß. Müde und jenseits jeder Illusion. Voller Trauer und überstandener Enttäuschungen, voller Sehnsucht und der Liebe eines alten Mannes...

Quelle: http://www.br-online.de/kultur-szene/capricci/report/thema020303_5.html


während mich die U2 version nicht gerade vom hocker reisst, ist das mit seiner interpretation des stückes ganz anders.

Ja, so isses ! Wie heisst es so schön: "It´s the singer, not the song !"
 

Francis

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Johnny ist einer der größten!

Ich bin von früh an mit Country aufgewachsen, liebe Western und vor allem den Flair des Ganzen! (Andererseits bin ich überzeugt Anti-USAisch... :twisted: )

Eines der Lieder von ihm, die mich am meisten berühren ist "Man in Black". Vor allem der Text. So schöööön...

Feurige Grüße,
Franc.
 

yoshware

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Also meine Lieblingslieder sind zum Beispiel Johnny Yuma, I got Stripes und Wabash Cannonball. Es ist im Moment echt hundeschwer, ein paar seiner CDs zu finden. Deswegen lad ich mir das ganze immer runter. Dieses Kontingent ist aber auch mittlerweile ausgeschöpft. Schade eigentlich. Ich freue mich auch, endlich mal Leute gefunden zu haben, die über den für mich immer noch mysteriösen Mann genauso denken, wie ich.
Wenn ich ein Lied spiele - egal welches - bin ich einfach gezwungen, mitzusingen. Das haben bei mir kaum andere Künstler geschafft.
 

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