Landtagswahl Hessen - Mindestlohn

Stryker

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wintrow schrieb:
Also ich hab das aus einem lexikon...udn ich glaube nicht das du "Liberaler" mehr Wissen hast als da drin steht. Somit liegst du falsch mein Sohn!!!

Ich würde etwas weniger patzig reagieren und deinem "Lexikon" auch nicht alles glauben. Dumping bedeutet in der Wirtschaftswissenschaft, dass etwas unter den eigenen Kosten verkauft wird (um in erster Linie so größere Marktanteile zu erzielen).

Es ist fürchterlich, wenn man zu allem eine Meinung haben muss, obwohl man nicht den blassesten Schimmer hat, wovon man redet. Das ist in Deutschland unglaublich verbreitet, sobald es um Politik und Wirtschaft geht. Bildest du dir auch ein, ein modernes Passagierflugzeug entwerfen zu können?

Ähnlich schrecklich finde ich pauschale Unterteile über das kalte, inkompetente Management. Worauf basiert diese Meinung, außer auf Vorurteilen?

Arbeistlosigkeit hat doch nichts mit zu hohen Löhnen zu tun, sondern schlichtweg mit fehlenden Absatzmärkten, ergo es sich keine große Industrie aufbauen kann.

Auch hier! Arbeitslosigkeit hat AUCH mit hohen Löhnen zu tun. Und der Struktur des Arbeitsmarkts. Und der (weltweiten) Konjunktur. Und dem sozialpolitischen Rahmen. Und, und, und...
Nur "fehlende Absatzmärkte" ist es gerade am wenigsten, woran es mangelt. Es gibt gerade gigantische Wachstumsmärkte, wovon auch Deutschland profitiert, was u. a. sich in den Titel "Exportweltmeister" (dass dies nicht nicht nur von Vorteil ist, begreift die jubelnde Presse wieder nicht) äußert.
 

wintrow

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Ich würde etwas weniger patzig reagieren und deinem "Lexikon" auch nicht alles glauben. Dumping bedeutet in der Wirtschaftswissenschaft, dass etwas unter den eigenen Kosten verkauft wird (um in erster Linie so größere Marktanteile zu erzielen).
Na was glaubst du was Marktpreisunterbeitung bedeutet??? Wollt ihr mich jetzt hier verarschen oder könnt ihr alle einfach nur nicht lesen!!!

Und wenn jetzt hier Möchtegernwirtschaftswissenschaftler wie du oder Liberaler (oh gott allein das wort...) mir weiss machen wollen sie wüssten mehr als in einem lexikon steht dann lach ich aber jetzt mal ganz laut!!!



Ähnlich schrecklich finde ich pauschale Unterteile über das kalte, inkompetente Management. Worauf basiert diese Meinung, außer auf Vorurteilen?
BenQ, Mannesman, VW, Siemens....soll ich weiter machen?? Und das sind nur die großen bekannten Unternehmen von denen berichtet wird!!



Es ist fürchterlich, wenn man zu allem eine Meinung haben muss, obwohl man nicht den blassesten Schimmer hat, wovon man redet. Das ist in Deutschland unglaublich verbreitet, sobald es um Politik und Wirtschaft geht. Bildest du dir auch ein, ein modernes Passagierflugzeug entwerfen zu können?
LOL...aber du hast Ahnung oder was? Bist du fähig ein Passagierflugzeug zu entwerfen?

Auch hier! Arbeitslosigkeit hat AUCH mit hohen Löhnen zu tun. Und der Struktur des Arbeitsmarkts. Und der (weltweiten) Konjunktur. Und dem sozialpolitischen Rahmen. Und, und, und...
Nur "fehlende Absatzmärkte" ist es gerade am wenigsten, woran es mangelt. Es gibt gerade gigantische Wachstumsmärkte, wovon auch Deutschland profitiert, was u. a. sich in den Titel "Exportweltmeister" (dass dies nicht nicht nur von Vorteil ist, begreift die jubelnde Presse wieder nicht) äußert.
Ach nein da hab ich wohl geträumt als die ganze Jahre der schwache Binnenkonsum zum Hauptfaktor für fehlendes Wirtschaftswachstum und somit das Fehlen von Arbeitsplätzen genannt wird!! Komm hör auf, du hast doch keine Ahnung
 

Ein_Liberaler

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wintrow schrieb:
Also ich hab das aus einem lexikon...udn ich glaube nicht das du "Liberaler" mehr Wissen hast als da drin steht. Somit liegst du falsch mein Sohn!!!

Aus welchem Lexikon stammt das denn, Väterchen?
Jetzte erklär mir mal bitte wie sich Menschen mehr leisten können wenn sie weniger verdienen???

Gar nicht? Ich meine, ich könnte jetzt Bedingungen konstruieren, unter denen das das der fall wäre, aber das kannst Du sicher auch allein. Und sie wären konstruiert. Tatsächlich verdient aber niemand weniger als bisher, also ist die Frage Blödsinn. Die Angesteltn von Pin verdienen ja mahr als vor ihrer Anstellung, sonst wären sie den Arbeitsvertrag ja nicht eingegangen.

Was schadet dem Konsum eher?: 1000 Mann die 200 euro pro monat (im jahr 2400 euro) weniger verdienen, oder ein Brief der anstatt 50 cent...55cent kostet??? Ich glaube die Antwort liegt auf der Hand.

Wer verdient denn weniger? Ich sehe da nur die Leute, die Pin jetzt entlassen muß. Nützt das dem Konsum, daß die jetzt gar nichts mehr verdienen?

Abgesehen davon, daß natürlich, wenn man es volkswirtschaftlich betrachten will, des einen Einbuße immer des anderen Ersparnis, es also völlig egal ist, ob der eine oder der andere mehr Geld zum Ausgeben hat.


Welche reste bitte shcön...hjeir gehst nicht um irgendeinen Winterschlussverkauf zur Reduzierung von Lagerkosten...Du redest komplett am Thema vorbei.

Am Thema vorbei redet eher der, der den sinnleeren Kampfbegriff des Dumpings in die Diskussion einühren wollte...


Ja toll auf Kosten der Löhne...wie wärs mit Einsparung durch effizientere Ablaufstrukturen, besseres Management???

Ehrlich gesagt ist mir das völlig egal, wie die das machen. Das soll doch bitte jedes Unternehmen selbst entscheiden.

Aber nein dafür müsste man ja qualifiziert sein...das geht natürlich nicht. Schon scheisse wenn Leute durch beziehungen eingestellt werden die Null Kompetenz beweisen. Was heutezutage in der Wirtshcaft gang und gebe ist nur um die kleine gutbürgerliche Finanzelite am Leben zu erhalten, ohne auch nur einmal auf Effiziens zu achten.

Ja sicher, Konkurrenz ist ja abgeschafft. Wirtschaftsunternehmen sind nur noch Versorgungseinrichtungen für Bürgersöhne. So, jetzt haben wir unsere Ressentiments gepflegt, jetzt können wir zur Abwechslung mal ein Argument bringen.




Wieder so ein Schwachsinn!! Wir haben seit 16 jahren (falls du nachrichten verfolgst wirst du es auch wissen..) fallende, bzw gleichbleibende Reallöhne, bei immensgestiegenen Lebensunterhaltungskosten.

Belege? Ich erinnere nur an die Ex-DDR, wo die Löhne gewaltig gestiegen sind. Da sie immer noch niedriger sind als im Westen, haben wir ein Beispiel, wie steigende Löhne durch Zusammenlegung zweier Statistiken zu fallenden Durchschnittslöhnen werden können...

Das ist die erste Schieflage in unserem Staat. Jetzt erzähl mir wo in den letzten Jahren ein beachtlicher wirtschaftlicher Wachstum vonstatten gegangen ist???

Seit zwei oder drei Jahren bessert sich die wirtschaftliche Lage langsam, natürlich nur in der Exportindustrie. Mit den Metallen hat es angefangen. Dieses Jahr kann es schon wieder vorbei sein.

Und komm mir nicht mit den letzten Jahr. Dieser Aufschwung ist nämlich keiner...nicht beim normalen Arbeitnehmer!

Nein. Der kann aber dankbar sein, daß er nicht seinen Stellung verloren hat. Profiteure des Aufschwungs sind scheinbar zunächst nur die Konzerne und die wieder eingestellten Arbeitslosen.

Arbeistlosigkeit hat doch nichts mit zu hohen Löhnen zu tun,

Nichts?

sondern schlichtweg mit fehlenden Absatzmärkten, ergo es sich keine große Industrie aufbauen kann.

Wenn es keine Absatzmärkte für Badewannen mehr gibt, verkauft man eben Whirlpools. Daran scheitert es nicht, damit werden wir seit Beginn der Industrialisierung gut fertig.

Wir können doch nciht auf ein Lohnniveau wie China, Polen oder Indien fallen. Das wäre der größte Fehler für unsere Wirtschaft!! Denn dann gäb es erst recht kein Wachstum mehr...

Momentan haben wir da ein Ungleichgewicht. Durch das Ende des Kommunismus sind wir auf einmal in Konkurrenz zu Menschen getreten, die ebenso gut ausgebildet sind wie wir, aber weit ärmer. Das bringt natürlich Verwerfungen mit sich. Kapital fließt in die Länder ab, in denen vierzig bis siebzig Jahre keines gebildet wurde.

Das ist unvermeidlich.

Am Ende werden sich die Löhne in Deutschland nicht mehr von denen in Polen unterscheiden, wobei der Lohnanstieg in Polen mehr dazu beitragen wird als die Lohnstagnation in Deutschland.

[quote
Was PIN wollte oder vorhatte interessiert mich nicht. fakt ist das sie bis dato keine 7.50 euro bezahlt haben![/quote]

Das ist alles, was Du dazu zu sagen hast? Wie ist das. wären € 7,50 in Ordnung oder nicht?

Inwiefern wird die Volkswirtschaft geschädigt, wenn die Preise sinken?

Wenn Arbeitnehmer lieber für sieben Euro für Pin arbeiten wollen als Sozialhilfe zu beziehen, mit welchem Recht willst Du sie daran hindern?

Ist es denkbar, daß es Berufe und Regionen gibt, wo nur sechs Euro gezahlt werden können?

Wenn ja, sollten diese Arbeitsplätze besser verlorengehen?

Ach nein da hab ich wohl geträumt als die ganze Jahre der schwache Binnenkonsum zum Hauptfaktor für fehlendes Wirtschaftswachstum und somit das Fehlen von Arbeitsplätzen genannt wird!!

Behauptet wird das, aber es ist Quatsch. Vom Konsum wird man nicht wohlhabend, sondern vom Sparen.
 

Stryker

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Jedenfalls spielt der Konsom in Deutschland keine große Rolle (anders in den USA). Unser Wachstum ist vollkommen exportabhängig. Damit sind wir auch in hohem Maße abhängig von der Weltkonjunktur, was sich in naher Zukunft rächen wird.

Na was glaubst du was Marktpreisunterbeitung bedeutet??? Wollt ihr mich jetzt hier verarschen oder könnt ihr alle einfach nur nicht lesen!!!

Und wenn jetzt hier Möchtegernwirtschaftswissenschaftler wie du oder Liberaler (oh gott allein das wort...) mir weiss machen wollen sie wüssten mehr als in einem lexikon steht dann lach ich aber jetzt mal ganz laut!!!

Dann lach mal so laut du kannst, denn wenn ein Unternehmen den Marktpreis unterbietet, verkauft es das Gut noch lange nicht unter seinen Kosten. Oder hat dein Lexikon etwa auch seine ganz eigene Definition von Marktpreis?

BenQ, Mannesman, VW, Siemens....soll ich weiter machen?? Und das sind nur die großen bekannten Unternehmen von denen berichtet wird!!

Richtig, das sind große Unternehmen. Große Unternehmen sind allerdings unter 0,3% aller deutschen Unternehmen und beschäftigen unter 25% der abhängig Beschäftigten. Ganz abgesehen davon, kann man dem ebenso große Unternehmen gegenüberstellen, die hervorragend geführt werden, wie Porsche.
BenQ taugt nicht als Beispiel deiner Reihe, die Mobilfunksparte in Deutschland wurde bewusst dicht gemacht. Das hat nichts mit Managementfehlern zu tun.
 

Booth

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Ein_Liberaler schrieb:
Durch das Ende des Kommunismus sind wir auf einmal in Konkurrenz zu Menschen getreten, die ebenso gut ausgebildet sind wie wir, aber weit ärmer.
Wobei wir ja die meisten Konkurrenten des ehemaligen Kommunismus in unsere Wirtschaftszone mit einbeziehen, damit wir in wenigen Jahrzehnten einen gemeinsam (Arbeits-)Markt haben.

Das weit grössere Problem ist ja das Land, wo kein Ende des genannten und surrealen Kommunismus in Sicht ist: China.

Unser Arbeitsmarkt wird auf absehbare Zeit mit dem dortigen Arbeitsmarkt in diversen Marktbereichen nicht konkurrieren können, da die Teilnehmer gewisse Mindestrechte nicht besitzen.

Kapital fließt in die Länder ab, in denen vierzig bis siebzig Jahre keines gebildet wurde.
Und ganz wichtig: Vollkommen unabhängig von irgendwelchen (menschen-)rechtlichen Rahmenbedingungen. Dem Kapital (genauer: den Kapitalbesitzern) ist schlicht egal, ob Teilnehmer in einem Markt menschenverachtend oder gar -vernichtend agieren können oder nicht.
Inwiefern wird die Volkswirtschaft geschädigt, wenn die Preise sinken?
Dem einzelnen (unterbezahlten) Teilnehmer ist die Volkswirtschaft genauso egal, wie dem Kapitalbesitzer die Menschenrechte
Wenn Arbeitnehmer lieber für sieben Euro für Pin arbeiten wollen als Sozialhilfe zu beziehen, mit welchem Recht willst Du sie daran hindern?
Ganz sicher wollen alle Arbeitnehmer lieber für 12 Euro als für sieben Euro arbeiten oder gar Sozialhilfe beziehen. Der Kapitalbesitzer will ja auch lieber 50% Rendite in einem menschenverachtenden Markt statt 30% Rendite in einem Markt, der hohe soziale Standards einhält.
Ist es denkbar, daß es Berufe und Regionen gibt, wo nur sechs Euro gezahlt werden können?
Wenn ja, sollten diese Arbeitsplätze besser verlorengehen?
Wer wählt schon gerne zwischen "schlecht" und "ganz schlecht"?! Aber natürlich wählt man lieber "schlecht" als "ganz schlecht"... noch viel lieber aber sicher "gut".

Interessant war ein Experiment von einem italienischen Unternehmer, der mal sich selber und seiner Familie für einen Monat verordnet hat, mit dem Durchschnittslohn seiner Mitarbeiter auszukommen: Mit 1.000 Euro. Er hat es nicht geschafft, und danach seinen Mitarbeitern einen höheren Lohn spendiert.

Umgekehrt können die Angestellten froh sein, daß der Chef nicht son anspruchsloses Single-Sparbrötchen ist, wie ich - ich käme auch problemlos mit 700 Euro (und weniger) klar... wäre das nun ein Argument, Gehälter zu kürzen?! ;)

Prinzipiell halte ich es aber schon für sinnvoll, wenn Arbeitnehmer durch Lohn spürbar mehr bekommen, als durch Sozialhilfe.

gruß
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antimagnet

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Ein_Liberaler schrieb:
Die Angestellten von Pin verdienen ja mahr als vor ihrer Anstellung, sonst wären sie den Arbeitsvertrag ja nicht eingegangen.

ich bin mir da nicht so sicher... man wird jetzt zwar nicht mit gefängnisandrohung zur arbeit gezwungen, aber es wird einem doch das hartz4 zusammengestrichen, wenn man nicht arbeiten geht... oder?
(ist ne echte frage, ich bin da unterinformiert, wie viele der pinmitarbeiter tatsächlich "freiwillig" dort arbeiten)
 

Ein_Liberaler

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Booth schrieb:
Ein_Liberaler schrieb:
Durch das Ende des Kommunismus sind wir auf einmal in Konkurrenz zu Menschen getreten, die ebenso gut ausgebildet sind wie wir, aber weit ärmer.
Wobei wir ja die meisten Konkurrenten des ehemaligen Kommunismus in unsere Wirtschaftszone mit einbeziehen, damit wir in wenigen Jahrzehnten einen gemeinsam (Arbeits-)Markt haben.

Das weit grössere Problem ist ja das Land, wo kein Ende des genannten und surrealen Kommunismus in Sicht ist: China.

Unser Arbeitsmarkt wird auf absehbare Zeit mit dem dortigen Arbeitsmarkt in diversen Marktbereichen nicht konkurrieren können, da die Teilnehmer gewisse Mindestrechte nicht besitzen.

Ich würde China nicht mehr als kommunistisch bezeichnen. Sein wirtschaftlicher Aufschwung ist doch die Folge einer völlgen Abkehr vom Wirtschaftskommunismus. Was bleibt, ist eine ekelhafte Despotie und kommunistische Folklore. Oder?

Eins stimmt: unserer Witschaft werden "im Arbeitnehmerinteresse" zusätzliche Lasten aufgebürdet, die sie international weniger konkurrenzfähig machen. Ich glaube ja, daß es den Arbeitnehmern insgesamt besser gehen könnte, wenn der Staat weniger zu ihrem "Schutz" unternähme. Damit meine ich nicht den Arbeitsschutz, sondern den wirtschaftlichen, den vor Verarmung. Auf lange Sicht schützen nicht Kündigungsschutz, Staatsrente und sechs Wochen bezahlter Urlaub vor Armut, sondern eine brummende Wirtschaft und niedrige Inflation, das erleben wir ja gerade.

Die Entrechtung der chinesischen Arbeiter wird eines Tages enden, da bin ich zuversichtlich. Je mehr das Land zu Wohlstand kommt, desto mehr wird die Verhandlungsmacht der Abeiter wachsen.

Auf lange Sicht bin ich allerdings skeptisch, ob uns überhaupt irgendetwas bleibt, was wir den Chinesen verkaufen können. Das Riesenland kann praktisch autark wirtschaften.

Und ganz wichtig: Vollkommen unabhängig von irgendwelchen (menschen-)rechtlichen Rahmenbedingungen. Dem Kapital (genauer: den Kapitalbesitzern) ist schlicht egal, ob Teilnehmer in einem Markt menschenverachtend oder gar -vernichtend agieren können oder nicht.

Einigen ist das egal, anderen nicht. China finde ich da auch hochproblematisch. Ansonsten herrschen in den Schwellenländern in den Fabriken der internationalen Investoren meist bessere Arbeitsbedingungen als in denen der heimischen Wirtschaft...


Inwiefern wird die Volkswirtschaft geschädigt, wenn die Preise sinken?
Dem einzelnen (unterbezahlten) Teilnehmer ist die Volkswirtschaft genauso egal, wie dem Kapitalbesitzer die Menschenrechte

Das wäre sehr kurzsichtig, ist aber sicher so. Aber deswegen muß sie uns ja nicht egal sein.


Wenn Arbeitnehmer lieber für sieben Euro für Pin arbeiten wollen als Sozialhilfe zu beziehen, mit welchem Recht willst Du sie daran hindern?
Ganz sicher wollen alle Arbeitnehmer lieber für 12 Euro als für sieben Euro arbeiten oder gar Sozialhilfe beziehen. Der Kapitalbesitzer will ja auch lieber 50% Rendite in einem menschenverachtenden Markt statt 30% Rendite in einem Markt, der hohe soziale Standards einhält.

Pin bietet aber keine zwölf Euro, und die Post auch nicht. Wenn Pin sechs oder sieben Euro bietet, und der Arbeitnehmer ist einverstanden, welches Recht hat irgendjemand, ihnen den Vertragsabshluß zu verbieten?


Ist es denkbar, daß es Berufe und Regionen gibt, wo nur sechs Euro gezahlt werden können?
Wenn ja, sollten diese Arbeitsplätze besser verlorengehen?
Wer wählt schon gerne zwischen "schlecht" und "ganz schlecht"?! Aber natürlich wählt man lieber "schlecht" als "ganz schlecht"... noch viel lieber aber sicher "gut".

Und wenn niemand das "gute" Angebot macht? Ist es denkbar, daß es Branchen und Regionen in Deutschland gibt, wo kein Arbeitgeber sich ein "gutes" Angebot leisten kann, oder nur wenige? Sollten die "schlechten" Jobangebote dann wegfallen?

Interessant war ein Experiment von einem italienischen Unternehmer, der mal sich selber und seiner Familie für einen Monat verordnet hat, mit dem Durchschnittslohn seiner Mitarbeiter auszukommen: Mit 1.000 Euro. Er hat es nicht geschafft, und danach seinen Mitarbeitern einen höheren Lohn spendiert.

Wenn er es sich leisten konnte... Ich bestreite ja nicht, daß es solche Fälle gibt. Viel anfangen kann ich mit der Anekdote allerdings nicht, weil ich nicht weiß, welchen Mindestlohn das italienische Ver.Di-Pendant gerne hätte und ob die Gehäter drüber oder drunter lagen.

Umgekehrt können die Angestellten froh sein, daß der Chef nicht son anspruchsloses Single-Sparbrötchen ist, wie ich - ich käme auch problemlos mit 700 Euro (und weniger) klar... wäre das nun ein Argument, Gehälter zu kürzen?! ;)

Redest Du mit mir? Ich habe keine Ahnung, was der Lebenstil des Chefs mit den Gehältern zu tun haben soll.

Prinzipiell halte ich es aber schon für sinnvoll, wenn Arbeitnehmer durch Lohn spürbar mehr bekommen, als durch Sozialhilfe.

Ich auch. Die Sozialhilfe ist zu hoch.

antimagnet schrieb:
ich bin mir da nicht so sicher... man wird jetzt zwar nicht mit gefängnisandrohung zur arbeit gezwungen, aber es wird einem doch das hartz4 zusammengestrichen, wenn man nicht arbeiten geht... oder?
(ist ne echte frage, ich bin da unterinformiert, wie viele der pinmitarbeiter tatsächlich "freiwillig" dort arbeiten)

Die Hartz IV-Empfänger, die ich kenne, wären froh, ihr Geld wieder für Arbeit zu bekommen. Die müßte man nicht zwingen, allerdings würden sie sich sicher von ihrem Pin-Arbeitsplatz aus weiter nach einem besseren umsehen.

(Und die Schikanen, die Pin hier nachgesagt wurden, würden sie weit härter treffen als der geringe Lohn.)

Aber letztlich kenne ich die Freiwilligenquote auch nicht.
 

Booth

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Im Prinzip ist ein wesentlicher Zug Deiner Betrachtung wichtig - einer, den ich selber nachvollziehen kann, der aber letztlich nicht besonders... naja... "freundlich" ist:
Ein_Liberaler schrieb:
Damit meine ich [...] den [Schutz] vor Verarmung. Auf lange Sicht schützen nicht Kündigungsschutz, Staatsrente und sechs Wochen bezahlter Urlaub vor Armut, sondern eine brummende Wirtschaft und niedrige Inflation, das erleben wir ja gerade.
Diese "lange Sicht" ist eine theoretisch richtige. Aber was nützt dem nicht ausgebildeten Arbeitssuchenden eine lange Sicht der Wirtschaft, sodaß sein 5-Euro-Lohn in 10 (oder 20 oder 30?) Jahren dann endlich auf 10 oder 15 Euro gestiegen ist, wenn er sich JETZT (und in absehbarer Zukunft) nichts kaufen kann?

Gerade ich selber hänge ja auch gerne langfristigen Ansichten an :) - aber die Frage ist nunmal auch, was man JETZT den Menschen anbieten will, die keinen Job haben, und ohne Mindestlohn auf absehbare Zeit keinen Job kriegen, der ihnen ein finanziell halbwegs angenehmes Leben ermöglicht.

gruß
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Ein_Liberaler

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Ich meinte das mit der langen Sicht irgendwie andersrum. Wir erleben jetzt (schon seit einigen Jahren), wie sich Kündigungsschutz, großzügige Urlaubsregelung, Krankengeld, frühe Rente und all die anderen Maßnahmen, die der Armut abhelfen sollten, auf lange Sicht wirklich auswirken. Tatsächlich ist über viele Jahre immer etwas mehr verteilt worden, als da war. Wir haben (insgesamt) über unsere Verhältnisse gelebt, jetzt müssen wir uns einschränken.

Unglücklicherweise ist zeitgleich die Öffnung des Ostblocks erfolgt, so daß zwei gewaltige Faktoren gleichzeitig wirksam wurden.

Aber so herum stimmt es ja auch:

Diese "lange Sicht" ist eine theoretisch richtige. Aber was nützt dem nicht ausgebildeten Arbeitssuchenden...

Nützt ihm erstmal gar nichts. Glaub bloß nicht, daß mir das gefällt! Ich bin genauso betroffen wie jeder andere Deutsche außer ein paar Großkopfeten, auch wenn auf hohem Niveau gut Jammern ist.

Nur ist die Lage eben, wie sie ist, und die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates sind begrenzt, jetzt umso mehr.

Der Mindestlohn ist schlicht keine Lösung. Die meisten Deutschen werden davon gar nicht betroffen sein, die Löhne in unserer Exportwirtschaft sind hoch. € 7,50 die Stunde macht gerade mal € 1200 im Monat, oder?

Von denen, die weniger verdienen, wird ein Teil eine Lohnerhöhung bekommen (Pin hätte das bezahlen können), ein Teil wird seine Stelle verlieren (zwei Lieferanten haben mir gesagt, daß sie dann zumachen müßten). Andere Stellen werden erst gar nicht entstehen. Wie viele Arbeitslose ist uns welche durchschnittliche Lohnerhöhung für wie viele Leute wert? Und wer möchte das gerne entscheiden?

Und wenn wir uns das Geld mal wegdenken, was ich manchmal ganz hilfreich finde: Es wird deswegen weniger produziert. Der mit der Lohnerhöhung stellt nicht mehr her und schneidet nicht mehr Haare als vorher, der Entlassene stellt weniger her, nämlich nichts mehr. Der Gesamtwohlstand sinkt eher. Ich finde es unlogisch, daß wir davon etwas haben sollen.

Ich befürchte, daß wir durch die derzeitige unangenehme Situation einfach durchmüssen wie durch einen Regen oder einen Schneesturm.
 

Komplize

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Ein_Liberaler schrieb:
Ich sehe da nur die Leute, die Pin jetzt entlassen muß.
Wo siehst Du denn diese entlassenen Leute, in Deiner Glaskugel? :quelle:

Tatsache ist, dass der Insolvenzverwalter die im Dezember angekündigten Kündigungen ZURÜCKGENOMMEN hat. Stattdessen ist er dabei, mit vielen PinMail-Gesellschaften in die Insolvenz zu gehen, um sich drei Monate lang den Lohn für die Beschäftigten zu 100 Prozent von der Arbeitsagentur bezahlen zu lassen.

Der Briefmarkt ist lukrativ und die Pin Group war schon vor dem Mindestlohnbeschluß wegen schlechter Organisation defizitär. Nun wird vom Insolvenzverwalter die Vertriebsstruktur gestrafft und das Unternehmen wird sicherlich weiterarbeiten. Die Insolvenz ist nur wegen dem Insolvenzgeld beantragt worden.

Übrigens wäre Pin Mail genauso von der mehrwertsteuer befreit, wenn sie flächendeckende Universalpostdienstleistungen anbieten würden. Nur für Rosinenpicker wird Mehrwertsteuer erhoben.

Und noch ein Wort zu Nokia: die Personalkosten betragen laut Rüttgers bei einem Nokiahandy etwa 5 Prozent. Also ist das deutsche Lohnniveau nicht alleine nur relevant für die Standortentscheidung, es gibt noch andere Faktoren. Wie zB den, dass Nokia "nur" 15 Prozent Rendite abwirft, die Finanzwelt aber lieber 16 bis 17 Prozent sehen würde. :roll:
Die Gewinnmarge stieg zwar von knapp elf auf fast 15 Prozent, Anleger hätten aber 16 bis 17 Prozent erwartet.
http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/wirtschaft/news/521793

Ihm könne niemand erklären, dass die Personalkosten der zentrale Grund für den Beschluss seien, sagte Rüttgers. Die Lohnkosten machten schließlich nur fünf Prozent der Gesamtkosten aus.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,528887,00.html
 

Ein_Liberaler

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Komplize schrieb:
Tatsache ist, dass der Insolvenzverwalter die im Dezember angekündigten Kündigungen ZURÜCKGENOMMEN hat. Stattdessen ist er dabei, mit vielen PinMail-Gesellschaften in die Insolvenz zu gehen, um sich drei Monate lang den Lohn für die Beschäftigten zu 100 Prozent von der Arbeitsagentur bezahlen zu lassen.

Der Briefmarkt ist lukrativ und die Pin Group war schon vor dem Mindestlohnbeschluß wegen schlechter Organisation defizitär. Nun wird vom Insolvenzverwalter die Vertriebsstruktur gestrafft und das Unternehmen wird sicherlich weiterarbeiten. Die Insolvenz ist nur wegen dem Insolvenzgeld beantragt worden.

Das werden wir ja sehen.

Übrigens wäre Pin Mail genauso von der mehrwertsteuer befreit, wenn sie flächendeckende Universalpostdienstleistungen anbieten würden. Nur für Rosinenpicker wird Mehrwertsteuer erhoben.

Ich möchte mal wissen, wie man als Neuling einen Markt betreten und gleich flächendeckend antreten soll. Das ist eine lupenreine Monopolschutzbestimmung und wird hoffentlich vom Europäischen Gerichtshof gekippt.

Und noch ein Wort zu Nokia: die Personalkosten betragen laut Rüttgers bei einem Nokiahandy etwa 5 Prozent. Also ist das deutsche Lohnniveau nicht alleine nur relevant für die Standortentscheidung, es gibt noch andere Faktoren. Wie zB den, dass Nokia "nur" 15 Prozent Rendite abwirft, die Finanzwelt aber lieber 16 bis 17 Prozent sehen würde. :roll:
Die Gewinnmarge stieg zwar von knapp elf auf fast 15 Prozent, Anleger hätten aber 16 bis 17 Prozent erwartet.
http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/wirtschaft/news/521793

Ihm könne niemand erklären, dass die Personalkosten der zentrale Grund für den Beschluss seien, sagte Rüttgers. Die Lohnkosten machten schließlich nur fünf Prozent der Gesamtkosten aus.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,528887,00.html

Wen interessiert's?

Statt Auslandsinvestoren kurzfristig mit Subventionen zu ködern, sollte man ihnen besser ein steuerliches und arbeitsrechtliches Umfeld bieten, in dem sie langfristig einen schönen Reibach machen. Sonst sind sie weg, sobald die Abschreibungen nicht mehr die Steuern in den Keller drücken.

Ich kann das Geseiere sowieso nicht verstehen. Ein finnischer Konzern ist Deutschland wohl kaum irgendwie verpflichtet.
 

Booth

Erleuchteter
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Ein_Liberaler schrieb:
Wir haben (insgesamt) über unsere Verhältnisse gelebt, jetzt müssen wir uns einschränken
Interessanterweise müssen sich aber real nur die Leute mit geringem bis mittlerem Gehalt einschränken. Die Leute mit hohem und insbesondere höchstem Gehalt langen zusätzlich zu. Sicher ein zusätzlicher Grund für die Diskussionen um die Managergehälter.

Aber prinzipiell stimme ich Deiner Aussage da oben völlig zu. Ich sehe es insbesondere in meinem Umfeld so, daß dort Jammern auf hohem Niveau betrieben wird.
Der Mindestlohn ist schlicht keine Lösung
Das sehe ich auch so - aber es ist immerhin ein kleines Zeichen, daß die Politik daran interessiert ist, die Geringverdiener nicht völlig unter den Tisch fallen zu lassen. Immerhin besteht die Tatsache, daß in vielen anderen Industrieländern solche Mindestlöhne ebenfalls bestehen. Es scheint somit auch nicht einen wirklich großen Schaden anzurichten. Aber gerade hinsichtlich der Konkurrenz aus Indien, China, etc finde ich es eine sinnvolle Aussage einer Regierung, daß wir in unserem Land keinen Hungerlohn-Arbeitsmarkt haben möchten.
Die meisten Deutschen werden davon gar nicht betroffen sein, die Löhne in unserer Exportwirtschaft sind hoch. € 7,50 die Stunde macht gerade mal € 1200 im Monat, oder?
Genau - und wenn jemand zZ 5 Euro die Stunde verdient, kriegt er mal eben 50% mehr. Das ist übrigens weniger, als die (durschnittlich) 62% Einkommenssteigerung der Dax-Vorstandschefs in den Jahren 2002-2006 - OHNE Aktienoptionen! (Quelle: Spiegel 50/2007 - S. 23).

Ob jemand 800 Euro im Monat hat, oder 1200 Euro im Monat ist ein gewaltiger Unterschied. Für manche ein Unterschied zwischen totaler Verzweifelung und entspanntem Alltag.

Von denen, die weniger verdienen, wird ein Teil eine Lohnerhöhung bekommen (Pin hätte das bezahlen können), ein Teil wird seine Stelle verlieren (zwei Lieferanten haben mir gesagt, daß sie dann zumachen müßten). Andere Stellen werden erst gar nicht entstehen. Wie viele Arbeitslose ist uns welche durchschnittliche Lohnerhöhung für wie viele Leute wert? Und wer möchte das gerne entscheiden?
Da niemand Zahlen kennen kann, kann dies so eh niemand entscheiden. Aber zu der Frage muss man nunmal auch die Frage gesellen: Wer möchte entscheiden, ob jemand für weniger als 800 Euro im Monat in Deutschland leben können soll? Offenbar einige Arbeitgeber... die selber von 800 Euro/Monat nichtmal ihr Auto finanzieren könnten.

Ich selber halte es auch für eine Idee zu überlegen, ob man als Arbeitgeber in einem Low-Cost-Segment nicht ganz bewusst höhere Löhne bezahlen will, um damit groß und breit zu werben. Nach dem Motto:"Wenn Sie selber für 800 Euro/Monat leben wollen, dann kaufen Sie bei der Billig-Konkurrenz". Macht nur niemand - noch nie... habe noch keinen Hersteller erlebt, der versucht hat, mit sozialen Standards seiner Mitarbeiter zu werben. Ich finde das allmählich befremdlich, daß dies niemanden zu interessieren scheint.

Wenn wir solch ein Bewusstsein schaffen würden, dann hätte vielleicht wirklich der Konsument endlich mal die Chance eine Entscheidung zu treffen.
Und wenn wir uns das Geld mal wegdenken, was ich manchmal ganz hilfreich finde: Es wird deswegen weniger produziert. Der mit der Lohnerhöhung stellt nicht mehr her und schneidet nicht mehr Haare als vorher, der Entlassene stellt weniger her, nämlich nichts mehr. Der Gesamtwohlstand sinkt eher. Ich finde es unlogisch, daß wir davon etwas haben sollen.
Nochmal - mich interessiert Volkswirtschaft ehrlich gesagt nicht die Bohne, wenns darum geht, ob ein Mensch für unter 800 Euro leben können soll. Wenn all diejenigen, die das um der Volkswirtschaft willen, mal zwei Monate versuchen würden, dann würde sich vielleicht diese Meinung mal ändern.

Viel wichtiger als diese ewige Litanei der Volkswirtschaftszusammenhänge ist für mich die Frage, wie man bei den Konsumenten ein Bewusstsein dafür schaffen kann, um zu fordern, so etwas beim Kauf eines Produkts mit entscheiden zu können. Komischerweise finde ich diesen für mich nicht unwichtigen Hinweis in keinem öffentlichen Diskurs.
Ich befürchte, daß wir durch die derzeitige unangenehme Situation einfach durchmüssen wie durch einen Regen oder einen Schneesturm.
Ich persönlich hab damit kein Problem. Ich verdiene weit mehr als ich brauche, und habe die Aussicht, daß sich diese Schere noch weiter öffnet. Aber ich persönlich versuche inzwischen nicht mehr, eh schon banchteiligten Leuten zu sagen, daß sie noch mehr Kröten schlucken sollen, während die Leute auf der Sonnenseite sich noch mehr in die Tasche stecken. Ich finde das inzwischen zumindest für mich selber einfach unanständig - obwohl ich zugeben muss, daß ich das bis vor kurzem ja selber genauso geäussert habe, wie Du.

Mittlerweile versuche ich mir aber zu überlegen, welche Mechanismen greifen könnten, um am ach so heiligen Markt dafür zu sorgen, daß höhere Löhne möglich sind. Das ist meines Erachtens dann der Fall, wenn Arbeitgeber endlich anfangen, diese Information transparent zu machen - oder gar bewusst damit zu werben. Ich persönlich finde sogar, daß ein Arbeitgeber die gesetzliche Auflage erhalten müsste, diese Information zu veröffentlichen (statistische Information reicht ja). Das am liebsten sogar weltweit - auch wenns illusorisch ist. Interessanterweise wird diese Information aber mit dem Hinweis auf die "Freiheit" des Arbeitgebers grundsätzlich nicht veröffentlicht.

Ich halte hier die Freiheit der Konsumenten für wichtiger, als die Freiheit des Arbeitgebers.

gruß
Booth
 

Ein_Liberaler

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Booth schrieb:
Ein_Liberaler schrieb:
Wir haben (insgesamt) über unsere Verhältnisse gelebt, jetzt müssen wir uns einschränken
Interessanterweise müssen sich aber real nur die Leute mit geringem bis mittlerem Gehalt einschränken. Die Leute mit hohem und insbesondere höchstem Gehalt langen zusätzlich zu. Sicher ein zusätzlicher Grund für die Diskussionen um die Managergehälter.

Ja, und das ist nicht schön. Aber auch nur schwer zu ändern.

Der Mindestlohn ist schlicht keine Lösung
Das sehe ich auch so - aber es ist immerhin ein kleines Zeichen, daß die Politik daran interessiert ist, die Geringverdiener nicht völlig unter den Tisch fallen zu lassen.

Ich halte es aber für falsch, für solche Symbolpolitik reale Arbeitsplätze zu gefährden, noch dazu solche von Leuten, die ich persönlich kenne. Und was wäre das für ein Symbol, das als eigentliche Wirkung das Gegenteil von dem erreicht, was es symbolisiert - Armut statt Wohlstand.

Immerhin besteht die Tatsache, daß in vielen anderen Industrieländern solche Mindestlöhne ebenfalls bestehen. Es scheint somit auch nicht einen wirklich großen Schaden anzurichten. Aber gerade hinsichtlich der Konkurrenz aus Indien, China, etc finde ich es eine sinnvolle Aussage einer Regierung, daß wir in unserem Land keinen Hungerlohn-Arbeitsmarkt haben möchten.

Oft sind diese Mindestlöhne sehr gering, wie in den USA. Oft fehlen zum Ausgleich die strengen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, die wir in D haben. Ein Interviewer fragte kürzlich den Arbeitsminister, als der von dem unschädlichen Mindestlohn in UK anfing, ob er auch den britischen Arbeitsgesetzen nacheifern wolle. Kurze Antwort: nein. Wieder andere Länder haben zum Ausgleich niedrige Steuern und Abgaben, Luxemburg, soweit ich weiß.

Bei uns noch einen Mindestlohn draufzusatteln, wäre nicht unbedingt vergleichbar.

Und ein deutschlandweiter Einheitsmindestlohn wäre auch noch sagenhaft ungerecht. Acht Euro interessieren in München niemanden, im Erzgebirge würde ein ganzes Gewerbe plattgemacht.


Genau - und wenn jemand zZ 5 Euro die Stunde verdient, kriegt er mal eben 50% mehr. Das ist übrigens weniger, als die 62% Einkommenssteigerung der Dax-Vorstandschefs in den Jahren 2002-2006 - OHNE Aktienoptionen! (Quelle: Spiegel 50/2007 - S. 23).

Ob jemand 800 Euro im Monat hat, oder 1200 Euro im Monat ist ein gewaltiger Unterschied. Für manche ein Unterschied zwischen totaler Verzweifelung und entspanntem Alltag.

Wie gesagt, nicht daß ich das irgendjemandem mißgönnen würde, nur gibt es Arbeitgeber, die das schlicht und einfach nicht bezahlen können.

Da niemand Zahlen kennen kann, kann dies so eh niemand entscheiden.

Die Regierung würde also im Trüben fischen. Anhand der verschwindenden und nicht entstehenden Arbeitsplätze könnte sie im nächsten Jahr nachjustieren, wenn man die Zahlen so einfach erheben könnte. So ein Experiment - mit Menschen?

Aber zu der Frage muss man nunmal auch die Frage gesellen: Wer möchte entscheiden, ob jemand für weniger als 800 Euro im Monat in Deutschland leben können soll? Offenbar einige Arbeitgeber... die selber von 800 Euro/Monat nichtmal ihr Auto finanzieren könnten.

Einige zahlen sicher aus Geiz so wenig, andere nicht.

Arme Leute sollte die Gemeinde unterstützen.

Ich selber halte es auch für eine Idee zu überlegen, ob man als Arbeitgeber in einem Low-Cost-Segment nicht ganz bewusst höhere Löhne bezahlen will, um damit groß und breit zu werben. Nach dem Motto:"Wenn Sie selber für 800 Euro/Monat leben wollen, dann kaufen Sie bei der Billig-Konkurrenz". Macht nur niemand - noch nie... habe noch keinen Hersteller erlebt, der versucht hat, mit sozialen Standards seiner Mitarbeiter zu werben. Ich finde das allmählich befremdlich, daß dies niemanden zu interessieren scheint.

Wer stellst Du Dir denn vor, daß das machen soll?


Nochmal - mich interessiert Volkswirtschaft ehrlich gesagt nicht die Bohne, wenns darum geht, ob ein Mensch für unter 800 Euro leben können soll. Wenn all diejenigen, die das um der Volkswirtschaft willen, mal zwei Monate versuchen würden, dann würde sich vielleicht diese Meinung mal ändern.

Das sind aber die Realitäten. Die sollte man zu verstehen versuchen. Durch die Festsetzung von Mindestlöhnen wird kein zusätzlicher Wohlstand geschaffen, also müssen sie auf jemandes Kosten gehen.

Viel wichtiger als diese ewige Litanei der Volkswirtschaftszusammenhänge ist für mich die Frage, wie man bei den Konsumenten ein Bewusstsein dafür schaffen kann, um zu fordern, so etwas beim Kauf eines Produkts mit entscheiden zu können. Komischerweise finde ich diesen für mich nicht unwichtigen Hinweis in keinem öffentlichen Diskurs.

Von einem anderen Bewußtsein können sich die Leute auch nicht mehr leisten.

Ich persönlich hab damit kein Problem. Ich verdiene weit mehr als ich brauche, und habe die Aussicht, daß sich diese Schere noch weiter öffnet. Aber ich persönlich versuche inzwischen nicht mehr, eh schon banchteiligten Leuten zu sagen, daß sie noch mehr Kröten schlucken sollen, während die Leute auf der Sonnenseite sich noch mehr in die Tasche stecken. Ich finde das inzwischen zumindest für mich selber einfach unanständig - obwohl ich zugeben muss, daß ich das bis vor kurzem ja selber genauso geäussert habe, wie Du.

Nicht sollen. Müssen. Es wird nicht anders gehen, die Gesetze des Marktes werden wir so wenig ändern wie das Wetter.

Ich persönlich finde sogar, daß ein Arbeitgeber die gesetzliche Auflage erhalten müsste, diese Information zu veröffentlichen (statistische Information reicht ja). Das am liebsten sogar weltweit - auch wenns illusorisch ist.

Na, meinetwegen.

Interessanterweise wird diese Information aber mit dem Hinweis auf die "Freiheit" des Arbeitgebers grundsätzlich nicht veröffentlicht.

Ich dachte, Tarifverträge wären öffentlich.

Ich halte hier die Freiheit der Konsumenten für wichtiger, als die Freiheit des Arbeitgebers.

Wieder Dein besonderer Freiheitsbegriff. Für mich bedeutet Freiheit, danach fragen zu dürfen, nicht, eine Antwort verlangen zu können.
 

Booth

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Ein_Liberaler schrieb:
Ich halte es aber für falsch, für solche Symbolpolitik reale Arbeitsplätze zu gefährden, noch dazu solche von Leuten, die ich persönlich kenne
Wieviel Probleme haben denn Deine Bekannten mit dem Alltagsleben auf Grund ihrer finanziellen Situation?! Die Bekannten, die ich in dem Niedriglohnbereich habe (sind allerdings an einer Hand abzuzählen) finden ihre Situation schlicht grauenvoll. Gelegentliche Suizid-Gedanken allein auf Grund der finanziellen Situation sind auch schonmal bei einem vorgekommen.

Meine Ansicht: Arbeit in einer modernen Gesellschaft ist per se kein Gut, wenn der Arbeitende davon so wenig verdient, daß er innerhalb der Gesellschaft eine Art Ausgrenzung erfährt (ich habe bei einem Bekannten irgendwann aufgehört zu fragen, ob wir mal essen gehen, da es für ihn jedesmal zum Kotzen war, wegen seiner finanziellen Situation Nein sagen zu müssen).
Und was wäre das für ein Symbol, das als eigentliche Wirkung das Gegenteil von dem erreicht, was es symbolisiert - Armut statt Wohlstand
Erzählst Du Deinen Bekannten, daß sie im Wohlstand leben?! Wie reagieren die auf solche Sprüche?! Meine Bekannten würden mich garantiert rausjagen. Für die sind diese Jobs eigentlich die Cholera, die sie statt der Pest wählen, weil sich die noch eine Spur schlimmer anfühlt.

Oft sind diese Mindestlöhne sehr gering, wie in den USA. Oft fehlen zum Ausgleich die strengen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, die wir in D haben. Ein Interviewer fragte kürzlich den Arbeitsminister, als der von dem unschädlichen Mindestlohn in UK anfing, ob er auch den britischen Arbeitsgesetzen nacheifern wolle. Kurze Antwort: nein. Wieder andere Länder haben zum Ausgleich niedrige Steuern und Abgaben, Luxemburg, soweit ich weiß.
Bei uns noch einen Mindestlohn draufzusatteln, wäre nicht unbedingt vergleichbar.
Yup - prinzipiell bringt ein Vergleich zu anderen Arbeitsmärkten nicht sooo viel. Da hast Du völlig recht. Umgekehrt weiss man eben auch nicht, wie problematisch ein Mindestlohn in Deutschland wirklich wäre. Wenn die Politiker mal damit beginnen würden, Gesetze versuchsweise auf Zeit umzusetzen, und dann auch versuchen genau zu prüfen, was sie bewirken, dann würde ich sofort sagen: Her damit - versucht es.

Im Moment bin ich im Zwiespalt. Denn ich gebe Dir in sofern Recht: Wenn der Mindestlohn einen erheblich negativen Einfluß auf den Arbeitsmarkt hat, wird er wohl trotzdem nicht so schnell aus der Gesetzgebung verschwinden.

Aber umgekehrt... wie will man denn mal Verbesserungen umsetzen, wenn man nicht auch mal etwas versucht, was auch nach hinten losgehen könnte?!

Und ein deutschlandweiter Einheitsmindestlohn wäre auch noch sagenhaft ungerecht. Acht Euro interessieren in München niemanden, im Erzgebirge würde ein ganzes Gewerbe plattgemacht.
Gerechtigkeit gibts eh nicht - man kann nur versuchen, ein wenig gerechter zu sein. In Frankfurt (wo ich wohne) sind die Lebensunterhaltungskosten kaum geringer als in München - trotzdem gibts dort Leute, die weit weniger als 8 Euro verdienen. Und ob diese Leute das interessieren würde, endlich mal soviel verdienen zu können, daß man sich eine halbwegs vernünftige Wohnung leisten kann.
Wie gesagt, nicht daß ich das irgendjemandem mißgönnen würde, nur gibt es Arbeitgeber, die das schlicht und einfach nicht bezahlen können.
Wenn ein Arbeitgeber mal bereit wäre, so wenig zu bekommen, wie seine Mitarbeiter...
Aber ich gebe Dir recht, daß es nicht selten schwer ist für ein Managment bzw Kleinunternehmer, die Balance zu finden. Dennoch müssen wir uns in der Gesellschaft die Frage stellen, ob wir in Deutschland einen Arbeitsmarkt akzeptieren wollen, wo Menschen so wenig Geld verdienen, daß sie kaum davon leben können.

Die Regierung würde also im Trüben fischen.
Na das tut sie eh zumeist. Du willst doch nicht im Ernst behaupten, daß man als Politiker vorher weiss, was am Ende bei bestimmten Maßnahmen rauskommt. Selbst wenn man nach dem dollsten Lehrbuch für Volkswirtschaft vorgeht halte ich das für ein illusorisches Ansinnen. Politik ist meines Erachtens eigentlich immer Try+Error - nur gibt es niemand zu.

Anhand der verschwindenden und nicht entstehenden Arbeitsplätze könnte sie im nächsten Jahr nachjustieren, wenn man die Zahlen so einfach erheben könnte. So ein Experiment - mit Menschen?
Passiert doch ständig. Deine Forderungen bestimmte Gesetze wieder einzustampfen sind auch allesamt Experimente mit Menschen. Politik ist Experiment mit Menschen - umso mehr sollte man bei den Experimenten am unteren finanziellen Ende der Gesellschaft schauen, daß es ne Menge Auffangnetze gibt. Und genau diese haben wir in den vergangenen Jahren reduziert - ich selber habe das befürwortet. Ich habe aber auch immer empfohlen, daß "die da unten" nun lautstark einfordern, daß "die da oben" nun ihren Beitrag leisten. Genau das passiert aber nicht - sogar eher im Gegenteil. Ich muss zugeben, daß mir daher meine Zustimmung zur "Netz-Reduzierung" nicht mehr sonderlich schmeckt.
Arme Leute sollte die Gemeinde unterstützen
Der Bund, die Länder, die Gemeinde... fiskalisch ist das doch wohl eher wurscht.

Es sei denn, Du meinst das in dem Sinne, daß es die lieben, netten Nachbarn quasi als freiwillige Freundschaftsleistung tun sollen. Schön, daß Du irgendwo in einer Ecke wohnst, wo das geht. Ich selber habe in den 70er Jahren meine Kindheit in Dortmund-Scharnhorst verbracht - eine typische Großstadt-Siedlung. In solchen Siedlungen wirst Du mit Nächstenliebe nicht viel anfangen können. Sowas einzufordern ist nicht minder utopisch, wie das Einfordern eines Bürgergeldes. Zudem fordert die Industrie von Facharbeiten immer mehr Reisetätigkeit - sogenannte Flexibilität - ein. Wie soll man da gescheite nachbarschaftliche Beziehungen aufbauen - da kann man froh sein, wenn man seine Kinder noch wieder erkennt ;) (OK - der Nachsatz war polemisch... aber passte gerad richtig gut *g*)
Wer stellst Du Dir denn vor, daß das [Werbung für gute Löhne] machen soll?
Wer?! Jedes verdammte Unternehmen könnte das zumindest versuchen. Allein es tut niemand. Die Diskussionen um wirtschaftliche Fragen drehen sich doch meist darum, daß es allen irgendwie besser gehen soll. Wie soll das funktionieren, wenn der Teil der Wirtschaft, der letztlich die Entscheidungen trifft - nämlich der Konsument - die Produkte gar nicht nach diesem Kriterium unterscheiden kann? Selbst wenn er wollte (was zugegebenermassen zZ so gut wie nie der Fall sein dürfte).
Das sind aber die Realitäten. Die sollte man zu verstehen versuchen. Durch die Festsetzung von Mindestlöhnen wird kein zusätzlicher Wohlstand geschaffen, also müssen sie auf jemandes Kosten gehen.
Durch Hungerlöhne wird auch kein Wohlstand bei den Leuten geschaffen, die für Hungerlöhne arbeiten müssen.
Von einem anderen Bewußtsein können sich die Leute auch nicht mehr leisten.
Dann weg mit den Menschenrechten und sozialen Errungenschaften. Darum gehts ja anscheinend nicht - sondern nur darum, sich was leisten zu können. Ich will mir ab sofort einen Sklaven leisten können.

Aber ich persönlich versuche inzwischen nicht mehr, eh schon banchteiligten Leuten zu sagen, daß sie noch mehr Kröten schlucken sollen, während die Leute auf der Sonnenseite sich noch mehr in die Tasche stecken.
Nicht sollen. Müssen. Es wird nicht anders gehen, die Gesetze des Marktes werden wir so wenig ändern wie das Wetter.
Diese Aussage zeigt mir mal wieder, daß Du in Kategorien denkst, die einem Kommunisten ähnlich sind. Der "Markt" ist KEIN Naturgesetz. Der "Markt" ist definiert durch das Tauschhandeln der Menschen. Das wird logischerweise vom Verhalten der Menschen bestimmt. Das Verhalten der Menschen ist ganz offensichtlich änderbar - auch in gesellschaftlicher Grössenordnung (sonst würden sich die Gesellschaften heut noch so verhalten, wie vor 10.000 Jahren). Somit ist logischerweise das Marktverhalten änderbar. Und das Markverhalten HAT sich ja in den Tausenden von Jahren auch geändert.

Wieso sollte es also nicht möglich sein, vielleicht sogar in relativ kurzer Zeit, die Konsumenten dazu zu bringen, ihre Produkte auch nach sozialen Standards der herstellenden Unternehmen auszuwählen?!

Interessanterweise wird diese Information aber mit dem Hinweis auf die "Freiheit" des Arbeitgebers grundsätzlich nicht veröffentlicht.
Ich dachte, Tarifverträge wären öffentlich.
Wodurch ich nicht weiss, wieviele der Mitarbeiter eines Unternehmens in welchem Tarifvertrag stecken, geschweige denn ob der Hersteller überhaupt nach Tarifen zahlt, oder wie es gar mit (mir Konsumenten ja völlig unbekannten) Subunternehmen aussieht. Dir persönlich scheint ja vollkommen egal zu sein, ob Dein TFT-Bildschirm von relativ gut bezahlten Südkoreanern, oder von ziemlich armen Schweinen in China hergestellt wird.
Ich halte hier die Freiheit der Konsumenten für wichtiger, als die Freiheit des Arbeitgebers.
Wieder Dein besonderer Freiheitsbegriff. Für mich bedeutet Freiheit, danach fragen zu dürfen, nicht, eine Antwort verlangen zu können.
Ich habe noch nie auch nur irgendeine kritische Frage von einem großindustriellen Hersteller eines Produkts beantwortet bekommen. Ich wüsste nichtmal, wen ich bei einem Hersteller, wie z.B. Nokia, überhaupt fragen kann. Ich kann eine Mail an eine Kontaktadresse schicken. Meinst Du im Ernst, daß ich eine Auskunft bekomme, die jenseits des Geschwätzes liegt, daß die Mitarbeiter weltweit selbstverständlich den firmeneigenen Ethik-Richtlinien entsprechend handeln und somit auch danach bezahlt werden?! Nokia wird mir kaum verraten, wieviele Sklavenarbeiter in Schwarzafrika bei Zulieferer"firmen" für Coltan-Abbau eingesetzt werden, damit die Firma ihre ca. 400 Mio Handies im vergangenen Jahr herstellen konnte. Dich scheint das gar nicht zu interessieren - und Dir scheint auch egal zu sein, daß es keinen Marktmechanismus gibt, der sowas unterbindet. Das einzige, was es gibt, sind Gesetze. Die sind übrigens marktunabhängig.

gruß
Booth
 

Ein_Liberaler

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Booth schrieb:
Wieviel Probleme haben denn Deine Bekannten mit dem Alltagsleben auf Grund ihrer finanziellen Situation?! Die Bekannten, die ich in dem Niedriglohnbereich habe (sind allerdings an einer Hand abzuzählen) finden ihre Situation schlicht grauenvoll. Gelegentliche Suizid-Gedanken allein auf Grund der finanziellen Situation sind auch schonmal bei einem vorgekommen.

Von Selbstmordgedanken habe ich noch nichts gehört. Es ist auch nicht so, als wenn immer beide Ehegatten nur sechs Euro verdienen würden, muß ich dazusagen. Richtig Angst haben die Leute vor der Arbeitslosigkeit, und insbesondere vor Hartz IV.


Erzählst Du Deinen Bekannten, daß sie im Wohlstand leben?!

Nein. Gegenfrage: Liest Du, was ich schreibe? Der Mindestlohn soll für Wohlstand sorgen und erreicht stattdessen das Gegenteil.

Yup - prinzipiell bringt ein Vergleich zu anderen Arbeitsmärkten nicht sooo viel. Da hast Du völlig recht. Umgekehrt weiss man eben auch nicht, wie problematisch ein Mindestlohn in Deutschland wirklich wäre. Wenn die Politiker mal damit beginnen würden, Gesetze versuchsweise auf Zeit umzusetzen, und dann auch versuchen genau zu prüfen, was sie bewirken, dann würde ich sofort sagen: Her damit - versucht es.

Im Moment bin ich im Zwiespalt. Denn ich gebe Dir in sofern Recht: Wenn der Mindestlohn einen erheblich negativen Einfluß auf den Arbeitsmarkt hat, wird er wohl trotzdem nicht so schnell aus der Gesetzgebung verschwinden.

Aber umgekehrt... wie will man denn mal Verbesserungen umsetzen, wenn man nicht auch mal etwas versucht, was auch nach hinten losgehen könnte?!

Das mit "versuchsweise auf Zeit" ist ja im grunde eine gute Idee. Die Befristung direkt ins Gesetz reinschreiben, und nach Ablauf muß ein neuer Gesetzgebungsprozeß zur Verlängerung nötig sein.

Meine Hauptsorge ist dabei nicht etwa, daß unbesorgt die Regelung verlängert wird, sondern daß der Schaden schnell angerichtet und schwer geheilt ist. Wenn tatsächlich Mitarbeiter entlassen und Unternehmen geschlossen werden, wird das nicht so schnell rückgängig gemacht, wenn der Mindestlohn wieder aufgehoben wird.

Und beim Mindestlohn ist es so entnervend sinnlos. Alle Ökonomen sind sich über die Wirkung einig, sogar Bofinger sagt, Mindestlohn ja, aber alles über fünf Euro ist schädlich.

Gerechtigkeit gibts eh nicht - man kann nur versuchen, ein wenig gerechter zu sein. In Frankfurt (wo ich wohne) sind die Lebensunterhaltungskosten kaum geringer als in München - trotzdem gibts dort Leute, die weit weniger als 8 Euro verdienen. Und ob diese Leute das interessieren würde, endlich mal soviel verdienen zu können, daß man sich eine halbwegs vernünftige Wohnung leisten kann.

Der Nebeneffekt davon, daß die sich eine bessere Wohnung leisten können, ist, daß andere Leute ihre Wohnung künftig vom Staat finanziert bekommen, vorausgesetzt, sie haben nicht ein bißchen Geld zurückgelegt, um ihre Kinder studieren lassen zu können und vorausgesetzt, die Wohnung ist nicht zu groß.

Mindestlöhne müssen an die Wirtschafskraft der Region angepaßt sein, wenn schon.


Wenn ein Arbeitgeber mal bereit wäre, so wenig zu bekommen, wie seine Mitarbeiter...
Aber ich gebe Dir recht, daß es nicht selten schwer ist für ein Managment bzw Kleinunternehmer, die Balance zu finden.

Befassen wir uns mal nur mit den Unternehmern, die ihren Arbeitern nicht das Blut aussaugen und mit der Verteilung ihres eigenen Einkommens die Sache nicht rausreißen können.

Dennoch müssen wir uns in der Gesellschaft die Frage stellen, ob wir in Deutschland einen Arbeitsmarkt akzeptieren wollen, wo Menschen so wenig Geld verdienen, daß sie kaum davon leben können.

Kommt darauf an, was die Alternative wäre, oder?



Na das tut sie eh zumeist. Du willst doch nicht im Ernst behaupten, daß man als Politiker vorher weiss, was am Ende bei bestimmten Maßnahmen rauskommt. Selbst wenn man nach dem dollsten Lehrbuch für Volkswirtschaft vorgeht halte ich das für ein illusorisches Ansinnen. Politik ist meines Erachtens eigentlich immer Try+Error - nur gibt es niemand zu.

Völlige Zustimmung. Und Experimente mit Menschen sollte man auf ein Minimum beschränken, meine ich.

Deine Forderungen bestimmte Gesetze wieder einzustampfen sind auch allesamt Experimente mit Menschen.

Das sehe ich eigentlich anders. Vielleicht ist "Experiment" das falsche Wort.

Politik ist Experiment mit Menschen

Deshalb sollte es so wenig Innenpolitik wie möglich geben.

- umso mehr sollte man bei den Experimenten am unteren finanziellen Ende der Gesellschaft schauen, daß es ne Menge Auffangnetze gibt. Und genau diese haben wir in den vergangenen Jahren reduziert - ich selber habe das befürwortet.

Die sind nur reduziert worden, weil sie nicht mehr finanzierbar waren. Genauso gut könnte man sagen, sie seien von allein verschwunden. Das Hauptnetz ist aber immer noch da, es ist unbequem geworden, aber näher ans Hochseil gerückt.

Ich habe aber auch immer empfohlen, daß "die da unten" nun lautstark einfordern, daß "die da oben" nun ihren Beitrag leisten. Genau das passiert aber nicht - sogar eher im Gegenteil. Ich muss zugeben, daß mir daher meine Zustimmung zur "Netz-Reduzierung" nicht mehr sonderlich schmeckt.

Weil hundert Dax-Manager aus dem Vollen schöpfen, möchtest Du die Republik ruinieren?


Arme Leute sollte die Gemeinde unterstützen
Der Bund, die Länder, die Gemeinde... fiskalisch ist das doch wohl eher wurscht.

Nein. Hilfe vor Ort ist zielgerichteter und sparsamer und wahrscheinlich gleichzeitig auch noch großzügiger. Weil man vor Ort eher beurteilen kann, wer Hilfe verdient hat und wer einen Tritt in den Hintern, und weil man vor Ort Hilfe mittels Sachleistungen organisieren kann.


Wer stellst Du Dir denn vor, daß das [Werbung für gute Löhne] machen soll?
Wer?! Jedes verdammte Unternehmen könnte das zumindest versuchen. Allein es tut niemand.

Nein. Die Frage ist, wer, stellst Du Dir vor, könnte einfach mal so aus Werbungsgründen höhere Löhne zahlen?

Das sind aber die Realitäten. Die sollte man zu verstehen versuchen. Durch die Festsetzung von Mindestlöhnen wird kein zusätzlicher Wohlstand geschaffen, also müssen sie auf jemandes Kosten gehen.
Durch Hungerlöhne wird auch kein Wohlstand bei den Leuten geschaffen, die für Hungerlöhne arbeiten müssen.

Das ist kein Argument, tut mir leid.


Von einem anderen Bewußtsein können sich die Leute auch nicht mehr leisten.
Dann weg mit den Menschenrechten und sozialen Errungenschaften. Darum gehts ja anscheinend nicht - sondern nur darum, sich was leisten zu können. Ich will mir ab sofort einen Sklaven leisten können.

Wenn die Deutschen von heute auf morgen ein anderes Bewußtsein bekommen, bekommen sie dann auch mehr Geld, um sich die teureren Produkte leisten zu können?

Diese Aussage zeigt mir mal wieder, daß Du in Kategorien denkst, die einem Kommunisten ähnlich sind. Der "Markt" ist KEIN Naturgesetz. Der "Markt" ist definiert durch das Tauschhandeln der Menschen. Das wird logischerweise vom Verhalten der Menschen bestimmt. Das Verhalten der Menschen ist ganz offensichtlich änderbar - auch in gesellschaftlicher Grössenordnung (sonst würden sich die Gesellschaften heut noch so verhalten, wie vor 10.000 Jahren). Somit ist logischerweise das Marktverhalten änderbar. Und das Markverhalten HAT sich ja in den Tausenden von Jahren auch geändert.

Wieso sollte es also nicht möglich sein, vielleicht sogar in relativ kurzer Zeit, die Konsumenten dazu zu bringen, ihre Produkte auch nach sozialen Standards der herstellenden Unternehmen auszuwählen?!

Ich finde das hoffnungslos naiv. Gerade, als wenn ich meinte, man könnte den Menschen den Neid, das Gerechtigkeitsempfinden und die Genußsucht austreiben und den Homo oeconomicus aus dem Modell aus ihnen machen.

Ich rede nicht von Zeiträumen von 10.000 Jahren. (By the way, sollen wir eine Foundation gründen für dieses Umerziehungsprojekt?) Ich rede von den nächsten zehn bis hundert Jahren, von der derzeitigen Globalisierungskrise auf unserem Arbeitsmarkt. Die Marktkräfte kommen in China und Indien, und, da diese beiden Länder ja notorisch überschätzt werden, in Mittel/Osteuropa gerade richtig in Fahrt, und das ist ein Sturm, den wir abreiten müssen.

Wodurch ich nicht weiss, wieviele der Mitarbeiter eines Unternehmens in welchem Tarifvertrag stecken, geschweige denn ob der Hersteller überhaupt nach Tarifen zahlt, oder wie es gar mit (mir Konsumenten ja völlig unbekannten) Subunternehmen aussieht. Dir persönlich scheint ja vollkommen egal zu sein, ob Dein TFT-Bildschirm von relativ gut bezahlten Südkoreanern, oder von ziemlich armen Schweinen in China hergestellt wird.

Das willst Du alles wissen? Die Tarife, die die Subunternehmer und Zulieferer zahen, und am Ende noch die, die die Rohstoffe fördern?

Übrigens halte ich Beteiligung am Welthandel ür das einzige Mittel, den Lebensstandard der Chinesen zu steigern.


Ich habe noch nie auch nur irgendeine kritische Frage von einem großindustriellen Hersteller eines Produkts beantwortet bekommen. Ich wüsste nichtmal, wen ich bei einem Hersteller, wie z.B. Nokia, überhaupt fragen kann. Ich kann eine Mail an eine Kontaktadresse schicken. Meinst Du im Ernst, daß ich eine Auskunft bekomme, die jenseits des Geschwätzes liegt, daß die Mitarbeiter weltweit selbstverständlich den firmeneigenen Ethik-Richtlinien entsprechend handeln und somit auch danach bezahlt werden?! Nokia wird mir kaum verraten, wieviele Sklavenarbeiter in Schwarzafrika bei Zulieferer"firmen" für Coltan-Abbau eingesetzt werden, damit die Firma ihre ca. 400 Mio Handies im vergangenen Jahr herstellen konnte. Dich scheint das gar nicht zu interessieren - und Dir scheint auch egal zu sein, daß es keinen Marktmechanismus gibt, der sowas unterbindet. Das einzige, was es gibt, sind Gesetze. Die sind übrigens marktunabhängig.

Keinen Marktmechanismus, der was unterbindet?

Was Nokia angeht - nutze den Markt, nutze die Arbeitsteilung. Schließe Dich mit anderenVerbrauchern zusammen und beauftrage Privatdetektive, all das herauszufinden, was Dich interessiert. Gründe eine gemeinnützige Geschäftsethoskontrollorganisation.
 

Booth

Erleuchteter
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Shit - jetzt wird aber wieder sehr lang *g* - also...
Ein_Liberaler schrieb:
Der Mindestlohn soll für Wohlstand sorgen und erreicht stattdessen das Gegenteil.
So wie ich es verstehe, soll der Mindestlohn eher dafür sorgen, daß jemand mit seinen Einkünften auch ein Leben ohne finanzielle Nöte führen kann. Die Frage ist aber sicherlich, wie man "Wohlstand" definieren will - ich würde das jedoch nur ungerne in diesem Zusammenhang plazieren, da es aus meiner Sicht einfach einen extrem bitteren Geschmack hat, wenn ich als jemand mit einem ganz guten Einkommen anderen sagen will, ab wann ein Gehalt quasi per Definition für "Wohlstand" sorgt.

Für mich soll Mindestlohn für ein minimales Auskommen ohne finanzielle Existenzangst trotz Arbeit sorgen. Im Moment bin ich mir sehr unsicher, ob ich das bereits als "Wohlstand" bezeichnen wollte.
Meine Hauptsorge ist dabei nicht etwa, daß unbesorgt die Regelung verlängert wird, sondern daß der Schaden schnell angerichtet und schwer geheilt ist. Wenn tatsächlich Mitarbeiter entlassen und Unternehmen geschlossen werden, wird das nicht so schnell rückgängig gemacht, wenn der Mindestlohn wieder aufgehoben wird.
Die Hauptsorge ist nicht unberechtigt. Umgekehrt scheinst Du keine Sorge zu haben, daß es mehr und mehr Jobs für unter 5 oder gar unter 4 oder gar unter 3 Euro geben wird. Die Sorge habe ich nämlich.
Und beim Mindestlohn ist es so entnervend sinnlos. Alle Ökonomen sind sich über die Wirkung einig, sogar Bofinger sagt, Mindestlohn ja, aber alles über fünf Euro ist schädlich.
Diese Sprüche mit "alle Ökonomen" musst Du mir nicht sagen - ich glaube sie so oder so nicht. Deine Befürchtungen sind klar. Nur lese ich keine Vorschläge, wie Geringstlöhne vermieden werden sollen, von denen Leute kaum leben können.
Der Nebeneffekt davon, daß die sich eine bessere Wohnung leisten können, ist, daß andere Leute ihre Wohnung künftig vom Staat finanziert bekommen, vorausgesetzt, sie haben nicht ein bißchen Geld zurückgelegt, um ihre Kinder studieren lassen zu können und vorausgesetzt, die Wohnung ist nicht zu groß.
Als ob der Wohnungsmarkt in Deutschland nicht bereits vollkommen durch staatliche Subventionen pervers nach oben gerutscht ist. Das waren aber allesamt Subventionen, die Leute zu Gute kamen, die eh schon ein vernünftiges Einkommen hatten und haben. Scheint mir ziemlich schräg zu sein, daß man Leuten mit Geringsteinkommen keine Subventionen gönnen will, wenn es gleichzeitig seit Jahrzehnten Wohnungsbau-Subventionen in zweistelligen Milliardenhöhen für Besserverdiener gibt.

Sicher - ich denke, Du würdest dafür plädieren, alle Wohnungsbau-Subventionen einzustellen - ich ja auch. Aber das ist wohl auszuschließen, daß sied kurzfristig passiert. Von daher sind die Geringverdiener, die von den Subventionen nix haben, die Verlierer, da diese Subventionen im gesamten Wohnungsmarkt für höhere Preise sorgen. Was kann man also dagegen kurzfristig tun?
Mindestlöhne müssen an die Wirtschafskraft der Region angepaßt sein, wenn schon
Auf jeden Fall eine gut klingende Idee - eine regionale Anpassung könnte man auch in anderen Gesetzen vornehmen, die den Arbeitsmarkt betreffen. So oder so muss man das aber recht grob und simpel halten, sonst hat man wieder ein BBürokratiemonster geschaffen. Zudem hast Du dann immer Probleme im Grenzbereich dieser Regionen. Aber sicher ein Vorschlag, den man versuchen könnte.
Wenn ein Arbeitgeber mal bereit wäre, so wenig zu bekommen, wie seine Mitarbeiter...
Aber ich gebe Dir recht, daß es nicht selten schwer ist für ein Managment bzw Kleinunternehmer, die Balance zu finden.
Befassen wir uns mal nur mit den Unternehmern, die ihren Arbeitern nicht das Blut aussaugen und mit der Verteilung ihres eigenen Einkommens die Sache nicht rausreißen können
Wieso sollte ich? Denn solange ich keine Zahlen als Konsument sehe, kann mir ein Firmenbesitzer ziemlich viel Quatsch erzählen. Wieso sollte er mir die Wahrheit sagen?! Lügen (oder auch nur das Zurückhalten von informationen) ist seit jeher Kern des Wirtschaftslebens.
Dennoch müssen wir uns in der Gesellschaft die Frage stellen, ob wir in Deutschland einen Arbeitsmarkt akzeptieren wollen, wo Menschen so wenig Geld verdienen, daß sie kaum davon leben können.
Kommt darauf an, was die Alternative wäre, oder?
Entweder versucht man Alternativen zu finden oder denkt darüber nach, oder man ist Zyniker. Denn als Gutverdiener anderen (wenn auch mit Mitleidsmiene) mitzuteilen, daß es in ein paar Jahrzehnten schon ein paar Euro besser für die Geringstverdiener ist, erscheint mir schon recht zynisch. Wir sind ja nicht diejenigen, die unter finanzieller Not leiden.

Wasser predigen und Wein saufen ist zwar seit jeher weit verbreitet, steht aber niemandem sonderlich gut.
Und Experimente mit Menschen sollte man auf ein Minimum beschränken, meine ich.
Das kommt auf die Menschen an. Ein Experiment, wo wirklich "wohlhabende" (also vermögende) Menschen ein paar Prozente mehr oder weniger Einbußen haben, sehe ich für weit weniger kritisch, als Experimente, die Einbußen bei Geringstverdienern bedeuten können.
Deine Forderungen bestimmte Gesetze wieder einzustampfen sind auch allesamt Experimente mit Menschen.
Das sehe ich eigentlich anders. Vielleicht ist "Experiment" das falsche Wort.
Ein Experiment ist eine Handlung, wo man den Ausgang nicht hundertprozentig sicher vorhersagen kann. Glaubst Du im Ernst, daß Du auf Grund vom verschlingen von Wirtschaftsliteratur recht genau vorhersagen kannst, welche Auswirkungen bestimmte Gesetze nach sich ziehen?! Bei einem 80-Mio-Staat?!

Politik ist Experiment mit Menschen
Deshalb sollte es so wenig Innenpolitik wie möglich geben.
Da der Status momentan ein anderer ist, ist der Ruf danach ein Ruf nach einem utopischen Staat. Wir haben nunmal sehr viel Innenpolitik (wie eigentlich so ziemlich alle Staaten) - Du hast keine Ahnung, wie sich dieses Minimum an Innenpolitik wirklich auswirken würde. Somit wäre auch das wieder ein Experiment.

- umso mehr sollte man bei den Experimenten am unteren finanziellen Ende der Gesellschaft schauen, daß es ne Menge Auffangnetze gibt. Und genau diese haben wir in den vergangenen Jahren reduziert - ich selber habe das befürwortet.
Die sind nur reduziert worden, weil sie nicht mehr finanzierbar waren.
Interessant, daß es kaum Experimente am oberen Ende gibt, wie z.b. endlich mal eine Erbschaftssteuer, die man auch so nennen kann. Der Staatshaushalt ist ja eine riesige Mischkalkulation. Und Einsparen am unteren Ende finde ich dann irritierend, wenn am oberen Ende nicht ebenfalls eingespart wird.

Ich habe aber auch immer empfohlen, daß "die da unten" nun lautstark einfordern, daß "die da oben" nun ihren Beitrag leisten. Genau das passiert aber nicht - sogar eher im Gegenteil. Ich muss zugeben, daß mir daher meine Zustimmung zur "Netz-Reduzierung" nicht mehr sonderlich schmeckt.
Weil hundert Dax-Manager aus dem Vollen schöpfen, möchtest Du die Republik ruinieren?
Interessant... jetzt ruiniere ich schon die Republik. Solche Rufe bin ich eigentlich von linksorientierten Leuten gewohnt.

Was genau würde denn die Republik ruinieren. Ein Mindestlohn? Oder daß man nach Kürzungen "unten" nun auch Kürzungen "oben" durchführt? Oder beides?

Aber... am besten nimmst Du diesen polemischen Ausbruch einfach zurück ;)

Arme Leute sollte die Gemeinde unterstützen
Der Bund, die Länder, die Gemeinde... fiskalisch ist das doch wohl eher wurscht.
Nein. Hilfe vor Ort ist zielgerichteter und sparsamer und wahrscheinlich gleichzeitig auch noch großzügiger.
Das Arbeitsamt ist doch keine Einrichtung die zentral arbeitet - sie wird zentral bezahlt, aber deshalb muss sie noch lange nicht zentrale arbeiten. Klar muss die Hilfe vor Ort in den Gemeinden stattfinden - aber aus welchem Topf sie bezahlt wird, halte ich nun für eher unwichtig.

Aber vermutlich steht dahinter die Intention, daß insgesamt mehr Steuergelder in den Gemeinden verwaltet werden sollten, damit die Gemeinden auch viele andere Hoheiten gewinnen, die heute noch beim Bund liegen. Da sind wir sicher einer Meinung.

Wir leben aber leider noch im Zeitalter der Nationalstaaten, auch wenn diese glücklicherweise mehr und mehr zusammenarbeiten. Es wird wohl eine Aufgabe vieler Jahrzehnte sein, die Nationalstaaten noch weiter zurückzudrängen, und die Gemeinden wieder zu stärken. Aber ich halte den Weg auch für richtig.
Wer stellst Du Dir denn vor, daß das [Werbung für gute Löhne] machen soll?
Wer?! Jedes verdammte Unternehmen könnte das zumindest versuchen. Allein es tut niemand.
Nein. Die Frage ist, wer, stellst Du Dir vor, könnte einfach mal so aus Werbungsgründen höhere Löhne zahlen?
Der italienische Unternehmer, den ich erwähnt hatte, hat dies gemacht, ohne so eine Werbung zu betreiben. Die Frage ist ja, ob es einem Unternehmer überhaupt ein Anliegen ist, den Angestellten ein möglichst gutes Einkommen zu verschaffen. Von diesen Unternehmern gibt es sicher einige - viele sind aber auch anders. Gerade die Unternehmer, die heute bereits so sind, könnten versuchen, dies direkt als Werbung für das eigene Unternehmen zu plazieren. Das tut aber niemand, da niemand genauere Zahlen herausgeben will, was die Mitarbeiter verdienen.

Das sind aber die Realitäten. Die sollte man zu verstehen versuchen. Durch die Festsetzung von Mindestlöhnen wird kein zusätzlicher Wohlstand geschaffen, also müssen sie auf jemandes Kosten gehen.
Durch Hungerlöhne wird auch kein Wohlstand bei den Leuten geschaffen, die für Hungerlöhne arbeiten müssen.
Das ist kein Argument, tut mir leid.
Für einen Menschen, der es schlimm findet, daß in einem reichen Land Leute ein Einkommen hinnehmen müssen, mit dem sie trotz Verdienst finanzielle Nöte erleiden müssen, ist das ganz sicher ein Argument.

Zu sagen, daß Du die finanziellen Nöte schlimm findest, aber gleichzeitig keine Vorschläge zu machen, wie diese Nöte kurzfristig zu ändern sind, finde ich vollkommen unangemessen für jemanden, der selber ordentlich verdient.
Wenn die Deutschen von heute auf morgen ein anderes Bewußtsein bekommen, bekommen sie dann auch mehr Geld, um sich die teureren Produkte leisten zu können?
Wenn die Wirtschaft langfristig wächst, aber kurzfristig Menschen finanziell trotz arbeit not leiden müssen, bekommen sie dann von Dir ein Bewusstsein, daß sie nunmal das als tolles Opfer für eine zukünftige Wirtschaft gefälligst hinzunehmen haben?

Übrigens hat es die tolle Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren bis 2006 auch ohne Mindestlohn geschafft, daß für Kleinverdiener die Produkte immer teurer wurden. Herzlichen Glückwunsch.

Wieso sollte es also nicht möglich sein, vielleicht sogar in relativ kurzer Zeit, die Konsumenten dazu zu bringen, ihre Produkte auch nach sozialen Standards der herstellenden Unternehmen auszuwählen?!
Ich finde das hoffnungslos naiv. Gerade, als wenn ich meinte, man könnte den Menschen den Neid, das Gerechtigkeitsempfinden und die Genußsucht austreiben und den Homo oeconomicus aus dem Modell aus ihnen machen.
Na klar ist das naiv - denn solange es kein Unternehmer als Vorgabe bekommt, seine Zahlen zu den Einkommen seiner Mitarbeiter als Statistik zu veröffentlichen, wird er einen Teufel tun. Das ist ja ein wesentlicher Informationsvorsprung, den er gegenüber seinen Mitarbeitern hat, um ihre Löhne so gut es geht nach unten zu handeln.
Ich rede nicht von Zeiträumen von 10.000 Jahren. (By the way, sollen wir eine Foundation gründen für dieses Umerziehungsprojekt?)
Die Umerziehung würde damit beginnen, daß diese Informationen überhaupt verfügbar wären. Solange es keine bedruckbaren Bücher gab, wurde auch nur ein extrem geringer Teil der Bevölkerung in Lesen und Schreiben geschult.

Wenn ich nichtmal die Voraussetzungen für ein Verhalten schaffe, wird es nicht nur 10.000, sondern eher 10 Mio Jahre dauern. Die Tatsache, daß Du offenbar kein Interesse hast, die Voraussetzungen dafür überhaupt zu schaffen, zeigt mir, daß Du auch kein Interesse am Ziel hast.
Ich rede von den nächsten zehn bis hundert Jahren, von der derzeitigen Globalisierungskrise auf unserem Arbeitsmarkt.
Und genau das ist Dein Problem, wenn Du über den Mindestlohn redest. Denn einem Geringverdiener, der so wenig verdent, daß er nicht weiss, wie er auch nur eine kaputte Brille des Sohnemannes bezahlen soll, ist der Zeitraum von 10 Jahren ziemlich egal. Er kann nichtmal 10 Tage mit seinem Einkommen planen.

Wenn ich über das JETZT rede, habe ich zwar meine langfristigen Ideen im Kopf und äussere sie auch - aber ich versuche zu trennen. Versuch Du doch auch mal. Also - was sagst Du dem Geringverdiener JETZT wie er in DIESEM Jahr mit seinem Einkommen klar kommen soll.
Die Marktkräfte kommen in China und Indien, und, da diese beiden Länder ja notorisch überschätzt werden, in Mittel/Osteuropa gerade richtig in Fahrt, und das ist ein Sturm, den wir abreiten müssen
Ganz sicher - das wichtigste ist aber meines Erachtens, daß wir NICHT versuchen, einen Markt für Geringverdiener zu etablieren. Denn selbst 1 Euro/Stunde ist noch meilenweit entfernt, mit den Tiefstlöhnen jener Märkte konkurrieren zu können. Der Glaube, daß dies funktionieren kann, wird meines Erachtens in einem Desaster für uns enden.

Das willst Du alles wissen? Die Tarife, die die Subunternehmer und Zulieferer zahen, und am Ende noch die, die die Rohstoffe fördern?
Korrekt.
Übrigens halte ich Beteiligung am Welthandel ür das einzige Mittel, den Lebensstandard der Chinesen zu steigern.
Ich auch - aber die Chinesen sind so schlau, ne Menge Schutz für ihr "System" umzusetzen. Sei ihnen gegönnt. Europa ist eigentlich stark genug, ebenfalls einen Schutz für das eigene System zu etablieren. Wie der genau aussehen soll, weiss ich auch nicht. Aber der Gedanke mit teilweise rechtsfreien Räumen von sklavenähnlichen Arbeiterheeren konkurrieren zu wollen klingt meines Erachtens suizidverdächtig.


Nokia wird mir kaum verraten, wieviele Sklavenarbeiter in Schwarzafrika bei Zulieferer"firmen" für Coltan-Abbau eingesetzt werden, damit die Firma ihre ca. 400 Mio Handies im vergangenen Jahr herstellen konnte. Dich scheint das gar nicht zu interessieren - und Dir scheint auch egal zu sein, daß es keinen Marktmechanismus gibt, der sowas unterbindet.
Keinen Marktmechanismus, der was unterbindet?
Sklaverei, Mord, etc - die Mafia bezeichnet sich übrigens auch zuweilen als Wirtschaftsunternehmen.
Was Nokia angeht - nutze den Markt, nutze die Arbeitsteilung. Schließe Dich mit anderenVerbrauchern zusammen und beauftrage Privatdetektive, all das herauszufinden, was Dich interessiert. Gründe eine gemeinnützige Geschäftsethoskontrollorganisation.
Es wäre ja zur Zeit sogar juristisch verboten, solche Informationen zu veröffentlichen - es wäre ja schon kriminell, solche Informationen gegen den Willen des Unternehmens einzuholen. Aber prinzipiell hast Du recht, daß ich versuchen sollte, diese Forderung als Langfrist-Idee genauer zu formulieren. Aber mir ist natürlich klar, daß es eine Aufgabe von mehreren Generationen ist, den Markt so zu entwickeln, daß ein Konsument ein intensives Interesse daran hat, unter welchen Bedingungen ein Produkt hergestellt wird - aus dem simplen Grund, da die Masse an Konsumenten wiederum Angestellte sind, also selber daran interessiert sind, möglichst gute Arbeitsbedingungen vorzufinden.

Das ist der Freiheits-Konflikt, den ich hier seit längerem mitteile. Ich als Konsument besitze nicht das Recht, bestimmte Informationen über ein Unternehmen einzuholen. Das Recht des Unternehmens, diese Informationen nicht preisgeben zu müssen ist höher als meines, dies als Notwendigkeit anzusehen, ein Unternehmen (und damit seine Produkte) nach sozialen Kritierien einstufen zu können.

Das Ergebnis ist eindeutig: Kaum ein Konsument interessiert sich (in seiner Konsumentenrolle) bei dem Kauf eines Produkts für soziale Standards der Unternehmen. Das bedeutet, daß rein wirtschaftlich einem Unternehmen nicht wichtig ist, wie diese Standards aussehen - folglich wird nahezu jedes Unternehmen innerhalb der gesetzlichen Rahmen (und viel zu oft ausserhalb) bemüht sein, die Standards an das wirklich wichtige Kaufkriterien der Konsumenten anzupassen: Dem Preis.

Solange die gesetzlichen Rahmenbedingungen der sozialen Standards im Markt im großen und ganzen ähnlich sind, funktioniert das System sehr gut. Sobald ein gewichtiger Bereich des Marktes soziale Standards völlig anders definiert, funktioniert das System nicht mehr sehr gut.

Aus meiner Sicht gibt es zwei Möglichkeiten für die Marktbereiche mit hohen sozialen Standards: (Teilweise) nach unten anpassen, oder Wege finden, daß dies nicht nötig ist.

gruß
Booth

P.S. Da ich hoffe, daß meine grundlegenden Gedanken klar sind, versuche ich nun wieder, diese wegzulassen, und mich auf die Diskussion um den Mindestlohn zu beschränken :)
 

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