Psychokonditioning über Erfolgs-Motivations-Coaching

InsularMind

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Okay, ich habe nun diverse Begriffe in der Suche versucht, und nichts Passendes dazu gefunden, darum stelle ich das hier mal ein.

Es geht um diese Wellen an Erfolgs- und Motivations-Coaching, die hin und wieder und wie meist von amerikanischen Quellen ausgehen,und mit Bestseller-Büchern a 'la "10 Regeln zum Glück & Erfolg" oder Do-it-yourself-Anleitungen, oft auch Seminaren vermittelt werden. Oft spielt das mit Scientology-ähnlichem Aufbau und Hintergrundstrukturen, die allerdings bei näherem Hinsehen recht subtil verbreitet werden. Vielleicht kennt das Jemand. Vor einigen Jahren ging so etwas um, da waren besonders Unternehmer und Selbständig-Werdende drauf angesprungen. Im Augenblick gibt es wohl diese "John Strelecky"-Methode, die sogar von Firmen an Mitarbeiter weitergereicht wird, oder wo von neuen Bewerbern gewissermaßen erwartet wird, sich mit dieser Denkweise und der Philosophie dahinter intensiv auseinander zu setzen, wenn man dort zu arbeiten plant.
http://www.bigfiveforlife.com/book/

Was mir eine Bekanntschaft darüber berichtet, klingt für mich stark nach subtilem Psychokonditioning, also einer auf das Erste wenig auffälligen Art von Gehirn-Vorwäsche. Nun ist es ob der überwiegend positivierten Grundzüge solcher Motivierungsphilosophien nicht einmal unbedingt als schlimm zu nehmen, wenn sich die Leute mit diesem Konzept abgeben, weil etwa ein Bestreben davon sei, Leute in ihrem Arbeitsfeld an der für sie passenden Stelle einzusetzen, und dabei eine Art Psycho-Profiling anzustrengen, das auf die Wünsche und Hoffnungen der Mitarbeiter eingeht. Man kann es etwas fragwürdig finden, ob tieferen Einblicke in das Privatleben von MitarbeiterInnen, und/ oder deren mögliche Erreichbarkeit für Seminare außerhalb des Arbeitslebens bei der Firma, jene überhaupt etwas angehen können. Weiter hat mich ein Begriff gestört, der auf die Idee anspielt, jeder Mensch hätte angeblich einen bestimmten Einsatzzweck oder Verwertungszweck in der Gesellschaft, und es sei notwendig, herauszufinden, welchen Einsatzzweck ein Bewerber hätte... das mit der Verzweckung von Menschen hatten wir doch schon mal...:!:

Mich würde konkret interessieren, was da genau hinter steckt, oder ob es wirklich um eine Verbesserung des Umgangs mit Arbeitsbedingungen unter Einbezug der Persönlichkeit geht, oder ob da auf fein verdeckte Weise Geld durch Seminare verdient werden soll, auf die man die Mitarbeiter hinweist. Seltsam fand ich es schon, dass ein Firmeninhaber BewerberInnen ganz bestimmte Erfolgs-Motivierungs-Bücher mit gibt und immer wieder nachfragt, ob sie schon gelesen wurden, und was man davon so hielte. Das Ganze und die mir geschilderte Aufmachung dazu hat mich spontan an die Vorgehensweise bei Scientology erinnert. Ich bin kein Fan von Psychokonditioning irgendwelcher Art, insofern der Wunsch danach nicht eindeutig frei geboren wurde, und die Methode vollkommen harmlos ist, so, wie etwa eine anerkannte Therapieform. Aufgeschwafelte Wege zum puren Glück, dem Trend stehe ich eher skeptisch gegenüber.

Hierbei geht es um Bücher eines John P. Strelecky, wohl ein sehr erfolgreicher Autor, ich würde allerdings allgemein fragen, was von solchen Methoden zu halten ist, und ob Jemand damit eventuell Erfahrungen gemacht hat. Glaubt ihr, dass solche Neo-Glückstreffer-Ideologien uns wirklich zu erfolgreicheren, glücklicheren Menschen machen können, oder sieht sonst noch Jemand eine Gefahr hinter derartigen Strukturen-Bauten? Ist es nicht nur ein Reinfall, sich an solche überpositivierten Denkstrategien zu heften? Oder kommt es nur drauf an, wie plausibel einem die Idee verkauft wird, dadurch ein glücklicher, zufriedener Mensch zu werden, wenn man möglichst viele solche Bücher liest und / oder Seminare besucht? Was hat das Ganze im Bereich Arbeitswelt oder Mitarbeiter-Qualifikation eigentlich zu suchen?
Lebt nur die Firma, die diese Philosophie trägt und weiter vermittelt, nach der Philosophie, oder ist sie sogar Teil eines Marketing-Konzeptes, das eher die Seminare, die Bücher verbreitet?
 

Telepathetic

Großmeister
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Ich halte von Erfolgs- und Motivationscoaching nicht sehr viel, wenn mir das Ziel des Coachings von Außen vorgegeben wird. Ich denke also, dass der Kontext entscheidend ist. Abgesehen davon, ist ein gelungenes Leben meiner Erfahrung nach von mehr abhängig, als eine bestimmte Anzahl von Regeln einzuhalten. Dass Leben ist in vielen Bereichen unwägbar, die besten Pläne können durch ein kleines Ereignis durchkreuzt werden.

Der Idee, jeder Mensch hätte einen bestimmten Einsatzzweck, bin ich gar nicht mal negativ gegenüber eingestellt. Allerdings entscheidet auch hier der Kontext. In meinen Sinne kann diese Idee nur positiv sein, wenn ich davon ausgehe, dass jeder Mensch mit einem gewissen Talent geboren worden ist und sich die Ausübung dieses Talents auf eine positive Weise auf die Mitmenschen auswirkt. Ein Talent andere zu belügen, zu bescheißen und zu beklauen, kurz: in irgendeiner Weise zu schaden, ist in meinem Sinne also auch negativ.

Ich bin aber gegenüber allen diesen System skeptisch. Im Endeffekt leben die Erfinder dieser Systeme vom Verkauf ihrer Lehren. Es würde mich nicht wundern, wenn in diese Lehren absichtlich unerreichbare, lebensfremde Ideale eingebaut worden, damit der Verkauf weiterer Bücher und der Besuch weiterer Seminare notwendig wird.

Zwei Beispiele für Irrlehren aus dem Bereich Coaching:
- Der erste Eindruck lässt sich nicht mehr korrigieren. Klar, wer beim Vorstellungsgespräch sehr unhöflich rüberkommt, der wird wahrscheinlich keine Anstellung bekommen. Allerdings kann auch der erste gute Eindruck über die Zeit durch einen negativen ersetzt werden. Ist ja nicht so, dass Chef und Mitarbeiter nach dem Vorstellungsgepräch ihre Sinne ausschalten und eingegangene Signale nicht mehr überprüfen. Wer sich beim Vorstellungsgespräch verstellt, würde über die Zeit sein wahres Gesicht zeigen.

- Man solle sich ein Image aufbauen. An seinem Charisma arbeiten. Halte ich für falsch, da ein Image gute Eigenschaften vorspiegeln soll. Wenn dazu noch ein bestimmtes Image Pflicht wird, dann wird eine künstliche Distanz zu denjenigen, die dieses Image nicht pflegen, aufgebaut. Ich glaube nicht, dass künstliche Distanzen gut auf zwischenmenschliche Beziehungen wirken. Außerdem unterliegt der Mensch natürlichen Stimmungsschwankungen. Eine Hölle also, wenn man dem gewünschten Bild nicht entspricht.
 

Giacomo_S

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Vor ein paar Jahren - unser Geschäft (Digitaldruck) lief nicht gut - sah ich mich gezwungen, Telfonmarketing, sprich "Cold Calls" zu betreiben, um den Laden in Schwung zu halten. Nicht ganz dasselbe wie Coaching, aber zumindest ein verwandter Bereich.

Um nicht ganz im Leeren dazustehen, kaufte ich mir zum Thema drei Bücher. Zwei Publikationen, die umfangreichsten, waren ... in meinen Augen Schrott. Der theoretische Teil bestand aus oberflächlichen Allgemeinplätzen, der weitaus überwiegende Teil aus "klugen Antworten auf dumme Fragen" und war lexikalischer Natur.

Das dritte Buch, im Grunde nur ein schmales Taschenbuch, ging das Thema gänzlich anders an. Die Kernaussagen des Autors waren im Wesentlichen:

1. 75% aller Entscheidungen werden letztlich emotional gefällt, nur 25% rational.
2. Der Entscheider ist sich i.d.R. nicht bewusst, dass er eine emotionale Entscheidung gefällt hat. Denn die emotional gefällte Entscheidung begründet er sich selbst im Nachhinein rational (z.B. "er ist teurer, aber besser", "er braucht mehr Zeit, arbeitet aber sorgfältiger" usw.)
3. Das Ziel besteht darin, den Adressaten zunächst auf einer emotionalen Ebene zu gewinnen, um im Anschluss rationalen Argumenten mehr Gewicht verleihen zu können.
4. Es gibt drei Grundtypen, den "visuellen", "auditiven" und "motorischen" Menschen. Sie lassen sich durch die verwendete Sprache identifizieren (z.B. "ich sehe da ein Problem" (visuell), "wann höre ich von Ihnen" (auditiv) usw. usf.)
5. Ziel des Telefonmarketings ist es, durch konzentriertes Zuhören herauszufinden, welche Sprache der Adressat verwendet, um ihn als Angehöriger welchen Typus zu identifizieren.
6. Die Verwendung derselben Sprache schafft eine bessere emotionale Ausgangsbasis als Grundlage für spätere Rationalisierung der Entscheidungen.

Eine solche Vorgangsweise nötigt einem ein ordentliches Maß Konzentration und Disziplin ab. Und man muss es dokumentieren, für spätere Kontaktaufnahmen.
Funktioniert das ? Weiß nicht, in solcher Konsequenz habe ich das damals nicht geschafft. Plausibel finde ich es.
Ist das bereits Manipulation ? Vielleicht, allerdings meine ich, ein vorgebildeter oder auch nur kluger Ansprechpartner kann das auch schnell durchschauen. Und wenn er das durchschaut, kann sich der Versuch emotionaler Einflußnahme auch ganz schnell ins Gegenteil verkehren.
 

Telepathetic

Großmeister
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Giacomo_S schrieb:
Ist das bereits Manipulation ? Vielleicht, allerdings meine ich, ein vorgebildeter oder auch nur kluger Ansprechpartner kann das auch schnell durchschauen. Und wenn er das durchschaut, kann sich der Versuch emotionaler Einflußnahme auch ganz schnell ins Gegenteil verkehren.
Das sehe ich auch so. Und es ist auf alle Fälle eine Art der Manipulation, auf die ich sehr sauer reagieren würde, wenn mir bewußt würde, dass mein Gegenüber mich austricksen will. Bei den Cold Calls ist das ja noch recht einfach zu durchschauen, denn warum sonst, außer um was zu verkaufen, sollte mich ein Fremder anrufen und mich in ein Gespräch verwickeln wollen.

In die selbe Ecke wie Coaching und Telefon-Marketing geht auch Bewerber-Training. Da wird dann erklärt, wie man heutzutage eine Bewerbung schreibt, wissenschaftlich untermauert. (Das geht jetzt nicht gegen die Wissenschaft, sondern gegen das Argument, sobald das Etikett "wissenschaftlich irgendwas" draufsteht, ist es gut und jede weitere Diskussion erübrigt sich.) Für eine gute Bewerbung nimmt man am besten rotes Papier, da Rot eine Signalfarbe ist und wir wollen ja dass unsere Bewerbung heraussticht, nicht. (Was ist, wenn ein Personalchef rote Farbe nicht mag? An diesem Tag schon schlecht drauf ist und das Rot noch mehr reizt? Wenn er den Trick durchschaut und kein Interesse an Tricksern hat?) Außerdem hat man den Lebenslauf so zu schreiben, dass alles immer supi aussieht. (Auch, wenn man bei Nachfrage in Erklärungsnot geriete und entweder die Fakten schönreden müßte oder schlicht und einfach lügen. Macht immer einen guten Eindruck.) Und dann ist da ja noch die Bewerbermappe mit dem Deckblatt und dem Foto. Muß immer alles schön aussehen. (Wobei schön ja auch relativ ist und meiner Meinung nach ein Unternehmer zuallererst Mitarbeiter sucht, die die anfallende Arbeit erledigen können.)

Und dann gibt's da noch Telefon-Bewerbungs-Training. Weil ja alle Menschen immer gleich sind, muß natürlich ein wissenschaftlich irgendwas Telefon-Bewerbungs-Training immer zum Erfolg führen. Und das ist die Crux an der Sache: Menschen sind eben nicht gleich, und Bewerbungserfolg, bzw. Erfolgs-Erfolg und Verkaufserfolg sind gewiß von mehr Faktoren abhängig als nur vom Verhalten. Zu geschöntes und zu angepasstes Verhalten (im Sinne von Giacomo's Ausführungen zu Telefonmarketing durch konzentriertes Zuhören) im Bewerbungsgespräch kann im Nachhinein schlichtweg als Lüge identifiziert werden und dann sind eventuelle Bonuspunkte weg. So oder so erscheint mir eine gewisse Ehrlichkeit als ratsamer. Auch Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Komme ich mit dieser Firma überhaupt zurecht? Schließlich würde ich hier mit diesen Menschen in dieser Umgebung tagtäglich zu tun haben.

Ich halte diese Form des Coachings für oberflächlich und für überflüssige Verschwendung von Ressourcen wie Zeit. Wichtig ist, dass ein Arbeitsplatz besetzt wird. Dafür ist zuallerst die Qualifikation wichtig. Es soll ja eine gewiße Leistung erbracht werden. Es ist also interessant, zu wissen, was ein Unternehmer anbietet, was er fordert, die Lage in der sich das Unternehmen befindet. Wie setzt sich die Kundschaft zusammen? Wie sind die internen Abläufe geregelt? Was kann ich beitragen? Das sind in meinen Augen relevante Fragen und wenn ich die beantworten kann und sich durch meine Mitarbeit Erfolg einstellt, dann kommen auch die Glücksgefühle auf.
 
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