Midterm-Wahl in den USA

Simple Man

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So, heute ist es ja so weit und allenthalben wird Barack Obama und seinen Demokraten eine krachende Niederlage bescheinigt, so dass sich die Macht- und Mehrheitsverhältnisse im Kongress zugunsten der Republikaner verändern würden. Das Regieren würde dadurch natürlich nicht leichter werden. Nun ist es ja keine 2 Jahre her, dass Obama als Hoffnungsträger vieler Wähler in den USA in sein Amt gestartet ist und die Republikaner nach den Bush-Jahren auf Jahre abgewirtschaftet wirkten.

Wo seht ihr die Ursachen für diesen Umschwung? Ist es die schlechte wirtschaftliche Lage in den USA? Hat Obama falsch gehandelt, als er zuerst die Gesundheitsreform angegangen ist, statt sich um die Wirtschaft zu kümmern? Aber würden das die Leute überhaupt wollen? Hat er den Einfluss Washingtons zu weit ausgedehnt? Ist er den Republikanern zu weit entgegen gekommen und hat damit die Wechselwähler vergrault? Oder ist es die Tea-Party-Bewegung, die hier ein größeres Gewicht in die Waage wirft, als man es annehmen würde?

Wie seht ihr das? Und wie werden die nächsten 2 Jahre in den USA aussehen? Und wird Obama nochmal wiedergewählt? Wer könnte ihm überhaupt gefährlich werden - seht ihr da einen Republikaner, der das Format dazu hätte?
 

dkR

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Obama war ein selbstverliebter Rhetoriker, der seine eigene Wahlwerbung geglaubt hat. Nach unendlich vielen Vorschußlorbeeren hat sich im Amt gezeigt, was er kann und viel ist das nicht. Er läßt alle Verbündeten hängen, er verspielt jeglichen Fortschritt seines Vorgängers im Irak und Afghanistan, seine Außenpolitik ist Nonexistent, seine Ziele hat er höchstens mit Müh und not erreicht, er ist keine Identifikationsfigur. Er ist so bemüht es jedem recht zu machen, dass er statt zu führen und zu inspirieren nur noch dumm rumsteht.
Reden halten bringt ihn im echten Leben nicht weiter und das Amt füllt er nicht aus.
 

wintrow

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Nun meine bescheidene Meinung ist das Obama in seinen Gedanken ein Idealist ist der die amerikanische Gesellschaft nicht so richtig realisiert hat.

Wie es dkR richtig formuliert hat er versucht es jeden Recht zumachen und dabei die Lobbymacht der Wirtschaft unterschätzt. Die Ansätze sind gut, Rückzug aus Kriegsregionen, Gesundheitsreform, Gleichberechtigung für Homosexuelle etc. Das hört sich ja alles gut an aber ich denke an drei entscheidenen Faktoren wird Obama scheitern. Zum einen an sich selber, gute Gedanken aber vieles nicht richtig angegangen weil er zuviele Interessen berücksichtigen will, anstatt seinen eigenen Weg zugehen. Zum zweiten sind da die Nachwirkungen der Finanzkrise, Armut der Mittelschicht, hohe Arbeitslosigkeit, krasse Schuldenmacherei. Dies sind zwiefelsohne nicht auf seine Amtsperiode zurückzuführen aber er muss als Präsident die Konsequenzen der Fehler tragen die seine Vorgänger begangen haben. Der dritte Faktor ist die amerikanische Gesellschaft an sich. In einem Land wo der größte Weg des Selfmades-Man gefröhnt wird bleibt nciht viel Platz für große Soziale Projekte. Jeder ist seines Glückes Schmied auch wenn das nciht immer zutrifft. Die Menschen haben kein großes Interesse ein teil ihres Vermögens an Bedürftige abzugeben oder soziale Projekte zu unterstützen. Zum anderen sind die konservativen Kräfte der Gesellschaft zu stark um Reformen und Neuerungen problemlos durchzusetzen. Bestes Beispiel ist heir die Tea-Party...für mich eine hirnrissige politische Gruppe von Spinnern. Wenn man ihre Ansichten hört kann man teilweise nur den Kopf schütteln, aber halt nicht die Amerikaner. Gott zählt mehr als die Evolution. Obama wäre vielleicht in der EU viel besser aufgehoben. Schade denn nie hatte ein Präsident mehr ethische Grundsätze als er. Aber in der USA sind es Perlen für die Säue.
 

hives

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Simple Man schrieb:
Oder ist es die Tea-Party-Bewegung, die hier ein größeres Gewicht in die Waage wirft, als man es annehmen würde?
Das Niveau des Wahlkampfes hat m.W. noch nie so gelitten wie unter der Tea-Party-Bewegung, aber der "Grund" für das Stimmungstief von Obama ist sie nicht. Er hat es nicht geschafft, seine "Yes we can"-Botschaft überzeugend mit seiner pragmatischen Realpolitik in Einklang zu bringen und seine kleinen Erfolge zu vermitteln, während es den Republikaner mit massiver Unterstützung u.a. von Glenn Beck und Co. gelungen ist, selbst Vorschläge, die schon ähnlich aus den eigenen Reihen kamen, als grauenvoll unamerikanisch, "sozialistisch" u.ä. zu brandmarken.

Wie Bill Maher in Real Time mehrfach gesagt hat: er wäre vermutlich erfolgreicher, v.a. in den Augen vieler Wähler gewesen, wenn er sich in der politischen Vorgehensweise (im Sinne der Durchsetzung eigener Vorhaben) an Leuten wie Bush orientiert hätte, statt beständig-freundlich nach Kompromissen zu suchen, die von der Gegenseite per se verhindert werden sollen.

Insgesamt kommt natürlich einiges zusammen und ich würde eigentlich alle von dir genannten Punkte unterstreichen...

Und wie werden die nächsten 2 Jahre in den USA aussehen?
Tja, die Republikaner werden versuchen, alles rückgängig zu machen, was Obama erreicht hat und alles zu verhindern, was Obama erreichen will (gab es schon einmal so viele Filibuster wie unter Obama?).

Und wird Obama nochmal wiedergewählt? Wer könnte ihm überhaupt gefährlich werden - seht ihr da einen Republikaner, der das Format dazu hätte?

Die republikanische Partei, nicht erst unter dem Einfluss der Tea-Party-Bewegung, hat m.E. immer weniger Intelligenz in den ersten Reihen vorzuweisen, und keine Parteigrößen steuern diesem Kurs entgegen, weshalb ich gegenwärtig Palin oder ähnliche Luftnummern für nicht unwahrscheinlich halten würde... doch sogar sie könnte Obama vielleicht gefährlich werden, wie auch viele andere drittklassige Republikaner, gegeben eine anhaltende Unterstützung von Fox und Co., anhaltende Probleme Obamas bei der Vermittlung seiner Politik und eine anhaltend schlechte wirtschaftliche Lage...
 

Simple Man

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NZZOnline: "Grosser Wahlsieg der Republikaner in Amerika"
Die Republikaner haben bei den Zwischenwahlen am Dienstag das 2006 an die Demokraten verlorene Repräsentantenhaus zurück erobert. Im Senat hingegen bleiben sie voraussichtlich in der Minderheit. Kandidaten der Tea Party schnitten uneinheitlich ab.

NZZOnline: "Zusammenstoss mit der Realität"
Dass die Partei eines Präsidenten in den «Midterm»-Wahlen Federn lassen muss, ist der Regelfall. Nun aber hat das Pendel in den USA mit einer Heftigkeit zurückgeschlagen, die kaum Beschönigungen zulässt.

Der Tagesspiegel: "Amerika ist tief gespalten"
Der republikanische Tsunami ist ausgeblieben. Dennoch: Die Niederlage von Barack Obamas Demokraten ist dramatisch.

Welt.de: "Wahldebakel als Zäsur und Chance für Barack Obama"
Die Kongresswahlen sind ein Debakel für US-Präsident Obama. Er muss sich von seiner Arroganz verabschieden und sich neu erfinden.

Tagesschau.de: "Multimedia: Blaue, Rote und Unabhängige - US-Kongresswahl 2010"
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Zeit.de: "Open Data Blog - Zeigen, was die Wähler interessiert"
Außer Wetterdaten gibt es wohl kaum einen Datensatz, der von so großem unmittelbaren Interesse ist wie Wahlergebnisse. Nicht nur wegen ihres politischen Gewichts sind das sehr spezielle Datensammlungen. Ihre Erhebung gleicht bei großen Wahlen einer logistischen Meisterleistung – Millionen von Menschen, die zeitgleich in ihrer Nachbarschaft Daten produzieren, die anschließend innerhalb kürzester Zeit ausgewertet und zentral zusammengetragen werden müssen. So groß ist das Interesse, dass am Wahlabend alle Medien darum wetteifern, die besten Prognosen und Vorauswertungen der ständig wachsenden Datenbasis zu liefern.
 

Ein_Liberaler

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Kurz vor Obamas Wahl war die Schlußfrage im Presseclub, was er nach Meinung der Kollegen wohl aus seinem sicheren Sieg machen würde. Eine Journalistin kündigte an, er werde die Probleme der Welt in sechs Tagen lösen und am siebenten ruhen, zumindest sei es das, was seine Anhänger erwarteten.

Ich nehme an, daß sie da nicht ganz unrecht hatte. Eine Menge Amerikaner waren trunken vor Begeisterung und sind jetzt verkatert.
 

Helika

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Eine wichtige Frage die sich mir da stellt:

Sind die US-Bürger dümmer als Verschwörungstheoretiker? (Die ja ev. dümmer als Ameisen sind...)

Hört sich jedenfalls für mich wenig sinnig an, die Republikaner zu wählen die FÜR weniger Wirtschafts- und Bankenkontrolle stehen, wenn die mangelnde Wirtschafts- und Bankenkontrolle an der Misere schuld ist, vor der die USA gerade steht.

o_O
 

dkR

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Es sind Amerikaner. Die halten jegliche Form der Einmischung seitens der Regierung für das Böse.
Außerdem, Grund für die immobilienblase in the first place, war der lieb gemeinte Versuch, Leuten Hypotheken zu geben, die sie sich nicht leisten konnten.
 

Simple Man

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Eine Politik, die zu der damaligen Zeit von welcher Partei forciert wurde? Na, na, na?

Davon ab ist das doch eine recht kurzgefasste Sicht auf die Ursachen der Finanzkrise ...
 

Eskapismus

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Wer gerne unabhängige Stimmen aus den USA hört sollte unbedingt Dan Carlins Audio-Podcast abonnieren (kommt ca. alle 2 Wochen) http://www.dancarlin.com/disp.php/cs

In der letzten Ausgabe bringt er seinen Grund für das schlechte Abschneiden Obamas, welcher in den US-Medien aber auch hierzulande ignoriert wird. Am besten zitiere ich aus dem folgenden Artikel aus dem Independent, den auch Dan Carlin als Grundlage für seinen Podcast nimmt:

“Obama is judged not as a man but as a fable, a tale of moral uplift that redeems the sins of America’s shameful past." Our longing for him to be Martin Luther King reborn has meant good people have not pushed and pressured and opposed him, even as he endangered us.[...]

The facts are not hidden. If you want to run for national office in the US, you have to raise huge sums of money from corporations and very rich people to pay for the adverts and the mailings that get you on the ballot and into office. These corporations will only give you money if you persuade them that you will serve their interests once you are in power. [...]
In 2006, he said that taking money from the rich is “the original sin of anyone who’s ever run for office” in the US, and it ensures that “Washington is only open to those with the most cash.” There’s a term for this: legalized bribery. It is so naked that corporations routinely give to both sides in an election: Goldman Sachs, to name just one, gave to both Obama and McCain to ensure whoever became President was indebted to them.[...]

He has restored federal funding for stem cell research, and for abortions abroad. He hasn’t bombed Iran. These make a real difference: they’re reason enough to vote Democratic over Republican. But we have to be honest: the continuities with Bush are far more pronounced than the differences. [...]

Contrary to the glib stereotype, Americans aren’t stupid, and they can see what is happening: a recent CNN poll found 60 percent of Americans said Obama “has paid more attention to the problems faced by banks and other financial institutions than to the problems faced by middle class Americans.” They’re right. It’s not that they want him to be “more liberal” or “more conservative”: few think in these terms. No. They are asking – is my job more secure? Is my home more secure? Is my healthcare more affordable? And the answer is no, not really. They know the people who caused the crash are fatter than ever, while the people who had nothing to do with it take the pain, and Obama is left calling this farce progress. In the absence of a liberal populism that would have actually fixed these problems, all the oxygen goes to the fake populism of the Tea Party. US politics has ended up as a battle between the mostly corrupt and the entirely corrupt.
http://www.independent.co.uk/opinio...reason-obama-has-let-us-all-down-2116272.html


Das Hauptproblem sehe ich darin, dass die beiden herrschenden Parteien allfällligen Dritten so viele Hürden in den Weg stellen, dass auch nie mehr als zwei Parteien zur wahl stehen werden.

Es bleibt also nur die Wahl zwischen "the mostly corrupt and the entirely corrupt."


tyranny.jpg
 

Winston_Smith

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Haste wieder deine rosa Brille auf Winston?

Nicht unbedingt. Ich wollte nur (mal wieder) darauf hinweisen, dass das System der USA eben nicht mit dem z.B. von Deutschland gleichgesetzt werden kann. Natürlich ist es einfacher. Das sehe ich ein. Aber es bringt halt auch nix.

ws
 

somebody

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Es ist doch aber völlig egal ob die Demokraten an der Westküste anderer Meinung sind als die an der Ostküste, oder? Demokraten sind Demokraten, genauso wie Republikaner Republikaner sind. eine Krähe pickt der anderen im Zweifelfall bestimmt kein Auge aus...

Es ist und bleibt ein Zweiparteiensystem, und alle möglichen "Drittmächte" haben soviele Findlinge auf ihrem Weg liegen das sie niemals auf einen grünen Zweig kommen.

Das auf diese Art der Filz mit der Zeit stark anwächst muss ich dir nicht erklären, oder? Der gemeine Wähler hat nunmal bei den Gegenbenheiten, wie in der Karikatur wunderbar aufgegriffen, eben KEINE Wahl mehr.
 

hives

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[...]Axelrod expressed curiosity and even some optimism about the tea party[...]
"It is a fascinating time in our history," he said, "and I don't think anybody really knows. I mean I have watched carefully some of these folks on television. I don't think this is nearly as predictable as people think."
Axelrod ist kein schlechter Stratege, und dass die Tea-Party-Repräsentanten nicht in allen Punkten auf der Linie klassischer Republikaner liegen, ist wohl wahr.
Allerdings scheint die Basis Obama sehr stark abzulehnen und zudem Fox-News-affin zu sein - ob man da wirklich eine Zusammenarbeit gegen Republikaner riskieren will? Ich bin da eher skeptisch, wenn auch durchaus gespannt...
 

wintrow

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Naja bei uns liegen NPD und DVU wahrscheinlich auch nicht auf einer Linie, aber wollen sich zusammenschließen.
 

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