Deformierung des Westens
Der Orientalist Hans-Peter Raddatz warnt vor der Verharmlosung des Islam
Von Gerhard Besier
Die Terroranschläge des 11. September 2001 zwingen zu der Erkenntnis, dass der westliche Protestantismus sich und andere nicht nur über den wahren Charakter des Sozialismus, sondern auch über den des stets aggressiven Islam dramatisch hinweggetäuscht hat. An vorderster Stelle in der protestantischen "Dialogpropaganda" nennt Autor Hans-Peter Raddatz, promovierter Orientalist und Wirtschaftsanalytiker, die gerade wieder gewählte Hamburger Bischöfin Jepsen. Ihre "proislamischen Publikationen" stünden "beispielhaft für die grassierende Faktenresistenz des deutsch-islamischen Dialogbetriebs". In ihrem "ökumenischen ‚Kulturbereich'" habe ein Taliban-Minister verkünden dürfen, Osama Bin Laden habe "die Ehre der Afghanen gerettet". In beiden christlichen Kirchen sieht Raddatz eine rundum inkompetente, "proislamische Toleranzideologie", deren Ziel die Errichtung eines "Mischglaubens" sei - bei ständigem Abbau des christlich-ethischen Sittenkodex.
Aber die religiösen, politischen und ökonomischen Kollaborateure des Islam werden von diesem niemals akzeptiert, sondern nur instrumentalisiert und schließlich unterjocht werden, denn die Westler sind und bleiben schmutzige Ungläubige - es sei denn, sie bekennen sich zum Koran. Solange die europäische und nordamerikanische Islamlobby diesen Schritt nicht vollständig tut, droht auch ihr letztlich die religiös legitimierte Gewalt in dem seit Jahrhunderten tobenden "heiligen Krieg" (Dschihad) um die Weltmacht - eine brutale Auseinandersetzung, die von der postmodernen Dialogideologie als "Anstrengung im Glauben" verharmlost werde. Darin ähnelten die christlichen Priestereliten von heute ihren Vorgängern, die - etwa in Spanien - "als gehobene Zwischenträger . . . das Wohlverhalten ihrer Gemeinden gegenüber den islamischen Machthabern sicherstellten . . . - gegen in der Regel fürstliche Entlohnung". Die Weltherrschaft können und sollen nur Allah, sein Prophet und die despotische Elite der wahrhaft Gläubigen ausüben. Gewaltherrscher richteten Allahs Gesetzesregeln, die Scharia, auf und sorgten für die rücksichtslose Durchführung dieses Kodex. "Menschenrechte" im Allgemeinen und "Religionsfreiheit" im Besonderen seien diesem von Führern bestimmten Kollektivsystem zutiefst fremd. Für westliche Verfassungen, plurale Gesellschaften, die Würde des Menschen empfänden gläubige Moslems nur Verachtung und Spott.
Zur Begründung dieser Thesen, die tatsächlich alle Friedensrhetorik und den toleranten Multikulturalismus Lügen strafen, holt Raddatz weit aus. In einem ausführlichen historischen Teil zeigt er, dass rivalisierende Herrscher und Kirchen immer wieder mit dem Islam kooperierten, um sich gegen christliche Konkurrenten durchzusetzen. Doch sie konnten sich ihres Sieges meist nur kurz freuen. Denn bald darauf wurden auch sie von dem islamischen Verbündeten enthauptet und ihre auf Stangen gespießten Köpfe triumphierend der Menge präsentiert. Der Islam sei eben wesensmäßig nicht tolerant, wie seine europäische Lobby behaupte, sondern erhebe einen totalitären Alleinanspruch. Im Falle militärischer Unterlegenheit gehe der Islam zum Schein Kompromisse ein, camoufliere sich einmal "sozialistisch", ein anders Mal "kapitalistisch" oder er kreiere andere Strategien, vornehmlich solche der Korruption, bis sein getäuschter "Dialog"-Partner den Eindruck der Annäherung gewonnen habe und ihm seinerseits noch einmal ein weiteres Stück entgegenkomme.
In dieser um sich greifenden Korruption, in einem anscheinend "unaufhaltsamen Denk- und Bildungsverfall", in einem "biologistischen Massenimpuls des Unbewussten" und in einem "ins Totalitäre weisenden Trend zum Konsum, Spaß, Kontrolle und - Terror" sieht Raddatz eine schleichende "Islamisierung" und, damit verbunden, die "Deformierung des Westens".
Dieses Buch wird, wie schon Raddatz' Studie "Von Gott zu Allah" (2001), heftige Kontroversen auslösen - nicht zuletzt deshalb, weil es politische Konsequenzen, etwa im Blick auf die Zuwanderung, nahe legt und den in Aussicht genommenen Beitritt der Türkei in die Europäische Union problematisiert. Leicht wird es den Gegnern nicht fallen, die meist mit guten Argumenten und historischen Belegen vorgetragenen Thesen des Autors zu erschüttern.
Der Autor ist Kirchenhistoriker an der Universität Heidelberg
Raddatz, Hans-Peter: Von Allah zum Terror? Der Djihad und die Deformierung des Westens. 376 Seiten. München 2002: Herbig. 29,90 Euro.
Interessantes Buch! Sollte man sich mal zu Gemüte führen, paßt nämlich unheimlich auf die Türkei...