Anarchie

OTO

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Hallo,

ich habe mir da mal einige Gedanken zu dem Gesellschaftlichen System Anarchie gemacht.

Anarchie, so wie es einmal erklärt bekommen habe ist nicht gleich zu setzten mit Chaos sonder meint das Leben in einer Welt ohne Regeln und Gesetzte aber mit gegenseitiger Achtung.
Jeder ist selbst für sein handeln verantwortlich und fügt niemand anderes körperlichen uns seelischen Schaden zu.

Nunja, dem steht als erstes der heutige Mensch im Wege, da er für diese Lebensform nicht geschaffen ist da Neid und Missgunst vorherrscht

Aber gehen wir einmal davon aus das jetzt die Menschen eines Landes oder der Welt, wie auch immer friedlich in Koexistenz miteinander Leben und jeder für sich ohne Zwang leben kann wie er es will.

Da kommen für mich ein paar Fragen auf:

1. Wie soll das mit der Versorgung von sich gehen?

Selbstversorgung? Oder Gütertausch, bleibt das Geld beibehalten? Und jeder bekommt welches für seine Arbeit?
Wenn keine Steuern mehr verlangt werden, wer baut Straßen, Häuser etc.?
Alles Menschen die dies als ihre persönliche Berufung sehen?
Was ist wenn die Menschen die das können nicht wollen? Es gibt für sie in einem Gesetzlosen Raum ja niemanden der sie dazu zwingt.
Oder sind die Menschen so weit zu erkennen was zu tun ist, und tun es freiwillig?

2. Da es keine Bindungen mehr gibt und jeder für sich selbst verantwortlich ist warum sollte er etwas für die Gemeinschaft tun, es sei denn es bringt ihm was?

Ist das nicht die Überbewertung des Ichs, der eigene Vorteil zählt. Die Gemeinschaft (ist überhaupt eine vorhanden) wird nur als mittel zum Zwecke gesehen. Da ich für jemanden ein Haus baue bekomme ich Essen.
Warum sollte ich jemanden ein Haus bauen wenn er mir nichts geben kann?


Der Mensch ist ein soziales Wesen, will und muss sich in eine Gemeinschaft aus gleichgesinnten einbinden.
Etwas wie eine Volksgemeinschaft muss vorhanden sein.
Eine Regierung welche für den Mensch da ist, die Rahmenbedingungen liefert für ein glückliches, selbstverwirklichendes Leben.
Und jedes Kind müsste in dem Wissen und Glauben aufwachsen das es etwas für die Gemeinschaft tun muss.
Anderen Helfen, seinem Leben einen Sinn geben indem man anderen ein Vorbild ist. Ihnen etwas beibringt.
Und sich nicht lieber einen neuen Wagen kauft als beim bau eines Kindergartens dabei zu sein.
Wenn man viel Geld hat, etwas der Gemeinschaft zurückgeben das man dank der Leute dieser Gemeinschaft erwirtschaftet hat.
Und hier ist eben ein Staat mit Regierung gefragt. Es muss die großen Dinge lenken für das Allgemeinwohl.
Gesetze erlassen, Straßen bauen etc.
Und die Politiker dieses Staates müssen in dem Glauben aufgewachsen sein das sie etwas für die Gemeinschaft tun zu wollen.
Die beste Idee sollte sich durchsetzen und nicht die mit der größten Lobby.
Nicht mehr die Leute mit dem Geld sollten Einfluss üben können auf Gesetzgebung und Politiker.
Diese sollten ihr handeln ihrem Land zuliebe tun, nicht des Geldes wegen.

Deshalb müssen Rahmenbedingungen eines Staates gegeben sein, welches Kinderkriegen nicht benachteiligt.
Und es ermöglicht die Kinder mit werten zu erziehen, unter anderem dem Gefühl für Gemeinschaft.

Auf dem Totenbett sollte man sich nicht fragen ob es sinnvoll war sich materielle Bereicherung zugetan zu haben.
Man sollte zurückschauen können und sich denken, ja ich habe anderen zu einem besseren Leben verholfen.

Man fühlt sich doch leer wenn man sich nur über seine „Individuelle Selbstverwirklichung“ definiert welche das einzige Ziel hat sich Materiell zu bereichern.


Und daher ist für mich die Anarchie so wie ich sie verstanden habe nicht tragbar.
Sie garantiert einfach nicht das sich nicht andere auf die kosten anderer Bereichern.

Ja, mag vielleicht der Einwand kommen, die Menschen sind dann so weit entwickelt das Egoismus nicht mehr Existiert.
Aber wie soll das ermöglicht werden, wenn es niemanden gibt, der den Egoisten Einhalt gebietet?
 

forcemagick

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anarchie ist letztlich eine schöne utopie die davon ausgeht, dass die menschen in der tat so hoch entwickelt sind, dass sie eigenverantwortlich eine solche gesellschaft bilden und auch aufrechterhalten können.... anarchie funktioiert im kleineren kreis immer wieder ... doch in massengesellschaften ist das wohl wirklich schwer zu machen....
 

Acik

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forcemagick schrieb:
anarchie ist letztlich eine schöne utopie die davon ausgeht, dass die menschen in der tat so hoch entwickelt sind, dass sie eigenverantwortlich eine solche gesellschaft bilden und auch aufrechterhalten können.... anarchie funktioiert im kleineren kreis immer wieder ... doch in massengesellschaften ist das wohl wirklich schwer zu machen....

zur zeit des spanischen bürgerkireges hats geklappt, und das war kein kleiner kreis.
 

Gurke

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Gabs auch mal einen netten Comic zu, Starship Eden oder Wie der Schneider Samuel Rosenbaum durch 100000 Nazis steinreich wurde.

Ging grob darum, Erde ist abgewirtschaftet, Wissenschaftler haben aber einen Planeten in drei Lichtjahren Entfernung entdeckt, dort ist alles drei Mal besser als auf der Erde. Soll dann ein Raumschiff gebaut werden, damit man dort hinfliegen kann, dazu werden nochmal kräftig Steuern erhöht.
Nach drei Jahren ist das Raumschiff endlich fertig, aber reingelegt, die Regierungen und sonstige wichtige Persönlichkeiten hauen allein ab und lassen die restliche Bevölkerung allein auf der maroden Erde zurück.

Gibt dort dann ein auf und ab, jeder will Führer sein und die Macht übernehmen und mittendrin ein paar Anachisten. Menschen sehen dann ein, das es so nicht weitergeht arbeiten zusammen bis beim Anlegen von Hanf Gemüsefeldern Gold gefunden wird und sich wieder der Kopf eingeschlagen wird.
 

Acik

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also zum spanischen bürgerkrieg gibts bei google mehr als genug. über den anarchosyndikalismus zu der zeit findet man allerdings sehr wenig.

hier zwei links:
http://www.net-lexikon.de/Spanischer-Buergerkrieg.html - der bürgerkrieg selbst, unter "Soziale Revolution" steht ein bisschen was über die anarchistische revolution
http://www.net-lexikon.de/Buenaventura-Durruti.html - wichtige person, einfach lesen

der anarchosyndikalismus konnte dem faschismus nicht lange standhalten, sonst hätte das ganze vielleicht länger geklappt.
 

OTO

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Trotzalledem sehe ich keine Möglichkeit von heute auf morgen dieses Geselschaftssystem anzuwednen bei einem 80 Millionen Volk.

Dazu bedarf es einer Politischen Richtung welche die Menschen leitet und einer Physischen weiterentwicklung des Menschens in der Evolutionskette.
 

Sentinel

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Ich empfehle ein Studium von Michail Bakunin, Peter Kropotkin und Proudhon.
Während der ersten Internationale gab es ein Bündnis zwischen Anarchisten und Marxisten, welches jedoch aufgrund der authoritären
Tendenzen seitens der Sozialisten in die Brüche ging.
 

MirEgal

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net-lexikon schrieb:
In den von Anarchisten kontrollierten Gebieten (Aragón, Katalonien) fand, zusätzlich zu den militärischen Erfolgen, eine umfangreiche soziale Revolution statt. Arbeiter und Landarbeiter kollektivierten Landbesitz und Industrie und setzten Räte ein - parallel zur (nicht funktionierenden) Regierung.
Inwiefern unterscheidet sich das dann von einer Demokratie, wie sie sein sollte?



Es wundert mich auch gar nicht, dass die Anarchie dort möglich war - es war Krieg. Menschen brauchen stets etwas, woran sie arbeiten können. In einem Krieg, bei einer Bedrohung der eigenen Existenz von außen, schließt man sich natürlich zusammen, egal unter welchem System, und gibt gern sein eigenes Wohl für die Gemeinschaft auf. Von daher sehe ich das nicht als einen Erfolg für Anarchie an.


So lange sich das Denken nicht ändert, kann sich auch die Welt nicht ändern!
Ja!

Der Mensch sucht Erfüllung durch die Erschaffung von Werken. Wenn ein Staat aufgebaut wird, kommt diese Erfüllung alleine dadurch, dass man Teil des Ganzen ist. Ist aber alles aufgebaut und eingerichtet, muss man sich gezwungenermaßen anderen Dingen widmen - der Malerei, der Kunst, der Dichtung, oder aber auch "nur" dem Aufbau eines eigenen Lebens (Haus, Beruf). Manche versuchen sich in diesem System möglichst weit hochzubringen, sei's als Politiker, sei's als Kaufmann, einfach nur Macht. Viele finden es in Ordnung, dabei Menschen auszunützen. Je mangelhafter der Staat eingerichtet, desto mehr Chancen haben die. Eine Anarchie wäre perfekt dafür geeignet.

Das bedeutet, das, wonach gestrebt wird, hängt von der Ideologie ab. Die Ideologie im obigen System war - wir müssen unsere Freiheit erkämpfen. Ist kein Feind vorhanden, geht es schief. Man muss die Ideologie ersetzen, nur durch was?

Gerade in dieser Hinsicht muss man sich Schlagworte wie "Nationalstolz" ansehen und auch die Nazizeit ist einen Blick wert. Ebenso das Christentum im Mittelalter, was stark für Monarchien sorgte, da man sich nicht um weltliche Unterdrückung kümmern musste, es erwartete einen der Himmel. Oder aber die Anfänge des Kommunismus. Jede Zeit, wo es eine Idee gab.

Gibt es noch weitere Beispiele für Ideologien, die, sagen wir mal die kapitalistische ersetzen, und welche Ideologie wäre gut für Anarchie?
 

KYR

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@ MirEgal

Vielleicht benötigt Anarchie nur eine Ideologie der Vernunft. Heisst aufbauend auf Kants kategorischem Imperativ:

Handle stets so, dass du wollen kannst, dass die Maxime deines Handelns zur Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung werden können.

Aus dem Kopf zitiert, sry falls es fehlerhaft ist.

Oder vielleicht noch eine viel einfachere Grundlage:

Was du nicht willst, dass man es dir tut, das füg auch keinem andern zu.

Einfache Sätze, die mMn aber schon ein starkes Fundament bilden könnten.

MirEgal schrieb:
Das bedeutet, das, wonach gestrebt wird, hängt von der Ideologie ab. Die Ideologie im obigen System war - wir müssen unsere Freiheit erkämpfen. Ist kein Feind vorhanden, geht es schief. Man muss die Ideologie ersetzen, nur durch was?

Ich denke Mal in einer vernünftigen Gesellschaftsform sollte von der Freiheit des Menschen ausgegangen werden. Also nicht Kampf um Freiheit, sondern Ausleben von Freiheit.

Nur meine bescheidene Meinung dazu...

MfG KYR
 

MirEgal

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KYR, ich glaube wir meinen beide das Gleiche.

Was du nicht willst, dass man es dir tut, das füg auch keinem andern zu.

Was macht man mit jenen, die sich nicht daran halten?


Ich denke Mal in einer vernünftigen Gesellschaftsform sollte von der Freiheit des Menschen ausgegangen werden. Also nicht Kampf um Freiheit, sondern Ausleben von Freiheit.
Ich spielte dort darauf an, dass diese Menschen durch eine Bedrohung von außen zusammenkamen. Außerhalb ihrer Gemeinschaft gab es einen Feind, der sie zusammenschweißte. Inwiefern meinst du das Ausleben von Freiheit in dem Zusammenhang?
 

Jay-Ti

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Schön und gut.
Alle sind aufgeklärt und glücklich.
Doch nur eine winzige Masse an Menschen reicht doch bereits wieder um Andere zu unterdrücken. Und hey.. selbst bei der suppaduppa aufgeklärten Menschheit wird die Wahrscheinlichkeit dazu nicht auf 0% sinken.
Nun ziehen die Maßnahmen der Einen, Reaktionen der Anderen nach sich, wobei wir dann wieder bei Hobbes wären..
 

agentP

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Doch nur eine winzige Masse an Menschen reicht doch bereits wieder um Andere zu unterdrücken.
Das ist ja nun kein spezifisches Problem der Anarchie, sondern genauso eines unserer Demokratie. Jedes System muß irgendwie eine Lösung finden, wie es sich gegen seine Feinde wehrt. Ich verstehe nur nicht, warum das bei jedem demokratischen System als beinahe selbstverständlich hingenommen und bei einem Gedankenspiel mit Anarchie immer als Ausschlußkriterium angenommen wird.
Anarchistische Formen der gesellschaftlichen Organisation findet man übrigens auch gerade bei eo manchen sogenannten "Naturvölkern", weshalb ich die pauschale Aussage "die menschliche Natur" stünde dem im Weg, mal anzweifeln möchte. Die meisten unserer Wertsysteme stammen aus der Kultur und sind somit durchaus wandelbar. Die Frage ist wohl eher mit welchem Aufwand.
 

Jay-Ti

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Weil man ohne höhere Instanzen (welche es ja scheinbar in der Anarchie nicht geben soll) keine Möglichkeit hat diesen Menschenmassen einhalt zu gebieten.
 

Vondenburg

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Interessanterweise gibt es jemand, der sich schonmal ne Menge Gedanken über eine Anarchie im Sinne des Kantschen Imperativs gemacht hat:

Golden Rule Anarchie

OTO: Btw. Anarchie bedeutet Herrschaftslosigkeit, nicht Regellosigkeit. Keine Gesellschaft hat lange Bestand ohne Regeln oder stellt nach kurzer Zeit Regeln auf...
 

Vondenburg

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@Forcemagick: Während des ersten Weltkrieges gab es ein erfolgreiche Form der Anarchie in Weissrussland. Allerdings wurde die von der damals neu gegründeten Sowietunion platt gemacht. Mir fällt jetzt leider nicht der Führer dieser Bewegung ein... :?
 

JCDenton

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Vondenburg schrieb:
@Forcemagick: Während des ersten Weltkrieges gab es ein erfolgreiche Form der Anarchie in Weissrussland. Allerdings wurde die von der damals neu gegründeten Sowietunion platt gemacht. Mir fällt jetzt leider nicht der Führer dieser Bewegung ein... :?

das war die machno bewegung !

http://de.wikipedia.org/wiki/Machnobewegung

das das prinzip der anarchie funktioniert sieht man doch z.b. an projekten wie der wikipedia !
ein anderes beispiel wären tauschbörsen. menschen TEILEN daten und upload für menschen die sie gar nicht kennen. sie hoffen darauf das andere menschen das gleiche für sie tun...und es klappt ! nur dem kapitalismus ( musikindustrie) gefällt das TEILEN nicht , weil man dabei keinen ausbeuten darf !

ich finde nicht , dass es ein problem in einer anarchie zu leben bzw. sie 'durch zu führen' ! eher sehe ich das problem eine anarchie im heutigen kapitalismus zu etablieren ( um den kapitalismus langfristig zu ersetzten...). ich halte die anarchie für ein erstrebenswerte ziel der menschheit. es kann nicht das ziel eines menschen sein nur für sich zu leben und andere menschen aus bluten zu lassen ( kapital, ressourcen, essen, infomationen etc. ), denn nichts anderes macht der kapitalismus.

ein schritt in die richtige richtung wäre die schwächung des parlaments und die stärkung des volkes durch (mehr) bürgerentscheide auf bundesebene, aber auch auf komunaler oder landesebene ! das wäre jedoch ein weg den die jetzt herrschenden politiker nur ungerne gehen werden, weil wohl keiner von denen bereit ist die eigene macht zu verringern...

eine hypothetische frage: wäre es möglich in einer normalen stadt ( großstädte schließe ich erstmal aus, da zu kompliziert und dörfer zu trivial)
basisdemokratische strukturen ein zu führen ? sagen wir mal eine basisdemokratische partei xyz erhält die mehrheit bei den wahlen zum bürgermeister. der ist jedoch, nach der ansicht der partei, nur ein repräsentant und gibt freiwillig die macht an die bürger ab, indem jede entscheidung durch wahlen gereglt wird ( und nicht mehr vom stadtrat). die bürger wissen welche budget zur verfügung steht und können so enstcheiden ob. z.b. ein neuer kindergarten gebaut werden soll etc.
wäre das nach aktuellen gesetzen möglich ?
 

Jay-Ti

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Aber sind es nicht diese Regel, welche von jeder Gesellschaft gemacht werden (müssen), die dieser Gesellschaft ihre Herrschaftsform geben?

Bin (leider) in der Anarchie sehr uninformiert... aber sobald einer eine Regel aufstellt entsteht, wenn ich das so pauschal sagen darf, Herrschaft.
(wenn alle die Regeln machen=Demokratie bzw. Pöbelherrschaft)
(wenn wenige die Regeln machen=Aristokratie bzw. Oligarchie.. etc)

?
 
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