Rede des Präsidenten der Republik Zypern, Glafkos Klerides, vor der 52. Generalversammlung der Vereinten Nationen am 6. Oktober 1997 in New York (Auszüge)
Betrifft: Zypern-Problem – Gespräche in Glion und Troutbeck
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Herr Präsident, wir glauben an die Vereinten Nationen und ihre Charta nicht nur als ein abstraktes Ideal, sondern als eine funktionierende, unentbehrliche und konkrete Entität.
Seit unserer Unabhängigkeit und Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen bilden die Prinzipien und Ideale der Vereinten Nationen den Eckstein unserer Außenpolitik. Wir sind ihrer Stärkung verpflichtet, indem wir dabei helfen, ihre prekäre finanzielle Lage zu bewältigen, ihre Einsätze zu straffen und zu rationalisieren und vollständig ihre Einzigartigkeit und unübertroffenen Sachverstand zu nutzen.
Wir sind zuversichtlich, daß die Organisation in der Lage sein wird, die Reformkräfte zu unser aller Wohl zu nutzen.
Herr Präsident, dieses Jahr waren die Vereinten Nationen besonders aktiv bei bestimmten, lange ausstehenden Fragen wie Ost-Timor, Westsahara, der Situation im Nahen Osten und Zypern. ...
Bezüglich der Zypern-Frage war 1997 ein Jahr intensiver diplomatischer Aktivitäten, die in direkten interkommunalen Gesprächen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen letzten Juli und August in Troutbeck beziehungsweise Glion ihren Höhepunkt fanden.
Die Wiederaufnahme der Gespräche war das Ergebnis der unermüdlichen Bemühungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, ermutigt und aktiv unterstützt durch die internationale Gemeinschaft.
Der Sicherheitsrat verfolgte entschlossen die Entwicklung der Zypern-Frage, während neun einzelne Staaten Sondervertreter für Zypern ernannten. Die Europäische Union verfolgte durch den Sondervertreter der Präsidentschaft ebenfalls genau die Entwicklung.
Als wir letzten Juni von Kofi Annan eingeladen wurden, an direkten Gesprächen mit dem Führer der türkisch-zyprischen Gemeinschaft in Troutbeck und später in Glion teilzunehmen, antworteten wir zustimmend und zeigten unsere ernsthafte und unerschütterliche Verpflichtung auf den Friedensprozeß als einziges Mittel zur Lösung der Zypern-Frage und unseren Willen, an einer umfassenden, gerechten und dauerhaften Lösung zu arbeiten. Unser Wille wurde um so härter auf die Probe gestellt, als die Türkei und die sogenannte "Türkische Republik Nordzypern", die außer durch die Türkei international nicht anerkannt ist, am Vorabend der Gespräche ein illegales Abkommen unterzeichneten, das zur türkischen Annexion der durch die türkischen Truppen besetzten Gebietes führen sollte, falls die Europäische Union die Beitrittsverhandlungen mit Zypern fortsetzen sollte. Trotz dieser enormen Provokation reagierten wir zurückhaltend, um Spannungen zu vermeiden, die sich nachteilig auf das Klima der Gespräche auswirken könnten.
Während der Gespräche arbeiteten wir hart und kooperierten konstruktiv mit Herrn Cordovez, dem Sonderberater des Generalsekretärs, mit dem einzigen Ziel, aus der Sackgasse herauszukommen und vorwärtszubewegen, um den Status quo umzukehren, der 1974 durch die Türkei mittels Gewaltanwendung geschaffen und aufrechterhalten wurde, und durch zahlreiche Resolutionen des Sicherheitsrats als nicht annehmbar erklärt wurde.
Im Gegensatz dazu war die Antwort der anderen Seite völlig negativ. Trotz unserer konstruktiven Haltung, den Bemühungen von Herrn Cordovez und den Vertretern der anderen beteiligten Staaten, weigerte sich Herr Denktash, irgendwelche Diskussionen über den Kern des Zypern-Problems zu führen, bevor die Europäische Union nicht ihre Pläne für Beitrittsverhandlungen mit der Regierung der Republik Zypern gemäß ihrer Entscheidung vom 6. März 1995 einfriert. Herr Denktash drohte sogar damit, daß, falls die EU sich entscheide, mit Zyperns Bewerbung fortzuschreiten, er in Zukunft überhaupt nicht mehr verhandeln würde. Damit war es mehr als klar, daß die andere Seite nicht mit dem Ziel zu den Verhandlungen ging, eine Lösung für das Problem zu finden, sondern mit einem Versuch, Zyperns EU-Beitrittsprozeß zu behindern.
Alle Zweifel an den wahren Gründen für das Versagen der Gespräche, Ergebnisse zu den substantiellen Aspekten des Zypern-Problems zu erreichen, wurden durch das einstimmige Urteil der internationalen Gemeinschaft beseitigt, das am 20. August durch den Präsidenten des Sicherheitsrats in einer Presseerklärung nach der Besprechung mit Herrn Cordovez zu den Ergebnissen der Gespräche in Glion veröffentlicht wurde.
In der Erklärung wurden unsere positive Haltung und die Zusammenarbeit gelobt, während die türkische Seite der Verhinderung substantieller Erfolge beschuldigt wurde, durch den Versuch, Vorbedingungen mit an den Verhandlungstisch zu bringen. Die Europäische Union kam zum gleichen Urteil, welches ebenfalls jede Verbindung zwischen den Gesprächen und dem Beginn der Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Zypern zurückwies.
Herr Präsident, mit großem Bedauern muß ich wieder einmal bei einer Ansprache an die Generalversammlung berichten, daß aufgrund der Unbeweglichkeit der türkischen Seite kein Fortschritt bei der Lösung der Zypern-Frage gemacht wurde.
Ergebnis dieser bewußten Unbeweglichkeit ist die Beibehaltung der illegalen türkischen Besetzung von 37% des Territoriums der Republik durch türkische Streitkräfte, die künstliche gewaltsame Teilung der beiden Gemeinschaften, die Kolonialisierung der besetzten Gebiete durch illegale Siedler aus der Türkei, das Flüchtlingsproblem, die Beschlagnahme von griechisch-zyprischem Besitz in den besetzten Gebieten und die kontinuierliche unverblümte Verletzung von Resolutionen der UN-Generalversammlung und des Sicherheitsrats.
Ich teile völlig die Enttäuschung des Sicherheitsrats über die fehlenden Fortschritte während der Glion-Gespräche, trotz des von der internationalen Gemeinschaft gezeigten Interesses und ganz besonders von den Ländern, deren Vertreter die Gespräche beobachteten. Die klare Schlußfolgerung, die trotzdem gezogen werden muß, besteht darin, daß eine aktivere Beteiligung der internationalen Gemeinschaft und besonders von denen, die die Gespräche überwachen, benötigt wird, falls die Gespräche Ergebnisse bringen sollen.
Nach Beendigung der Gespräche behielten Herr Denktash und Ankara weiterhin die gleiche negative Haltung bei.
Es gab einen Hagel drohender Erklärungen gegen Zypern in direkter Verletzung internationalen Rechts und insbesondere der UN-Resolutionen zu Zypern, welche unter anderem die Respektierung der Souveränität, Unabhängigkeit, territoriale Integrität und die Einheit der Republik Zypern sowie den Rückzug aller ausländischer Truppen fordern.
Die türkische Seite droht weiterhin damit, das von türkischen Truppen besetzte Gebiet der Republik zu annektieren, falls die EU Beitrittsverhandlungen mit Zypern beginnt, und Gewalt gegen die Republik Zypern anzuwenden, um die Umsetzung der Vereinbarung zu verhindern, die den Kauf und die Stationierung der S-300 defensiven Boden-Luft-Raketen vorsieht.
Herr Präsident, letztes Jahr sicherten wir hier im August unsere Verpflichtung zu, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um dem Generalsekretär unserer Organisation dabei zu helfen, bei seinen neuerlichen Versuchen bei der Suche nach einer dauerhaften Lösung des Zypern-Problems erfolgreich zu sein. Ich glaube, wir sind unserer Zusicherung völlig nachgekommen. Ich möchte unsere Verpflichtung wiederholen, unsere konstruktive Haltung trotz unserer Enttäuschung fortzusetzen.
Dennoch möchte ich mehr als deutlich machen, daß wir unser unveräußerliches Recht zur Verteidigung unseres Landes und zur Entscheidung über unsere Bewaffnung nicht aufgeben können und werden. Solange die türkische Bedrohung besteht, die durch die anhaltende Aggression und Besetzung von 37% des Territoriums der Republik ausgeht, haben wir nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, für die Sicherheit der Menschen Zyperns zu sorgen. Wir werden nicht die Hände hinter dem Rücken verschränken und der türkischen Luftwaffe erlauben, nach Belieben unsere Städte und Dörfer zu bombardieren, wie sie es in der Vergangenheit getan hat, ohne die Fähigkeit, uns selbst zu verteidigen.
Unsere Streitkräfte werden nie wieder, wenn es sein muß, ohne angemessenen Schutz vor Luftangriffen durch die türkische Luftwaffe aufs Schlachtfeld ziehen.
Während der Gespräche in Glion schlug ich Herrn Denktash in einem Versuch, den Friedensprozeß zu unterstützen, vor, daß beide Führer eine Erklärung abgeben sollten, die die Anwendung von Gewalt als Mittel zur Lösung des Zypern-Problems verurteilt sowie sich darauf zu einigen, ein spezifisches Programm zur Reduzierung der militärischen Streitkräfte und Ausstattung auszuarbeiten, und ein Programm zur Demilitarisierung der Insel und die Begrenzung der Waffenimporte.
Ich glaube, daß mein Vorschlag, falls er von der anderen Seite akzeptiert wird, den Weg für einen substantiellen Fortschritt in Richtung sowohl einer umfassenden Regelung der Zypern-Frage als auch der Wiederherstellung der Achtung der Menschenrechte der Bevölkerung Zyperns öffnen könnte, die in den letzten 23 Jahren schrecklich verletzt worden sind. Meinen türkisch-zyprischen Landsleuten möchte ich sagen, daß griechische Zyprer und türkische Zyprer in den nächsten Jahrhunderten zusammenleben müssen. Wir müssen als Freunde und als Bürger einer bikommunalen, bizonalen föderalen Republik leben und die gegenseitige ethnische Herkunft, Traditionen, Kultur und Religion sowie den gleichen politischen Status unserer jeweiligen Gemeinschaft respektieren. Ebenso müssen wir Bürger der Europäischen Union sein. Dies wird uns größere Sicherheit und Wohlstand bringen, sowohl für unsere jeweilige Gemeinschaft als auch für Zypern, unser Land.
Herr Präsident, die Zypern-Frage ist zu lange auf der Tagesordnung der Vereinten Nationen gewesen. Als Folge der erneuten Bemühungen der Vereinten Nationen, mit starker Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, wurde ein Impuls für die Lösung des Zypern-Problems gegeben.
Lassen Sie uns diese Gelegenheit nicht verpassen.
Es ist mittlerweile klar, worauf sich die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats und der internationalen Gemeinschaft richten sollte. Sie sollten alle in ihrer Macht stehenden Mittel nutzen, um die türkische Seite zu überzeugen, ihre unnachgiebige Haltung aufzugeben.
Lassen Sie mich Sie noch einmal der Verpflichtung der Regierung der Republik Zypern versichern, weiterhin mit dem Generalsekretär bei seinen Bemühungen zusammenzuarbeiten, eine Lösung zu finden, die auf einem Staat Zypern beruht mit einer einzigen Souveränität und internationalen Persönlichkeit und einer einzigen Staatsbürgerschaft, mit seiner geschützten Unabhängigkeit und territorialen Integrität sowie zwei politisch gleiche Gemeinschaften umfassend, wie in den betreffenden Resolutionen des Sicherheitsrats beschrieben, in einer bikommunalen und bizonalen Föderation, und daß eine solche Regelung eine Vereinigung als Ganzes oder in Teilen mit irgendeinem anderen Staat oder irgendeine Form der Teilung oder Sezession ausschließen muß. An diesem Punkt möchte ich die Dankbarkeit der Regierung und der Bevölkerung Zyperns gegenüber all den Staaten ausdrücken, die die Bemühungen des Generalsekretärs gefördert und unterstützt haben.
Bevor ich schließe, erlauben Sie mir, Herr Präsident, von einer Angelegenheit zu sprechen, die für meine Regierung von großer Bedeutung ist. Dies ist die Frage der vermißten Personen in Zypern.
Meine Regierung betrachtet diese Frage als rein humanitär, deren Lösung längst überfällig ist. Alle Anstrengungen sollten aufgeboten werden, damit das legitime Recht der Familien, überzeugend und schlüssig über das Schicksal ihrer Lieben informiert zu werden, von allen Beteiligten völlig respektiert wird. Dies schließt auch das Recht auf eine anständige Bestattung der vermißten Personen ein, deren Tod erwiesen ist.
In diesem Geist hatte ich kürzlich zwei Treffen in Zypern mit dem Führer der türkisch-zyprischen Gemeinschaft, Rauf Denktash. In Gegenwart des Ständigen Stellvertretenden Sondervertreters des Generalsekretärs wurden bestimmte Schritte vereinbart, von denen wir glauben, daß sie zu dem gewünschten Fortschritt bei den Bemühungen um die Lösung dieses humanitären Problems beitragen werden.
Die Hoffnungen und Erwartungen aller, besonders der Verwandten der vermißten Personen, sind die Erfüllung dessen, was in dem wahren Geist humanitärer Prinzipien und Gewohnheiten vereinbart wurde.
Dennoch wird die Vereinbarung, die ich mit dem türkisch-zyprischen Führer Herrn Denktash getroffen habe, sich als wenig nützlich erweisen, falls das dritte Mitglied des Komitees für vermißte Personen nicht bestimmt wird. Es ist ebenfalls meine ernsteste Ansicht, daß die Arbeit des Komitees für vermißte Personen bedeutend unterstützt und vorangetrieben wird, wenn erfahrene Untersuchungsbeamte benannt werden, um ihm bei seinen Aufgaben zu assistieren.
Darf ich, Herr Präsident, zum Schluß diese Versammlung – und in der Tat die Weltgemeinschaft – der Treue meines Landes gegenüber den Prinzipien, die in der UN-Charta bewahrt sind, versichern, ebenso wie unsere Entschlossenheit betonen, keine Anstrengung auszulassen, im Konzert mit den anderen Nationen für das Vorherrschen von Gerechtigkeit, Frieden, Fortschritt und Stabilität in der unbeständigen Region unseres Teils der Welt zu arbeiten.
Ich danke Ihnen Herr Präsident.