Ein_Liberaler schrieb:
Man hätte den Analogkäse Veggiekäse nennen sollen, dann hätte es keinen Skandal gegeben...
Analogkäse ist doch eh ein alter Hut, den gab's ja schon vor der veganen Welle. Im Gastro-Großhandel wurde der dann als "Pizza-Mix" o.ä. gehandelt, wobei ich persönlich außer einer Material-Probe (um vegane Pizzen zu erproben) noch nie mit diesem Material zu tun hatte.
Wozu auch? Der Materialeinsatz bei der Pizza ist ohnehin überschaubar und die Erstellungskosten ergeben sich aus anderen Quellen (Energie!). Eine Pizza ist eine einfache Speise; an deren simplen Zutaten auch noch sparen zu wollen, ist kontraproduktiv und ökonomisch wenig sinnvoll (die Ersparnis ist marginal). Das gilt auch für Formfleisch (= Kochschinkenimitat aus anderen Teilen des Schweins).
Als "Käse" darf
das Imitat seit März 2016 sowieso nicht mehr bezeichnet werden, in welcher Form auch immer.
Auch "Mayonnaise ohne Ei" gibt es im Gastro-Großhandel schon lange, wenngleich sie sich im Einzelhandel nicht hat durchsetzen können. Die wird dann als "Pommes frites Sauce" gehandelt.
Aber eben nicht als Mayonnaise. Das darf sie in Europa nicht, hier muss eine Mayonnaise einen Mindest-Eigelbgehalt von 5% enthalten und einen Mindestfettgehalt von 70%. Für eine "Delikatess"-Mayonnaise gelten noch höhere Qualitätsanforderungen.
Die Amerikaner sind in Fragen von Produktkennzeichnungen oft weniger streng. Das amerikanische StartUp-Unternehmen Hampton Creek brachte im Jahr 2013 eine "vegane Mayonnaise" mit dem Namen
Just Mayo auf den Markt,
Mitbewerber Unilever strengte dagegen eine Klage an. Als die FDA sich bereit erklärte, den Produktnamen Just Mayo zu akzeptieren, wenn die Kennzeichnung "egg-free" auf dem Produkt größer angebracht würde, zog Unilever die Klage zurück.
Ein_Liberaler schrieb:
Vegan scheint automatisch gut zu sein und sich für nichts, auch für keinen Betrug und keine Warenunterschiebung (Danke, Giacomo!) rechtfertigen zu müssen.
Es ist wie so oft bei Menschen und Gruppen, die sich moralethisch anderen überlegen glauben: Man ist dann der Meinung, die Gesetze gelten nicht für sie. Zum Teil deshalb, weil sie "Teil des Systems" seien, oder "konstruiert", um diesem zu dienen. Bei wirreren Zeitgenossen kommen noch die üblichen VTs hinzu, da ist dann ein jeder gleich "ein bezahlter Agent der CMA", wer anders denkt als sie selbst.
Tatsächlich sind u.U. vegane Produkte durch unsere Vorschriften "benachteiligt", resp. sie werden, was für ein Produkt meistens nachteilig ist,
erklärungsbedürftig.
Um beim Beispiel zu bleiben:
Ein Mayonnaise ist eine stabile Emulsion, die durch den Emulgator Lezithin möglich wird. Das Eigelb enthält natürlicherweise Lezithin; es gibt auch pflanzliches Lezithin, z.B. Sojalezithin. Das muss man allerdings deklarieren, und für den Durchschnittsverbraucher sieht ein Label
... , Eigelb, ... einfach ansprechender aus, als eines, auf dem
... Enthält: Sojalezithin ... zu lesen ist.
Der Anteil von Veganern an der Bevölkerung ist gering und liegt nach Umfragen bei 0,1-1% der Bevölkerung, wobei eher die kleiner Quote anzunehmen ist. Ein veganes Produkt kann nur dann Erfolg haben, wenn es den Ansprüchen an das Preis-/Leistungsverhältnis auch der breiten Masse genügt. Ein Lebensmittel ist ein Lebensmittel, mit Gesundheitsversprechen darf es nicht beworben werden.
Der beobachtete Trend zu veggie/veganen Produkten ist bereits wieder rückläufig. Es hat ein paar Anfangserfolge gegeben, aber die Produkte verschwinden bereits wieder aus den Supermarktregalen. "Das schmeckt nicht nach ihm und nicht nach ihr" habe ich eine Supermarktverkäuferin mal sagen hören: Die Qualität nicht befriedigend, zu viele Zusatzstoffe, zu hoch prozessiert, zu teuer: Warum sollte der Durchschnittskonsument das wieder kaufen? Das postulierte "Tierleid" ist im egal, er hat keine ethischen Gewissensbisse beim Lebensmitteleinkauf.
Sie werden wieder das werden, was sie vorher auch schon waren: Nischenprodukte für Bioläden, Reformhäuser und den Internethandel.
Ein_Liberaler schrieb:
]Da macht die hippe Großstadtelite, die uns die Zeitungen schreibt und die Nachrichten spricht, doch lieber den Minister zum Hampelamann.
Inhaltlich war der Vorstoß des Landwirtschaftsministers richtig, in der Form aber mangelhaft - zumindest kam das so rüber. Es wirkte zu wenig differenziert und zu stark nach Stammtisch. Auch der Vorstoß mit dem Schweinfleisch war kontraproduktiv. Kann man alles machen, muss man dann aber reflektierter machen.
Mehr als je zuvor sind Fragen der Ernährung stark emotional beladen. Vor allem aber hat zum Thema Kochen und der Ernährung
ein jeder was zu sagen, ob er jetzt davon Ahnung hat, oder nicht. Oder nur eine Diät-Halbbildung aus Zeitschriften, seien es jetzt nun Yellow Press oder Lifestyle-Magazine.
Ob nun Halal, Vegan, Gluten-, Laktose- oder sonstwie -frei, Paleo-Diät, Trennkost oder was auch immer: Ernährung wird zur
Glaubenssache und wer auch immer anderer Meinung ist, der ist gleich der Antichrist und zumindest Agent der CMA.
Nur die, die wirklich Ahnung haben: Ernährungswissenschaftler und -mediziner, Diätexperten und Köche - die sollen am Besten die Klappe halten oder werden nicht ernst genommen.
Die wissenschaftliche Ernährungslehre kann auf eine Geschichte von über 150 Jahren zurück blicken. Es handelt sich um eine komplexe und vielschichtige Wissenschaft, deren Erkenntnisgewinn oft auf indirekte Methoden zurückgreifen muss und deshalb in ihren Aussagen oft vage bleiben muss - allein auch wegen einer großen Bandbreite individueller Unterschiede. Wo sie aber definitive Aussagen treffen kann, da haben sie dann auch Hand und Fuß!
Meine persönliche Erfahrung ist, dass viele, wenn nicht die meisten, die über Ernährung mitreden (auch in meinem Bekanntenkreis), nicht mal ein einziges ernährungswissenschaftliches Buch gelesen haben.
Gelesen wurden entweder nur (bestenfalls) Außenseitermeinungen irgendwelcher selbsternannter Ernährungspäpste oder Lifestyle-Zeitschriften.
Deren Aussagen werden dann nachgeplappert; Aussagen, die sich i.d.R. so überhaupt nicht belegen lassen. Es handelt sich entweder um veraltete und widerlegte Modelle, Postulate und Fehlinterpretationen - oder um oberflächliche Verallgemeinerungen, die der wissenschaftlichen Realität einfach nicht gerecht werden.