Der Dollar kommt uns spanisch vor
Bei der Einführung des Euro war Verschiedenes über die Geschichte des Zeichens / zu vernehmen. Woher kommt, fragt man sich bei dieser Gelegenheit, eigentlich das Zeichen für den Dollar, das S mit zwei senkrechten Strichen oder einem?
Solch ein Währungskürzel ist ja oft mehr als eine bloße Bezeichnung. Im Eurozeichen zum Beispiel hat man ein griechisches Epsilon erkennen wollen, als Symbol auf die Wiege der europäischen Kultur verweisend. Wie wir heute wissen, hatte der schwäbische Chefgrafiker der EG Arthur Eisenmenger allerdings keineswegs die Geschicke des Abendlandes im Sinn, als er 1974 seinen Entwurf auf Karton zeichnete. Auch was nun den Dollar angeht (die anglisierte niederdeutsche Form des Talers übrigens; dieser vom Joachimstaler stammend), waren viele von einer angemessen symbolträchtigen Herkunft des Zeichens $ für die wichtigste Währung der Welt überzeugt, die Verschmelzung der Buchstaben US zu einer Ligatur nämlich, die, denkt man sich den Unterbogen von U weg, das zweigestrichene S so ergibt, wie es sich in Onkel Dagoberts Augen spiegelt. Nachvollziehbar, möchte man meinen, aber leider nicht zu belegen. Wir würden doch Spuren dieser Verschmelzung in den verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten erwarten dürfen, vielleicht auch widerstreitende Ansprüche auf eine Erstverwendung, aber all das gibt es nicht. Ähnlich sind von dem Mangel an historischen Nachweisen auch manch andere originelle Entstehungsmythen betroffen: die Verschmelzung des Christusmonogramms IHS beispielsweise und die Abkunft von der alten römischen Abkürzung für den Sestertius IIS oder HS. Obwohl Hermes hinreichend als Beschützer der Kaufleute und Diebe bekannt ist, wird sich auch sein Heroldsstab mit den zwei sich umwindenden Schlangen wohl nicht im Dollarzeichen wiederfinden.
Im Nebel dieser Vermutungen gibt es allerdings auch einige Spuren, denen zu folgen sich lohnt, und sie weisen in Richtung Lateinamerika. Tatsächlich wurden und werden neben dem US-Dollar und verschiedenen anderen Dollarwährungen auf der Welt auch viele lateinamerikanische Währungen mit ebendiesem Zeichen abgekürzt, darunter solche, die auf die gemeinsame spanische Währung der Kolonialzeit zurückgehen, wie der argentinische und der mexikanische Peso, aber auch die brasilianische Währung – zurzeit, wenn man so sagen darf, ist das der Real, der R$. Der in Amerika geprägte Peso zu acht Realen war im Laufe der Jahrhunderte eine überaus erfolgreiche Währung. Allein in Mexiko wurden vom 16. bis zum 19. Jahrhundert mehrere Milliarden Stück geprägt und über die ganze Welt verstreut, nach Europa, nach Asien, vor allem aber war er auch in Nordamerika so weit verbreitet und im täglichen Verkehr so vertraut, dass Thomas Jefferson selbst die in Neuengland als "Spanish-dollar" bekannte Münze als die bekannteste überhaupt bezeichnet. Die jungen USA ließen sich mit der Schaffung einer eigenen Währung dann auch Zeit bis zum Jahre 1785 und benannten sie nicht nur nach den umlaufenden spanischen Münzen, sondern lehnten auch das Gewicht der eigenen Münzen an das des "Spanish-dollar" an. Die ersten eigenen Prägeversuche waren kein Erfolg; niemand sah ein, dass man seine Münzen – gegen Entgelt natürlich – umprägen lassen sollte. So kam es, dass in den Vereinigten Staaten der Peso bis zum Jahr 1857 das offizielle Zahlungsmittel blieb.
Die ernsthaftesten Überlegungen zu unserem Zeichen nun knüpfen an Abkürzung und Form des in Nordamerika also bis in das 19. Jahrhundert hinein weit verbreiteten Pesos an. Da ist zunächst die Theorie der "Säulen des Herkules", genau genommen der westlichen, die für die alten Griechen das Ende der Welt waren. Sie finden sich noch heute im spanischen Staatswappen, zwei Säulen also, jede s-förmig umwunden mit einem Banner: "plus ultra", ›darüber hinaus‹, als Symbol für den Drang über die Meerenge von Gibraltar hinaus in die Welt. Dieses Wappen samt den Säulen (engl. pillar) war auf jeden "Spanish-dollar" gestempelt, der deshalb auch "pillar dollar" genannt wurde. Das Bild war jedem US-Amerikaner so präsent, dass manche vermutet haben, das Dollarzeichen sei lediglich eine stilisierte, mit einem Banner umwundene "Säule des Herkules". Weitere Deutungen beziehen die zwischen diesen Säulen deutlich sichtbare 8 ein, die den Wert des Pesos zu acht Realen bezeichnet, woraus sich die in Neuengland ebenfalls gängige Benennung "piece of eight" ableitete. Über bloße Mutmaßungen ist man bei solchen Überlegungen allerdings nie hinausgekommen. Am überzeugendsten und wohl auch wahrscheinlichsten ist die durch Florian Cajori in den 20er Jahren in seiner History of mathematical notations ausgearbeitete Theorie einer Metamorphose der Abkürzung für den Peso. Schlicht gesagt, haben sich danach das p und das s eines Kürzels ps überdeckt und ein durchstrichenes $ gezeugt. Aus dem Jahre 1778 ist eine Rechnung erhalten, in der eine verschlungene Variante von ps (vielleicht also von Peso) zusammen mit einem Zeichen vorkommt, das beinahe an unser $ erinnert, und schon 1776 verwendet ein Tagebuchschreiber auf Long Island Kürzel, in denen wir auf den ersten Blick Dollarzeichen erkennen können. Interessanterweise kennt er unter vierzehn Zeichen elf mit nur einem Strich ($), aber auch drei mit zweien. Beide Formen kommen also schon früh nebeneinander vor. Kurz nach 1800 erscheinen die Zeichen auch im Druck, zunächst sehr selten neben vielen anderen, danach immer häufiger.
Handelt es sich also um eine US-amerikanische Neuerung aus dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts? Allerletzte Sicherheit ist noch nicht erreicht, und so wurde zuletzt noch die auffällige Ähnlichkeit des Dollarzeichens mit dem portugiesischen Cifrão diskutiert, einem Trennzeichen von Tausendern und Hundertern in längeren Zahlenkolonnen, einer Abkürzung für 1000, wenn man so will.
Gesetzt den unsicheren Fall, das Zeichen hat es vom Amazonas an den Mississippi geschafft, wäre der Dollar also eine Währung mit niederdeutschem Namen, spanischer Rechnungsbasis und portugiesischem Zeichen. [So]