Über "das Ende der Diskurse"

Woppadaq

Erleuchteter
Registriert
2. August 2003
Beiträge
1.413
Ich hab grad nichts besseres zu tun als Artikel von der Startseite zu kritisieren, diesmal trifft es "Das Ende der Diskurse" ( http://www.ask1.org/redaktion/artikel.php?id=39 ).

Zunächst mal muß ich meine Inkompetenz zugeben: Wer ist Adorno ? Wer ist Horkheimer ? Wer ist Foucault ? Was ist "die Postmoderne" ? Was "Dekonstruktion" ? Was bedeutet Infantilismus ? Ich weiß nach Lesen dieses Textes inklusive Nachgooglung mehr über die Bedeutung dieser Leute und Dinge für die Gesellschaft als von ihnen. Nun gut, ist halt mein eigenes Problem. Vielleicht muß ich mir diese Bücher erst kaufen und durchlesen, um hier einen Kommentar abgeben zu können.

Aber irgendwie ziehe ich es doch vor, den Weg der " verdrehenden Simplifizierungen und platten Halbwahrheiten" zu gehen und einfach draufloszuschreiben. Ich tu einfach mal das, was in unserer postmodernen Kommunikation heutzutage jeder macht: ich picke mir ein paar Wörter und Sätze heraus und lasse mich über sie aus, auch auf die Gefahr hin, den näheren Zusammenhang zu verlieren.

"... zu Zeiten des ökonomisierten Kulturbetriebs ist tiefergehende Kritik eine Rarität, und nur gefragt, wenn sie kompatibel zu den Massenmedien ist - also instrumentalisiert und, als Beweis für die Kritikfähigkeit des Systems, in ihr Gegenteil verkehrt werden kann. "

Nun könnte ich entgegnen, daß "tiefergehende Kritik" schon immer eine Rarität war. Eben weil sie tiefer geht, Einarbeitung fordert, innere Verarbeitung fordert, Verständnis fordert. Tiefergehende Kritik, die den Namen wirklich verdient, IST damit inkompatibel zu den Massenmedien, die uns nur kurze Informationen zumuten wollen. Daß längere Auseinandersetzungen in den Medine nur mit Systemkritikern gemacht werden, die Systeme verbessern, aber nicht abschaffen wollen - wobei selbst das nicht immer stimmt, derartige Diskussionen finden durchaus manchmal statt - dürfte zum Teil auch verständlich sein. Welcher Anhänger eines Systems - und die hiesigen Medien sind zweifellos Anhänger dieses Systems - diskutiert schon gerne tiefergehend über die eigene Abschaffung ? Es sollte vielleicht mal definitiv zugegeben werden: Die Kritikfähigkeit unseres doch recht offenen Systems hat durchaus ihre Grenzen ! Ich will hier weder das Vorhandensein von Manipulationen abstreiten noch zugeben, denn JEDER manipuliert irgendwo, Kritiker wie Befürworter, KEINER gibt es zu ! Beides sind normale Reaktionen.

"Die Kritische Theorie wird nicht etwa als eine vorbildliche Methode zur Analyse der Zustände und Identifikation von Manipulationen vorgestellt und verstanden, sondern vielmehr als ein interessantes, aber längst obsoletes Relikt aus einer fremden Zeit - an die sich auch die inzwischen konformierten 68er nur noch recht dunkel erinnern."

Man könnte das ganze jetzt als Kritik an der Kritik an der Kritischen Theorie betrachten. Nun habe ich zu der Zeit, als die kritische Theorie entstand und ihre Bedeutung für ihre Verfechter bekam, nicht gelebt, kann also nicht sagen, wie die Gesellschaft inklusiver der damaligen zur Verfügung stehenden Medien damals reagiert hat und wie sehr diese überhaupt aufgenommen wurde. Kann nicht beurteilen, ob und wie sehr das heute anders ist. Sicherlich hatte Systemkritik damals eine andere Bedeutung. Sowohl in den Augen der Kritiker als auch der Kritisierten. Früher genügte ein simples "Geh doch rüber !", um eine allzu kritische Diskussion zu beenden. Heute geht das nicht mehr so einfach. Irgendwie, so scheint es mir, brauchen wir den Sozialismus. Nicht als Lebensmodell, auch nicht bei uns, sondern woanders, damit wir wieder ordentlich miteinander diskutieren können.....

Ohnehin werd ich das Gefühl nicht los, die gute Kritische Theorie brauche zur Kritik solche Wörter wie "Postmoderne", "Infantilismus", "Neoliberalismus" oder, ganz alt, "Kapitalismus". Man kann diese Worte beliebig austauschen, die Kritik bleibt immer dieselbe. Und sie bleibt erstaunlich unbehelligt, ihr wird kaum direkt widersprochen. Womit bewiesen scheint, wie recht man doch hat. Kapitalisten müssen sich für "ihren" Kapitalismus so sehr schämen, daß sie es sich nicht leisten können, offen zu ihn zu stehen, so einfach ist das. Daß all die Begriffe scheinbar nur erfunden wurden, um sie dann zu kritisieren, wird kaum jemand zugeben. Das hiese ja, Manipulation zugeben. Und wie gesagt: KEINER tut das zugeben !

Ohnehin macht es sich nicht gut, das Vorhandensein von Kritik zu kritisieren. Wir leben in einer Gesellschaft, die eine durchaus positive Einstellung zur Kritik besitzt, sie als Anregung begreifen möchte. Das werden die Kritiker dieser Gesellschaft natürlich vehement abstreiten, zum einen, weil ihrer Kritik damit das Heldenhafte genommen wird, zum anderen, weil es in dieser Gesellschaft doch tatsächlich Leute gibt, die der geäußerten Kritik negativ gegenüberstehen. Und das mit einer Regelmäßigkeit, die man fast schon als System begreifen könnte. Es macht viel mehr "Spaß" (hallo Spaßgesellschaft !), sich an diesen Kritiker der Kritik aufzuhalten als sich auf das Weiterkommen zu konzentrieren.

"Relativierend könnte man einräumen, dass die Verlautbarung der Dummheiten anderer ebenso wie das nostalgische Beklagen der zunehmenden Verdummung und Verrohung der jeweiligen Gesellschaft eine lange Tradition hat - jedoch besaßen andererseits viele negative Zukunftsprognosen eine unbestreitbare Realitätsnähe, da historisch betrachtet die meisten Zivilisationen Phasen der Kreativität, der Dekadenz und schließlich des Untergangs erleben."

Ein schöner Satz ! Wirklich !
Nur eines frag ich mich, gerade im Bezug auf das letztere: Welche Phase haben wir momentan ? Überhaupt, welche Zivilisation haben wir momentan ? Wir tun immer gerne so, als sei das völlig klar, in Wirklichkeit ist es alles andere als klar. Das Zeitalter der Industrialisierung hat große Teile der Menschheit komplett verändert, Dinge, die zu Fuggers Zeiten noch absolute Einzelfälle waren, sind inzwischen die Regel und haben sich zu einen Komplex aufgebaut, der ohne - und manchmal selbst mit - Fachwissen kaum zu überschauen ist. Wir haben eine komplett andere Gesellschaft - und tun immer noch so, als könnten wir die heutige Zeit irgendwie mit dem Mittelalter vergleichen. Aber wie lange hat, nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches, das Mittelalter gebraucht, um sich von den kulturellen Einflüssen der Römerzeit zu emanzipieren und den Background zu bekommen, der unser heutiges Bild vom Mittelalter prägt ? Stichwort Gothik ? Wer sagt, daß wir die Phase der Kreativität nicht noch erst vor uns haben ?

Es ist einfach, Zukunftsprognosen aufzustellen, egal ob negativ oder positiv, die Wahrscheinlichkeit, daß sich irgendeine davon bewahrheitet, ist sicher. Spielt zum Zeitpunkt des Erreichens aber kaum noch eine Rolle. Mitunter hat man dem Trend entgegengearbeitet und ihn so vielleicht verhindert. Mitunter hat man sich aber auch einfach drauf eingestellt, vielleicht, weil man es nicht so richtig verhindern konnte. Ja, der Mensch ist anpassungsfähig, aber auch das hat seine Grenzen. Die meisten hier im Forum können es bestätigen: Kritik zu äußern ist einfach. Zu sagen, was zu machen wäre, ist hingegen äußerst schwierig. Ich nehm mich da selbst nicht aus.

"... die Akteure versorgen uns mit immer neuen Definitionen, Umdeutungen, Auslegungen, Interpretationen und Legitimationen - bis es letztendlich kaum jemand mehr interessiert, mit welchen neuen alten Dummheiten mal wieder sonst etwas begründet oder erklärt wird und allgemeine Resignation um sich greift."

So ist es.

Ist es so ?

Oder haben hier wieder mal Fundamentalkritiker den Zustand beklagt, daß sich keiner so richtig für ihre Kritiken begeistern kann ? Derartige Kritiker stellen sich ja gerne so hin, als seien sie NICHT passiv. Sie reden sich ein, eine Veränderung sei nur dann eine Veränderung, wenn man sie sich in einer feindlichen Umgebung mit - sinnbildlich gesprochen - Dutzenden von Toten erkämpft hat. Wenn sich die Gesellschaft wider Erwarten aber nicht oder nicht so kritisch verhält, wird sich gern eingeredet, die Veränderung sei eben nicht revolutionär genug. Wenn es darum geht, eine Revolution zu verhindern sind die Revolutionäre fast noch eifriger als ihre Gegner.

Manchmal gelingt aber trotzdem eine kleine Revolution. Und wie wenig ist dazu nötig ! Im Prinzip reicht dazu ein simples "Kill your Idols !", wie das Zitat aus Single-generation.de verdeutlicht. Hier wird der Unterschied zwischen Neoliberalismus- und Adorno-Kritik deutlich: Adorno ist greifbar ! Seine Befürworter sind greifbar ! Ihre Ansichten sind greifbar !

Aber wahrscheinlich hab ich von alldem keine Ahnung. Wie soll ich auch ? Postmann hab ich auch nicht gelesen. Kann ich dann überhaupt mitreden ?
 

hives

Ehrenmitglied
Registriert
20. März 2003
Beiträge
3.651
Woppadaq schrieb:
Zunächst mal muß ich meine Inkompetenz zugeben: Wer ist Adorno ? Wer ist Horkheimer ? Wer ist Foucault ? Was ist "die Postmoderne" ? Was "Dekonstruktion" ? Was bedeutet Infantilismus ? Ich weiß nach Lesen dieses Textes inklusive Nachgooglung mehr über die Bedeutung dieser Leute und Dinge für die Gesellschaft als von ihnen. Nun gut, ist halt mein eigenes Problem. Vielleicht muß ich mir diese Bücher erst kaufen und durchlesen, um hier einen Kommentar abgeben zu können.

Es würde dir sicher nicht schaden - dein Kommentar ist trotzdem willkommen - wenn auch auf seine eigene Weise mindestens ebenso kryptisch wie der rezensierte Artikel, wenn ich das anmerken darf :wink:


Nun könnte ich entgegnen, daß "tiefergehende Kritik" schon immer eine Rarität war. Eben weil sie tiefer geht, Einarbeitung fordert, innere Verarbeitung fordert, Verständnis fordert. Tiefergehende Kritik, die den Namen wirklich verdient, IST damit inkompatibel zu den Massenmedien, die uns nur kurze Informationen zumuten wollen.

[...]

Welcher Anhänger eines Systems - und die hiesigen Medien sind zweifellos Anhänger dieses Systems - diskutiert schon gerne tiefergehend über die eigene Abschaffung ? Es sollte vielleicht mal definitiv zugegeben werden: Die Kritikfähigkeit unseres doch recht offenen Systems hat durchaus ihre Grenzen !

damit hast du dich offenbar auf das folgende bezogen:
"... zu Zeiten des ökonomisierten Kulturbetriebs ist tiefergehende Kritik eine Rarität, und nur gefragt, wenn sie kompatibel zu den Massenmedien ist - also instrumentalisiert und, als Beweis für die Kritikfähigkeit des Systems, in ihr Gegenteil verkehrt werden kann. "

Also worin bestehen deine Einwände?
Dass eine Kritik, die nicht kompatibel zu den Massenmedien ist und nicht instrumentalisiert werden kann, die Grenzen der Kritikfähigkeit des Systems per se überschritten hat? Nach deiner Definition zu Beginn ist jedoch jede tiefergehende Kritik inkompatibel...

Von den "Massenmedien, die uns nur kurze Informationen zumuten wollen" wechselst du zu der Begründung durch die von Kritikern angestrebte "Abschaffung" des Systems...?

verstehe nicht, worauf du hinaus willst :?

"Die Kritische Theorie wird nicht etwa als eine vorbildliche Methode zur Analyse der Zustände und Identifikation von Manipulationen vorgestellt und verstanden, sondern vielmehr als ein interessantes, aber längst obsoletes Relikt aus einer fremden Zeit - an die sich auch die inzwischen konformierten 68er nur noch recht dunkel erinnern."

Sicherlich hatte Systemkritik damals eine andere Bedeutung. Sowohl in den Augen der Kritiker als auch der Kritisierten. Früher genügte ein simples "Geh doch rüber !", um eine allzu kritische Diskussion zu beenden. Heute geht das nicht mehr so einfach. Irgendwie, so scheint es mir, brauchen wir den Sozialismus. Nicht als Lebensmodell, auch nicht bei uns, sondern woanders, damit wir wieder ordentlich miteinander diskutieren können.....

Das meinst du ernst, ja?
Die Diskussionen sind heute viel kritischer, weil früher einfach auf den Sozialismus verwiesen wurde?

Wie ich von "Zeitzeugen" bisher mitbekommen habe, war zb. die Auseinandersetzung mit der kritischen Theorie durchaus sehr weit verbreitet - unterhalte dich mal mit Studenten heutzutage und frage sie nach Adorno :wink:

Ohnehin werd ich das Gefühl nicht los, die gute Kritische Theorie brauche zur Kritik solche Wörter wie "Postmoderne", "Infantilismus", "Neoliberalismus" oder, ganz alt, "Kapitalismus". Man kann diese Worte beliebig austauschen, die Kritik bleibt immer dieselbe.

Ohne dir zu nahe treten zu wollen: so langsam würde ich dir doch nahe legen, mal ein paar Werke von bspw. Adorno zu lesen...

Und sie bleibt erstaunlich unbehelligt, ihr wird kaum direkt widersprochen. Womit bewiesen scheint, wie recht man doch hat. Kapitalisten müssen sich für "ihren" Kapitalismus so sehr schämen, daß sie es sich nicht leisten können, offen zu ihn zu stehen, so einfach ist das. Daß all die Begriffe scheinbar nur erfunden wurden, um sie dann zu kritisieren, wird kaum jemand zugeben.

Ja, sicher. "Postmoderne" und "Neoliberalismus" wurden also von der kritische Theorie als Neologismen eingeführt, um sie kritiseren zu können...

Wie kommst du auf sowas?

Stattdessen könntest du was Sinnvolles machen, und dich zb. mit der Geschichte der Begriffe wirklich auseinandersetzen...


Das hiese ja, Manipulation zugeben. Und wie gesagt: KEINER tut das zugeben !

Natürlich versuchen Kritiker auch, ihre Zuhörer zu manipulieren - die Frage ist, ob dies vergleichbar ist, da die eine Seite (vereinfacht ausgedrückt) das Monopol an Massenmedien besitzt, und die andere Seite mühsam um jeden Zuhörer kämpft, um eine Alternative zu etablieren...



Wir leben in einer Gesellschaft, die eine durchaus positive Einstellung zur Kritik besitzt, sie als Anregung begreifen möchte. Das werden die Kritiker dieser Gesellschaft natürlich vehement abstreiten, zum einen, weil ihrer Kritik damit das Heldenhafte genommen wird, zum anderen, weil es in dieser Gesellschaft doch tatsächlich Leute gibt, die der geäußerten Kritik negativ gegenüberstehen.

Aha... die Massenmedien (die ja schließlich die Kommunikationswege und Spiegelbilder der Gesellschaft sind), welche du vorhin noch mit "die uns nur kurze Informationen zumuten wollen" charakterisiert hast, und denen offenbar auch du einen Hang zu Manipulationen konzedierst, besitzen also eien "positive Einstellung" zur Kritik und möchten diese "als Anregung" begreifen...

So kann man es auch ausdrücken, wenn Kritiker durch oberflächliche Beschäftigung zu unterhaltsamen, veralteten Defätisten degradiert werden...


Und das mit einer Regelmäßigkeit, die man fast schon als System begreifen könnte. Es macht viel mehr "Spaß" (hallo Spaßgesellschaft !), sich an diesen Kritiker der Kritik aufzuhalten als sich auf das Weiterkommen zu konzentrieren.

Die Auseinandersetzung mit kritischen Intellektuellen kann sehr wohl dem Weiterkommen dienen - mehr zumindest als deren oberflächliche Banalisierung...

Wer sagt, daß wir die Phase der Kreativität nicht noch erst vor uns haben ?

:)

Hoffentlich!

Die meisten hier im Forum können es bestätigen: Kritik zu äußern ist einfach. Zu sagen, was zu machen wäre, ist hingegen äußerst schwierig. Ich nehm mich da selbst nicht aus.

Da hast du allerdings recht. Es gab - und gibt noch heute - einige kritische Intellektuelle, die Denkansätze dazu liefern können - dies setzt jedoch eine tiefergehende Beschäftigung mit ihnen voraus.

"... die Akteure versorgen uns mit immer neuen Definitionen, Umdeutungen, Auslegungen, Interpretationen und Legitimationen - bis es letztendlich kaum jemand mehr interessiert, mit welchen neuen alten Dummheiten mal wieder sonst etwas begründet oder erklärt wird und allgemeine Resignation um sich greift."

[...]

Oder haben hier wieder mal Fundamentalkritiker den Zustand beklagt, daß sich keiner so richtig für ihre Kritiken begeistern kann ? Derartige Kritiker stellen sich ja gerne so hin, als seien sie NICHT passiv. Sie reden sich ein, eine Veränderung sei nur dann eine Veränderung, wenn man sie sich in einer feindlichen Umgebung mit - sinnbildlich gesprochen - Dutzenden von Toten erkämpft hat. Wenn sich die Gesellschaft wider Erwarten aber nicht oder nicht so kritisch verhält, wird sich gern eingeredet, die Veränderung sei eben nicht revolutionär genug.

Hallo? Hier ging es um politische Apathie, wenn ich mich nicht täusche - nicht um deine so gern konstruierte "Abschaffung des Systems"...


Manchmal gelingt aber trotzdem eine kleine Revolution. Und wie wenig ist dazu nötig ! Im Prinzip reicht dazu ein simples "Kill your Idols !", wie das Zitat aus Single-generation.de verdeutlicht. Hier wird der Unterschied zwischen Neoliberalismus- und Adorno-Kritik deutlich: Adorno ist greifbar ! Seine Befürworter sind greifbar ! Ihre Ansichten sind greifbar !
Aber wahrscheinlich hab ich von alldem keine Ahnung. Wie soll ich auch ? Postmann hab ich auch nicht gelesen. Kann ich dann überhaupt mitreden ?

Mitreden kann jeder. Konstruktiv etwas zum Thema beitragen ist wiederum etwas anderes, und eine Beschäftigung mit den Schriften von kritischen Intellektuellen schadet dem gewöhnlich nicht :wink:

Die Ansichten der single-generation, die freudig den Rufen des Marktes hinterherhecheln, als "kleine Revolution" im Sinne von "kill your idols" verkaufen zu wollen, ist aber schon eine satirische Meisterleistung...
Mehr davon! :lol:

... man will die Fun-Gesellschaft ja nicht ganz verpassen...



mfg
hives
 

subgrounder

Geselle
Registriert
5. Januar 2003
Beiträge
86
Nach soviel textintensiver Auseinandersetzung ein kurzer Einwurf von mir:

Ein Adorno Zitat, das wohl genau das ausdrückt, worauf der Autor des Diskurs-Artikels u.a. verweisen wollte:

"Die Ersatzbefriedigung, die die Kulturindustrie den Menschen bereitet, indem sie das Wohlgefühl erweckt, die Welt sei in eben der Ordnung, die sie ihnen suggerieren will, betrügt sie um das Glück, das sie ihnen vorschwindelt. Der Gesamteffekt der Kulturindustrie ist der einer Anti-Aufklärung; in ihr wird [...] Aufklärung, nämlich die fortschreitende technische Naturbeherrschung, zum Massenbetrug, zum Mittel der Fesselung des Bewusstseins. Sie verhindert die Bildung autonomer, selbständiger, bewusst urteilender und sich entscheidender Individuen. Die aber wären die Voraussetzung einer demokratischen Gesellschaft, die nur in Mündigen sich erhalten und entfalten kann."
Adorno, Theodor W., Ohne Leitbild. Parva Aesthetica, FaM 1979, S. 69.

Man beachte, daß dieses Zitat von 1979 stammt und der Gedanke, der dahinter steht durchaus älter ist!
Die "Verblödung" wird nicht erst seit der Existenz des Privatfernsehens diagnostiziert. Wobei man natürlich nicht zu sehr auf Deutschland fixiert sein sollte. Wie bei so viel anderem sind auch in diesem Punkt die USA Vorreiter.:wink:

Wobei sich die Frage stellt: Verblöden wir denn wirklich? Sind wir denn tatsächlich nicht mehr zur Kritik fähig? Nur weil die "Kulturindustrie" ihre Botschaften auf zweifelhaftem Niveau verbreitet? Oder gibt es gar keine Botschaften? Ist der mediale Output auf reinen Konsum ausgelegt; mit einer minimalen Verweildauer im menschlichen Cerebralsystem?

Ich für meinen Teil halte nichts von Schwarzmalerei. Mit todernster Miene und erhobenem Zeigefinger unserer heutigen Gesellschaft Kritikunfähigkeit, Infantilität und Diskursphobie im rhetorischen Rundumschlag vorzuwerfen, ist übertrieben.
Außerdem mag ich es nicht, wenn man sich selbst (implizit) von den Vorwürfen ausnimmt. Das unterstelle ich dem Autor mal eben!
Deshalb: Mit ein bischen mehr (Selbst-)Ironie und Optimismus die Frankfurter Schule studieren und was draus lernen! Ohne gleich den verbalen Holzhammer rauszukramen.
 

Woppadaq

Erleuchteter
Registriert
2. August 2003
Beiträge
1.413
hives schrieb:
Es würde dir sicher nicht schaden - dein Kommentar ist trotzdem willkommen - wenn auch auf seine eigene Weise mindestens ebenso kryptisch wie der rezensierte Artikel, wenn ich das anmerken darf :wink:

Darfst du ;)

Also worin bestehen deine Einwände?
Dass eine Kritik, die nicht kompatibel zu den Massenmedien ist und nicht instrumentalisiert werden kann, die Grenzen der Kritikfähigkeit des Systems per se überschritten hat? Nach deiner Definition zu Beginn ist jedoch jede tiefergehende Kritik inkompatibel...

Ich hab mich diesbezüglich wohl etwas zu platt ausgedrückt.

Es gibt im wesentlichen 2 Richtungen, in die eine Kritik tiefer gehen kann: in die fachliche und in die objektbezogene Tiefe. Und ab einer bestimmten fachlichen Tiefe wird Kritik einfach massenuntauglich (und damit inkompatibel), weil sie zuviel themenbezogenes Fachwissen voraussetzt. Guck dir nur mal die iX vom heise-Verlag an und stell dir mal vor, man würde eine Sendung mit einer deratigen fachlichen Tiefe senden. So etwas dürfte sich kaum einer antun. Die Massenmedien bevorzugen schicht und ergreifend einfache Informationen, mit der JEDER SOFORT was anfangen kann. Es ist im Prinzip schon eine Zumutung, daß ein Text mit einer derart fachlichen Tiefe wie der hiesige auf einer Seite platziert wird, die größtenteils von Leuten mit stellenweise sehr begrenzten - auch politischen
- Hintergrundwissen besucht und mitgestaltet wird. Aber irgendwo ist es auch ein Wagnis. Betrachtet dies ruhig als Lob.

Bei der objektbezogenen Tiefe geht es einfach darum, daß der zu Kritisierende - in diesem Falle die Masenmedien - diese Kritik auch noch selbst publik machen soll. Die Toleranz "der Medien" dürfte logischerweise nur soweit gehen, wie die Kritik nicht an ihren Grundfesten rüttelt, also ihre Abschaffung forciert. Auch eine Gesellschaft hat für eine Kritik, die ihre Abschaffung fordert, nur begrenzte Toleranzbereiche.

Früher genügte ein simples "Geh doch rüber !", um eine allzu kritische Diskussion zu beenden. Heute geht das nicht mehr so einfach. Irgendwie, so scheint es mir, brauchen wir den Sozialismus. Nicht als Lebensmodell, auch nicht bei uns, sondern woanders, damit wir wieder ordentlich miteinander diskutieren können.....

Das meinst du ernst, ja?

Nein, das war ein satirisch gefärbter .....kritischer....äh....Denkanstoß...ja,genau!

Ja, sicher. "Postmoderne" und "Neoliberalismus" wurden also von der kritische Theorie als Neologismen eingeführt, um sie kritiseren zu können...

Wie kommst du auf sowas?

Vieleicht irre ich mich ja in dieser Beziehung, aber - gibt es denn Verteidiger von z.B. der Postmoderne ? Wer - außer den Leutchen von single-generation.de - bekennt sich eindeutig zur Infantilie ?

Daß der Begriff "Neoliberalismus" nicht von den "Neoliberalen", sondern größtenteils von deren Kritikern kreiert und verwendet wurde und wird, kannst du hier nachlesen. Dieser Artikel wurde einst auch unter "Schlagwort Neoliberalismus" von samhain gepostet.

Natürlich versuchen Kritiker auch, ihre Zuhörer zu manipulieren - die Frage ist, ob dies vergleichbar ist, da die eine Seite (vereinfacht ausgedrückt) das Monopol an Massenmedien besitzt, und die andere Seite mühsam um jeden Zuhörer kämpft, um eine Alternative zu etablieren...

Mir geht es um Ehrlichkeit. Wer eine Manipulation kritisiert, die er selbst auch betreibt, macht sich einfach unglaubwürdig.

Zudem würd ich vehement bestreiten, daß in diesem System immer der größere den kleineren schlucken MUSS. Es gibt genügend Gegenbeispiele. In meinen Augen sind "die Kleinen" sogar im Vorteil, weil sie sich mehr erlauben können als "die Großen". Die meisten "Kleinen" haben das bloß noch nicht verstanden.

Wir leben in einer Gesellschaft, die eine durchaus positive Einstellung zur Kritik besitzt, sie als Anregung begreifen möchte. Das werden die Kritiker dieser Gesellschaft natürlich vehement abstreiten, zum einen, weil ihrer Kritik damit das Heldenhafte genommen wird, zum anderen, weil es in dieser Gesellschaft doch tatsächlich Leute gibt, die der geäußerten Kritik negativ gegenüberstehen.

Aha... die Massenmedien (die ja schließlich die Kommunikationswege und Spiegelbilder der Gesellschaft sind), welche du vorhin noch mit "die uns nur kurze Informationen zumuten wollen" charakterisiert hast, und denen offenbar auch du einen Hang zu Manipulationen konzedierst, besitzen also eien "positive Einstellung" zur Kritik und möchten diese "als Anregung" begreifen...

Merkwürdig....ich rede von "der Gesellschaft" und du von "den Massenmedien", was für mich definitiv zwei Paar Schuhe sind.

Die Tatsache, daß die Gesellschaft nicht jede Kritik mit Hurra und Bravo aufnimmt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Grundeinstellung dieser Gesellschaft zur Kritik als solche eher positiv ist. Diese Gesellschaft braucht die Kritik und reagiert, in Rahmen ihrer Möglichkeiten und ihrer Befindlichkeiten, auch darauf. Das kannst du nicht mit der Feudalgesellschaft und ihrer Abwandlung, dem Sozialismus, vergleichen, wo jegliche Kritik gegen die Gesellschaft, und sei sie noch so klein, regelrecht bekämpft wurde.

Und das mit einer Regelmäßigkeit, die man fast schon als System begreifen könnte. Es macht viel mehr "Spaß" (hallo Spaßgesellschaft !), sich an diesen Kritiker der Kritik aufzuhalten als sich auf das Weiterkommen zu konzentrieren.

Die Auseinandersetzung mit kritischen Intellektuellen kann sehr wohl dem Weiterkommen dienen - mehr zumindest als deren oberflächliche Banalisierung...

DER Satz könnte von mir stammen...:D

"... die Akteure versorgen uns mit immer neuen Definitionen, Umdeutungen, Auslegungen, Interpretationen und Legitimationen - bis es letztendlich kaum jemand mehr interessiert, mit welchen neuen alten Dummheiten mal wieder sonst etwas begründet oder erklärt wird und allgemeine Resignation um sich greift."

[...]

Oder haben hier wieder mal Fundamentalkritiker den Zustand beklagt, daß sich keiner so richtig für ihre Kritiken begeistern kann ? Derartige Kritiker stellen sich ja gerne so hin, als seien sie NICHT passiv. Sie reden sich ein, eine Veränderung sei nur dann eine Veränderung, wenn man sie sich in einer feindlichen Umgebung mit - sinnbildlich gesprochen - Dutzenden von Toten erkämpft hat. Wenn sich die Gesellschaft wider Erwarten aber nicht oder nicht so kritisch verhält, wird sich gern eingeredet, die Veränderung sei eben nicht revolutionär genug.

Hallo? Hier ging es um politische Apathie, wenn ich mich nicht täusche - nicht um deine so gern konstruierte "Abschaffung des Systems"...

Manchmal wird politische Apathie aber auch da unterstellt, wo schlicht und ergreifend politische Einsicht der Fall ist. Oder die Einstellung, daß das Erreichen des Zieles zu viele Opfer erfordert oder insgesamt, betrachtet zum Nutzen, zu aufwendig ist.

Ich will das Vorhandensein von politischer Apathie nicht abstreiten, aber für mich ist das größtenteils eine Einstellungsfrage. Es wird hier häufiger unterstellt, daß jede Veränderung, die man selbst möchte, die anderen auch möchten. Und wenn sie es dann nicht oder nicht so doll möchten, unterstellt man ihnen Resignation oder Apathie. Und Gegnern unterstellt man, Opfer von Gehirnwäsche zu sein. Gerade hier im Forum kann ich es immer wieder beobachten. Dabei ist meine Fundamentalkritik die, das die Leute über Revolution reden, aber nicht einmal definieren können, was sie wirklich wollen. Dinge, die sie selbst dann noch wollen, wenn ich alle Gründe dagegen aufgezählt und ihnen die Folgen vorgeführt habe.

Für manche hier bedeutet "Willen" in erster Linie, es zu wollen. Für mich bedeutet es, daran zu arbeiten.

Die Ansichten der single-generation, die freudig den Rufen des Marktes hinterherhecheln, als "kleine Revolution" im Sinne von "kill your idols" verkaufen zu wollen, ist aber schon eine satirische Meisterleistung...

Mir ist nicht ganz klar, woher du das "freudig den Rufen des Marktes hinterherhecheln" hernimmst. Du äußerst Kritik, die äußern Kritik. Du wirst gelesen, die werden gelesen. Reich werdet ihr beide nicht.

Zu behaupten, Jounalisten würden, ähnlich Politikern, in einer eigenen Sphäre existieren, hätten sich von ihren Lesern entfernt, zu sagen,"wenn sich ein Journalist über einen Handwerker ärgert, dann wird daraus im Feuilleton - systemkonform - ein infantiler Handwerker.", zu sagen "Die verlängerte Lebensspanne macht das alte Modell der klassischen Dreiteilung des Lebenslaufs obsolet. Wer das nicht begriffen hat, der ist hoffnungslos gestrig!" - das ist in meinen Augen revolutionärer als das, was ich oftmals hier zu lesen bekomme. Hat vielleicht damit zu tun, daß ich das meiste hier geschriebene kenne und schon früher zigmal durchgekaut habe. Ich hab wirklich keine Lust, immer dasselbe zu lesen.

Zudem wird Adorno aus dem gleichen Grund der Kampf angesagt: weil er zu oft durchgekaut, sich zu oft auf ihn berufen wurde. So oft und so lange schon, daß inzwischen eine Anti-Generation dazu aufgewachsen ist. Face it !
 

district7

Geselle
Registriert
30. Oktober 2003
Beiträge
76
sehr interessanter text zwar nicht von foucault selbst (aber von seinen erkenntnissen abgeleitet) peter digeser: the fourth face of power
 

agentP

Forenlegende
Registriert
10. April 2002
Beiträge
10.115
Oder haben hier wieder mal Fundamentalkritiker den Zustand beklagt, daß sich keiner so richtig für ihre Kritiken begeistern kann ?
Ich glaube ehrlichgesagt nicht wirklich, daß die genannten Herren Grund haben sich über mangelnde Begeisterung zu beklagen, dazu sind sie dann doch ein wenig zu präsent im wissenschaftlichen Diskurs (solange sie noch nicht am Ende sind :))
 

Ähnliche Beiträge

Oben