Altarabische Religionen und Gottheiten

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fumarat schrieb:
Dass die Kaaba in der Geschichte mehrfach zerstört und neu aufgebaut wurde ist ja per se kein Argument gegen die ursprüngliche Errichtung des Hauses Gottes an dieser Stelle durch Abraham. Ein historischer Beweis wird vermutlich schwierig. Aus anderen ebenfalls nicht-historischen also Offenbarungsberichten wird geschlussfolgert dass dieses Gotteshaus bereits durch Adam erbaut wurde, und durch Abraham und seinen Sohn Ismael lediglich erneut aufgebaut.
Nur religiöse Überlieferungen, jüdische und islamische, weisen auf eine Figur Abrahams hin. Es gibt sonst keine weiteren Hinweise. Das ist also Sache des Glaubens.
Ebenso Adam: die Geschichten um die Schöpfung einschließlich der Figur Adam (es gibt sehr viele...) sind Mythen, wobei über die Jahrtausende Abschriften von Abschriften von Abschriften entstanden sind, die durchaus gezielt verändert wurden. Die alttestamentlichen zwei entstanden im Jahrtausend v. Chr. (allerdings haben die Juden erstaunlich viele Schöpfungsmythen mit Adam und Eva, etc.), es gibt aber zum Beispiel einen ziemlich ähnlichen Schöpfungsmythos in ugarithischer Sprache in Keilschrift, der im 13. Jahrhundert v. Chr. entstanden ist: der höchste Gott ist Horon, der El stürzen möchte und in den paradiesischen Garten verbannt wird, in den auch der Baum des Lebens wächst. Adam ist dort die auserkorene Figur, die Horon bekämpfen soll... Auf ask1 gibt es zu alldem einee durchaus lesenswerten Thread: Baum des Lebens und Baum der Erkenntnis. Interessant finde ich dabei auch die altorientalistische Sicht auf die Entstehung Seite 3. Die ursprünglichen Versionen der Schöpfungsmythen wären demnach im Sumer zu suchen.
 

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In der Tat gab es im vorislamischen Arabien neben Judentum und Christentum weitere monotheistische Traditionen, bei denen die Frage gestellt wird, wie autochthon sie wohl waren. Genannt wird zum Beispiel der Rahmanismus: der Wikipedia-Eintrag dazu ist sehr kurz. ar-Rahmān bedeutet der Erbarmer und wird auch im Koran verwendet. "Der Barmherzige" wird in Inschriften ab dem 4. Jahrhundert angerufen.
Zu nennen wären auch die Hanifen, von denen ebenfalls im 4. Jahrhundert berichtet wird und die einen Monotheismus angestrebt hätten: sie verstanden sich als Nachfahren Ismaels.
Tatsächlich war Mohammed zu seiner Zeit nicht der einzige, der in Anspruch nahm, Prophet zu sein. Mindestens ein weiterer Hanif beanspruchte es zur gleichen Zeit: Abu Amir.
Überhaupt wird angenommen, dass die Offenheit gegenüber einer Offenbarung zu der Zeit (und zuvor) groß gewesen sein soll. Die "Propheten" der Rahmanisten sollen stets auch nennenswerten politischen Erfolg gehabt haben. Darauf geht dieser Text ein (Achtung: pdf!), der sich mit dem Kontext befasst, in dem der Islam entstand: ORIGINS OF ISLAM: POLITICAL -ANTHROPOLOGICAL AND ENVIRONMENTAL CONTEXT.
 

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Giacomo_S schrieb:
Da ist sie wieder - wenn auch etwas verklausuliert - die islamische Doktrin von Abraham als dem ersten Muslim, der "Verfälschung" der Religion über die ihm nachfolgenden Jahrhunderte bis zu Mohammed, der dann die ursprüngliche Religion wieder herstellt.
Die islamische Doktrin von Abraham als dem ersten Muslim ist nur ein haarbreit entfernt von dem jüdischen Dogma, dass aus den Nachfahren von Ishmael, Sohn von Abraham und Hagar, das arabische Volk entstanden ist.
 

fumarat

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Giacomo, deine Aussagen bestätigen für mich nur dein fehlendes Grundverständnis des Hadith. Ein bisschen copy-paste Wikipedia-"Scheinwissen" bringt hierbei auch nicht mehr Legitimität in deine Aussagen.
Um auf deine Aussage zurückzukommen. Die Methotik der Textkritik eines Philologieprofessesors würde auch einen Erstsemesterstudenten in Hadith durchfallen lassen. Das liegt jedoch daran dass man Äpfel mit Birnen nicht vergleichen kann!
Die islamische Textkritik hat einen anderen Ursprung und ein anderes Ziel, es geht um die Angelegenheiten der Religion. Deshalb ist hierbei ein hohes Maß an Präzision gefordert, und die Gelehrten des Hadith haben hierfür eine eigene Methodik entwickelt.
Die Tatsache dass Imam al Buhari aus ca. 600.000 Hadithen nur einige Tausende für sein Hauptwerk berücksichtigt hat, liegt in erster Linie daran, dass häufig der "Matn" also der Wortlaut des Hadithes identisch war, jedoch der "Isnad", also die Überliefererkette variierte. Damit zählt dieser als einzelner Hadith. Manche berühmte Hadithe, und die meisten Hadithe von Bukhari sind berühmt, hatten zu Lebzeiten Bukharis bereits hunderte Überliefererketten. Somit kannst du bereits 2 Nullen der 600.000 streichen. Zudem waren viele Hadithe ähnlich, dass heißt eine ähnliche Aussage wurde zum selben Thema geäußert, sodass eine Doppel-Zitierung überflüssig wäre. Zuletzt wurden die Hadithe aussortiert die die Kriterien der Authentizität nicht erfüllten.

Die Methodik haben verschiedene Hadithwissenschaftler in der Einleitung ihrer Werke ausgeführt. Im Grundsatz entwickelten alle Sammler ähnliche Prinzipien, welche letzlich rational nachvollziehbar sind.

In aller Kürze: Zunächst werden nur Berichte mit einer Überliefererkette akzeptiert. Die Plausibilität der Kette wird geprüft, die Bibliographien der einzelnen Überlieferer werden analysiert (Rijal-Bücher) und schlußendlich kommt man zu einer begründeten Einstufung der Authentizität.

Streicher, wie gesagt ein historischer Beweis wird schwierig. Ebenso ist auch die Religions-Evolutionstheorie nicht historisch zu beweisen. Die Tatsache dass in anderen Kulturen ähnliche Schöpfungsmythen oder auch beispielsweise Sintfluterzählungen kursierten beweist weder das Eine noch das Andere.

Deine Verlinkungen zum Rahmamismus, Hanifentum oder wie auch immer man dies nennen möchte decken sich mit den Berichten der islamischen Historiker über die vorislamische Zeit. Nach meinem Kenntnisstand handelte es sich dabei jedoch nicht um ausgeklügelte Religionssysteme, sondern um eine diffuse Tradition, im vorislamischen Arabien nur mehr von einzelnen arabischen Gelehrten oder Querdenkern praktiziert, der berühmteste ist sicherlich Waraqa ibn Naufal. Diese waren in erster Linie durch die Thora und die Evangelien inspiriert.
 

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Etwas zu beweisen, wird ohnehin kaum möglich sein, eine Theorie kann über das Erklären nicht hinauskommen.

Waraqa ibn Naufal, über den bin ich in meinen kleinen Recherchen auch schon gestolpert. War er ebionitischer Christ ("Judenchristen", die u.a. die Jungfrauengeburt ablehnten und Jesus als Messias erkannten)?
Abu Amir gehörte zu den Feinden Mohammeds, der jedoch als Hanif galt.
Berichtet wird noch von Musailima, der sich ebenfalls als Prophet verstand, monotheistischen Glaubens war und ar-Rahman verehrte (s.o.: der Barmherzige).
Dies entspricht auch den Ausführungen des Textes, zu dem ich den Link gesetzt habe, denn offensichtlich schien man in der Region für prophetisches Wirken recht offen gewesen zu sein, so dass sogar zur Zeit Mohammeds weitere Propheten gewirkt haben, die zueinander in Konkurrenz standen. Die Konkurrenz spielte auch in die sogenannten Ridda-Kriege hinein, wobei zu dem Zeitpunkt eine Schlüsselrolle dem Abu Bakr zufiel, dem "ersten Kalifen", der abtrünnige Stämme unterwarf. Längst hatte sich also auf Grundlage der religiösen Bewegung eine äusserst starke politische Dimension gesellt.
 

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Mindestens einmal im Leben nach Mekka pilgern. Das ist für jeden Muslim eine der religiösen Grundpflichten. "Schließlich ist Mekka das heilige Zentrum des Islam", erläutert Dr. Peter Stein von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seit dem 7. Jahrhundert gilt die Stadt im heutigen Saudi-Arabien als Wiege der islamischen Religion. Doch die Geschichte Zentralarabiens sei noch weitaus länger, betont Orientalist Stein. "Selbst die Kaaba - der Würfel mit dem berühmten schwarzen Stein im Herzen Mekkas - bestand bereits lange bevor sich der Islam in Arabien durchsetzte." Doch wie hat die arabische Gesellschaft vor der Zeit des Propheten Mohammed ausgesehen?
Arabien vor Mohammed

Zum Beispiel lebten im Jemen vormals die Sabäer: Böden als Archive vergangener Kulturen. Die Ausgrabungsarbeiten scheinen schon bis 2009 gefährlich gewesen zu sein.

Weibliche Gottheiten hatten in vorislamischen Zeiten einen prominenten Stand. Das zeigen metallene Weihtafeln.
Und auch der nun entschlüsselte Text stellt klar, dass die Tafel in den Besitz Allats übergeben wurde, einer in ganz Arabien verbreiteten Gottheit, "die hier als lokale Hauptgöttin verehrt worden sein könnte", wie Peter Stein vermutet. Ausgehend von Südarabien müssen die eingeritzte Zabur-Schrift und der Brauch, den Göttern metallene Tafeln zu widmen, viele hundert Kilometer zurückgelegt haben, um an der heutigen Fundstelle in der Golfregion heimisch zu werden – vermutlich über den Handel auf der berühmten Weihrauchstraße.
Weit gereistes Zabur-Schrifttum
Dazu der wissenschaftliche Artikel: South Arabian zabūr script in the Gulf: some recent discoveries from Mleiha (Sharjah, UAE)
 

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Diesmal habe ich mich nach englischsprachigen Quellen umgeschaut. Dabei bin ich auf folgenden Artikel gestoßen: Mythology and religion of pre-Islamic Arabia: Deities, Spirits, Figures and Locations.
Daraus:
In the pantheon of the Hijaz (western Arabia) specifically, al-Lāt was one of the three chief goddesses of Mecca and one of the three daughters of the high god Allāh: her main role being an earth-goddess who was responsible for the fertility and soil quality of Ta'if and elsewhere in the Hijaz region, thus making her highly important among the Arabs. The goddess had many epithets throughout the Hijaz including Umm al-Alihah (Mother of the Gods) and Umm ash-Shams (Mother of the Sun goddess) and was also worshiped in order to gain protection whilst travelling. At the holy sanctuary (haram) of al-Lāt in the town of Ta'if, all life within was considered inviolable: no plant could be gathered; no tree could be felled; no animal could be killed and no human blood could be shed in accordance with sacred law.

Allāh (Arabic: الله) is the Meccan creator god and the supreme deity of the pre-Islamic Arabian pantheon, who was worshiped by the pagan Arabs primarily in times of despair, need and drought as he was believed to grant life-giving rain and intervene in times of extreme crisis. The three chief goddesses of Mecca; al-Lāt, al-'Uzzā and Manāt, were believed to be his daughters and were invoked alongside many other deities to intercede for the worshiper on behalf of Allāh: all the tribes of pre-Islamic Arabia venerated him as the High God and supreme being, but direct worship of him was rare. After creating the universe, Allāh then retired into the position of a silent and remote spectator who dwelt in 'Aliyyin (Hebrew: Elyon), the highest heaven, and only intervened in human affairs in extreme cases of drought or danger.

The cult of Allāh in pre-Islamic Arabia, aside from that among the monotheistic hanifs who followed an Abrahamic religion which was not Judaism or Christianity; was not prominent in society: the god Allāh was represented with only one baetyl, the Black Stone of the Ka'aba, and had no other idols apart from this. In Arabian polytheism, Allāh is considered far too powerful and immense to be interested in the affairs of humans so worship is instead directed towards his children, the ālihah; the pantheon of gods and goddesses who intercede for humans on behalf of Allāh. In pre-Islamic Mecca, the status of Allāh as creator deity and high god did not earn him the status of patron god of the town itself: this honor was afforded to Hubal; a warrior rain-god and one of the 'offspring' of Allāh; who was considered in the theology of the pagan Meccans to be more interested in the well-being of the common man than Allāh himself was.

Einen weiteren Artikel finde ich lesenswert in der Encyclopaedia Britannica: Arabian religion
ancient religion
 

Giacomo_S

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Es hat, historisch, eben keineswegs die gradlinige Entwicklung vom Polytheismus zum Monotheismus gegeben, wie uns das die jeweiligen Schriften glauben machen wollen (wenn der Polytheismus überhaupt Erwähnung findet). Vielmehr liefen Polytheismus und Monotheismus lange Zeit parallel und auch Jahwe (JHWH, Jehova o.u.) war ursprünglich nur ein Gott unter vielen. Es muss auch immer wieder Rückschläge gegeben haben. Allein das 1. Gebot des AT spricht ja auch für sich:
„Ich bin JHWH, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“
Aha: Es ist nicht davon die Rede, es gäbe keine anderen Götter ... man soll sie nur nicht anbeten.

Al-Lat, Al-Uzza und Manat werden auch im Koran erwähnt (Sure 53, "Der Stern"), sie sind Bestandteil der sog. "Satanischen Verse":

(19) Habt ihr Lat und Uzza gesehen,
(20) und auch Manat, diese andere, die dritte?

Hier setzt die Variante ein:
Das sind die erhabenen Kraniche.
Auf ihre Fürbitte darf man hoffen.

Die letzten zwei Zeilen wurden später "korrigiert", denn sie wurden Mohammed nicht vom Erzengel Gabriel eingegeben, sondern vom Teufel.
Offenbar war es mit dem klaren Monotheismus zur Zeit Mohammeds noch nicht ganz soweit gediehen.
 

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Ist man sich denn einig darüber, dass diese Verse in einer früheren Version so bestanden haben? Jedenfalls haben auch die Verse (19) und (20) die Funktion, einen vorher bestandenen oder zu der Zeit noch bestehenden Polytheismus abzuschütteln. Die Ursprünge sind durchaus noch sichtbar.
Ich finde allerdings auch die Götterkonstruktion in dem vorislamischen Arabien durchaus interessant: obigen Ausführungen zufolge wäre Allah ein Hochgott gewesen, der sich im Hintergrund hält, der auch nicht viel verehrt wurde, eher die anderen, die sich um die Welt nach damaligem Glauben konkret kümmerten.
Die Religion Israels wird in seiner älteren Form auch als henotheistisch eingeordnet, denn die Vorstellungen von JHWE entwickelten sich aus der Göttervorstellung der kanaanitischen Völker, mit dem Gott El im Göttervorsitz. Gibt es einen Vers im Tanach, der sich gegen "El" wendet? Scheinbar nicht. Gegen andere kanaanitische Götter durchaus schon, wie zum Beispiel gegen Baal.
Stellt sich natürlich die Frage: Warum setzten sich in der Geschichte an verschiedenen Orten mit der Zeit wiederholt unterschiedliche Formen des Monotheismus durch?
 

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