Europa
(semit. ereb Abendland, düster; lat. Europa. Der Name wird auch aus den griechischen Wörtern für breit und Auge bzw. vom phönizischen apha, „Gesicht” und chur, „weiß” erklärt und/oder auf die Ausbreitung der Nachfahren des biblischen Japhet deuten, vgl. Hederich 1996, Sp.1074f.).
Die Namensgeberin (?) des Kontinents Europa war eine griechisch-phönizische Prinzessin. Ihre Eltern sind Agenor von Tyros und die Teleohassa, ihre Geschwister Kadmos, Kilix, Thasos und Phönix. Als ihre Mutter wird auch Agrippine, Tochter des Nilus, genannt, bei Homer findet sich Phönix als Vater (Ilias 14,321).
Europa soll von außerordentlicher Schönheit gewesen sein, nicht zuletzt deshalb weil sie von Angelos (Hekate) die Schminke von deren Mutter Hera erhalten hatte. Das betörte den Gott Zeus derart, daß er den Hermes anwies, die Rinderherde von Europas Vater ans Ufer des Meeres zu treiben unter die sich Zeus, verwandelt in einen weißen Stier, mischte. Das schöne Tier verleitete Europa dazu, seinen Rücken zu besteigen.
Kaum war das geschehen, schritt der Stier ins Wasser und wandert mit der schreienden Europa auf dem Rücken über die Meeresfluten hinweg von Phönizien nach Kreta, das sie an der Mündung des Flusses Lethe bei dem Ort Gortyna erreichten. Hier soll ein Ahornbaum gestanden haben, der anders als üblich im Herbst sein Laub nicht abwarf, weshalb man annahm, an jenem Platz habe Zeus seine eigentliche Gestalt wieder angenommen und sich mit Europa vereinigt.
Agenor, der Vater der Europa sandte der entführten Tochter seine Söhne nach, denen er auftrug, nicht ohne die verlorene Schwester heimzukehren. So kam es, daß Kadmos, Phönix, Kilix und Thasos an verschiedenen Orten neue Heimat fanden (Kilikien und Thasos). Europa hingegen fand sich mit der Entführung nicht ungern ab und wurde von Zeus Mutter von Minos, Rhadamanthys und Sarpedon. Sie blieb auch nicht unverheiratet, denn der König von Kreta, Asterion, nahm sie zur Frau und ihre Kinder an Sohnes statt an.
Zeus gab der Europe drei Geschenke: Den Bronzemann Talos, der Kreta bewachte, einen Jagdhund, der jedes Wild fangen konnte und einen Speer, der nie sein Ziel verfehlte.
Die Kretenser verehrten Europa nach ihrem Tod als Göttin und feierten ihr zu Ehren ein Hellotia genanntes Fest. Dabei wurden ihre Gebeine mit Myrten bekränzt und im Umzug umher getragen. Ein Hellotia („Jungfer”) genanntes Fest feierte man auch in Korinth zu Ehren der Pallas. Hellotis wurde auch zu einem Beinamen der Europa.
Der weiße Stier wurde später als Sternbild Taurus und Tierkreiszeichen Stier an den Himmel versetzt.
Quelle: Die vorstehende Darstellung folgt - soweit nicht anders vermerkt - B. HEDERICHs „Gründlichem mythologischem Lexikon”, 1996. Dort finden sich auch die Angaben der jeweiligen Gewährsleute sowie eine historische Deutung des Mythos. Demnach sei Europa entweder von einem Piraten namens Taurus (lat. „Stier”) oder von einer Schiffsmannschaft nach Kreta entführt worden. Dieses Schiff habe den Stier in der Fahne gehabt. Zeus, der König der Götter, sei allgemein Ehrentitel eines Königs gewesen und die Fabel insoweit historisch erklärbar. Laut Herodot geschah diese Entführung als Rache der Europäer für die vorangegangene Entführung der Io durch die Asianer. Das Ganze soll sich im Jahr der Welt 2506 abgespielt haben (zur Zeit Mose).
Europa hieß eine archaische Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin, die womöglich Vorbild der oben beschriebenen Königstochter ist. Die Phönizier von Sidon begannen bald nach Europas Entführung damit, diese mit ihrer Göttin Astarte zu einer Gestalt zu vermengen.
Eine andere Europa ist eine Tochter des Okeanos und der Thetys und damit eine der Okeanines.
Eine weitere Europa war Tochter des Tityus und mit Poseidon Mutter des Euphemus.
Europa heißt auch eine der Frauen des Danaus, mit der er Vater der fünfzig Danaides ist.