tödliche Falle: Kapitalismus

Wie steht ihr zum modernen Kapitalismus?

  • Kapitalismus ist die beste Wirtschaftsform!

    Stimmen: 0 0,0%
  • Die soziale Marktwirtschaft sollte wieder vermehrt Einzug halten!

    Stimmen: 0 0,0%
  • Planwirtschaft und Kommunismus sind das einzig wahre!

    Stimmen: 0 0,0%

  • Umfrageteilnehmer
    0

Calileo

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Aus dem offiziellen Lexikon:

Kapitalismus: Wirtschaftssystem, in dem die Masse der Arbeitnehmer einer zahlenmässig kleineren, über die Produktionsmittel verfügenden Arbeitgeberschicht gegenüberstehen. Treibendes Motiv im kapitalistischen Wirtschaftssystem ist das Streben nach möglichst hohem Gewinn und wirtschaftlicher Macht.

Soweit der Lexikonsauszug.

In der heutigen Welt ist der Kapitalismus nicht eine Wirtschaftsform. Er ist schlichtweg Die Wirtschaftsform. In unserem Schulbuch sind der Planwirtschaft und anderen Formen des wirtschaftlichen Systems nur noch wenige Strophen gewidmet. Selbst diese letzten Vergleichsmöglichkeiten werden aus dem Unterrichtsstoff gestrichen.

Um es gleich vorne weg zu nehmen, ich bin kein Kommunist. Aber ich bin der Meinung, dass der Kapitalismus heute zu einer gefährlicheren Bedrohung für uns verkommen ist, als der Terrorismus.
Wenn wir die Zeitung aufschlagen, sehen wir immer und immer wieder die selben Meldungen. Meldungen, die davon berichten, dass Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, Sozialleistungen abgebaut werden und auf der anderen Seite Meldungen, die von den fetten Gewinnen der Konzerne und ihrer Götter, den Topmanagern berichten.
Interessanterweise sind dies die selben Managar, die auf der einen Seite Leute entlassen. Auf der anderen Seite aber nach einem Abbau des Staates schreien. Wohlwissend, dass durch den Abbau des Staates die Leute die sie eben entlassen haben, keine Unterstützung mehr bekommen.
Auch die vom Kapitalismus vorangetriebene Liberalisierung birgt manche Tücke in sich.
Die gestiegene Konkurrenz führt zu tieferen Preisen. Tiefere Preise bedeuten aber auch tiefere Löhne für die Angestellten. Daraus folgt eine tiefere Kaufkraft. Und diese gesunkene Kaufkraft bringt widerum eine höhere Konkurrenz. Die Liberalisierung ist eine endlose Abwärtsspirale, ein Teufelskreis.
Im weiteren bedeutet die Globalisierung in weiten Punkten nichts anderes, als die weltweite Ausbreitung der Kapitalwirtschaft, wie der Kapitalismus neuerdings auch genannt wird, um ihm den ersten Schrecken zu nehmen.
Früher prägte der Begriff soziale Marktwirtschaft Europa. Ein Zwischending zwischen Planwirtschaft und Kapitalismus. Offenbar scheinen diese guten Ansätze heute verloren. Und die Politik muss das Spielfeld für die neuen Herrscher räumen. So verwundert es nicht, dass viele Politiker nur gewählte Marionetten sind. Wer wirklich herrscht, das sind die Kader und grauen Eminenzen der Superkonzerne.
 

trashy

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im Kapitalismus gilt das Gesetz des Stärkeren, ist nur logisch, das die Schwächeren unterdrückt und vernachlässigt werden.
 

k_c

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adam smith: "der egoismus führt zum allgemeinwohl" (sofern man ihn steuert).
es dürfte eindeutig klar sein dass demokratie die beste staatsform ist, über die wir im moment verfügen. ich will nichts ausschließen dass es in der zukunft andere, noch nicht dagewesene geben wird, aber bleiben wir auf dem boden der tatsachen, daher kann man solche wie anarchie oder kommunismus nach marx ausschließen.
die einzige wirtschaftsform, die sich bislang als mit der demokratie verträglich erwiesen hat, ist der kapitalismus, da er ja zudem auf den freiheiten der demokratie aufbaut.
 

Ein_Liberaler

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Zunächst mal zu dem Lexikonauszug: Macht, in dem Sinne, einen anderen zu etwas zwingen zu können, kann und darf es in einer freien Marktwirtschaft nicht geben. Im Gegenteil beruht die Marktwirtschaft auf freiwilliger Kooperation und gegenseitigem Nutzen. (Welches Lexikon ist übrigens das offizielle?)

Ich bestreite, daß die freie Marktwirtschaft die herrschende Wirtschaftsform ist. In Deutschland beträgt die Staatsquote an die 50%, in den anderen europäischen Staaten ist es nicht viel anders. In Dänemark zahlt ein Durchschnittsverdiener 40% Steuern, 25% Mehrwertsteuer kommen noch hinzu. Im Mittelalter hätte das sofort zu einem Bauernaufstand geführt.

Wenn trotzdem allerorten Not herrscht, Kinder- und Altersarmut, Arbeitslosigkeit und Zweiklassenmedizin*, wenn kaum jemand über Wohneigentum verfügt, ist es wohl erlaubt, von einem grandiosen Scheitern des Umverteilungsstaates zu sprechen.

Ich glaube daher, daß es uns in einem System, das der freien Marktwirtschaft, dem Laissez-faire-Kapitalismus, näherkäme, besser ginge.

*Diese Behauptungen finde ich übertrieben, sie werden aber immer wieder von Gegnern der Marktwirtschaft vorgebracht.
 

Sensoe

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Kapitalismus funktioniert nur solange ein stetiges Wachstum vorhanden ist.
Wachstum beruht immer auch auf dem Verbrauch von Ressourcen.
Da aber nicht sämtliche Ressourcen endlos vorhanden sind,dürfte auch der Kapitalismus irgendwann zu Ende sein.Er wird sich quasi selbst kaputt wachsen.Hat jedenfalls mein VWL-Prof. behauptet.
 

Ein_Liberaler

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Das ganze Leben basiert auf dem Verbrauch von Ressourcen. In einer Marktwirtschaft werden sie am ehesten sinnvoll eingesetzt, nämlich da, wo der Ertrag am höchsten ist.

Einge der größten Erfolge des Kapitalismus beruhen darüberhinaus auf der Nutzbarmachung von Ersatzstoffen, zum Beispiel Baumwolle statt Wolle und Leinen, Kunstfasern statt Baumwolle, Platik statt Glas, Horn, Holz und Eisen, Glasfaserkabel statt Kupferkabel, Dünger statt Ackerland, Rübenzucker statt Rohrzucker. Bisher ist der Kapitalismus noch mit jeder Knappheit fertig geworden.

Drittens kann es auch Wachstum ohne höheren Ressourcenverbrauch geben. Statt mehr vom Gleichen kann man auch Komplizierteres in gleicher Menge herstellen, zum Beispiel genauere Uhren oder bei gleichem Verbrauch schnellere Autos.
 

Franziskaner

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Ein_Liberaler schrieb:
In Dänemark zahlt ein Durchschnittsverdiener 40% Steuern, 25% Mehrwertsteuer kommen noch hinzu. Im Mittelalter hätte das sofort zu einem Bauernaufstand geführt.

Wenn du den Steuersatz in Dänemark erwähnst, hätte ich es gut gefunden, wenn du auch dazu sagen würdest, was mit dem Geld dort gemacht wird (ein Beweis, dass ein modern geführter Wohlfahrtsstaat möglich ist):

- Freie Gesundheitsversorgung
- garantierte Kinderbetreuung ab dem vollendeten 1. Lebensjahr, bis hin zu Tag-/Nacht-Betreuung
- sinnvolle Qualifizierung von Arbeitslosen
- Häusliche Betreuung von Senioren bzw. kostenfreie Unterbringung in Alten- und Pflegeheimen wo nötig
- uvm.

Glaube kaum, dass man das mit dem Mittelalter vergleichen sollte... :wink:
 

Ein_Liberaler

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Ein modern geführter Wohlfahrtsstaat, dem so viele junge Leute auswandern, daß man überlegt, Auswanderungswilligen nachträgliche Studiengebühren abzuverlangen.

Ein typischer Wohlfahrtsstaat, in dem man zahlt, ohne je eine Gegenleistung zu sehen, wenn die Eltern früh sterben und man keine Kinder bekommen kann.

Ein Staat, in dem 40% der Erwachsenen auf die eine oder andere Weise auf Staats-, also Steuerzahlerskosten leben.

Im Mittelalter hätte man die Verantwortlichen durch die Spieße gejagt.

http://www.mises.org/fullarticle.asp?control=1274&id=66
 

Franziskaner

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Tja Liberaler, viele Leute mit deinem Namen als Überbegriff meinen, Solidarität hiesse, dass man mindestens so viel rausbekommen muss, wie man eingezahlt hat.

Ein fataler Irrtum. Aber wenn du dich näher mit dem Begriff beschäftigst, wirst du feststellen dass Solidarität nichts mit Verzinsung zu tun hat.

Aber viel mit den Begriffen Fürsorge, Menschlichkeit, Verantwortungsgefühl, Sinn für Gerechtigkeit und Mitgefühl.

Dinge, die sich selbstverständlich nicht markt- oder betriebswirtschaftlich erfassen lassen.

Ein Staat, in dem 40% der Erwachsenen auf die eine oder andere Weise auf Staats-, also Steuerzahlerskosten leben.

Und? Wenns funktioniert, wo liegt das Problem? Das die, die etwas haben anderen etwas abgeben? Im übrigen werden - wenn wir Erwachsene in Ausbildung (Studium, Umschulung), Arbeitslosigkeit, Sozialhilfeempfänger, Hausfrauen/Hausmänner, Rentner und Frührentner zusammenrechnen - auch in Deutschland 40% der Erwachsenen irgendwie vom Gemeinwesen gestützt.

Wenn wir also wieder nur über nackte Zahlen reden, nimmt sich das nichts.

Im Mittelalter hätte man die Verantwortlichen durch die Spieße gejagt.

Du und dein Mittelalter. Du solltest mal so langsam im 21. Jahrhundert ankommen.

Zu deiner Quelle:
The Ludwig von Mises Institute is the research and educational center of classical liberalism, libertarian political theory, and the Austrian School of economics.

Na sowas...
 

Pfeifenkopf

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Um zu verstehen, inwiefern der Kapitalismus Einfluss auf den heutigen Zustand der Erde hatte und hat, muss man mindestens bis zum Mittelalter zurückgehen. Der Vater des modernen Kapitalismus ist der Krieg.

KRISIS schrieb:
Die Geschichte der Moderne ist die Durchsetzungsgeschichte der Arbeit, die auf dem ganzen Planeten eine breite Spur der Verwüstung und des Grauens gezogen hat. Denn nicht immer war die Zumutung, den größten Teil der Lebensenergie für einen fremdbestimmten Selbstzweck zu vergeuden, derart verinnerlicht wie heute. Es bedurfte mehrerer Jahrhunderte der offenen Gewalt im großen Maßstab, um die Menschen in den bedingungslosen Dienst des Arbeitsgötzen buchstäblich hineinzufoltern.

Am Anfang stand nicht die angeblich "wohlfahrtssteigernde" Ausdehnung der Marktbeziehungen, sondern der unersättliche Geldhunger der absolutistischen Staatsapparate, um die frühmodernen Militärmaschinen zu finanzieren. Nur durch das Interesse dieser Apparate, die erstmals in der Geschichte die ganze Gesellschaft in einen bürokratischen Würgegriff nahmen, beschleunigte sich die Entwicklung des städtischen Kaufmanns- und Finanzkapitals über die traditionellen Handelsbeziehungen hinaus. Erst auf diese Weise wurde das Geld zu einem zentralen gesellschaftlichen Motiv und das Abstraktum Arbeit zu einer zentralen gesellschaftlichen Anforderung ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse.

Nicht freiwillig gingen die meisten Menschen zur Produktion für anonyme Märkte und damit zur allgemeinen Geldwirtschaft über, sondern weil der absolutistische Geldhunger die Steuern monetarisiert und gleichzeitig exorbitant erhöht hatte. Nicht für sich selbst mußten sie "Geld verdienen", sondern für den militarisierten frühmodernen Feuerwaffen-Staat, seine Logistik und seine Bürokratie. So und nicht anders ist der absurde Selbstzweck der Kapitalverwertung und damit der Arbeit in die Welt gekommen.

Bald genügten monetäre Steuern und Abgaben nicht mehr. Die absolutistischen Bürokraten und finanzkapitalistischen Verwalter machten sich daran, die Menschen direkt als das Material einer gesellschaftlichen Maschine für die Verwandlung von Arbeit in Geld zwangsweise zu organisieren. Die traditionelle Lebens- und Existenzweise der Bevölkerung wurde zerstört; nicht weil diese Bevölkerung sich freiwillig und selbstbestimmt "weiterentwickelt" hätte, sondern weil sie als Menschenmaterial der angeworfenen Verwertungsmaschine herhalten sollte. Die Menschen wurden mit Waffengewalt von ihren Feldern vertrieben, um der Schafzucht für die Wollmanufakturen Platz zu machen. Alte Rechte wie das freie Jagen, Fischen und Holzsammeln in den Wäldern wurden abgeschafft. Und wenn die verarmten Massen dann bettelnd und stehlend durch die Lande zogen, wurden sie in Arbeitshäuser und Manufakturen eingesperrt, um sie mit Arbeitsfoltermaschinen zu malträtieren und ihnen ein Sklavenbewußtsein von gefügigen Arbeitstieren einzuprügeln.

Aber auch diese schubweise Verwandlung ihrer Untertanen in das Material des geldmachenden Arbeitsgötzen reichte den absolutistischen Monsterstaaten noch lange nicht. Sie dehnten ihren Anspruch auch auf andere Kontinente aus. Die innere Kolonisierung Europas ging einher mit der äußeren, zuerst in den beiden Amerika und in Teilen Afrikas. Hier ließen die Einpeitscher der Arbeit endgültig alle Hemmungen fallen. In bis dahin beispiellosen Raub-, Zerstörungs- und Ausrottungsfeldzügen fielen sie über die neu "entdeckten" Welten her - galten doch die dortigen Opfer noch nicht einmal mehr als Menschen. Die menschenfressenden europäischen Mächte der heraufdämmernden Arbeitsgesellschaft definierten die unterjochten fremden Kulturen als "Wilde" und - Menschenfresser.

Damit war die Legitimation geschaffen, sie auszulöschen oder millionenfach zu versklaven. Buchstäbliche Sklaverei in der kolonialen Plantagen- und Rohstoffwirtschaft, die in ihren Dimensionen noch die antike Sklavenhaltung übertraf, gehört zu den Gründungsverbrechen des warenproduzierenden Systems. Hier wurde zum ersten Mal die "Vernichtung durch Arbeit" im großen Stil betrieben. Das war die zweite Grundlegung der Arbeitsgesellschaft. An den "Wilden" konnte der weiße Mann, der schon gezeichnet war von der Selbstdisziplinierung, seinen verdrängten Selbsthaß und Minderwertigkeitskomplex austoben. Ähnlich wie "die Frau" galten sie ihm als naturnahe und primitive Halbwesen zwischen Tier und Mensch. Immanuel Kant mutmaßte messerscharf, daß Paviane sprechen könnten, wenn sie nur wollten; sie täten es nur deshalb nicht, weil sie sonst befürchten müßten, zur Arbeit herangezogen zu werden.
Quelle

Ich meine, wir sollten uns schleunigst nach Alternativen umsehen. Leider definieren sich aber heutzutage so viele Menschen fast ausschliesslich über die Erwerbsarbeit, dass eine Diskussion nicht einfach ist.
Wenig hilfreich ist ausserdem die ständige Litanei neoliberaler Glaubenssätze, die uns aus den Medien entgegenbrandet.
Überlegt mal, wofür haben wir überhaupt ein Wirtschaftssystem? Doch wohl, um die Bedürfnisse der Menschen zu decken und ihnen ein vernünftiges Leben zu ermöglichen. Unsere "Wirtschaftsweisen" machen uns nun weis, dass wir alle "den Gürtel engerschnallen" müssen, damit es "der Wirtschaft" (wieder) gutgeht und damit uns allen.
Paradox? Paradox!
Man versucht, die durch die soziale Marktwirtschaft geschaffenen Erleichterungen für die Menschen wieder rückgängig zu machen und tut das zunehmend dreister, da das grosse Schreckgespenst des Kommunismus besiegt, diskreditiert und auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet ist.

Noch ein kleines Rätsel:

In einer Stadt mit 100 000 Wohnungen werden jedes Jahr 4 000 zusätzliche Wohnungen gebaut.
Wie gross ist das jährliche Wachstum in den Begriffen der gängigen Wirtschaftstheorie?
 

MrMister

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In einer Stadt mit 100 000 Wohnungen werden jedes Jahr 4 000 zusätzliche Wohnungen gebaut.
Wie gross ist das jährliche Wachstum in den Begriffen der gängigen Wirtschaftstheorie?

Auch wenn es zu einfach wäre, rate ich mal ins Blaue: 4%?
 

Pfeifenkopf

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Es handelt sich um das berühmte NULLWACHSTUM. Für ein jährliches Wachstum von 4% (nach Definition der Wachstumstheorie) müssten im ersten Jahr 4 000 Wohnungen neugebaut werden, im zweiten Jahr 4160, im dritten 4326 etc... Zinseszins ;) Nach gängigem Verständnis hast Du natürlich recht und es wird auch von allen so verstanden. Die üblichen Statistiken und Prognosen beruhen aber auf dieser Definition. Es wird also quasi eine Dimension der Exponentialität unterschlagen.

edit:
Quelle (bin kein Wirtschaftswissenschaftler): Günther Moewes "Weder Hütten noch Paläste. Architektur und Ökologie in der Wachstumsgesellschaft."
 

samhain

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@Pfeifenkopf

ja, der "krisis"-text trifft den nagel auf den kopf. die haben übrigens auch noch viele andere interessante texte zum thema.

Ich meine, wir sollten uns schleunigst nach Alternativen umsehen. Leider definieren sich aber heutzutage so viele Menschen fast ausschliesslich über die Erwerbsarbeit, dass eine Diskussion nicht einfach ist.

mal sehen, wie lange die doch schon reichlich perforierte blase noch hält...

Go East: Die Lohnkarawane deutscher Unternehmen

Siemens z.B. will es billig. Der Konzern droht dieser Tage, mehr als 10.000 Arbeitsplätze in Niedriglohnländer zu verlagern. Je östlicher, je lohnender.

In der folgenden Reportage zeigen wir Ihnen, wie die Lohnkarawane - längst - funktioniert. Der Bochumer Textilunternehmer Steilmann verkündete jetzt die Schließung seiner letzten deutschen Produktionsstätte. Der Grund: Näherinnen in Deutschland sind zu teuer, die Produktion wandert ab nach Ost-Europa.

Andreas Maus folgte der Lohnkarawane - bis nach Moldawien. Und erlebte, wie die Ware Arbeitskraft von Land zu Land billiger wird."

...Sabine Wöhler, Angestellte bei Steilmann: "Da kamen die aus heiterem Himmel. Auftragsbücher voll, die Regale voll, und auf einmal wird gesagt: Hier wird zugemacht. Weil wir zu teuer sind, so wurde es uns gesagt. Nicht, dass er bankrott geht oder dass er kein Geld mehr hat, Insolvenz, da verdient er eindeutig und dann auch noch Rumänien geht, und dass es da billiger ist."


900 Euro netto im Monat bekommt eine Arbeiterin, nicht viel für die extrem anstrengende Arbeit, aber zuviel für Steilmann.


Rüdiger Knaup, Steilmann GmbH: "Deshalb sind wir schlicht und ergreifend aus Marktbedingungen gezwungen, im Ausland zu fertigen, wo die Löhne günstiger sind."

Das Standardargument vieler Unternehmer....

http://www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bid=572&sid=111

und so gehts dann weiter:

in rumänien brauchen sie dann nur noch 150,-€ für über 50 stunden pro monat zu löhnen, was aber auch zuviel ist:

Rüdiger Knaup, Steilmann GmbH: "Auch dort gibt es für Rumänien, aus rumänischer Sicht, ausländische Konkurrenz, beispielsweise aus Weißrussland, aus der Ukraine, wo die Fertigungslöhne noch geringer sind, und auch da ergibt sich eine Situation, wo die Rumänen natürlich sehen müssen, dass sie ihre Produktivität weiter steigern und diesen Prozess vermeiden, sonst wird auch dieses Produktionsland für die Bekleidungsindustrie irgendwann nicht mehr attraktiv sein, weil es zu teuer ist."

"produktivität" steigern...vielleicht 70 stunden die woche?
vielleicht einfach gleich am arbeitsplatz bleiben und zwischendurch nur ein kurzes nickerchen machen?

aber auch das wird nichts nützen, geht es doch noch billiger (geiz ist ja bekanntlich geil), weshalb man sich schon richtung moldavien, dem armenhaus europas, orientiert hat:

Wir sind in der Fabrik "Balteanca". Und wieder treffen wir eine alte Bekannte. Die Firma Steilmann. Auch in Balti lässt der Bochumer Konzern arbeiten. 600 Frauen und Männer nähen, schneidern und bügeln hier. Und für die gleiche Arbeit wie in Cottbus oder Craiova gibt's wieder weniger Geld. Für etwa 30 Cent die Stunde geht hier die Arbeit über den Tisch. Wer sich anstrengt, kommt dann auf 80 Euro im Monat.

und hinter dem horizont gehts bestimmt noch weiter...


Überlegt mal, wofür haben wir überhaupt ein Wirtschaftssystem? Doch wohl, um die Bedürfnisse der Menschen zu decken und ihnen ein vernünftiges Leben zu ermöglichen. Unsere "Wirtschaftsweisen" machen uns nun weis, dass wir alle "den Gürtel engerschnallen" müssen, damit es "der Wirtschaft" (wieder) gutgeht und damit uns allen.
Paradox? Paradox!

gute grundsatzfrage...
[/quote]
 

Pfeifenkopf

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@samhain: Ich halte die Krisis-Texte für sehr wichtig - nur leider schreiben diese Leute in einem so gepfefferten akademischen Stil dass es teilweise wirklich mühsam ist, da durchzusteigen. Die sollten sich mal nen Übersetzer zulegen um ihr Zeug einem grösseren Publikum zugänglich zu machen ;)

Zu Steilmann: Es geht auch problemlos anders, dieser angebliche Zwang zum Outsourcing ist auch unter den momentanen Bedingungen durchaus nicht alternativlos.
Ich habe eben in der brandneuen De:Bug einen Artikel über die T-Shirt-Produktionsfirma "American Apparel" aus Los Angeles gelesen. Der Chef, ein 35jähriger Kanadier namens Dov Charney, produziert ausschliesslich im Inland, zahlt ungefähr das doppelte des Mindestlohnes, bietet Krankenversicherung, Sprachkurse und sonstigen "Wohlfahrtsschnickschnack" - und hat seine Firma in vier Jahren zum grössten T-Shirt-Produzenten der USA gemacht.

Dov Charney schrieb:
Mir ging es zunächst nicht darum, nur in den USA zu produzieren. Ich experimentierte mit allem: Produktion in den USA, Produktion in der Dominikanischen Republik, gemischte Produktion. Über die Arbeiter machte ich mir nicht zu viele Gedanken. Mir ging es erstmal um den eigenen Arsch. Doch im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass ich die Qualität nur durch vertikales Integrieren kontrollieren konnte. Nur inden ich alles in meiner eigenen Fabrik herstellte, konnte ich die Qualität kontroliieren und die Arbeiter schulen. Ihnen erklären: Wir versuchen, die besten T-Shirts der Welt zu machen. Wir sind bereit, euch dafür die bestmöglichen Löhne zu zahlen. Dies ist nicht der beste aller Jobs, wir wollen euch nichts vormachen, aber wir wollen uns um euch kümmern.
Die Linke geht davon aus, dass Unternehmen sich von Habsucht leiten lassen. Und sie haben natürlich Recht. [...] Aber wenn es im Interesse einer Firma ist, vertikal zu integrieren und den Arbeitern in der Produktion wieder ein Gesicht zu geben - dann ist das ein grossartiger Beweis. Nicht dafür, das Outsourcing vorbei ist, sondern dass Outsourcing nicht die einzige aller Lösungen ist. Ich muss nicht wie die meisten anderen Bekleidungshersteller meine gesamte Existenz auf Ausbeutung gründen.
[...]
Was passierte, als alle ihre Produktion ins Ausland verlagert haben? Sie verloren den Gebrauchswert der Kleidung aus den Augen. Sie setzten auf Brands, anstatt auf das Produkt zu vertrauen.
[...]
Was turned uns an? Gutes Design. Substanz. Wir mögen keine Marken. Wenn wir eine Marke mögen, dann weil das Produkt gut ist. Wir mögen die Ausbeutung der dritten Welt nicht. Wir glauben nicht an Staatsgrenzen. Wir respektieren einander. Das ist es, was American Apparel ausmacht.

Skurril - LA entdeckt den rheinischen Kapitalismus und bei uns wird rumgemerkelt!
 

samhain

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@Pfeifenkopf

Ich halte die Krisis-Texte für sehr wichtig - nur leider schreiben diese Leute in einem so gepfefferten akademischen Stil dass es teilweise wirklich mühsam ist, da durchzusteigen. Die sollten sich mal nen Übersetzer zulegen um ihr Zeug einem grösseren Publikum zugänglich zu machen

sehe ich genauso.

mich ärgert das auch gewaltig- weil ich mich frage- wen wollen sie damit letztendlich erreichen, wenn man, um beim text durchzusteigen, immer den duden zücken muss.

Es geht auch problemlos anders, dieser angebliche Zwang zum Outsourcing ist auch unter den momentanen Bedingungen durchaus nicht alternativlos.

na aber sicher geht es anders...ist alles nur einstellungssache.
nur leider tendiert die momentane (und wohl auch langfristige...bis sie merken, das sie auf ihren waren sitzen bleiben, wenn niemand mehr das geld hat, sie zu kaufen) wirtschaftliche einstellung definitiv in eine ganz andere richtung.
billig, billig eben.
menschen zählen da nicht, werden höchstens als wie auch immer verwertbares material angesehen.

merkwürdige logik:

arbeiten (wenn's noch was gibt) bis zum umfallen für immer weniger lohn- ausbau des NIEDRIGlohnsektors= 400,-€ pro monat, arbeitslosenhilfe unter sozialhilfeniveau=345,-€ west/331,-€ ost, aber gleichzeitig die wirtschaft ankurbeln sollen, die sich doch schon längst im abgehobenen börsenwolkenkuckucksheim angesiedelt hat, in dem es den wenigen umso besser geht , je mehr es den vielen schlechter geht (entlassungen treiben den kurs steil nach oben).

das alles wird letztendlich nicht an der erkenntnis vorbeiführen, das lohnarbeit, wie sie heute definiert wird, an ihrem ende angelangt ist.
die bosse brauchen einen nicht mehr , es wird automatisiert, rationalisiert, "outgesourct" und wie sich das noch so nennt.

eigentlich ein grund zum jubeln, wäre da nicht das verteilungs"problem"...

mal sehen, wie lange diese rechnung noch aufgeht...
 

JCDenton

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ein kleines, aber sehr treffendes zitat eines kapitalisten :

"Die Schwachen müssen sich verändern oder sterben", forderte der Daimler-Chrysler-Vorsitzende Robert J. Eaton im Juli 1999 bei einem Kolloquium der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft mit dem Motto "Der Kapitalismus im 21. Jahrhundert"....


http://www.kritische-psychologie.de/texte/tg2000a.html
 

semball

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Anmerkung zur Umfrage:

Lob an den Threadersteller:
Sehr gut durchdachte Antwortmöglichkeiten!

Es ist auch sehr schön zu sehen, dass die soziale Marktwirtschaft die höchste Wertschätzung genießt.
Traurig allerdings, dass einige User hier den ungezügelten Kapitalismus preferieren und einige noch nicht begriffen haben, dass Planwirtschaft nicht richtig funktioniert.

gruss semball

[offtopic]
Habt ihr die letzte Ausgabe von "Monitor" gesehen?
Da wurde eindeutig und klar verständlich vorgerechnet, dass die Steuerpläne der Union die Armen und Schwachen gravierend härter treffen und das soziale Gleichgewicht extrem unausgeglichener machen würde, als dies die Reformagenda der Regierung jemals tun könnte.
Das sollte allen eine Lehre sein, die meinten, als Linker könnte man die Agenda nicht unterstützen und die meinen, die Aussagen "So sozial wie nötig" und "So sozial wie möglich" seien identisch...
[/offtopic]
 

Ein_Liberaler

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Franziskaner schrieb:
Tja Liberaler, viele Leute mit deinem Namen als Überbegriff meinen, Solidarität hiesse, dass man mindestens so viel rausbekommen muss, wie man eingezahlt hat.

Ein fataler Irrtum. Aber wenn du dich näher mit dem Begriff beschäftigst, wirst du feststellen dass Solidarität nichts mit Verzinsung zu tun hat.

Aber viel mit den Begriffen Fürsorge, Menschlichkeit, Verantwortungsgefühl, Sinn für Gerechtigkeit und Mitgefühl.

Dinge, die sich selbstverständlich nicht markt- oder betriebswirtschaftlich erfassen lassen.

Ein Staat, in dem 40% der Erwachsenen auf die eine oder andere Weise auf Staats-, also Steuerzahlerskosten leben.

Und? Wenns funktioniert, wo liegt das Problem? Das die, die etwas haben anderen etwas abgeben? Im übrigen werden - wenn wir Erwachsene in Ausbildung (Studium, Umschulung), Arbeitslosigkeit, Sozialhilfeempfänger, Hausfrauen/Hausmänner, Rentner und Frührentner zusammenrechnen - auch in Deutschland 40% der Erwachsenen irgendwie vom Gemeinwesen gestützt.

Wenn wir also wieder nur über nackte Zahlen reden, nimmt sich das nichts.

Im Mittelalter hätte man die Verantwortlichen durch die Spieße gejagt.

Du und dein Mittelalter. Du solltest mal so langsam im 21. Jahrhundert ankommen.

Zu deiner Quelle:
The Ludwig von Mises Institute is the research and educational center of classical liberalism, libertarian political theory, and the Austrian School of economics.

Na sowas...

Das Problem: Mit wem ich solidarisch bin, entscheide ich gerne selbst.

Daß ich das dänische Sozialministerium als Quelle angeben würde, hast Du wohl kaum angenommen.
 

Ein_Liberaler

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Wenn die Leute von Krisis gegen den Kapitalismus sind, sollten sie mal ein paar Argumente dagegen suchen, und nicht gegen die absolutistische Kommandowirtschaft.

Und daß ein Hersteller in Amerika für teuer Geld die "besten T-Shirts der Welt" gewinnbringend herstellen kann, während andere in Billiglohnländern T-Shirts erzeugen, die sich auch arme Leute leisten können, ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie der Kapitalismus letzlich jede Marktlücke schließt und allen nützt, Reichen wie Armen.
 
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