In der amerikanischen Verfassung ist das "right to keep and bear arms" festgehalten, das Recht, Waffen zu besitzen und zu tragen. Dieses Recht ist vielen Amerikanern sehr wichtig, sie argumentieren - wie die liberalen Gründungsväter der Vereinigten Staaten - dass ohne ein Recht auf Selbstverteidigung die anderen Rechte im Ernstfall nichts wert sind. Dieser Ernstfall stand am Beginn der USA, daher die historische Betonung. Hier geht es um individuelle Rechte, die individuell zu verteidigen sein könnten, nicht um Heer und Exekutive.
Wie in vielen anderen Fällen, reicht ein Blick auf die nähere Geschichte, um mit dem Zeigefinger vorgebrachte Entrüstungen gerade von österreichischer oder deutscher Seite über diese "barbarische Sicht" vom Waffenbesitzrecht als Grundrecht zu relativieren: Die Leserin darf dreimal raten, wann hier die letzte umfassende staatliche Kontrolle und weitgehende Einschränkung des privaten Waffenbesitzes stattfand. Am 8. November 1938 verkündete der Berliner Polizeipräsident die Umsetzung des Verbots privaten Waffenbesitzes unter Juden: 2,569 Handwaffen, 1,702 Feuerwaffen und 20,000 Stück Munition wurden konfisziert. Am 9. November 1938 kam der Befehl an alle Sicherheitskräfte, Juden vollständig zu entwaffnen und im Falle des Widerstandes zu erschießen. Am 10. November 1938 war schließlich alles klar für jenes geplante Pogrom, das als Reichskristall"nacht" (es ging über mehrere Tage) bekannt ist. Das Verbot privaten Waffenbesitzes und die staatliche Beschlagnahmung wurde systematisch in allen okkupierten Ländern umgesetzt. Dies fiel besonders leicht, denn aufgrund früherer Gesetze musste jede Waffe registriert werden, die Nazis gingen dann einfach die Registrierkarten durch. Welchen Grund die Nazis hatten, vor dem Holocaust eine penible Waffengesetzgebung einzuführen, wird deutlich am Beispiel des Aufstandes im Warschauer Ghetto 1943: Nur mit einigen wenigen Handfeuerwaffen ausgerüstet gelang es den Juden im Ghetto die Deportationen vorübergehend zu stoppen, die Nazis aus dem Ghetto zu vertreiben, dasselbe mehrere Tage zu halten und dann im Wald den Widerstand fortzusetzen. [19] Der Umstand schließlich, dass die Schweiz das einzige Land Europas war und ist, wo Milizangehörige (36% der Gesamtvevölkerung!) ein Gewehr zuhause haben, mag ein wesentlicher Grund für die Schonung der Schweiz durch die Nazis gewesen sein.