Die Architektur des Kapitalismus

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Aus vielen Perspektiven besteht massive Kritik an der gegenwärtigen Gesellschaftspraxis, doch der gesellschaftliche Prozeß der Strukturbildung beinhaltet so viele Beschränkungen, d.h. er ist so vielen Grundparametern ausgesetzt, das jede Änderung enormen Widerstand auslöst und extrem schwierig umzusetzen ist. Selbst die aus vorhandenen Erkenntnissen resultierenden notwendigen und mehrheitlich akzeptierten Handlungsziele werden oft nur spärlich oder nach einem langem beschwerlichen Prozeß umgesetzt. Das sollte jedoch nicht verwundern, da dies innerhalb der Wissenschaft, die ja eigentlich nur der Wahrheit verpflichtet sein sollte, gänzlich gleich ist. Hier verursachen die Paradigmen sowie der Organisationsaufbau, d.h. die Struktur der Wissenschaft, die Bildung einer Zitadelle, in der die Bücher von Ketzern verbrannt werden oder sie ins Niemandsland abgeschoben werden. Die Durchsetzung konträren Wissens ist nur in sehr günstigen Fällen oder über lange Zeitspannen hinweg möglich gewesen.

Trotz der scheinbaren Pluralität der Postmoderne haben wir – gemäß einer langen Tradition – noch immer die eine Wahrheit. Diese eine Wahrheit macht die Grundgemäuer unserer Gesellschaft aus und wer sie in Frage stellt, stellt sich außerhalb des Diskurses der Etablierten – er bewirkt nichts!

Diese Grundgemäuer machen das aus, was anderswo die Zitadelle genannt wird. Sie sind der Kern der modernen Weltanschauung. Die Suche nach dem dritten Weg innerhalb dieser ist natürlich unmöglich und so begegnen wir wiederum täglich der Lüge, das es nichts Besseres gibt, als das, was wir haben. Wenn wir nicht über den Tellerrand blicken, sehen wir auch nichts anderes!

Diese Zitadelle bewirkt in Politik und Wirtschaft, daß die herrschenden Machtstrukturen sich behaupten können. Marginale Veränderungen und Entwicklungen finden statt, aber die Struktur des Kapitalismus, sein innerer Kern, erlebt keine Veränderungen, sondern wird unter dem Stichwort der Globalisierung nun auf mehr und mehr Bereiche angewandt. In der Wirtschaft und der Politik ist die Zitadelle besonders gefährlich und mächtig, besonders, weil die Massenmedien den Interessen der mächtigen Konzerne gehorchen und die Regierungen diesen ebenso. Das Resultat ist eine Machtstruktur, die die Gesellschaft fest in der Hand hat, während sie gleichzeitig vorgibt, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit zu gewährleisten. Doch sobald eines dieser Dinge ihren Interessen entgegengesetzt ist, wird es radikal beschränkt, oder in sein Gegenteil verkehrt. Mit einer Fülle von Lügen werden die Maßnahmen gerechtfertigt und eine Fülle von Lügen ist auch im Spiel, wenn die grundsätzliche Organisation der Gesellschaft erläutert, erklärt und gerechtfertigt wird.

Die Wissenschaft ist - wie wir bereits gesehen haben - in vielen Bereichen ein williger Partner des Kapitalismus, des bestehenden Gesellschaftssystems und mit Dialektik, komplizierten Gedankengebäuden und vielen Tricks wird das Bestehende theoretisch abgesichert.

Besonders kraß gehen die Wirtschaftswissenschaften vor. Obwohl die Klassiker seit eh und je die Grundeigentümer angriffen und Maßnahmen des Staates forderten, da die Bodenrente ein Schmarotzerdasein ohne jegliche Produktivität ermöglicht, übersieht dies die heutige neoliberale Wirtschaftstheorie bezeichnenderweise, denn die lieben Professoren besitzen auch alle ein Häuschen - oder was?!.

Das Modell für den Menschen in der Ökonomie ist der homo oeconomicus – ein Mensch, der von Eigennutz motiviert ist und immer nah seinem Besten strebt. Das Modell für die Wirtschaft ist der Profit, und nur der Profit. Die Philosophie der kapitalistischen Wirtschaft ist die Gewinnmaximierung, soziale oder gesellschaftliche Belange spielen letztlich keine Rolle. Das ist zwar bekannt, doch die umfangreichen sozialen Systeme, die in verschiedenen Staaten aufgebaut wurden, werden als Argument dafür benutzt, daß eine "soziale Marktwirtschaft" die Entwicklung des Kapitalismus zu bändigen in der Lage ist, die Entwicklung nämlich zu einer in Reich und Arm aufgespaltenen Gesellschaft bzw. Welt. Tatsächlich auch scheint innerhalb der Geschäftigkeit und des Gewinndrangs der Wirtschaft, eine breite Mittelschicht Platz zu finden. Dies ist jedoch auf die Vormachtstellung der westlichen Industrienationen zurückzuführen, die entgegen ihrer oft vorgetragenen Grundüberzeugung des "freien Handels" und der Demokratie, den freien Handel wie die Demokratie zu ihren Gunsten jahrhundertelang in der dritten Welt verhindert haben. Der freie Weltmarkt wird durch Protektionismus, Militäraktionen, Staatenbildung, durch alle verfügbaren politischen Mittel zugunsten der westlichen Staaten ausgerichtet, die dadurch auch ihren Bevölkerungen ein gewisses Maß an Wohlstand überlassen konnten, was allerdings durch die einsetzende Globalisierung wieder rückgängig gemacht werden wird, wie es scheint.

Auch sind die Wahlmöglichkeiten, die ein Individuum in diesem wirtschaftlichen System hat, gering. Ein riesiges Heer von Arbeitslosen macht darauf aufmerksam, daß für die Karriere und für die Teilnahme an der Konsumgesellschaft Opfer gebracht werden müssen. Der Druck, der auf den Individuen lastet, ist enorm. Dieser Druck ist ein Anpassungsdruck, der den Individuen auferlegt, die Interessen der Unternehmen und Konzerne oder generell die Philosophie des Kapitalismus zu verinnerlichen. Der Druck wird noch dadurch vergrößert, daß die Lebensentwürfe in diesen Gesellschaften in einem extremen Ausmaß von den Medien beeinflußt werden, in denen Alternativen zum Vorherrschenden kaum vorkommen und der Konsumfetischismus weitergegeben und schließlich vom Individuum verinnerlicht wird.

Zudem wird das Individuum durch die gesellschaftlich festgelegten Werdegänge gepreßt. Schule, Ausbildung, Beruf. Sobald sich der Einzelne auf alternative Lebensentwürfe besinnt, schlagen ihm Widerstände entgegen. Letztlich wird das Individuum ständig durch seine elementaren Bedürfnisse der Existenzerhaltung daran erinnert, daß es besser ist, sich anzupassen.

Der Plastikmensch wird so erschaffen. Vom Streß seines Alltags ermüdet, vom ständigen Druck auf der ständigen Flucht vor sich selbst, findet er keine Natur mehr in sich, sondern nur noch die Kategorien der Gesellschaft vor. Diese Kategorien warnen, drücken, pressen ihn zur Expansion, zur Durchsetzung seiner egoistischen Interessen und schafft er dies nicht, zur Selbstbeschuldigung. Das Äußere überrennt das Innere, dies flüchtet sich, "never to be seen", und sein Unmut äußert sich in den Neurosen und Zivilisationskrankheiten, die die Kosten der sozialen Absicherung weiter erhöhen. Daß die Frau in diesem System im allgemeinen nicht an die Spitze der Konzerne und Unternehmen vorrückt, ist wohl auch damit zu begründen, daß es der weiblichen Natur zuwider ist, im geforderten Ausmaß Macht und Egoismus einzusetzen.

"Das beste System", das es je gegeben hat, die demokratische Gesellschaft mit einer kapitalistischen Wirtschaft, macht krank, und zwar die Welt wie die Menschen.

In diesem System sind in den westlichen Staaten die Arbeitnehmer die großen Verlierer. Denn das System sorgt dafür, daß ständig eine hohe Quote von Arbeitslosigkeit besteht, und gleichzeitig sind die Arbeitnehmer gezwungen, Arbeit anzunehmen und das Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten. Der Überlebensdruck, der auf ihnen lastet, ihren Broterwerb aufrecht zu erhalten, erzeugt einem enormen Druck. Dieser Druck geht vorrangig in die Richtung, sich den höheren Rängen im Unternehmen unterzuordnen und nichts zu tun, was die Anstellung gefährden könnte. Die Position und die Möglichkeiten der Arbeitnehmer sind dabei so schwach, daß viele Demütigungen und Frustrationen hingenommen werden, ohne daß es die Möglichkeit gibt, diese zu beseitigen.

Die Unternehmen müssen gleichzeitig stets möglichst viel Gewinn erzielen, die Arbeit optimieren und rationalisieren. Die Arbeitnehmer müssen hier natürlich mitspielen, um ihre Stellung nicht zu gefährden. Je höher die Verantwortung des Arbeitnehmers, je mehr wird er oder sie von diesem Erfolgsfdruck auf sich nehmen müssen.

Zusätzlich besteuert der Staat die Einkommen der Arbeitnehmer in letztlich weit höherem Maß, als die der Unternehmen oder der Unternehmer. Weitere Abgaben für die Sozialversicherung kommen noch hinzu. Letztlich tragen die Haushalte die meisten Ausgaben des Staates. Dieser wiederum stützt die Profite der privaten Unternehmen mit Subventionen und Steuervergünstigungen, alles unter dem Stichwort "Arbeitsplätze". Daß die Konzerne alle ein Ertragsziel von 10% Rendite haben und seit Jahren Rationalisierungsmaßnahmen durchführen, d.h. Arbeitsplätze abbauen, wird hingenommen, wegerklärt, ignoriert.

Dem Zwang des globalen Profitzwangs können die Unternehmen nicht entgehen, er macht sie aber auch zu den anti-demokratischen Kräften, die sie sind. Doch auch die Politik, die Wissenschaft und die Medien werden in diesem System nicht ihren Aufgaben gerecht. Alle Individuen in diesen Institutionen müssen die bestehenden Werte verinnerlicht haben, um auf ihrem Gebiet erfolgreich zu sein. Die Massen werden konsequent desinformiert und ihnen wird ein massiver Existenzerhaltungsdruck auferlegt. Alternativen werden konsequent bekämpft, zumindest nicht gefördert.

Die Ursache des Übels ist die ständige Abschöpfung des gesellschaftlichen erzeugten Wohlstandes durch das Kapital, die auch von Marx vorhergesagte immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich.




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