Jüdische Geschichte - Teil IV: Die frühe Königszeit

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Einleitung:

Nachdem nun nomadischen Stämme, welche aufgrund gemeinsamer Erfahrung eine neue Religion mit nach Kanaan brachten, dort zu siedeln begannen (siehe dazu auch die letzten Teile der Jüdischen Geschichte), finden wir zunächst noch keinen einheitlichen Großstaat, sondern ein segmentiertes Volk, welches aus verschiedenen gleichberechtigten Stämmen besteht. Und obwohl man davon ausgehen kann (denn anders lassen sich die historischen Tatsachen nicht erklären), dass die einzelnen Individuen sich als dieser Gemeinschaft irgendwie zugehörig fühlten, so erhebt sich über ihrer Summe kein Herrscher. Wie kam es nun bis zur Staatenbildung?


Von der Notwendigkeit eines Staatsstruktur:

Ja, und wir rufen uns erneut die letzten Teile der Informationsreihe ins Gedächtnis: Die Charakteristik dieser Nomadenreligion im Unterschied zu den Religionen der Großen Reiche (z.B. Ägypten) lag darin, dass sie nicht darum bemüht war einen weltlichen Herrscher zu legitimieren.
Man mag zu diesem Phänomen der Zeit stehen wie man möchte, es hatte einen erheblichen Nachteil, welcher sich spätestens beim Angriff der Philister bemerkbar machte: das Militär. Dieses Manko, so glauben Historiker, führte zu dem Bedürfnis einer einheitlichen Führung, und somit schließlich zur Bildung des Staates Israel. Wie sah es Militärstrategisch genau aus?


Militärische Notwendigkeit - Gemeinsam kämpft man besser:

Einige wesentliche Züge der Problematik lassen sich beispielsweise im Siegeslied der Debora finden (Richter 5), wo sich folgendes Bild abzeichnet: Ein Auserwählter muss losziehen um die anderen Stämme (es gibt zwölf israelitische Stämme) um Hilfe zu bitten, wobei jeder die Gefahr anders einschätzt und im schlechtesten Fall nicht einmal zur Schlacht erscheint ("Gilead blieb jenseits des Jordans. Und warum dient Dan auf fremden Schiffen? Asser saß am Ufer des Meeres und blieb ruhig an seinen Buchten." Richter 5,17). Je nach Motivation der anderen Stämme erscheint somit eine Armee variierender Größe, schlecht Bewaffnet und strategisch monoton ausgerüstet (z.B. fehlende Streitwagen).


Religiöse Notwendigkeit - Verlust der Bundeslade als Gemeinschaftsidentität:

Schließlich kommt es zu einer fatalen Nachwirkung dieser Stammesrangeleien: Bei der Schlacht zu Afek gegen die Philister werden die israelischen Kräfte verheerend in einer offenen Feldschlacht geschlagen, wobei ihnen die Bundeslade, dass tragbare Heiligtum, welches von allen Stämmen geehrt wird, abhanden kommt.
Israel landet in einer tiefen Krise, von welcher der Ruf nach einem König ausgeht. Die Bewertung dieses Wunsches fällt in der Bibel zunächst einmal sehr negativ aus, verständlich, da ein solcher bisher nicht gebraucht wurde. (1. Samuel 8). Nun erzählt uns die Bibel die Geschichte von Scha´ul (Saul), welcher aufgrund seiner körperlichen Attribute (stark, groß) ernannt wird und von nun an ohne Hauptstadt von Stamm zu Stamm zieht und über einen längeren Zeitraum Heerbannführer ist (ein Heerbann als Gegenteil zu einem stehenden Heer). Jedoch versagt Scha´ul in seiner religiösen Aufgabe, da sich einer Zauberin anvertraut, womit das Mandat an David übergeht, welcher einst als der ungeeignetste erwählt wurde.


Politische Notwendigkeit - Machtaufstieg des David

Doch lässt man diese mythologischen Aussagen einmal weg, so erschließt sich aus dem Text ein etwas anderes Bild: des Söldners David. Dieser erledigt mit seiner aus dem Ausland erworbenen Truppe (Kreti und Pleti, Kreta und Philister) militärische Aufträge und häuft somit einiges an Reichtümern an. Ja, er selbst steigt zu einer lokalen Macht auf und unterhält sogar eine eigene Stadt. Durch Effektivität ist David somit in eine Königsrolle hineingewachsen, so besiegt er erfolgreich die Philister und dann an Israel angrenzende Gebiete. Er selbst wird zum König über Israel ernannt, eint durch militärische Züge das Nord- und Südreich und festigt seine Macht, indem er eine Stadt erobert, welche genau zwischen diesen beiden Teilen liegt: Jerusalem, welche fortan Hauptstadt sein soll. Sie erhält mehr und mehr königliche Züge, zum Beispiel einen Beamtenapparat, eine dauerhafte Residenz und die Söldner avancieren zu einer persönlichen Leibwache, werden teilweise jedoch auch in das neue Stehende Heer eingegliedert. Nach einigen Problemen schafft es David einen seiner Söhne als Nachfolger einzusetzen. Die königliche Dynastie hat begonnen.


Kritik:

Archäologische Befunde zeigen jedoch, dass es weder in ägyptischen, noch in mesopotamischen Texten Hinweise auf ein israelisches Großreich gibt und Bauprojekte (welche durchaus gefunden wurden) wiederum schwer zu datieren seien. Diese Befunde geben Kritikern den Anschlag zu behaupten, alles sei nur ein ideologisches Konstrukt aus dem 7. Jhd. vuZ.
Andere Argumente halten mit der politischen Lage der Zeit dagegen. So lagen beide Reiche, Ägypten und Mesopotamien, am Boden. Ein Zustand also, in welchem man keine teuren Steinwände mit Geschichten der Nachbarn behauen kann. Zudem wurde im Norden Israels auf dem Hügel Dan ein Stück einer Stehle gefunden, auf welcher die Siege eines Königs verzeichnet sind. Auf dieser Stehle wird unter anderem damit geprahlt einen König aus dem Hause Davids getötet zu haben.
Wie man die Sachlage auch betrachten will, Fakt ist, dass ein Übergang von einer segmentären zu einer königlichen Gesellschaft, egal in welchem Ausmaß, im 11. Jahrhundert stattfand.


Dynastie - Neue Herrschaft, neue Religion

König Salomo nun besaß einen hohen Grundbesitz, einen Beamtenapparat, das stehende Heer und stützte das neue System auf zahlreiche Fronarbeiten, was tiefe Einschnitte in allen Bereichen des bisherigen Systems bedeutete. Als Reaktionen begannen sich neue Strömungen heraus zu kristallisieren. Die Einen wollten das System theologisch stützten (Hoftheologie), während die Oppositionstheologie, welche von der biblischen Prophetie getragen wurde, die alten Traditionen durchsahen und mit der Herrschaftsform verglichen, danach positiv oder negativ zu diesen Punkten standen. Die Hoftheologie hatte größtenteils das Problem, dass sich eine Legitimation von Herrschaft in der bisherigen Religion nicht vorkam, somit musste etwas Neues geschaffen werden, wobei sich die Hoftheologen gerne aus bereits Bestehendem anderer Religionen bedienten (z.B. Ägypten). Als ein Beispiel der Hoftheologie können viele Psalmen angeführt werden, welche für diverse Anlässe verfasst wurden.
Die Hoftheologie bestützt den König auf einem adoptiven Verhältnis zu Gott. In der Ägyptischen Religion war der Pharao der leibliche Sohn Re´s und verkörperte gleichzeitig den Horus. Seine Aufgabe bestand in der Aufrechterhaltung der Ma´at, der Gerechtigkeit (juristische, soziale Ordnung, etc.). Zudem sollte er die Fruchtbarkeit garantieren (Nil) und war der Vertreter des religiösen Kultes. In der israelischen Hoftheologie galt der König nun als Repräsentant Gottes auf der Erde und hatte im Wesentlichen drei Funktionen, welche parallel zu denen in Ägypten waren. Als erstes galt er als Segensmittler zwischen Himmel und Erde, dann als Rechtshilfe für Schwache und als Garant für die Gerechtigkeit. Als dritte Funktion war er zudem Priester und verantwortlich für den Staatskult.
Die neue Theologie monopolisierte Gott demnach im König und verzahnte somit Gott und Macht, was absolut konkurrierend zur Exodusreligion stand und letztendlich zum Ausschluss des Volkes von der Religion führte.
Von der Religion einmal abgesehen brachte der neue Flächenstaat andere, bisher unbekannte, Aufgaben mit sich. Er musste Nichtisraelis integrieren, und, bedingt durch Fernhandel und Außenpolitik, Kontakt zu anderen Ländern aufnehmen. All das führte natürlich wiederum zu religiösen Konsequenzen, denn war bisher die Religion gleichbedeutend mit der Ausbreitung des Protostaates, wurden diese Grenzen nun verschoben.

Die Notwendigkeit eines einheitlichen Bundes sorgte also zu einer neuen Identitätsfindung und einer gesellschaftlichen Umstrukturierung des gesamten Landes. Die Exodusreligion veränderte sich und wurde zur, wohlgemerkt, israelischen Religion. Von einer jüdischen Religion spricht man allerdings ab dem Zeitpunkt des Exils, in welchem unabhängig von Staat und Tempel neue Riten, wie Schabbat, Beschneidung und andere, die Tempelopfer als religiöses Empfinden ablösten. Doch dazu mehr in der nächsten Folge.

Weitere Artikel zum Thema:
Jüdische Geschichte - Teil I: Die Zeit der Erzväter
Jüdische Geschichte - Teil II: Der Exodus
Jüdische Geschichte - Teil III: Die Landnahme
 

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