Asyl in den USA für deutsche Familie

agentP

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Ein Richter in den USA hat einer deutschen Familie, die sich aus religiösen Gründen weigerte ihre Kinder auf eine öffentliche Schule zu schicken, Asyl gewährt.

Judge Grants Asylum to German Home Schoolers

Dankbarerweise hat Herr Stevenson von usaerklaert das zum Anlass genommen einen feinen Artikel über die unterschiedlichen Auffassungen zwischen D und USA in Bezug auf Trennung von Staat und Kirche sowie Religionsfreiheit zu verfassen:
http://usaerklaert.wordpress.com/2010/04/03/zur-religionsfreiheit/

Was haltet ihr von dem Vorgang? Verletzt das deutsche Schulrecht hier das Recht auf freie Religionsausübung? Sollten Eltern selber entscheiden dürfen, ob sie ihre Kinder zuhause unterrichten wollen?
Deutshcland ist meines Wissens auch in Europa das einzige Land, indem das schlichtweg verboten ist.
 

Hans_Maulwurf

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Finde ich gut und richtig das ihnen Asyl gewährt wird.

Wenn weltfremde Spinner meinen ihre Kopftuch tragende Brut zu ebensolchen weltfremden Spinnern heran ziehen zu müssen bin ich froh wenn sich eine Lösung findet mit der alle gut leben können.

Ob jetzt das deutsche Schulrecht das Recht auf freie Religionsausübung beeinträchtigt ist mir völlig hupe.
Ich sehe es nur bei einem Kollegen der seine Kinder zu gläubigen Baptisten erzieht, was an sich ja sein gutes recht ist, aber diese Kinder wachsen in einer streng abgeriegelten Gemeinschaft auf in der man sich gegenseitig mit Arbeitsplätzen und Ehepartnern versorgt.
Wenn jetzt auch noch die sozialen Kontakte über die Schule wegfallen würden gäbe es vermutlich kaum noch eine Chance aus diesem Kreis auszubrechen und zum Beispiel selbstständiges Denken zu lernen.
 

agentP

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Ich bin da ein wenig hin- und hergerissen:

Einerseits find ich den Eingriff, den der Staat sich da erlaubt schon recht massiv und die starre Haltung einigermassen verbissen, andererseits hat die Gemeinschaft schon auch eine gewisse Verpflichtung für das Kindswohl zu sorgen. Zur Not auch gegen die Eltern.
Mit widerstrebt ein bisschen zuzulassen, dass das Baptistenkind womöglich mit 20 plötzlich dasteht, merkt, dass es gar nicht in dieser Gemeinschaft leben will und dann in der Gesellschaft "draussen" keine Chancen hat. Mangelnde Eigenverantwortlichkeit könnte man ihm dann kaum anlasten, denn als Kind war es halt seinen Erziehungsberechtigten ausgeliefert.
Ich frage mich immer, warum da kein Kompromiss möglich sein soll: Für öffentliche Schulen gibt es eine Schulaufsicht. Warum erlaubt man nicht Eltern ihre Kinder zuhause zu unterrichten und überprüft einfach, ob das den allgemeinen Standards entspricht. Dafür gäbe es ja mehrere Optionen: Man könnte zum einen die Heimlehrer auf grundsätzliche Tauglichkeit testen oder man könnte regelmässige Tests für die Kinder verbindlich machen.

Ein weiteres Problem ist natürlich, dass vermutlich Kinder aus relativ gebildeten aber halt religiösen Familien trotzdem vermutlich wenig Probleme bekommen werden. Es gab da vor ein paar Jahren mal einen ähnlichen Fall -ich glaube in Hessen- wo die Kinder trotzdem eine überdurchschnittliche gute mittlere Reife hingelegt haben.
Aber was wäre, wenn man den Eltern die Entscheidung überlassen würde und sich dann Eltern aus religiösen Gründen entscheiden würden z.B. Töchtern einfach gar keine Schulbildung mehr angedeihen zu lassen?
Zumindest käme man da vermutlich vehement in Konflikt mit anderen geltenden Rechtsnormen.
 

wintrow

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Schön, ein paar religiöse Spinner weniger um die sich Deutschland Gedanken machen muss.
 

Mother_Shabubu

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AgentP schrieb:
Aber was wäre, wenn man den Eltern die Entscheidung überlassen würde und sich dann Eltern aus religiösen Gründen entscheiden würden z.B. Töchtern einfach gar keine Schulbildung mehr angedeihen zu lassen?
Um das auszuschließen könnte man ja den Lernfortschritt der Kinder regelmäßig kontrollieren.

Ich sehe aber noch ein anderes Problem und das läßt sich nicht durch staatliche Kontrolle beheben. Wenn ein Kind zuhause unterrichtet wird, wie soll es dann andere Menschen kennenlernen, ohne dabei von den Eltern beeinflußt zu werden?
 

Hans_Maulwurf

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@agentP:
Wie willst Du Leute die ihre Kinder aus der Schule nehmen damit diese nicht mehr so böse Sachen wie Sexualkunde, Schwimmen oder gar Evolution (kennen)lernen dazu bringen genau diese Sachen zu unterrichten ?

Was soll ein sechzehnjähriger anderes machen der immer nur unter der Obhut der Eltern aufgezogen worden ist und der gleichaltrige nur in der Kirche kennen gelernt hat als sich weiterhin in dem ihn prägenden sozialen Mief weiter zu bewegen ?

Nein, nein homeschooling von religiösen Spinnern geht nur in Ländern in denen sich genügend Gleichgesinnte finden damit sich die Unterrichteten nicht als von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen.

Regelmäßige Test können da auch keine Lösung sein.
Erstens bringen sie die Gefahr mit sich dass der Unterricht nur noch als Mittel betrachtet wird den Test zu bestehen.
Zweitens wird es auch mit Test keinen objektiven Unterricht geben sondern immer nur einen von Bibel, Koran oder Edda geprägten.
Und drittens fehlen immer noch die sozialen Kontakte.
 

InsularMind

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Gut finde ich an den USA, dass keine Religion einer anderen bevorzugt werden kann, ( hier scheinen sich die Christlichen Sonderrechte heraus zu nehmen ) kritisch sehe ich es, wenn Religionen, die eigentlich erkennbar auf Psychomanipulation und Bereicherung aus sind, oder Menschen zu willenlosen ( und für jegliche Zwecke so gut benutzbaren ) Bet-schafen heranerziehen, mit denen gleichgestellt werden, wo die Hauptentscheidung zum Glauben noch bei den Menschen selbst liegt, und auch deren Kinder frei entscheiden können, ob sie dem selben Weg oder einem anderen folgen wollen. Da finde ich, dass es zum Beispiel hier auch angebracht wäre, die Kinder der Christen erst dann zu taufen, wenn sie erwachsen genug sind, um darüber selbst zu befinden.

Im Bezug auf Schule finde ich sowas immer kritisch, wo es darum geht, Kinder von etwas auszuklammern oder ihre Informationshorizonte absichtlich zu schmälern -- also wie in dem Beispiel, Mädchen von Bildung auszuklammern, oder nur ganz bestimmte Bildungsrichtungen zu fördern. Den Zugang zu allen Archiven / Weltanschauungen, die nicht darauf ausgerichtet sind, Menschen zu unterdrücken, zu kontrollieren oder zu schaden, finde ich besser als ein Zentrieren auf auserlesene Inhalte, denn das an sich ist wiederum ein Versuch, Leute in eine bestimmte Richtung zu lenken -- Kontrolle.

Die Alternativenlosigkeit in Schulsystemen sehe ich etwas befremdlich, wo durch Systeme wie das Meistverwendete erst vorherbestimmt wird, was Kinder lesen / lernen sollen -- das birgt einen hohen Manipulationswert. Was gegen Heimschule oder Unterricht zuhause spricht, kann ich nicht so richtig nachvollziehen, wenn ich mal den Versuch, ein Kind von Wissen fernzuhalten, das mir nicht gefällt, außen vor setze. Ich glaube, bestimmte Persönlichkeiten können durch Heim-Unterricht oder Privatlehrer wesentlich besser lernen und in ihrem Lernen aufblühen, als wenn man sie in das übliche Schulsystem presst. Ich würde sogar sagen, dass man so manchmal überhaupt erst was lernen kann. Natürlich finde ich es nicht richtig, den Horizont eines Kindes durch solche besonderen religiösen "Scheuklappenschulen" von vorn herein einzugrenzen. Das grenzt meiner Meinung nach mehr an Ignoranz gegenüber der persönlichen Entfaltungsfreiheit als dass es "schützend" erschiene. Vermutlich hoffen solche Eltern gerade darauf, ihre Kinder vor einer Art befremdlichen Bildung zu schützen -- es ist letztendlich eine Frage der Weltanschauung und von Erziehung versus Selbstbestimmungsfreiheit des Individuums. Ich weiß nicht, ob der Richter das Kind dazu aufgeklärt oder befragt hat, oder ob nur die Entscheidung der Eltern gewertet wurde. Natürlich können die das Kind entsprechend vorbereitet haben. Mit Angst und Bedrohlichkeiten kann man da viel bewegen, wenn es sein muss.

Das Urteil selbst könnte eine kleine Asylwelle nach sich ziehen, denn alle Sonderreligionen, für die in Deutschland keine geeigneten Schulen zu finden sind, oder die ihren Kindern einen Teil der Welt vorenthalten wollen, könnten Auswanderungswünsche bekommen. In früherer Zeit kam es oft schon vor, dass religiöse Gemeinschaften auf dem amerikanischen Kontinent untergekommen sind. Man denke an die Duchabors in Canada, die Duchaborzen nennt man die hier wohl, die Hutterer oder die Amish / Mennoniten. Die Amish haben auch drüben oft eigene Schulen, sogar eine eigene Sprache beibehalten, ähnlich altem Deutsch. Gut, ihren Nachwuchs erziehen die auch wieder in das selbe Glaubenssystem hinein. Das ist hier aber auch nicht viel anders -- wer Kinder erzieht, erzieht die immer so, wie er das nach diversen Konventionen für richtig hält, nicht wahr?
 

agentP

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Das ist hier aber auch nicht viel anders -- wer Kinder erzieht, erzieht die immer so, wie er das nach diversen Konventionen für richtig hält, nicht wahr?
Schon, aber der Staat steckt hier auch an anderer Stelle Grenzen. Du kannst z.B. die Prügelstrafe für noch so richtig halten, du machst dich strafbar, wenn du sie anwendest.

Genauso geht es hier um die Grenze zwischen dem Recht der Eltern auf Erziehung und dem Recht der Kinder auf (eine qualitativ einigermassen einheitliche) Bildung. In Deutschland scheint das Kindsrecht auf Bildung hier höher eingestuft zu werden, als das Elternrecht.
 

Ein_Liberaler

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Wieso muß sich der Staat unbedingt um Kinder kümmern, solange sie nicht verwahrlosen und den staatlich vorgeschriebenen Mindeststoff lernen? Schreibt die Vermittlung der Evolutionstheorie vor, und entzieht den Eltern ihre Kinder, wenn sie sie ihnen nicht beibringen, das sollte doch reichen.

Ich habe die beiden verlinkten Artikel gelesen, allerdings schon letzte Woche. Wenn ich mich recht entsinne, ging es dem betreffenden Elternpaar nicht um irgendwelche religiösen oder sittlichen Zweifel am Unterrichtsstoff, sondern um den sozialen Umgang an der Schule.

Den Ansatz, wonach Schulgegner eine Minderheit bilden, die verfolgt werden könnte, halte ich für seltsam, aber amerikanisches Recht ist nicht immer sehr logisch.
 

agentP

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Wieso muß sich der Staat unbedingt um Kinder kümmern, solange sie nicht verwahrlosen und den staatlich vorgeschriebenen Mindeststoff lernen? Schreibt die Vermittlung der Evolutionstheorie vor, und entzieht den Eltern ihre Kinder, wenn sie sie ihnen nicht beibringen, das sollte doch reichen.

Meine Rede:

Für öffentliche Schulen gibt es eine Schulaufsicht. Warum erlaubt man nicht Eltern ihre Kinder zuhause zu unterrichten und überprüft einfach, ob das den allgemeinen Standards entspricht. Dafür gäbe es ja mehrere Optionen: Man könnte zum einen die Heimlehrer auf grundsätzliche Tauglichkeit testen oder man könnte regelmässige Tests für die Kinder verbindlich machen.
 

Ein_Liberaler

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Auch in D gab es meines Wissens bis zur Weimarer Republik nur eine Unterrichtspflicht, keine Schulpflicht, und daß Hauslehrer mehr oder minder an der Tagesordnung waren, ist bekannt. In Österreich gibt es immer noch das Externenabitur. Wir sehen das hier sehr eng, sehr verbiestert.
 
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