Giacomo_S schrieb:
Sicherlich eine vielschichtige Angelegenheit. Da ist zum einen einmal der "typische" Täter aus dem Westen, der sich den Terroristen anschließt: Migrantenfamilie, schlechter oder kein Schulabschluß, kleinkriminelle oder Drogenvergangenheit, vermeintlich ohne Perspektiven. Natürlich geht er nicht gleich zu den Terroristen, sondern es gibt einen fundamentalistischen Vorlauf. Da kommt einer, der erzählt ihm: Nation, alles egal, Vorgeschichte egal, Hauptsache, Du bist ein guter Muslim. Und dann wird der Looser von gestern auf einmal zum Ehrenmann, später fanatisch.
Ja, das ist sicherlich ein einfacher Trick, wenn unter religiösem Mantel die Vergangenheit reingewaschen wird und jemanden eingeredet wird, dass hinter allem eine planende Hand ist.
Dann wird wieder schwarz-weiß-gemalt - "wir gut, alle anderen schlecht" - "Wir kennen die Wahrheit, die anderen nicht; müssen sie erfahren; wollen sie nicht erkennen." - Und dann ist es der Aufbau von Hass gegenüber den Anderen. Wenn ein Minderwertigkeitskomplex vorhanden ist, geht es sicherlich noch einfacher. Sollte eine kriminelle Vergangenheit existieren, kann letztendlich darauf aufgebaut werden.
Im Großen betrachtet schaffen die Terroristen Raum für sich, um eine Lebensart auszuleben, die an den meisten anderen Orten der Welt teilweise oder ganz verurteilt werden würde, weil sie schlichtweg gegen jede Moral verstößt. Im Kleinen betrachtet lohnt sich der Blick auf die Einzelperson: Im Artikel "Feuer im Kopf" (DIE ZEIT vom 13. August) wurden Aussagen des Sozialwissenschaftlers und Aggressionsforschers Klaus Wahl wiedergegeben. Seine Aussagen bezogen sich unmittelbar auf die Rechtsradikalen, der Artikel galt aber generell der Gewaltbereitschaft.
Wahl sagt, die Kriminellen wollten, indem sie rechtsradikal würden, ihrem zerstörerischen Verhalten einen höheren Sinn geben. Man gesteht sich nicht ein, sondern findet den "höheren Sinn". Die Gewaltanwendung wird also viel einfacher: Der höhere Sinn ist gegeben, der Raum dazu geschaffen, der Anlass besteht, jetzt können sie sich also ausleben... und sie würden höchstens zu Unrecht bestraft...
Tatsächlich aber müssten sie sich eingestehen, dass sie dem Weltkulturerbe in den letzten 400 Jahren (!), nichts, aber auch gar nichts hinzugefügt haben: Keine Wissenschaft, keine Technologie, keine Kunst, kein Theaterstück, keine Literatur, keine Musik. Da muss eine jede Steckdose in der Wand wie eine Provokation des Westens wirken. Man besieht sich den eigenen Bauchnabel und erinnert sich an vermeintlich goldene Zeiten des Islams, die es so nie gab. Zumal die Geschichte der islamischen Welt sowieso alles andere als einwandfrei überliefert ist, da ist noch vieles geschönt, was gerade erst in unseren Zeiten in Zweifel gezogen wird.
Die Namen der der Philosophen ist kurz: Al-Farabi, Marwadi, Averroes. Alle drei haben in der "Blütezeit des Islams" geschrieben.
Allerdings habe ich noch nie ernsthaft recherchiert, ob es zum Beispiel moderne Architektur des Islams gibt. Das Verhältnis zu Musik, Tanz und Bildern ist im Islam trübe.
Da habe ich allerdings noch zwei Gedanken dazu, zum Einen: der IS will auch die Bauwerke etc., also die kulturellen Errungenschaften des Islams am Liebsten auch noch niederwalzen. Zerstörungswut in Reinstform.
Zum Anderen: wenn es um Eifersucht und Angst oder Minderwertigkeit geht, fällt mir Erdogan ein, der händeringend um das islamische und osmanische Erbe zu kämpfen scheint, und so zu ruchlosen Maßnahmen greift. Man denke an seinen Palast, oder an seine Aussage, dass die Muslime zuerst den Weg in die Karibik gefunden und dort Inseln entdeckt haben. Andererseits betont er überall die Wichtigkeit des Islams (welcher denn?). Der Islam, wie er ihn haben möchte, bröckelt in der Türkei. Seine Politik gegenüber dem IS ist auch noch zwielichtig.
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Noch ein Gedanke zum Terrorismus - der Brandanschlag auf ein Hof von Nazi-Gegnern wirft die Frage auf: ab wann werden Personen, die Terror betreiben, eigentlich zu Terroristen?