IMplo schrieb:
Es gibt im Grunde nur eine ganz simple und gleichzeitig zu komplexe Formel für den sozialen Frieden und die gerechte Verteilung aller Güter:
Abschied von der persönlichen Gier!
Wieso immer so extrem?! Wie wärs denn, wenn man damit beginnt, daß sich die Menschen in den Industrienationen über ihre persönliche Gier erstmal bewusst werden und diese kritisch betrachten?!
Nur wird das verdammt schwierig, denn sowohl der Schläger-Hooligan, der gierig auf Gewalt ist, wie der koksende Politiker, der gierig nach öffentlicher Aufmerksamkeit ist, als auch der Industrie-Workoholic, der gierig auf seine Karriere ist... und die vielen-vielen anderen Manifestationen von Gier... sie sind alle Ausdruck dieses Verhaltens.
SO ETWAS kann man realistischerweise von dieser Menschheit, die nichts weiter ist, als ein Krebsgeschwür für ihre Umwelt, nicht erwarten.
Erstens ist "die Menschheit" alles andere als ein konsistentes Gebilde... zweitens ist die Umwelt auf diesem Planeten kein denkender, fühlender Organismus. Wenn die Umwelt auf diesem Planeten verschwindet, ist das für das Universum vollkommen belanglos... für uns Menschen dagegen nicht.
Umweltpolitik als eigenständiger Zweck quasi "gegen" die Menschen ist für mich ziemlich unsinnig. Stell Dich vor einen wilden, hungrigen Löwen und warte ab, wie er Dir Deinen Dank zeigen wird, daß Du für die Erhaltung des Nationalpark kämpfst, in dem er lebt.
Immer heulen alle rum, es sei sooooo ungerecht. Ja, ist es! Willkommen im Leben, wie es ist. Wir leben nunmal in unserer menschengemachten "Hölle".
Viel vernünftiger wird es, erstmal zu begreifen, daß die Natur des Lebens auf diesem Planeten bereits Ungleichheit als unabdingbares Prinzip beinhaltet. Aus Ungleichheit folgt für ein abstrakt denkendes und somit wertendes Wesen wie dem Menschen automatisch Ungerechtigkeit. Diese ist natürlich.
Der Mensch ist das erste Wesen, welches daran arbeitet, dieser natürlich Ungerechtigkeit entgegenzuwirken. Da sind wir definitiv noch eher am Anfang als am Ende, wenn man alle knapp 7 Mrd Menschen insgesamt betrachtet. Aber gerde in Mitteleuropa ist die Ungerechtigkeit, die in der menschlichen Gesellschaft existiert, bereits deutlich harmloser als die natürliche Ungerechtigkeit. Das soll die vielen Kriege, die noch immer von Menschen verursacht werden, nicht verharmlosen... aber... es zeigt, daß wir Menschen zu mehr fähig sind. Wie weit wir das Potential in den nächsten Generationen weiterentwickeln und die menschlichere Gesellschaft stetig ein wenig gerechter machen... tja... das muss sich zeigen.
Warum hatte die Kirche immer schon Erfolg mit dem Verkauf eines "paradiesischen Jenseits"? RICHTIG! Weil wir auf Erden davon weiter weg sind, als Worte darzustellen vermögen.
Zur Zähmung der Gier zählt meines Erachtens auch die Zähmung nach der Suche des goldenen Fließ, des heiligen Grals, des perfekten Paradies oder... wie es in unserer Konsumgesellschaft meist verkauft wird... des immerwährenden Glücks (schau mal auf Boulevard-Zeitschriften, wie oft Du das Wort "Glück" dort lesen kannst).
Leid gehört zum Leben dazu. Verlust und körperliche Gebrechen wird es immer geben. Wir Menschen haben aber als einzige Wesen die Möglichkeit uns dahin zu entwickeln, daß wir uns davon stärker entkoppeln. Das wird aber niemals ein "Paradies" mit dem immerwährenden Glück sein. Das müssen wir Menschen auch endlich lernen.
Geld ist garnichts schuld - es ist genug für alle da.
Natürlich ist nie eine Sache etwas "schuld" - die Verantwortung tragen wir Menschen. Nur stecken wir in einem extrem komplexen gesellschaftlichen System von allein in Deutschland 80 Millionen Personen.
Kollektiver Selbstbetrug = Geldwert.
Da hast Du im Prinzip recht - aber allein das System des abstrakten Wertes ist etwas, was nur der Mensch entwickelt hat. Und unheimlich viele Menschen nehmen eine große Mühe auf sich, um etwas zu erreichen, was ihnen etwas wert ist. Was uns wieder zur Gier führt, die ich am Anfang skizziert habe. Es fehlt halt die nötige Distanz zu den eigenen Werten und Zielen, die man unbedingt erreichen will, um zumindest etwas darauf zu achten, ob man evtl anderen Menschen damit schadet.
Das ist einer enorm komplexen Gesellschaft auch kaum machbar. Wenn ich unbedingt ein technisches Spielzeug kaufen will... informiere ich mich dann exakt, unter welchen Umständen die Mitarbeiter leben müssen, die dieses Gerät hergestellt haben?!
Den Rest an Chancen einer Lösung des Verteilungs- und Gerechtigkeitsproblems in Sachen Geld erledigen die alzeit präsenten Sekundärtugenden des Menschen an sich:
Desinteresse
Egoismus
Eitelkeit
Völlerei
und was nicht alles.
Willkommen im Club, denn ich bin mir sicher, daß auch Du in manchen Dingen einfach gar keine Zeit hast, ein Interesse dafür zu entwickeln, ob und wie es anderen Menschen dabei ergeht. Daß Du Dich für gezielte Gruppen an extrem benachteiligten Menschen eingesetzt hast, ist definitiv bewundernswert. Aber zu glauben, daß man dann in allen seinen Lebensbereichen dieselbe Aufmerksamkeit an den Tag legen kann, halte ich für illusorisch.
Traurig, aber wahr: wir sind einfach zu klug, um unsere Probleme einvernehmlich zu lösen. Einer ist immer der Gewinner, denn er ist klüger als die Anderen.
Abgesehen davon, daß Du nie "unsere Probleme einvernehmlich lösen" kannst - es geht gar nicht nur um Gewinner und Verlierer. Oft entstehen Probleme auch im Laufe des Lebens... und zwar in jedem Leben. Konflikte
sind Leben - Du wirst sie nie ausradieren können, indem Du einmalig alle 7 Mrd Menschen an einen Tisch setzt, und dann die eine große Einigung erzielst.
Es gibt dennoch Hoffnung:
Sollte mal nichts mehr zu essen da sein für quasi niemand, dann gibt es evtl. eine kurzzeitige Umverteilung per Revolte/Revolution - kurzzeitig, wie gesagt.
Das ist eine seltsame "Hoffnung", wenn ich es für toll halte, daß Menschen denen es schlecht geht, anderen Menschen denen es gut geht weh tun müssen, damit es ihnen dann besser geht. Diese Kampf-Mechanismen haben meines Erachtens nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Einer der Gründe, wieso Sozialismus, basierend auf einer Revolution nicht funktionieren kann. Die Menschen ändern sich ja nicht dadurch, daß eine Revolution stattfindet. Nach einer Umverteilung werden die neuen Machthaber definitiv für eine neue Elite sorgen. Oder anders formuliert: Die Menschen, welche die Hoheit über die Verteilung der Wertgüter (in unserer Gesellschaft das Geld) besitzen, werden dafür sorgen, daß sie am meisten erhalten. Heutzutage sind das nunmal die Unternehmer und leitenden Angestellten. Je höher auf der Leiter, desto mehr Einkommen.
Genau das hattest Du im real existierenden Sozialismus aber auch.
Ich glaube an das Gute im Menschen, bei wenigen, bei der Menschheit glaube ich nichts mehr.
"Die Menschheit" ist ein komplexes System, wie Dein Körper auch. In Deinem Körper sind auch nicht nur "gute" Zellen. Aber allein die Unterscheidung in striktes "gut" oder "böse" bringt uns wenig weiter - kein Mensch ist nur gut oder nur böse. Und viele Böswilligkeiten unter Menschen sind keine direkte Absicht, also oberste Priorität, sondern eher Kollateralschaden der eigenen Zielverfolgung. Dennoch nehmen viele Menschen sowas fast immer persönlich. Dann, wenn es ans Leben oder das Fundament des Lebens geht, kann ich das auch verstehen - sie tun es aber oft im allerkleinsten. Eine simple Entscheidung auf der Arbeit in einem Team kann dazu führen, daß grösste Konflikte entstehen, weil manche Personen Entscheidungen gegen die eigenen Ideen persönlich nehmen. Auch in Sport, Freizeit, Verein, Familie, Liebe... überall gibt es Entscheidungen anderer Menschen, mit denen wir nicht einverstanden sind... teilweise empfinden wir sie als zutiefst verletzend. Und dann beginnen die Kleinkriege...
Das hilft einer Hartz4-Familie, die am Existenzminimum krebst, oder einem indischen Bauern, der weit unter dem Existenzminimum krebst, sicher auch nicht weiter.
Die menschliche Gesellschaft ist leider noch nicht soweit, daß alle ein Stück über dem definierten Existenzminimum leben können. Vielleicht wären wir rein materiell wirklich schon so weit, sodaß wir es als "Verteilungsproblem" ansehen können. Aber diese Verteilung wird bei heutigem Verhalten immer sehr ungerecht sein. Ich selber schaue dann einfach auf die Entwicklung in Mitteleuropa in den vergangenen 200/300 Jahren, und stelle fest, daß ein riesiger Sprung stattgefunden hat. Lebten vor einigen hundert Jahren noch 80% der Bevölkerung in ziemlich schlimmen Zuständen auf dem Land als Bauern, so sind heute 80% der Bevölkerung (naja - vielleicht auch nur 70 oder 60) in der Bürgerschicht angelangt.
Sicher... es gibt noch viel zu viele denen es nicht so gut geht. Aber wenn ich zurückblicke, habe ich die Hoffnung, daß die Menschheit das Potential hat in einigen hundert Jahren noch einen oder gar zwei Schritte weiter zu sein.
Ich kann nur jedem raten, nicht zu erhoffen oder gar erwarten, daß dies innerhalb des Lebenszyklus einer Person stattfinden wird. Umwälzende Gesellschaftliche Veränderungen sind Aufgaben, die über Generationen dauern. Allerin der Weg von der Feudal- in die kapitalistische Industriegesellschaft dauerte einige hundert Jahre. Wesentliche Grundideen (Adam Smith, Immanuel Kant, etc) sowie wesentliche Grundtechniken (Buchdruck, Elektrizität) sind schon ein wenig oder deutlich älter. Klar... es wird Zeit, daß allmählich neue Ideen entstehen - aber ich denke, daß sie das tun - nur gibt es soviele, daß es schwer ist, die zu identifizieren, die dann wirklich zum tragen kommen.
Ich selber halte es eigentlich für das wichtigste, daß sich das Erziehungswesen ändert, da ich nicht glaube, daß wir in der heutigen Situation durch Systemänderung (also grobe, äussere Randbedingungen) noch durch technische Entwicklung unser grundlegendes Verhalten als Menschen ändern werden.
Daß man also bereits in den Schulen beginnt, nicht nur Faktenwissen zu lernen, sondern grundlegende Werte des Humanismus. Nein... nicht nur lernt... sondern sie dort verinnerlicht. Daß Eltern dort intensiv mit einbezogen werden, und auch ihnen im Zweifelsfall (nochmal) gezeigt wird, was Humanismus bedeutet.
Alle Menschen reden davon... aber eigentlich wird das Prinzip des menschlichen, sozialen Miteinanders nirgendwo richtig nahegebracht... ausser vielleicht in grösseren Familien, wobei man dort dann oft eine starke Grenze nach aussen zieht, und es dort auch kein bewusstes Lernen ist, sondern eher der Zwang der Situation zur Kooperation.
Wie ich nunmal gerne und oft sage... soziale Kompetenz und fachliche Kompetenz gehen oft nicht einher - bis sich das im großen Maßstab ändert, wird meines Erachtens noch eine Menge Zeit vergehen - aber wir sind schon weiter als vor einigen hundert Jahren.
gruß
Booth