Begründungstrilemma - eine Frage der Logik?

Trestone

Großmeister
Registriert
12. April 2002
Beiträge
870
Hallo,

beim Versuch, philosophische Probleme zu lösen,
sind stets auch die Werkzeuge entscheidend,
mit denen wir das versuchen.

Widersetzen sich manche Fragen schon lange hartnäckig unseren Lösungsversuchen,
so sollten wir die Werkzeuge in die Betrachtung einbeziehen.

Ein klassisches Problem ist das sogenannte Begründungstrilemma:
http://de.wikipedia.org/wiki/Letztbegründung

Suchen wir konsequent nach Letztbegründungen, stoßen wir auf folgende drei Alternativen:

1. Der unendliche Regress:
Bei jeder Begründung können wir weiter nach deren Begründung fragen
und so immer fort.
B1 <- B2 <- B3 <- B4 <- …

2 . Die zyklische Begründung:
In der Folge der Begründungen stoßen wir auf eine schon aufgeführte
Begründung, die sich damit indirekt selbst begründet.
B1 <- B2 <- B3 <-B4 <- B2

3. Der Begründungsabbruch:
Die Nachfrage nach Begründungen wird abgebrochen.
Z.B. wegen Evidenz einiger Begründungen oder als Dogma bzw. Axiom.
B1 <- B2 <- B3 und B3 wird nicht begründet.

Alle drei Alternativen leisten letztlich nicht das, was wir uns von Letztbegründungen wünschen würden.
Auch wenn (wie Philosophen bemerkten) die Aussage, dass die Suche nach Letztbegründungen zum Begründungstrilemma führt,
selbst nicht letztbegründet ist,
bleibt das ganze unbefriedigend.

Betrachten wir also die verwendeten Werkzeuge.
bzw. das Hauptwerkzeug: die Aussagenlogik.

Im thread zur Stufenlogik habe ich ja versucht, dafür ein alternatives Werkzeug zu entwickeln.
http://www.ask1.org/fortopic20575.htm

Die Grundidee dabei ist, das Aussagen nicht (an sich oder absolut) einen Wahrheitswert haben, sondern je einer fortlaufenden Stufe t = 0,1,2,3,….
Dabei kann eine Aussage z.B. in einer Stufe t wahr sein und in Stufe t+1 falsch.
Neben wahr (= w) und falsch (= -w) gibt es noch den Wert „unbestimmt“ (= u)
und alle Aussagen sind in Stufe 0 unbestimmt.

Nun wieder zu Letztbegründungen:
Begründungen sind jeweils wahre Aussagen, in Stufenlogik muss ihnen also eine Stufe t zugeordnet sein.
Z.B. W(A,t)=w , d.h. die Aussage A ist in Stufe t wahr.
Soll B2 Begründung von B1 sein, so müssen B1 und B2 wahr sein (sonst betrachten wir einfach –B1 oder –B2), jedenfalls einen Wahrheitswert besitzen,
d.h. W(B1,t1)=w und W(B2,t2)=w.

In der Stufenlogik sind Meta- und Wenn-Dann-Beziehungen jeweils durch mindestens eine Stufe getrennt.
Daher gilt: Wenn B2 Begründung von B1 ist, dann muss t1>t2 gelten.

Betrachtet man nun eine Begründungskette B1 <- B2 <- B3 <- B4 <- …,
so muss t1 > t2 > t3 > t4 > … gelten.

Da t1 ein endlicher vorgegebener Wert ist, landen wir nach endlich vielen Schritten (max. t1 Schritte) bei dem letzten Wert vor 0.

Da es in der Stufenlogik keine negativen Stufen gibt, müssen alle Ketten also abbrechen.
In der Stufe 1 sind alle Aussagen nicht weiter letztbegründbar bzw. nur auf Stufe 0
und das Grundaxiom: „in Stufe 0 sind alle Aussagen unbestimmt“ zurückführbar.

Damit haben wir in der Stufenlogik hauptsächlich Fall 3 des Trilemmas
(Fall 2 wohl auch noch möglich, Fall 1 nicht mehr),
aber in etwas abgewandelter Form:
Nur die Stufenlogikaxiome liefert das Fundament und es werden nicht irgendwelche weitere Aussagen (außer den Logikaxiomen)
zu Axiomen oder Dogmen erklärt,
sondern alle Aussagen werden gleich behandelt und das formale Stufenverfahren führt zum Abbruch der Begründungsketten
nach endlich vielen Schritten.

Ich finde, dass dies die Lage übersichtlicher macht und dazu anregen sollte,
dieses Werkzeug noch für andere Fragen einzusetzen bzw. sich passende Werkzeuge zu schaffen.

Gruß
Trestone
 

Gammel

Großmeister
Registriert
20. März 2004
Beiträge
810
Trestone schrieb:
Nur die Stufenlogikaxiome liefert das Fundament und es werden nicht irgendwelche weitere Aussagen (außer den Logikaxiomen)
zu Axiomen oder Dogmen erklärt,
sondern alle Aussagen werden gleich behandelt und das formale Stufenverfahren führt zum Abbruch der Begründungsketten
nach endlich vielen Schritten.
Wie wärs mit Fall 4, ohne weitere Axiome macht die Logik eh keine Aussagen und das Begründungstrilemma tritt erst gar nicht auf.

Nach welcher Regel leitest du aus Stufe Null, wo alles 'u' ist, etwas für Stufe eins ab, ohne dabei ein Dogma einzuführen ?
 

Trestone

Großmeister
Registriert
12. April 2002
Beiträge
870
Hallo Gammel,

die Stufenlogik benötigt schon noch weitere Axiome/Dogmen,
das ist unter dem oben zitierten Link zusammengestellt
(und noch nicht ganz vollständig).

V.a. die Klärung, was eine Stufe ist und wann genau etwas in Stufe t wahr ist, ist noch ziemlich lückenhaft.

Trotzdem sehe ich einen Unterschied zwischen solchen allgemeinen formalen Dogmen/Axiomen
und der Situation bei klassischer Logik,
wo ich bei jeder Aussagenreihe inhaltlich entscheiden muss,
wann ich sie bei Letztbegründungsversuchen abbreche.

Gruß
Trestone
 

Gammel

Großmeister
Registriert
20. März 2004
Beiträge
810
Trestone schrieb:
Hallo Gammel,
Trotzdem sehe ich einen Unterschied zwischen solchen allgemeinen formalen Dogmen/Axiomen
und der Situation bei klassischer Logik,
wo ich bei jeder Aussagenreihe inhaltlich entscheiden muss,
wann ich sie bei Letztbegründungsversuchen abbreche.
Ja, aber welche Stufe hat denn nun die Aussage "Der Himmel ist blau" wie als beispiel im Wiki-link genannt, oder P=NP. Kann ich diese Frage nicht mit
lim_t->infinity stellen?
 

Trestone

Großmeister
Registriert
12. April 2002
Beiträge
870
Hallo Gammel,

im Wiki-Link steht als Beispiel zur 3. Möglichkeit (Dogmatismus):
"Der Himmel ist blau, weil der liebe Gott wollte, dass wir einen blauen Himmel haben"

Die Aussage B1:= "Der Himmel ist blau" hat (wie alle Aussagen) nach Stufenlogik keine zugeordnete Stufe,
sondern je Stufe einen zugerordneten Wahrheitswert.
In Stufe 0 den Wert u, in Stufe 1 vielleicht auch, und dann ab Stufe 2 vielleicht den Wert w. Also W(B1,2)=w.
Für die Begründung von W(B1,2)=w wird eine Aussage B2 benötigt, die in Stufe 1 wahr ist (und B1 bedingt).
B2 ist rein wegen der Stufe 1 nicht weiter hinterfragbar, also wird hier kein weiteres Dogma oder Gott benötigt wie im Wiki-Beispiel.

Richtig ist, dass man auch mit W(B1,100)=w hätte beginnen können und dann 99 Begründungen hätte finden müssen.
Aber egal mit welchem t man startet, es sind nur endlich viele Begründungsschitte nötig bzw. möglich.

Gruß
Trestone
 

Gammel

Großmeister
Registriert
20. März 2004
Beiträge
810
Hi Trestone,

"Der Himmel ist blau" hat also keine Stufe? Also auch keinen endlichen Abbruch für ein endliches t? Ist die Frage "Warum ist der Himmel blau ?" in deiner Logik nicht definiert /formulierbar ?

Muss ich immer Fragen "Warum ist der Himmel blau in Stufe 17 ?".
 

Trestone

Großmeister
Registriert
12. April 2002
Beiträge
870
Hallo Gammel,

Die Formulierung "Der Himmel ist blau" ist in der Stufenlogik zwar eine Aussage,
nimmt aber einen Wahrheitswert nur für konkrete Stufen (wie Dein Beispiel "17" an),
ohne Stufenbezug hat sie keinen Wahrheitswert bzw. ist dieser wie von Dir gefragt "nicht definiert /formulierbar".

Man kann dabei auch Metaaussagen über mehrere Stufen machen,
z.B. "Der Himmel ist in allen Stufen >= 1 blau".
(Genauer: Metaaussage M:= "Die Aussage B:= "Der Himmel ist blau" hat für alle Stufen t>=1 den Wahrheitswert W(B,t)=w")
Solche Metaaussagen ähneln klassischen Aussagen und sind ab Stufe 1 konstant wahr oder falsch.
Im Gegensatz zu klassischen Aussagen können sie in der Stufenlogik aber nicht durch andere klassischen Aussagen begründet werden,
da sie mit Stufe 1 quasi schon der tiefsten wahrheitsfähigen Stufe angehören.

Gruß
Trestone
 

Ähnliche Beiträge

Oben