Bitteschön:
Hanko – das persönliche Siegel – ist im japanischen Privat- und Geschäftsleben ebenso wenig wie die Visistenkarte Meishi wegzudenken. Das Siegel hat die Funktion und Gültigkeit einer Unterschrift, während eine handgeschriebene Unter- schrift in Japan nicht rechtskräftig ist. Ob Unternehmen, Organisationen oder Privatpersonen, alle verfügen über ein Hanko. Erwachsene besitzen bis zu drei Hanko, von denen das Jitsuin "wahres Siegel" ausschließlich zur Registrierung bei der Behörde dient. Siegel sind unverzichtbar im japanischen Alltagsleben: Ohne dieses Utensil dürfte es schwierig sein, ein Haus zu mieten, einen Wagen zu kaufen oder Banktransaktionen durchzuführen. Fälschungssicher ist dieses Symbal freilich nicht, da ein Beamter nur schwer vom Abdruck eines Siegels auf dem Papier seine Authenzität überprüfen kann. Bedenkt man dazu noch, wie umständlich es ist, das Siegel samt Zubehör in den Taschen zu suchen und schließlich festzustellen, daß man es wohl doch zu Hause vergessen hat, so kann das Hanko zu einem Zeitschinder werden. Angesichts der Unterschrift eines Europäers, welche häufig durch Umstände und Stimmung nicht gerade formvollendet oder gar lesbar ist, erscheint das Hanko als ästhetisches Ideogramm. Wertvoll soll das Siegel sein, und es wird in regelmäßigen Abständen neu angefertigt, auch wenn es kostet. Das hängt zusammen mit dem Aberglauben, der über diesem Utensil hängt.
Das älteste Siegel aus Gold wurde dem Herrscher des Staates Wa 57 v. Chr. vom Kaiser der späten Han-Dynastie (25 v. Chr. – 22 n. Chr.) präsentiert. Herstellung und Gebrauch der Siegel wurde bereits in Anlehnung an die chinesische Siegelkunde im Taihoo-Rechtskodex im Jahre 701 v. Chr. festgelegt. Das Siegel, zunächst ausschließlich Symbol des Herrschers und des Hofadels, sollte Dokumenten Würde und Autorität verleihen und gleichzeitig Authenzität garantieren. Im Laufe der Zeit dienten Siegel zunehmend als Ausdrucksmittel persönlicher Ideale und Bilder geschichtstragender Figuren wie Tokugawa Ieyasu, der konfuzianische Sentenzen aufprägen ließ. Eine Standardisierung des privaten Siegelgebrauches wurde nach der Meiji-Restauration im Jahre 1871 vorgenommen. Im Lande der Kalligraphie mit der weltweit höchsten Alphabetenrate stellt sich in Zukunft natürlich die Frage, ob das Hanko noch immer seine Gültigkeit hat oder ob es nur noch ein Relikt aus alten Zeiten darstellt. Bleibt die Stempflicht bei Immobilienerwerb, Autokauf oder Erbschaftsangelegenheiten weiterhin erhalten, so soll sie nämlich bei 11570 amtlichen Vorgängen ab 1999 abgeschafft werden - eine Kulturrevolution in Japan? Behauptet wird, daß Geschäfte besser laufen und man sogar Unglücken ausweichen kann, wenn man ein aus wertvollen Materialien hergestelltes Siegel verwendet. Hinter der Siegelkunde in Japan verbirgt sich eine lange Tradition.