Ich hatte früher zwei Zeugen-Jehovas-Kinder (oderspäter Jugendliche) in meiner Klasse - ein Junge und ein Mädchen.
Sie waren eigentlich ganz normal und nett (also nicht fanatisch oder so) und haben sich auch in die Klassengemeinschaft eingefügt.
Das einzige, was sie im Schulalltag nicht machen wollten, war bei der Klassensprecher-Wahl mitmachen, weil (politisch) wählen anscheinend ihrem Glauben widerspricht - so haben sie das auf jeden fall immer gesagt. Ist eigentlich schade gewesen, denn der Junge war ein recht guter Redner (ich glaube, das lernen sie recht früh, wenn sie da von haus zu Haus gehen und wildfremde Leute ansprechen) und hätte sicher einen prima Klassensprecher abgegeben.
Ich war auch einige Mal bei dem Mädel zuhause eingeladen. Die Eltern waren sehr freundlich und zuvorkommend zu mir. Die haben auch nicht versucht, mich zu "bekehren" - das einzige, worauf sie Wert legten, war ein gemeinsames Tischgebet vor dem Essen. Aber da hatte ich kein Problem mit, mal für zwei Minuten höflich zu schweigen
Der Junge und sein Vater waren oft in unserer Gegend unterwegs im "Predigtdienst" (ich glaube, so oder ähnlich heißt das), aber da ich ihn gebeten hatte, bei uns nicht zu klingeln (mein Vater reagiert sehr allergisch auf diese Leute

), haben sie's dann auch gelassen.
Die beiden durften auch auf Klassenfahrten und ähnliches mit - Geburtstagsfeiern haben sie wo wir älter waren und man eh nur zusammen rumhängt auch mitgemacht, früher nicht als man noch in dem Alter war, wo Mami eine Torte aufgefahren hat und alle "Happy Birthday" geträllert haben, denn sie feiern keine Geburtstage. Die Begründung ist wohl ,dass Jesus seinen Geburtstag auch nie gefeiert hat - oder zumindest die Bibel nix darüber berichtet...
Weihnachten feiern sie auch nicht ("die Kirche hat sich ja bloß an das heidnische Julfest drangehängt"), also durften sie bei Weihnachtsfeiern in der Schule eben früher nach Hause. Ebenso an Fasnet/Karneval/Fasching - böse Geister und den Winter wollten sie auch net austreiben
Das einzige Mal, dass es Ärger mit den Eltern und den anderen Glaubensgemeinschafts-Mitgliedern gab (zumindest den ich mitgekriegt habe), war als der Junge sich in ein Mädchen außerhalb der Glaubensgruppe verliebt hatte. Die beiden waren ein oder zwei Wochen "zusammen" - dann sind die Eltern eingeschritten von wegen "kein Sex vor der Ehe und schon gar nicht mit einer Ungläubigen". Er hat dann Schluß gemacht - aber das war nicht freiwillig, hat er auch gesagt (er war damals 15 oder 16).
Eine Freundin und ich wurden auch einmal von dem Mädel zu einem Gottesdienst oder wie auch immer eingeladen - es war eine Feier, wo sie die Auferstehung Jesus feiern (aber nicht an Ostern, sondern etwas früher - und ohne Eier und Hase und den Kram). Es wurde ein Teller mit Brot und ein Becher mit Wein herumgereicht (hallo kath. Abendmahl) - aber niemand durfte davon essen, es wurde vorne wieder hingestellt. Das ganze war sehr feierlich und es wurden ne Menge Texte aus der Bibel vorgelesen und viel gesungen. Ich hab mich damals nicht so richtig wohl gefühlt, aber die Leute waren wirklich alle sehr nett und das Mädel aus meiner Klasse hat uns herumgeführt und uns ein paar leute vorgestellt und uns alles gezeigt. Es waren viele Familien (auch mit kleinen Kindern) da - nicht so wie in der kath. Kirche, wo das Durchschnittsalter bei 65 Jahren liegt

Das coolste fand ich einen extra abgetrennten Raum, wo Mütter mit ihren kleinen Kindern hinkonnten, wenn die während dem Gottesdienst unruhig wurden. Dort gab es ein paar Spielsachen und einen Fernseher, auf dem dann der Gottesdienst übertragen wurde - das ist mal ne Idee, die nicht schlecht ist, denn sonst werden Mütter mit Kindern in der Kirche ja böse angeschaut, wenn das Kleine mal einen Piep von sich gibt
Also ich kann über diese Menschen nichts schlechtes sagen. Trotzdem ist diese Art von absolutem Glauben und Hingabe an den Glauben für mich nicht nachvollziehbar - schon gar nicht an einen christlichen Gott. Aber da bitte jedem das seine...
Ich hab mir dann noch die Geschichte mit den Bluttransfusionen erklären lassen - das kommt ja auch immer mal wieder in den Medien, dass die ihre Kinder angeblich nach einem Autounfall verbluten lassen usw. Ein älterer Mann hat sich da viel zeit genommen und mir erklärt, dass es irgendwo in der Bibel (altes testament ??) heißt, dass das Blut Gott heilig ist und dass man kein Blut zu sich nehmen soll. Daher muß auch irgendwie das koschere Schlachten beim Judentum herkommen. Also essen sie kein Blut (z.B. Blutwurst) und keine Innereien und sie lassen sich keine Bluttransfusionen geben und spenden auch kein Blut oder Organe. Bei Kindern allerdings (oder auch Minderjährige Jugendliche) die noch unter der Vormundschaft ihrer Eltern sehen, sagte er sieht die Sache etwas anders aus, denn wenn die jetzt z.B. einen Unfall haben, dann ist es ja nicht ihre Entscheidung ob sie eine Transfusion kriegen oder nicht, sondern die der Eltern. Und da das eine bewutßte Entscheidung eines jeden Einzelnen ist, ob er dieses "Gesetz" Gottes einhalten will oder nicht, sind Kinder von dieser Regel ausgenommen - und er persönlich ging mal davon aus, dass das dann auch für Gott ok ist und er würde seine beiden Kinder nicht verbluten und sterben lassen. Naja, das ist dann anscheinend Interpretationssache...
Wir sehen uns heute noch auf Klassentreffen oder auch mal zufällig in der Stadt oder so - der Junge/Mann ist inzwischen verheiratet (mit einer Zeugin Jehovas) und das Mädchen/Frau studiert irgendwas mit Literatur und Kunst.