Terri Schiavo - Sterbehilfe oder Mord ???

Pain

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antimagnet schrieb:
ich weiß nicht, ob ich lebensverlängernde maßnahmen haben will. keine ahnung, ob ich sterben wollen würde, wenn ich im (wach)koma liege.

Ich befürchte das du mit einer Patientenverfügung in diesem Fall kein sonderliches Mitspracherecht hättest. Denn in einer solchen Verfügung werden eher "lebenserhaltende" Maßnahmen definiert, "lebensbeendende" sind nach wie vor Tabu. Es geht darin um die gern benutzen Wörter Geräte und Schläuche ...

Aber davon mal ganz ab halte ich es für Mord, ganz klar sogar. Da haben Menschen darüber entschieden ob ein Leben noch lebenswert ist oder nicht und den Gedanken der daraus folgt wage ich nicht zuende zu spinnen.

bis demnäxt

Pain
 

antimagnet

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also unabhängig von irgendwelchen realen politischen bedingungen:

ich wüsste nicht, was ich für mich im fall der fälle will. ich will kein menschliches gemüse sein, ich will aber auch nicht umgebracht werden, falls ich doch noch lebe.

wisst ihr, was ihr da wollt?
 

Bernie

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antimagnet schrieb:
ich wüsste nicht, was ich für mich im fall der fälle will. ich will kein menschliches gemüse sein, ich will aber auch nicht umgebracht werden, falls ich doch noch lebe.
wisst ihr, was ihr da wollt?

Vielleicht sollten wir erst mal klären, wann überhaupt der Fall der Fälle eintritt. Ich erinnere da an meine Fragen:
"Frage an die Weltverschwörer:
Welche medizinischen Szenarien erfordern eine Entscheidung, ob die Maschinen einen Patienten am Leben erhalten sollen oder nicht?
Da sind die Komapatienten und eventuell Verbrennungsopfer.
Welche Fälle noch?"

Eventuell noch Krebspatienten, denen die Krankheit nach und nach die Haut wegfrißt, und ähnliche, unappetitliche Szenarien.
Ja, ich weiß was ich in einem Fall will, in dem keine Rettungsmöglichkeit für mich mehr besteht. Einschläfern wie Mieze und Bello. Dann ist Schluß.
 

Tino

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Aktive oder passive Sterbehilfe, Patientenverfügung, Maschinen abschalten oder an den Maschinen dahin vegitieren, …

Vielleicht sollte man hier mal den begriff Sterbebegleitung verwenden. Wir werden alle mal auf die ein oder andere Art sterben. Die meisten wünschen sich ein „plötzliches Ende“ ohne Schmerzen. Das Idealbild ist das „Einschlafen“ über nacht, oder das friedliche sterben in Kreise der Familie.

Jeder Mensch hat das Recht medizinische Maßnahmen abzulehnen. Kein Krebspatient braucht sich behandeln zu lassen. Solange man bei Bewußtsein ist, kann man mit dem behandelnden Arzt jederzeit die gewünschten oder nicht gewünschten Maßnahmen diskutieren. Ich habe bereits bei vielen Patienten (ich schätze so um die 60 bis 80) Sterbebegleitung praktiziert.

Da waren Kämpfer darunter, die bis zuletzt alles wollten und andere, die alles ablehnten. Auch der Wunsch an eine „Spritze“ wurde schon das ein oder andere Mal an mich herangetragen; ein Wunsch, den ich übrigens sehr gut verstehen kann.

Sterbebegleitung heißt, nicht alles zu tun, sondern alles notwendige zu tun. Der Patient darf aus eigenem Wunsch verhungern oder verdursten, aber er soll nicht Hunger oder Durst leiden. Um dies zu verhindern gibt es eine Menge pflegerischer Tricks. Auch soll ein Mensch nicht an Schmerzen leiden. Sterbebegleitung ist schwierig und für alle eine große psychische Belastung. In einem Krankenhaus ist vernünftige Sterbebegleitung nicht möglich (Personalschlüssel), aber es gibt Hospize, also Pflegeeinrichtungen, die sich auf den sterbenden Patienten spezialisiert haben.

Schwieriger ist die Situation derjenigen, die bewußtlos sind, die entweder keine Patientenverfügung haben, oder wo es medizinisch noch nicht abzuschätzen ist, ob sie sich bereits in einem Zustand befinden, der dem der Patientenverfügung entspricht (wir reden hier von der absoluten Ausnahme!).

booth schrieb:
Ich wiederhole: Ich kenne keinen Weg, der richtig erscheint. Ich sehe ein unglaublich schwieriges Dilemma, und mir ist kein Weg bekannt, den ich zweifelsfrei als den besten bezeichnen würde.
Umso schwerer fällt es mir, die Meinung der Menschen nachzuvollziehen, die glauben, diesen "besten" Weg zu kennen.

Ich stimme dir zu, aber was machst du in Angesicht einer der oben beschriebenen Situationen. Eben, weil es Situationen gibt, die wir nicht beurteilen können, bei denen man sich aber trotzdem für oder gegen Leben entscheiden muß … wie verhältst du dich? Daher mein Argument: Im Zweifelsfall für das Leben.

booth schrieb:
Aktive Sterbehilfe wäre sicher ein Weg, der einem humaner erscheint - doch wo hört man auf - wie kontrolliert man dies - wie kann man Mißbrauch unterbinden? Richtig... gar nicht...
Also Menschen so lange mit Maschinen am Leben erhalten, wie es irgendwie nur geht? Siehe meine obige Befürchtung (Gefängnis...)

Damit hast du das Dilemma schön beschrieben. Aber eines, wer soll die aktive Sterbehilfe leisten? Sollte ich als Arzt irgendwann einmal gezwungen sein, diese zu praktizieren, würde ich meinen Job an den Nagel hängen.

Bernie schrieb:
Deshalb fragte ich:
Welche medizinischen Szenarien erfordern eine Entscheidung, ob die Maschinen einen Patienten am Leben erhalten sollen oder nicht?

Wenn es keine Richtlinien gibt, geht doch jedes Mal der Zirkus wie bei Frau Schiavo wieder von vorne los.
Muß ein Krebspatient bis zum bitteren Ende durchhalten, auch wenn er nicht mehr will? Wird man seine Selbstmordversuche verhindern und ihn um jeden Preis am Leben halten? In welchen Fällen kann man es einem Todkranken guten Gewissens gestatten zu sterben?

Es wird immer Fälle geben, in denen Ärzte und Angehörige nicht wissen, was derjenige der bewußtlos im bett liegt wirklich will. Wie ich oben beschrieben habe, kann jemand der bei Bewußtsein ist alle Maßnahmen ablehnen (niemand kann ihn zwingen). Eine Ausnahme sind hier Kinder. Schwierig bis unmöglich sind die unbestimmbaren Situationen, die sich durch keine Regel und kein Gesetz bahnen lassen.

Noch mal, das sind absolute Ausnahmesituationen, die leider immer möglich sind und sich meiner Meinung nach auch niemals vermeiden lassen. Wenn überhaupt aktive Sterbehilfe, dann der Weg über die Gerichte. Mit Gutachtern fürs Pro und Contra halte ich das für den besten Weg, weil hier dann jeder Fall individuell diskutiert werden muß. Auch ist es eben nicht mehr die Entscheidung zwischen Arzt und Ehemann/Eltern alleine.

Gruß Tino
 

Bernie

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Tino schrieb:
“Es wird immer Fälle geben, in denen Ärzte und Angehörige nicht wissen, was derjenige der bewußtlos im bett liegt wirklich will. Wie ich oben beschrieben habe, kann jemand der bei Bewußtsein ist alle Maßnahmen ablehnen (niemand kann ihn zwingen). Eine Ausnahme sind hier Kinder. ....
Noch mal, das sind absolute Ausnahmesituationen, die leider immer möglich sind und sich meiner Meinung nach auch niemals vermeiden lassen. Wenn überhaupt aktive Sterbehilfe, dann der Weg über die Gerichte. Mit Gutachtern fürs Pro und Contra halte ich das für den besten Weg, weil hier dann jeder Fall individuell diskutiert werden muß. Auch ist es eben nicht mehr die Entscheidung zwischen Arzt und Ehemann/Eltern alleine.“


Hallo Tino,
Du hast Erfahrung mit Sterbebegleitung. Welche Fälle kommen in der Praxis vor, in denen nach einer vorhandenen Patientenverfügung gefragt wird? Wenn ich so etwas schriftlich verfasse, welche Fälle muß ich berücksichtigen? Koma, Krebs, Alzheimer, Aids...
Wenn ich wünsche, daß in solchen Fällen das Leben meines Körpers durch eine Spritze schnell beendet wird, kann ich mich darauf verlassen, daß es so gemacht wird?

Was der Weg über die Gerichte bringt, wissen wir ja seit dem Fall Schiavo.
Ärzte wollen natürlich Leben retten und nicht –nehmen. Aber dem sind Grenzen gesetzt. Ich sah im Fernsehen mal ein Interview in dem ein alter Arzt sagte, daß ein junger Kollege bei einem 90 (?) jährigen Schwerkranken bei Herzstillstand Reanimation anordnete. (Ich weiß nicht mehr das genaue Alter des Patienten.) Danach fragte der Arzt, den jungen Kollegen:“Wozu? Was sollte das?“ Ich kann beide verstehen, aber irgendwann ist das Spiel einmal aus. Schachmatt. Und ich persönlich will nicht, daß in einer Situation, in der nichts mehr zu retten ist, mein Körper als Zombie so lange weiterlebt, bis er wie eine rostige Maschine auseinanderbricht.
 

Booth

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Tino schrieb:
booth schrieb:
Ich kenne keinen Weg, der richtig erscheint. Ich sehe ein unglaublich schwieriges Dilemma [...]
Ich stimme dir zu, aber was machst du in Angesicht einer der oben beschriebenen Situationen. Eben, weil es Situationen gibt, die wir nicht beurteilen können, bei denen man sich aber trotzdem für oder gegen Leben entscheiden muß … wie verhältst du dich? Daher mein Argument: Im Zweifelsfall für das Leben.
Womit Dir klar sein muss, daß Du eventuell Qualen verursachst. "Für" das Leben kann "gegen" die Menschlichkeit sein.

Wie ich mich verhalte? In Diskussionen wie diesen verhalte ich mich so, daß ich versuche, das Dilemma klarzustellen und darauf hinzuweisen, daß es eben nicht selten keine richtige Entscheidung gibt. Daß wir Menschen verstehen müssen, daß manche Probleme keine Lösung finden.
Ich selber werde nie in die Verlegenheit kommen, eine solche Entscheidung treffen zu müssen - ich bin kein Arzt, im Gegensatz zu Dir. Wenn ich ein Angehöriger eines Komapatienten wäre, weiss ich im Moment schlicht nicht, was ich tun würde. Wie man sich in einer Grenzsituation wirklich verhält, weiss man letztlich erst, wenn diese Situation eingetreten ist.
Damit hast du das Dilemma schön beschrieben. Aber eines, wer soll die aktive Sterbehilfe leisten? Sollte ich als Arzt irgendwann einmal gezwungen sein, diese zu praktizieren, würde ich meinen Job an den Nagel hängen.
Naja - wie ich oben schrieb. Sich "für das Leben" zu entscheiden, kann bedeuten, sich "gegen die Menschlichkeit" zu entscheiden. So oder so... ich halte dieses Problem für eines, welches heutzutage (und möglicherweise für alle Zeiten) nicht zufriedenstellend lösbar ist.

Aber Deinen Standpunkt muss man auf jeden Fall respektieren, und ich bemühe mich, die Entscheidung der Menschen, egal in welche Richtung sie sich entscheiden, zu respektieren. Es ist für mich eben nur unverständlich, wenn nicht wenige behaupten, sie seien sicher, daß ihre Entscheidung "die Richtige" sei.

gruß
Booth
 

Tino

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Hallo Bernie,

Welche Fälle kommen in der Praxis vor, in denen nach einer vorhandenen Patientenverfügung gefragt wird?

Prinzipiell wird jeder Patient, der in einer potentiell finalen Situation ist gefragt. Wie gesagt, solange der Patient bei Bewusstsein ist, kann und wird mit ihm geredet. Ich weiß, das es hier individuelle Abweichungen gibt. Da Ärzte im Studium nicht lernen mit sterbenden Menschen umzugehen, entziehen sich nicht wenige dieser Situation entweder durch Heilversprechen (im Sinne ich mache dir und mir Mut), oder durch verschweigen.

Wenn ich so etwas schriftlich verfasse, welche Fälle muß ich berücksichtigen? Koma, Krebs, Alzheimer, Aids...

Du zählst in einer Patientenverfügung nicht einzelne Erkrankungen auf. Da die medizinischen Situationen so vielfältig und individuell wie Sandkörner am Strand sind, wird versucht in einer Patientenverfügung vor allem über Maßnahmen die nicht ergriffen werden sollen zu verfügen.

Das führte zu der traurig-lustigen Situation, das ich einen langjährigen Dialysepatienten auf der Intensivstation betreut habe, der in seiner Patientenverfügung (die er während Dialyse bei vollem Bewusstsein (ich habe drei mal die Woche mit ihm geredet)) die Dialyse abgelehnt hatte. Wie soll man sich da verhalten, da er die Dialyse selber solange er bei Bewusstsein war nicht ablehnte. Kann man sich da sicher sein, das er auch wirklich wusste, was er da alles unterschrieben hat?

Ich will damit nur sagen, das eine Patientenverfügung keine ToDo-Liste für den Arzt ist, sondern eine Interpretationshilfe deiner Wünsche, wenn du bewusstlos bist.

Wenn ich wünsche, daß in solchen Fällen das Leben meines Körpers durch eine Spritze schnell beendet wird, kann ich mich darauf verlassen, daß es so gemacht wird?

Definitiv nein. Es würde auch vor einem deutschen Gericht als min. Todschlag gewertet werden.

Was der Weg über die Gerichte bringt, wissen wir ja seit dem Fall Schiavo.

Der Medienrummel war entsetzlich, aber besser so, als wenn Ärzte und Angehörige frei über das Leben anderer entscheiden können.

Ärzte wollen natürlich Leben retten und nicht –nehmen. Aber dem sind Grenzen gesetzt.

Nein, ich will nicht nur Leben retten. Ich will auch Lebensqualität erhalten. Den Tod eines Patienten kann ich sehr gut akzeptieren und es geht auch nicht um sinnlose Reanimationen. Nochmal, es geht eben um die Ausnahmen. Terri war jung als sie reanimiert wurde, der Hirnschaden nicht sofort abschätzbar. Wann hätte man die Bemühungen einstellen sollen?

Hallo Booth,

Es ist für mich eben nur unverständlich, wenn nicht wenige behaupten, sie seien sicher, daß ihre Entscheidung "die Richtige" sei.

Dem kann ich nur zustimmen. Natürlich weiß man nicht ob man das richtige macht. Sowohl, wenn man jemanden wie Terri nun verhungern lässt, oder ob man sie am Leben (und dein Einwand zur Art des Lebens sehe ich als absolut gerechtfertigt an) erhält.
Auch ich kann es in vergleichbaren Situationen nicht wissen. Aber ich kann eben auch nicht drüber debattieren, sondern muss entscheiden. Und jemanden sterben zu lassen (freundlich formuliert) bei dem es nicht notwendig wäre und ohne das ich weiß, ob er/sie das wollte … ist mal salopp formuliert, ganz schön final.

Gruß Tino
 
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Autor Titel Forum Antworten Datum
D Sterbehilfe Philosophie und Grundsatzfragen 8

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