Warriors (Freunde)

RockRebell

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18. November 2003
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So. Nachdem mein Wintermärchen ja nicht so toll angekommen ist (sorry
nochmal, wenn ich jemand damit beleidigt hab), versuch ich´s nochmal.

Diesmal geht´s in völlig andere Richtung. Warriors ist vor ca. 7 Jahren entstanden,
inspiriert durch ein Bild, welches ich auf einer Amiga-CD gefunden habe.
Es war das Cover eines Shadowrunbuchs, was ich damals nicht wusste -
Shadowrun kannte ich damals noch garnicht :)

Ok, ich hoffe, Ihr habt beim lesen genausoviel Spass, wie ich beim Schreiben
hatte - here we go:

Warriors (Freunde)

Casting:
Stark-
ein junger Cyberrider, der zu den besten seiner art gehört. Er versucht,
seine Freunde zu retten. Freunde der Greeds, denen er angehört.

Susan-
die Kämpferin, geschmeidig wie eine Katze. wie Stark gehört sie zu den
Greeds

Hog-
Der Bastler. Bullig und stark, aber ein herzensguter Mensch, der für seine
Freunde einsteht und nicht nur einmal sein leben für sie riskiert hat. Er ist
der dritte der Greeds.

Vier Gefangene-
sie warten darauf, entweder in ein Rehabilitationszentrum für
Schwerverbrecher zu kommen oder irgendwie doch noch befreit zu
werden.

jede menge Security-
sie machen den Greeds das leben schwer und benehmen sich nicht immer
wie Gentleman...

Shadow-
ein guter freund der Greeds. sie und er haben sich schon so oft das Leben
gerettet, dass sie aufgehört haben zu zählen...



Es war ruhig hier im Sektor. Eigentlich war es immer ruhig hier. Nicht, dass
es langweilig gewesen wäre, Überfälle am Tage und Einbrüche in der Nacht
gab es zu Hauf, aber weniger, viel weniger als in den anderen Sektoren.
Vermutlich lag es daran, dass es keine feste Szene gab, keine Banden, die
sich bekämpften, wahrscheinlich war die Zahl der Sektorbewohner zu
gering, als dass sich Aktionen wie diese hätten ausführen lassen. So war
es seither, hier war es ruhig.

Dementsprechend waren auch die Polizeiaktivitäten gering. Keine starke
Präsenz, es reichte, wenn hin und wieder eine Patroullie durch die Strassen
kreuzte, immer den gleichen weg, die gleiche Route, jede Nacht. Vom HQ
über den Strip, entlang den teilweise bewohnten Ruinen, durch die Fabrik
in das Geschäftsviertel. Beim Tacoimbiss hielt das Fahrzeug an, die
Uniformierten stiegen aus und schlenderten über den nassen Asphalt durch
den ständigen leichten Nieselregen, der von den Kühlaggregaten der
Arcologie tropfte, weil man es nicht für nötig befand, in einem Ghetto wie
diesem teures Polymergeflecht zu verspannen, welches die Tropfen auffing
und durch mikroskopische Kapillaren dem Kreislauf wieder zuführte. All
das wussten die Cops, aber sie kümmerte es nicht, was ´Die da oben´
ausheckten. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf die kleine Bude auf der
anderen Seite, dort, wo Dampf aufstieg und Neon durch eine schief
hängende Tür auf abgetretene und zerbrochene Gehwegplatten fiel. Dort
gab es Waffeln aus Soja, Bambus und Chemie, Cracks genannt, und
Cracks Special mit Plankton als Fleischersatz. Es schmeckte eins wie das
andere, der einzige Unterschied lag im Preis. Und weil die Cops nicht
gerade zu den Besserbezahlten gehörten, kamen sie schließlich, es mögen
zehn Minuten gewesen sein, in denen man eine oberflächliche Unterhaltung
führen kann, mit jeweils eine Tüte Cracks und zwei dampfenden Kaffees
zurück. Den einen Kaffee schlürften sie in aller Ruhe auf dem Parkplatz vor
dem Tacoimbiss. Der gehörte zu einem Laden für konservierte
Lebensmittel, dessen Besitzer sich einmal beschwert hatte, dass diese
Cops immer auf seinem Parkplatz stehen und dann doch nichts bei ihm
kaufen. Nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte und mit drei
gebrochenen rippen nachhause humpelte, hatte er nichts mehr dagegen.

Schliesslich, nachdem sie schweigend ihren Kaffe geleert hatten, setzten
die beiden Cops ihre Patroulie fort, in der Hoffnung, dass die Nacht so
ruhig und besinnlich bliebe wie sie angefangen hatte...

*

Restlichtverstärker. Militärische Ausführung. Auf dem Schwarzmarkt für
Geld erhältlich. Illegale Waren für illegales Bargeld für illegale Aktionen.
Sensoren regelten automatisch die Helligkeit nach, als die Scheinwerfer
des Polizeiwagens aufblendend in die Richtung des schwarzgewandeten
Beobachters schwenkten.

"Cops verziehen sich Richtung Stadtkern. Schätze, wir haben ´ne halbe
Stunde für die Aktion. Ich treffe euch am Zielpunkt. Sie hörten die
neuesten Nachrichten auf Stark Radio."

Stark federte aus seiner liegenden Stellung hoch und bewegte sich schnell,
aber umsichtig zum Rand des Daches, wo er auf die Dunkelheit, die
nächtliche Ruhe und vor allem auf die nächtliche Patroullie gewartet hatte.
Er lief in die Dunkelheit und wurde eins mit ihr. Ein leises, dumpfes
Geräusch verriet, dass er die zwanzig Meter bis zum Boden auffällig schnell
überwunden hatte. Die hydraulischen Muskeln, die seine Sprung- und
Federkraft enorm verstärkten, waren eigentlich zu teuer für einen Rider
indianischen Ursprungs. Wäre Stark nicht dieser junger Hochstädter in die
Quere gekommen, hätte er nicht ohne zeitaufwendige Kletterei von dem
Dach gelangen können. Aber dieser Junge, wie hiess er noch... , der
meinte, nur weil er aus einem der höher gelegenen Sektoren kam, müsse
er, Stark, beiseite treten. Der kam ihm gerade recht, und die Leiche war
noch warm, als der Indianer sich die Strobomuskeln implantieren liess von
Amboss, der in seinem Tattooshop nicht nur Farbe unter die Haut anderer
Leute brachte.

So strebte Stark einem bestimmten Punkt zu dort, wo er Hog und Susan
treffen würde. Susan war das Mädchen in dieser Dreiergruppe, eine
Indianerin wie Stark. Sie hatte fantastische Reflexe, und obwohl sie immer
eine Schrotflinte trug, wendete sie meist ihre weitreichenden Kentnisse im
Strassenkampf an. Bevorzugt griff sie auch auf die kleine Pistole zurück,
mit der man verschiedene Pfeile abschiessen konnte. In dem Köcher, den
sie am linken Bein trug, befanden sich neben harmlosen Pfeilen auch
Geschosse mit Widerhaken, eine Auswahl in Schlangengift getauchte Pfeile
und solche, auf die man Sprengsätze mit verschiedenen
Detonationsstärken aufschrauben konnte. Susan war bei vielen Aktionen
das Ablenkungsmanöver der Greeds, wie die drei sich nannten, gewesen.

Hog war kein Indianer, aber er identifizierte sich mit den Gehbräuchen und
Sitten, die unter den Stämmen üblich waren, und lebte danach. Eigentlich
war er das genaue Gegendteil der beiden, denn Susan und Stark waren
eher die Romantiker; Susan, die den Sonnenaufgang bewunderte und die
Körperbeherrschung im Nahkampf, die Schönheit, die in einem tödlichen
Kick lag. Und Stark, den die abstrakten Formationen des Cyberspace und
die Landschaften des Geistes faszinierten. Hog hingegen war Materialist.
Ein Genie, was Elektronik betraf. Alles andere hielt er für
Zeitverschwendung. Mit Waffen kannte er sich ebenfalls bestens aus. Die
beiden Uzis, die er bei sich trug, waren Selfmade wie das Modem und die
Dermatroden, die Stark verwendete. Hog trug eine alte Militärhose, ein
Knie durchgescheuert, die Taschen ausgebeult, einen Patronengurt, eine
Gürteltaschen mit Chemikalien, aus denen er Bomben mit enormer
Sprengkraft bastelte, stabile Stiefel und eine Lederweste. Indianische
Tätowierungen wiesen auf seine Einstellung hin, ebenso seine Frisur und
die Kriegsbemalung in seinem Gesicht.

Stark glitt um eine Ecke, orientierte sich und lief weiter. Noch ein paar
Blocks, und er hatte sein Ziel erreicht. Das schwarze, mattgeschliffene
Sturmgewehr war seit Jahren sein treuer Begleiter, und die Art, wie er es
auf seinem Rücken befestigt hatte, liess darauf schliessen, dass er einige
Ahnung von militärischem Drill und soldatischem Know-how besass. Nicht
jeder befestigt ein AK-57 so, dass es beim Laufen nicht hin und her pendelt
und trotzdem sofort einsatzbereit ist. Stark legte auch viel Wert auf sein
Äusseres. Die elfenhaften Gesichtszüge und die spitzen Ohren hatten viel
Geld gekostet, ebenso die implantierte Stahlklaue. Sie konnte sowohl als
tödliche Waffe als auch zur drahtlosen Kommunikation mit einfachen
Rechnern dienen. Die Buchsen auf seinem Schädel wurden sorgsam von
einer buschigen Frisur verdeckt, so dass der Rider nicht gleich als solcher
erkannt wurde.
“Hast dir Zeit gelassen, Stark.“
“Schneller war nicht drin.“
„Fang an.“ Stark löste sein AK-57, um an die Tasche an seinem Rücken zu
kommen.
“Hog, würdest du mal dafür sorgen, dass ich ans Terminal komme?“
“Klar man.“ Hog betrachtete kurz die dunkle Konsole, die mit einer
gepanzerten Scheibe verdeckt war, kramte in einer seiner Taschen herum
und zog ein Plastikgehäuse mit numerischer Tastatur darauf hervor.
“Das hätte lange passiert sein können“
„Damit die Cops wissen, was hier abgeht? Mann, zehn Minuten, dann
wissen die, dass der Access nicht autorisiert war.“
Die Indianerin blickte sich besorgt um. „Wenn ihr weiter so rumbrüllt,
können wir auch gleich die Cops anrufen. Beeilt euch lieber.“
Der Plan war, eines der abgeschirmten Terminals der Stadtbank
anzuzapfen, und verschiedene Kontostände zu ändern.
Einige ihrer Freunde hatten Strafmandate und Kautionen hinterlegen
müssen nach einer Razzia in einem der nördlichen Sektoren.
Cyberspaceaustrüstung war nur mit Erlaubnis und Tätigkeigsbescheinigung
eines der grossen Konzerne erlaubt. Waffen waren verpönt und
ausserdem, diese Outlaws führen sowieso nichts Gutes im Schilde. So
ähnlich hatte die Anklage gelautet. Die meisten ihrer Freunde hatten sie
freikaufen können, so wie sie auch einen Teil der Anklagen hatten auslösen
können, indem sie die Strafen bezahlten, aber Vier sassen noch in
Verwahrung, und das seit drei Tagen.

Die Panzerscheibe glitt nach oben weg und gab das Terminal frei. Stark
nahm seine Dermatroden, verband das Terminal mit seiner Ausrüstung
und liess seine Finger über die Tastatur gleiten. Klick-Klick. Das Geräusch
liess Hog zusammenzucken.
“Geht das denn nicht leiser?“
“Mann. Ich versuche hier, in die Securitymatrix zu kommen. Nicht dass du
meinst, ich spiel hier Tetris.“
“Sorry...“
“Seid doch beide mal etwas leiser. Die Wanzen der Cops sind überall. Also
Ruhe jetzt.“
Susan rief die beiden zur Ordnung und spähte um die Ecke.
“Scheisse.“
Dieses Wort genügte, um Stark und Hog zu warnen. Es veranlasste sie,
sich tot zu stellen, nicht einmal mehr zu atmen. Dann war ein leises
Brummen zu hören, das stetig lauter wurde. Hog bewegte sich, liess seine
linke Hand in eine Beintasche gleiten, völlig lautlos, und zog ein flaches
Päckchen heraus, nur wenig größer als sein Handteller. Hog hatte sehr
grosse Handteller. Als die Drohne um die Ecke bog, um routinemässig ihre
Meldung zu machen, vernahmen ihre Sensoren ein leichtes Sirren, einen
leichten Schatten, eine kurze Bewegung, und dann nichts mehr.
“Gute Netzfalle. Funktioniert bestens.“
“Bist schon ein Genie, Hog. Wie viel Zeit schätzt du?“
“Schätze fünfzehn, Plusminus fünf, bis einer der Techniker hier
rauskommt, um sich den Schaden anzusehen und das Ding mitzunehmen.
Noch mal zehn, bis die merken, dass der Techniker fehlt..“
„Stark, beeil dich.“
Aber Stark bekam die Aufforderung nur am Rande mit, denn kaum war die
Gefahr vorbei, entspannte sich sein Körper und sein Geist ging auf die
Reise ins Cyberpace.

*

Geometrische Figuren, präzise ausgerichtete Icons und Symbole, die, in
der richtigen Reihenfolge aktiviert, das Gate, den Weg zur gewünschten
Matrix freigaben. Starks Konstrukt gab eine Befehlssequenz an die
Publikmatrix, auf der er sich befand, und die Icons leuchteten in schneller
Folge auf. Sofort öffnete sich vor ihm ein Gate. Das Konstrukt glitt
hindurch, Starks Geist befand sich nun auf der Securitymatrix. Dort, wo
sonst nur ausgesuchte Rider der grossen Konzerne oder hochprivilegierte
User sein durften und per Befehlssequenz kleine und grosse Vermögen
umherschoben, mit denen man Australien hätte kaufen können, Bilanzen
schrieben, Bilanzen löschten, Bilanzen frisierten oder ganze Konzerne in
den Bankrott trieben, um sich sofort mit den Ridern der konkurrierenden
Konzerne wilde Übernahmeschlachten zu liefern. Diese Rider waren
bestens ausgerüstet mit Eisbrechern und Neurosoftware, mit
Kampfprogrammen, die einem das Talent ausbrennen konnten oder einen
in den Wahnsinn trieben. Starks Konstrukt war ähnlich gut aufgerüstet,
allerdings mit weniger umfangreicher Kampfsoftware, dafür bestückt mit
effektiven Tarnprogrammen. So schien das Konstrukt nach aussen hin eine
harmlose Kontoabfrage zu sein, wie sie milliardenfach am Tag gestellt
wurden.

Stark lotste sein Konstrukt über die Matrix, umging Fallen und
Alarmeinrichtungen, drang weiter vor und änderte schliesslich seine
Tarnung. Jetzt war sein Konstrukt eine Überweisung an den
Sicherheitsdienst, für niemals geleistete dienste von einem Mutso
Yamamoto, der nie existiert hatte. Problemlos passierte er das Gate zur
achtseitigen Pyramide des Sicherheitsdienstes, die Perspektive änderte
sich, rollte herum und weitete sich in schiere Unendlichkeit. Der stahlblaue
Himmel, die schwarzgrüne Rasterung am virtuellen Boden und der nicht
enden wollende Horizont verschafften dem Besucher einen Eindruck der
unermesslichen Speicherkapazität, über die die Security verfügte. Wer hier
nicht genau wusste, wo er hinwollte, war rettungslos verloren.

Stark wies sein Konstrukt an, einen Code an die Matrix zu schicken, um
eine Orientierungshilfe zur Datei von vier bestimmten inhaftierten
Subjekten zu erhalten. Ein scheinbar Millionen Kilometer entfernter Bereich
der digitalen Landschaft begann zu blinken. Nur ein Befehl, eine
Millisekunde, und Stark war dort. Irgendwo im Hintergrund vollzog eines
der Drohnenprogramme seine Patroulie...

*

Sidney-Mitte. Das Hauptgebäude der Sicherheits-Verwahranstalt. Von
aussen eine glänzende Fassade. Chrom gepaart mit poliertem Spiegelglas,
verschiedenfarbig lackierte Stahlträger in rot, gelb, blau und schwarz
durchzogen die architektonische Meisterleistung wie Quarzadern eine
Gesteinsschicht. Ausbruchsversuche sinnlos; hinein ging es schnell, aber
hinaus...

Im Innern das genaue Gegenteil. Brummendes Neon auf abgetretenen,
schmutzigen Fluren, der Geruch nach Schweiss, Angst und Schmerz
diffundierte aus den Wänden und vermischte sich mit den künstlichen
Pheromonen aus der Lüftungsanlage. Stinkende, kleine Zellen für
stinkende, kleine Ganoven. In einer dieser Zellen sassen vier Männer,
Cyberpunks. Ihre langen Mähnen, welche die Schnittstellen und
Kortikalstecker verdecken sollten, waren abrasiert worden, so dass nun die
Implantate voll sichtbar waren. So wurde mit jedem verfahren, der länger
als drei Tage hier sass, wegen der Hygiene und der Demütigung, damit
keiner auf die Idee kam, hier etwas besonderes zu sein. Hier waren alle
gleich. Abschaum. Verbrecher. Gesetzlose, die nichts verdient hatten als
hier zu sitzen und mies behandelt zu werden. In der Zelle stank es nach
Fäkalien, denn die sanitären Einrichtungen, soweit vorhanden, waren so
defekt wie eh und je.

Aussen neben der Tür, auf der linken Seite, hing ein Zugriffsgerät,
verbunden mit dem Zentralrechner der Security. Dort tickte eine Uhr. Eine
Uhr, die nach vier Tagen die Zelle öffnen und die Insassen freigeben
würde, damit sie in eines der grossen Rehhabilitationszentren verlegt
werden konnten. Es sei denn, irgendjemand löste die Insassen rechtzeitig
aus und bezahlte ihre Strafen. Die digitale Anzeige auf dem Zugriffsgerät
liess eine sechsstellige Ziffer rückwärts laufen. 10:24:15. noch zehn
stunden, vierundzwanzig Minuten und fünfzehn Sekunden bis null. Die vier
Rider in der Zelle wussten nichts von alledem. Ruhiggestellt mit
Psychopharmaka, misshandelt mit Schlagstöcken und verurteilt aufgrund
von Gesetzen, die nahezu jedem Bürger von Sydney einen schwarzen
Flecken auf die weisse Weste malen würde.

So starrten sie apathisch vor sich her, unfähig zu Gesprächen, Gedanken
oder gar Aktionen. Außerhalb der Zelle sprang der Minutenzähler auf
dreiundzwanzig...

*

„Wie lange noch?“
“Vielleicht drei Minuten. Nervös?“
“Susan, nichts gegen Starks Fähigkeiten, aber er braucht zu lange...“
“Lass ihn. Er kriegt´s hin. Warts ab.“
Schweigen. Weit entfernt ein dumpfes Grollen.
“Was ist das?“
Hog lauschte.
“Fahrzeug. Sechzehnzylinder. Verbrennungsmotor. Methylalkohol, dem
Geräusch nach. Kommt näher. Könnte Ärger bedeuten.“
Susan sagte nichts. Auch wenn sie nach aussen hin ruhig und gelassen
schien, war sie in ihren Innern aufgewühlt wie ein wie ein verängstigtes
Tier, und Hogs Worte trugen nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei.
“Glaubst du, sie kommen hierher?“
“Chancen stehen Fünfzig-fünfzig. Mit jedem Meter, den die in diese
Richtung fahren, wird´s wahrscheinlicher.“
“Stark...“
Das Dröhnen wurde lauter, es kam näher, und durch die Strasse tanzte ein
schwacher Reflex von Scheinwerfern auf und ab...

*

Die Matrix war ruhig, alles funktionierte zu Starks Zufriedenheit. Noch ein
paar Sekunden, und Strafgeld und Kaution für seine Freunde würden
hinterlegt sein. Wenn nichts dazwischen kam...

... als die Systeme Alarm schlugen. Starks Konstrukt verzerrte sich kurz in
einer digitalen Störung, als die Fallen auslösten und rundherum
dichtmachten. Stark bewies Nervenstärke und gab die letzten paar
Sequenzen an die Matrix weiter und zog sich ohne weitere Verzögerung
von der Schnittstelle zurück. Einen Moment später, und er wäre ein
schreiendes Bündel Fleisch gewesen, das seine Körperöffnungen nicht
mehr unter Kontrolle hatte und von den Cops einfach eingesammelt
werden brauchte.

Doch so lenkte er durch das Gewirr von Fangschaltungen,
Sicherheitsprogrammen und zuwachsendem Ice, wich Securityridern aus,
die ihm nachsetzten und hielt seine gesamte Erfahrung dagegen, um nicht
ins Ice zu kracken. Er orientierte sich kurz und flog hinauf zu dem
Accessgate, das aus der Pyramide hinaus auf die Securitymatrix führte.
Hätte er jetzt ausgesteckt, wäre der Rückkopplungseffekt für sein Gehirn
verheerend gewesen. Nein, er musste einen ordentlichen Getout hinlegen,
wollte er nicht in einer Nervenheilanstalt für kaputte Rider enden.

Als er das Gate passierte, wusste er, dass der Tanz jetzt erst richtig
losging...

*

Draussen, auf der anderen Seite vom Schirm, zuckten Starks Finger
nervös über die Tastatur des Terminals. An seiner Konsole, die mit
verschiedenen Modulen bestückt war, blinkten etliche Dioden ein
hektisches Stakkato.
“Susan...“
“Ich seh´s. ´ndwas stimmt nicht. Wir machen uns bereit!“
Hog kramte in seinen Taschen und klaubte ein paar Ampullen heraus, die
er vor sich auf den nassen Boden stellte. Eine Schale, ein Trichter und
einige kleine Leichtmetallbehälter folgten. „Ich gehe davon aus, dass das
Fahrzeug hierher kommt und Security ausspucken wird. Wenn dem so ist,
ist das Ding gepanzert, also verpacken wir denen besser die volle Ladung.“
“Hog, red nicht, mach hin.“ Susan checkte ihre Waffen, spannte ihre
Pfeilpistole und machte einige der Universalpfeile einsatzbereit, indem sie
die Leichtmetallbehälter aufschraubte, die Hog ihr reichte.
“Scheissescheissescheissescheisse... wir kriegen echt Besuch...“
Dort, wo die Strasse endete und auf eine Querverbindung traf, konnte man
nun das brummen eines schweren Motors und das Abrollgeräusch
gepanzerter Reifen hören. Das Licht tanzte auf und ab, und schliesslich
stoppte ein grosser, schwarzer Wagen an der Einmündung. Auf der Susan
und Hog abgewandten Seite öffneten sich die Türen, und Männer in den
blau-roten Securityuniformen stiegen vorsichtig, sich nach allen Seiten
absichernd aus.
“Shit, die Squads.“
Susan wartete, bis die Männer der Spezialeinheit Squad sich langsam und
zögernd auf die stelle zubewegten, an der die drei Greeds sich aufhielten.
„Ich schätze, auf ein Ablenkungsmanöver können wir verzichten, Susan.
Schick ein paar Kracher los, vielleicht erwischen wir einen grossen Teil von
ihnen.“

Das Mädchen nickte. Sie liess sich fallen, rollte aus der Deckung, zielte und
schoss. Als die Detonation die Squadmänner zerriss, war sie schon wieder
zurückgeglitten und zog den nächsten Pfeil auf. Maschinenpistolen ratterten
und Hog erwiderte das Feuer.

“Ich glaube, hier kommen wir nicht mehr raus!“ brüllte er Susan zu.
“Gefällt dir dieser Spruch? Heb ihn dir für´s nächste mal auf!“, brüllte
Susan zurück.
“Allerdings befürchte ich, dass du recht hast.“, sagte sie etwas leiser.
“Was?“
„Schiess lieber, frag nicht.“ Sagte sie wieder laut.

*

Stark bekam nur am Rande etwas von der Schiesserei mit, er hatte andere
Probleme. Vierhundert Verfolger hatte er abschütteln können, indem er
das Accessgate zur Securitymatrix sprengte, so dass seine Gegner für
Sekunden gefangen waren, bis der neue Code geknackt war, aber drei von
ihnen waren ihm gefolgt und hingen jetzt an seiner Spur. Seine Tarnkappe
nutzte ihm nichts mehr, und die Kampfsoftware war der seiner Gegner klar
unterlegen. Die Lösung seines Problems war einfach. Er musste schneller
sein als die anderen und das Accessgate erreichen, durch das er
gekommen war. Er konnte es schaffen. Trotzdem bereitete er sich innerlich
auf das schlimmste vor. Auf das, was ihn draussen erwarten würde.

*

Die Zellentür öffnete sich, und die Wärter packten die vier gefangenen.
„Ihr seid frei. Die Strafe und die Kautionen sind bezahlt. Ihr könnt gehen.“
Einer der Wärter injizierte jedem ein Gegenmittel, und sofort begannen
sich die Körper der vier zu bewegen. Frei... also hatten es die Greeds
geschafft. Sie wurden von ihren Aufsehern bis nach draussen geleitet, und
als die Tür sich hinter ihnen schloss, atmeten sie auf. Frei... sie konnten
gehen, wohin sie wollten. Und das taten sie auch.

*

Stark hatte es mit knapper Not geschafft. Er war den Ridern entkommen,
er war erschöpft und müde, aber er kämpfte mit seinen Freunden gegen
die Squads, um seine Haut zu retten.
“Wenn kein Wunder geschieht, haben wir Scheisse am Arsch kleben!“
“Red nicht soviel, gib mir die Bombe...“ Stark warf die Plastikkugel, die
Hog ihm gab, in Richtung Auto. Sie detonierte, aber das gepanzerte
Fahrzeug schluckte die Explosion und schützte so die Männer, die sich auf
der anderen Seite des Wagens verschanzt hatten. So ging der Kampf
weiter.
“Das war´s, Leute, mehr Chemie hab ich nicht!“
“Dann schiess! Oder wirf mit deinen Waffen.“
Susan hatte ihre Pfeile verschossen. Stark schob das letzte Magazin in sein
AK-57 und die Taschen an Hogs Patronengurt waren ebenfalls leer.
“Sieht verdammt beschissen aus. Noch eine Minute, und die spaziern ganz
gemütlich hier rüber und machen uns fertig.“
“Erzähl nicht solche Sachen.“
In den letzten zwanzig Minuten hatten sie all ihre Munition verschossen,
und sie wussten, welches Schicksal auf sie wartete, wenn die Squad sie
erwischte.
“Ich hab noch drei Patronen...“, sagte Susan.
“Heb sie gut auf. Vielleicht brauchen wir sie heute noch für etwas...“
Während des Kampfes hatten sie ihre Waffen dreimal schweigen lassen.
Beim ersten und zweiten mal waren die Squads noch darauf
hereingefallen. Vier hatten sie auf diese Art erwischt. Es blieben noch fünf,
die beim dritten mal ebenfalls das Feuer einstellten. Nach einigen Minuten
hatte Stark vorsichtig um die Ecke geschaut, um sich ein Bild von der
Situation zu machen. Es hatte ihn fast das Leben gekostet. Doch nun sah
es so aus, als ob eine der drei Patronen von Susan der einzige Weg für ihn
wäre, sich der Verhaftung zu entziehen...
“Letzte Patrone“
“Magazin leer“
“Susan.....“
Ihre Waffen schwiegen. Die der Gegner ebenfalls.
Susan hob langsam ihre Waffe.
“Wer zuerst?“
Schweigen.
Schritte.
Ein Geräusch. Ein Klicken. Ein Fauchen, das zu schmerzhafter Lautstärke
anschwoll.
Eine Hitzewelle rauschte an der Nische vorbei und versengte Starks Haare.
“Was zum...“
Schlagartig wurde es wieder still. Totenstill. Eine Stimme zerbrach die
Stille.
“Susan. Stark. Lebt ihr? Hog?“
Die drei sahen sich ratlos an.
“Das ist Shadow.“
Die Drei traten aus ihrer Deckung und begrüssten stürmisch den Freund,
der ihnen da entgegenkam.
“Shadow. Das war knapp tot. Wo kommst du her?“
“Naja, da waren ein paar Cyberpunks, die ich gut kenne. Spazierten in
meinen Laden und meinten, dass drei ihrer Freunde womöglich ein Problem
mit Squads kriegen könnten, ihretwegen. Na ja, unsre Rider haben ein
paar heftige Scharmützel auf der Matrix in der Securityebene gescannt.
Naja, einer meinte, das wäre Starks Handschrift. Also, wir traceten den
Weg, den die Secures nahmen und schon hatten wir eure Spur. Als wir
dann noch Kampfechos auf die Lauscher kriegten, konnte ich eins und eins
zusammenzählen und kam mit ein paar Leuten hierher. Aber jetzt sollten
wir verschwinden, den Rest erzähl ich euch später. Wir sind zwar schneller
als die Secs, die gleich hier auftauchen, aber lahmarschig sind die auch
nicht.“
So machten sich die Freunde auf, den Ort des Geschehens zu verlassen.
Als sie an dem glühenden Panzerwagenwrack vorbeigingen und die
schwelenden Leichen sahen, legte Hog eine Hand auf Shadow Schulter.
“Shadow.“
“Hog?“
“Danke. Auch von den anderen. Es tut gut, Freunde zu haben.“
“Ich weiss Hog. Ich weiss...“
 

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