Verfolgung der Freimaurer im Nationalsozialismus

Spirit_Wake

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Hallo,

ich hoffe hier einige Infos zu finden zu folgenden Fragen:
Wie sah die Verfolgung von Freimaurern im Nationalsozialismus wirklich aus? Gibt es Erlebnisberichte etc. über Freimaurer - Mitglieder, die nur aufgrund ihrer Mitgliedschaft in einer Loge oder weil sie ein Logenamt bekleidet haben, ins KZ gesperrt worden sind? Wann genau und in welchen Orten ist das geschehen? Welche anderen freimaurerartigen Geheimbünde waren betroffen? Gab es Fälle von Gnadengesuchen an den Führer, also ehemalige Logenmitglieder die dann weiter in der Partei Ämter bekleiden konnten etc? Wurden einfache Logenmitglieder auch nach der Zerschlagung ihrer Logen vom SD beobachtet oder verfolgt? Ab welcher Position oder Wichtigkeit in der Loge kamen Leute ins KZ? Mich interessieren konkrete Informationen, also Zeitzeugenberichte, Familiengeschichten, NS-Dokumente und dergl.

Grüße
Spirit Wake
 

Jah-Baal-On

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Da wundere ich mich aber, dass Du diese Frage nicht selbst beantworten kannst - steht doch auf Deiner (???) Homepage genügend Literatur zur Verfügung...

Nun denn;
Zu Anfang der dreißiger Jahre gab es 80000 Freimaurer in Deutschland, also mehr als viermal so viel wie heute. Sie waren zunächst nicht durch die Nationalsozialisten, sondern vor allem durch den General Erich Luddendorf und dessen Ehefrau Mathilde bedroht. 1927 verfasste er eine Schrift "Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse", in der er alle Register des Rassenwahns, der Spekulation und des Aberglaubens zog.

Diese brisante weltanschauliche Mischung fiel im Zuge der Wirtschaftskrise auf fruchtbaren Boden. Ludendorff entlarvte geheime Drahtzieher hinter den Kulissen als wahre Schuldige für die Misere, sprach von einer internationalen Verschwörung von Juden, Kommunisten und Freimaurern. Man kannte die "Verantwortlichen" nicht, aber wenn ein leibhaftiger General, behängt mit den Symbolen der Obrigkeit, behauptete, die Bösen steckten alle unter einer Decke und würden ausserdem von den noch geheimnisvolleren Weisen aus Zion angestiftet, musste etwas dran sein. Das Buch erlebte einige Auflagen, und die Presse beschäftigte sich begierig mit den obskuren Anschuldigungen.

Bald erkannten die faschistischen Führer, dass sich die Hetztiraden Ludendorffs ausnutzen ließen. Viele Logen machten den Fehler, denen da oben zu trauen. Sie hielten sich gegenüber der beginnenden Hetze bedeckt, ja biederten sich der nationalsozialistischen Herrschaft an. Ihr Motto, Politik müsse aus der Freimaurerei herausgehalten werden, hatte groteske Folgen. So musste zum Beispiel der konservative Grossmeister der Großen National Mutterloge, der Pfarrer K. Habicht, seinen Posten räumen. An dessen Stelle wurde ein glühender Nazi und persönlicher Bekannter Hitlers, Otto Bordes, zu seinem Nachfolger gewählt.

Am 21.3.1933, dem Tag von Potsdam, drei Tage vor dem Ermächtigungsgesetz, das dem nationalsozialistischen Regime gegen seine Gegner frei Hand ließ, schickten die sächsische Großlogen ein Telegramm an Hitler, Hindenburg, Frick und Goebbels: "Die Große Landesloge der Freimaurer von Sachsen begrüsst am heutigen Weihetage die nationale Erhebung des deutschen Volkes und Vaterlandes. sie gelobt in christlicher-nationaler Pflichttreue, wie bisher, im Geiste ihres Bruders Friedrichs des Großen mit der Reichsregierung zu arbeiten für Deutschlands Ehre und Größe, in Einigkeit und Freiheit. Den Allmächtigen bitten wir, das neue Reich segnen zu wollen." Die drei altpreussischen Logen eigerten dem Geist der Ergebenheitsadresse mit ähnlichem Wortlaut nach.

Helmut Neuberger, der die dunkle Zeit, wie der Nationalsozialismus von den Freimaurern wolkig umschrieben wird, detailliert erforscht hat, schränkt ein: "Die Taktik der nationalen Logen, durch weitgehende ideologische Anpassung an den Nationalsozialismus und Erfüllung dessen antimaurerischer Forderungen der drohenden Auflösung zu entgehen, war freilich auch innerhalb der altpreussischen Großlogen nicht unumstritten."(1)

Der Appell der Logenbrüder an die Herrschenden, doch das eigene Wohlverhalten zu honorieren und vernünftig zu sein, fruchtete wie immer nicht. Bis 1935 wurden die deutschen Freimaurer gezwungen, ihre Logen zu schliessen und alle Vereine auszulösen. Die Nazis erreichten das mit der bekannten Taktik von Regierungen, die sich missliebiger Gruppen entledigen wollen. Terror, Verhaftungen, Deportationen und scheinbar rechtsstaatlichem Verhalten. Liquidatoren wurden beauftragt, sich um das beträchtliche Vermögen der Logen zu kümmern, es kam sogar zu formellen Kaufverträgen, durch die der freimaurerische Besitz staatlichen Institutionen übertragen wurde. Einzelne, die Widerstand leisteten wie Wilhelm Leuschner, kamen ins Konzentrationslager und wurden ermordet.

General Ludendorff starb 1937, doch seine Wahnideen von der freimaurerischen Weltverschwörung und ihren finsteren Geheimnissen blieben präsent. In einem Wörterbuch der deutschen Volkskunde aus dem Jahr 1936 hieß es: "Jedes Jahr muß ein Freimaurer geopfert werden...ein Freimaurer, dessen Todeslos gezogen ist, kann sich durch Tötung eines unschuldigen Kindes oder Dienstmädchens oder eines lieben Verwandten befreien." Das Buch wurde 1957 ohne Korrekturen neu aufgelegt.

Text vorsätzlich geklaut bei www.burks.de 8)
 

Spirit_Wake

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Hallo Jah-Baal-On
ich würde nicht fragen, wenn mir nicht diese Informationen fehlen würden. Natürlich ist mir Ludendorff und diverse "Verschwörungstheorien" nebst blumigsten Ausschmückungen bekannt. Auch die Argumentation der Nationalsozialisten gegen die Freimaurer ist mir bekannt.

Ebenso bekannt sind mir die Versuche vieler deutscher Freimaurerlogen, sich anzubiedern, zum Teil sollten auch die Rituale verändert werden (die jüdischen Elemente sollten rausfliegen, fragt sich bloß was dann noch übrig geblieben wäre), aber der NS sah den Gegensatz zur Freimaurerei als unüberbrückbar an und ging keinerlei Kompromisse ein. Da nutzten auch die Glückwünschtelegramme nichts.

Was mich interessiert sind tatsächliche Fallbeispiele, also ich möchte wissen, wie hart die Verfolgung der Freimaurer dann tatsächlich war. Kam jeder einfache Logenbruder ins KZ oder nur die Mstr. v. Stuhl, oder nur solche Mstr. v.Stuhl, die sich zusätzlich noch aktiv widerständlerisch betätigten? Wo wurden da die Grenzen gezogen?

Der Autor Helmut Neuberger ist mir unbekannt, ebenso der Name Wilhelm Leuschner, werde mich mal darum kümmern.

Grüße
Spirit Wake
 

Eingeweihter

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Es gab beides: Anbiederung und Widerstand.

Um nicht herumzueiern: in Teilen hat sich die Freimaurerei wohl damals leider nicht mit Ruhm bekleckert. So gab es tatsächlich Anbiederungen an die neuen Machthaber (ähnlich wie bereits weiter oben schon beschrieben wurde). Eine der damaligen Grosslogen hat sich sogar in "Deutsch-christlicher Orden" (oder so ähnlich) umbenannt. Man versuchte weiterhin tatsächlich, das Gebrauchtum an die neuen Verhältnisse "anzupassen" und versicherte bis zur kompletten Selbstverleugnung laufend den loyalen Charakter der Freimaurerei. Alle Anpassung hat sich aber letztlich nicht "gelohnt", denn 1935 mussten sich sämtliche Logen auf Druck der Nazis selbst auflösen.

Zwei der Grosslogen lösten sich jedoch bereits 1932 und 1933 auf, als sie die politische Entwicklung erkannten und riefen sogar ihre Mitglieder dazu auf, sich den Nationalsozialisten zu widersetzen.

Es gibt einige Beispiele von im KZ internierten Freimaurern, als prominentes Beispiel fällt mir gerade der Journalist, Pazifist und Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky ein, der an den Folgen des KZ gestorben ist.

Wenn es um Gleichschaltung, Anpassung und/oder gar Anbiederung an die Nazis geht, steht die Freimaurerei also wohl nicht viel besser da, als beispielsweise die beiden grossen Kirchen auch. Allerdings war man nach 1945 (soweit ich das beurteilen kann) relativ konsequent, was den Umgang mit belasteten "Brüdern" betrifft.
 

Spirit_Wake

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Danke für die Antworten. Leider haben sie mir bisher keine neuen Erkenntnisse darüber gebracht, wie die Verfolgung der Freimaurer genau aussah. Die bisher genannten Beispiele Wilhelm Leuschner u. Carl von Ossietzky kamen ins Lager, weil sie aktive Widerständler waren, nicht weil sie Freimaurer waren. Tatsächlich hat mich die Frage interessiert, ob Leute ins KL kamen oder hingerichtet wurden, nur aufgrund der Tatsache, daß sie bspw. Mstr. v. Stuhl irgendeiner Loge waren. Nach meinen bisherigen Recherchen war das nicht der Fall.

Grüße
Spirit Wake
 

Falk

Meister
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@ Hallo Spirit Wake,

was hältst Du davon, mal zu googeln?
Ich habe es mal versucht und auf Anhieb viele Links erhalten.

Aber vielleicht hilft auch folgende Literatur weiter:
NEUBERGER, Helmut: Freimaurerei und Nationalsozialismus. Die Verfolgung...1918-1945. 2 Bde.
Hamburg: Bauhütten-Verlag 1980/81, 337, 349 S.

Also, ich bin der Meinung, dass deine Recherche noch nicht ausreichend war.

Gruß Falk
 

Eingeweihter

Meister
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Spirit_Wake schrieb:
Die bisher genannten Beispiele Wilhelm Leuschner u. Carl von Ossietzky kamen ins Lager, weil sie aktive Widerständler waren, nicht weil sie Freimaurer waren.

Hallo Spirit_Wake,

genau hier fängt die Problematik der Auseinandersetzung mit diesem Thema an, denn die Frage ist, ob sich das so leicht voneinander trennen lässt. Die Freimaurerei prägt den einzelnen Freimaurer schon entscheident mit. Natürlich kann diese Prägung auch Einfluss auf das Handeln ausserhalb der Loge haben und bei Menschn wie Ossietzky war das sicherlich der Fall. Wahrscheinlich wären solche Menschen auch in den meisten Fällen ohne die Freimaurerei in den Widerstand gegangen (genauso wie viele Menschen, TROTZ der Freimaurerei sich gerade in dieser Zeit sehr angepasst verhalten haben) - keine Frage. Aber sicher wissen kann man es nicht. Die Freimaurerei selbst tritt ja nicht mit politischen oder weltanschaulichen Positionen an die Öffentlichkeit. So liegt es an jedem Freimaurer selbst, seine freimaurerischen Erkenntnisse im "normalen" Leben umzusetzen oder eben nicht. Eine schwierioge Thematik, der Du dich da stellst. Würde mich freuen von Dir zu hören, wenn Du hierzu was interessantes recherchiert hast.

Zu deiner Frage, ob gezielt z. B. MvSt aufgrund ihrer Funktion in der Freimaurerei verhaftet und eingesperrt wurden, ohne sich etwas anderes "zu Schulden" (im Sinne der Nazis) kommen haben zu lassen, habe ich keine Antwort, aber vielleicht findest Du im von Falk empfohlenen Buch etwas. Ich selbst habs noch nicht gelesen, werds jetzt aber endlich mal tun, soll gut sein.

Gruss
-Eingeweihter-
 

alabanda

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Genaue Zahlen über freimaurerische Opfer der NS-Zeit sind schwierig zu eruieren. Viele schriftliche Aufzeichnungen, Mitgliederlisten etc. wurden vernichtet.
Gem. Jürgen Holtorf wurden ca. 1 bis 2 Prozent der deutschen FM ermordet, etwa doppelt soviele wurden ins KZ gesteckt, ca. 5% erlitten grossen materiellen Schaden (Enteignung etc.)
Es ging den Nazis nicht darum, gegen einzelne FM oder die freimaurerische Idee vorzugehen, es ging darum, die Organisationsstruktur der Logen zu zerstören. Hitler selbst hielt die FM keineswegs für die grossen Weltverschwörer, die Rituale empfand er eher als "Kinderschreck", schliesslich wurden gar der Thule und der SS freimaurer- und jesuitenartige Strukturen verpasst.
 

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