Weltweit weiß jeder Moslem, dass der 11. September eine jüdische Verschwörung war, die den Weg ebnen sollte für eine israelisch-amerikanische Militäroperation nicht nur gegen Osama bin Laden und die Taliban, sondern auch gegen islamistische Militante in Pakistan. Am Tag des Anschlags waren 4000 Juden nicht im World Trade Center: Man hatte sie natürlich gewarnt.
Wie können Menschen so empfänglich sein für Desinformation?
Der Rufmord, der alle Juden verhöhnt, die im World Trade Center starben, und der von Millionen als Realität genommen wird, stammt ursprünglich von einer Website vom September 2001. Sie heißt InformationTimes.com, ein "unabhängiger Nachrichten- und Informationsdienst", als dessen Adresse das Pressehaus in Washington, DC, angegeben ist. Mir schien es wert, den Chefredakteur Syed Adeeb nach Beweisen zu fragen.
Erst kürzlich habe ich Adeeb endlich in Virginia erreicht und ihn nach seiner Quelle gefragt. Es sei der Fernsehsender Al Manar in Libanon, sagte er. Als ich ihn fragte, ob er keine Bedenken habe, sich auf Al Manar zu verlassen, da der Sender immerhin ein Organ der terroristischen Hisbollah-Gruppe sei und das erklärte Ziel verfolge, "eine wirksame psychologische Kriegsführung gegen den zionistischen Feind in Gang zu bringen", meinte Adeeb nur: "Aber er ist ein sehr beliebter Sender." Ganz offensichtlich glaubte er selbst an seine Story. Als ich erwähnte, dass es jüdische Namen unter den Opfern in den Türmen gäbe, gestand er zu, dass ein oder zwei Juden gestorben sein könnten; aber er fand es weiterhin verdächtig, dass es keine Auskunft darüber gab, wie viele Juden dort umgekommen seien. Er sagte mir, ohne dass ich danach gefragt hätte, er sei US-amerikanischer Bürger und einige seiner besten Freunde seien Juden.
Man braucht sich nur die Schlagzeilen seines Informationsdienstes anzuschauen und erkennt schnell das Weltbild des Syed Adeeb: "Israelis mit Bombenmaterial in Washington verhaftet"; "Israelische Mafia beherrscht den US-Kongress"; "Verrückte Hindu-Terroristen drohen Amerika"; "CIA und FBI sollten Israel-Lobby untersuchen"; "Barbarische israelische Soldaten vergewaltigen und foltern 86 Frauen in Nablus, Palästina".
Als ich nach der Quelle für die Meldung über die Vergewaltigungen in Nablus fragte, wurde ich an die britische Labour-Abgeordnete Lynne Jones verwiesen. Ich habe es daraufhin überprüft: Tatsächlich hat Lynne Jones diese Meldung, die sie aus einer E-Mail von Anthony Razook in Nablus hatte, zirkulieren lassen. Aber sie ist immerhin skeptisch genug gewesen, um anzumerken: "Dieser Bericht ist nicht bestätigt worden." Solche Einschränkungen lösen sich in der Endlosschleife von weiterverbreiteten Informationen sehr schnell in Luft auf.
Früher wären solche Geschichten auf verschmierten Flugblättern weitergereicht worden und in keiner Zeitung erschienen. Heute haben Zauberer wie Adeeb durch die falsche Authentizität der elektronischen Weitergabe ein Megafon, durch das sie einer verführbaren Welt etwas vorposaunen.
Fünf Millionen Juden in Israel sind eine bedrohte Minderheit, umgeben von 300 Millionen Moslems, die zum größten Teil von autoritären Regimen regiert werden. Diese Regierungen sind Quasi-Polizeistaaten, die in den letzten fünfzig Jahren nie aufgegeben haben, Israel durch Krieg oder Terrorismus auslöschen zu wollen. Sie haben die eigene Opposition und jegliche kritische Berichterstattung zum Schweigen gebracht, ihre Rechtssysteme gehorchen dem Gedanken der Rache, und ihre Schulen vergiften die Kinder; zudem haben sie in fast allen Aspekten sozialer und politischer Gerechtigkeit keinerlei Erfolge zu verzeichnen, und sie lenken die daraus folgende Frustration der Massen ab auf den Sündenbock Zionismus; sie brüten internationalen Terrorismus aus und finanzieren ihn.
Und dennoch ist es Israel, das mit Skepsis und nicht selten Feindseligkeit betrachtet wird. Nehmen wir die Schlacht von Dschenin. Die Annahme war in der ersten heißen Phase der Nachrichtenrecherche - selbst in den besten Zeitungen Europas und in stundenlangen Übertragungen der Sender -, dass die Nachricht von 3000 getöteten und heimlich vergrabenen Palästinensern wahr sein musste, obwohl der Hauptverantwortliche für die Verbreitung dieser Nachricht Saeb Erekat war, der immer wieder als Lügner entlarvt worden ist. Der Guardian schrieb sogar in seinem Kommentar, der israelische Angriff auf Dschenin sei "ebenso abscheulich" wie der Angriff Osama bin Ladens auf New York am 11. September. Tatsächlich aber hatte es kein Massaker und kein Massengrab gegeben. Human Rights Watch hat die Zahl der Toten inzwischen auf 54 geschätzt, darunter 22 Zivilpersonen, die Israelis sagen, es seien drei Zivilisten gewesen. Einige palästinensische Militante behaupten sogar, Dschenin sei mit dem Tod von 23 israelischen Soldaten ein Sieg für sie gewesen.
Natürlich war es die Pflicht der Presse, die palästinensische Behauptung eines Massakers zu bringen; sie war berechtigt, Fragen zu stellen und Warnungen in ihren Kommentaren auszusprechen. Aber die Wahrheit lag nicht in der Balance zwischen konkurrierenden Statements, und die herrschende Hysterie tat ihr Übriges. Geschichten wie diese verlangen jedoch eine besonders gründliche Berichterstattung, Zurückhaltung in der Sprache, skrupulöse Sorgfalt in den Schlagzeilen, angemessene Aufmerksamkeit für die Quellen und vor allem Verantwortlichkeit: Das Wort "Genozid" bedeutet etwas zu Furchtbares, als dass man es entwerten und in kleiner Münze ausgeben sollte.
Es ist ebenso wenig antisemitisch, sich in Anbetracht von Dschenin ein paar Fragen zu stellen, als es antijournalistisch ist, sich Fragen über die Berichterstattung zu stellen. Es ist nicht antisemitisch, über die Misshandlung von Palästinensern zu berichten und dagegen zu protestieren. Es ist nicht antisemitisch, zu glauben, dass Scharons Vergangenheit seine Versprechen für die Zukunft Lügen straft. Es ist nicht antisemitisch, die lange Besatzung zu beklagen, auch wenn sie ursprünglich zu Stande kam durch arabische Politiker, die drei Kriege anzettelten und sie verloren.
Allerdings ist es antisemitisch, den Staat Israel als teuflische Abstraktion zu diffamieren und nur den einzelnen Juden zu tolerieren, nicht aber die Juden als Kollektiv. Es ist antisemitisch, andauernd an Israel zu verdammen, was man an anderen ignoriert oder sogar duldet. Vor allem ist es antisemitisch, das Judentum und das jüdische Volk zu entmenschlichen, beispielsweise durch Aufhetzung und Rechtfertigung ihrer Auslöschung. Und genau das ist es, was wir tausendfach in unerträglichem Ausmaß sehen.
Die Europäische Union hat kürzlich weiteren Millionen zugestimmt, die für die palästinensische Autonomiebehörde (PA) gedacht sind. So korrupt sie auch ist: Man sympathisiert mit ihrem Ruf nach Solidarität für die Linderung von Leiden und Armut. Sollte es nicht dennoch eine Bedingung gewesen sein, dass die PA aufhören muss, europäisches Geld für rassistische Propaganda in ihren Schulen und Moscheen, in Fernsehen und Rundfunk, in politischen Demonstrationen und Ferienlagern auszugeben? Der Fanatismus, dem Arafat anbot abzuschwören - als Verhandlungsmasse, nicht aus moralischem Prinzip -, ist der Fanatismus seiner eigenen Behörde, die unter anderem Bildungsfilme mit kleinen Mädchen produziert, wie sie inbrünstige Loblieder auf Märtyrer singen.
Das Ausmaß der Ansteckung wurde kürzlich deutlich an der Al-Najah-Universität in Nablus, in der Studenten eine Ausstellung organisierten unter dem Titel "Die Sbarro Café Ausstellung". Das Sbarro Café war die Pizzeria, in der ein palästinensischer Selbstmordattentäter 15 Menschen durch eine explodierende Bombe in den Tod riss. Die Ausstellung enthielt, laut Associated Press und einiger israelischer Medien, Pizzastücke und Körperteile, die im Raum verteilt waren. An den Wänden war rote Farbe, die Blut symbolisieren sollte.
Es ist nicht leicht, irgendwo noch so etwas wie geistige Gesundheit zu finden, selbst im Fachbereich Psychiatrie der Ein-Shams-Universität in Kairo nicht. Die folgende Aussage über Selbstmordattentate stammt von Dr. Adel Sadeq, Vorsitzender des Psychiatrieverbandes: "Als professioneller Psychiater stelle ich fest, dass der höchste Moment der Seligkeit am Ende des Countdowns kommt: zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins. Wenn der Märtyrer zur "Eins" kommt und explodiert, hat er ein Gefühl des Fliegens, denn er weiß, dass er nicht tot ist. Es ist nur ein Übergang zu einer anderen, besseren Welt. Keiner im Westen opfert sein Leben für seine Heimat. Wenn seine Heimat bedroht ist, ist er der Erste, der das sinkende Schiff verlässt. In unserer Kultur ist das anders. (. . .) Dies ist die einzige arabische Waffe, die es gibt, und jeder, der etwas anderes sagt, ist ein Verräter."
Der Nächste, bitte!
Die erbarmungslose Karikatur des Juden in der moslemischen Welt ist öde und stetig dieselbe: Juden sind immer dreckige, hakennasige, geldgierige, rachsüchtige und Ränke schmiedende Parasiten. Sie sind Barbaren, die willentlich Sünde, Drogen und Prostitution verbreiten und das Wasser vergiften. Unter solcherart Fabrikationen sind beispielsweise die folgenden: "Israelische Behörden infizierten während der Intifada durch Spritzen 300 palästinensische Kinder mit dem HI-Virus"; "Israel vergiftet Palästinenser mit Uran und Nervengas"; "Israel verteilt mit Drogen präparierte Kaugummis und Bonbons, um Frauen sexuell zu korrumpieren"; "Juden benutzen das Blut von Nichtjuden, um Matze zum Pessachfest zu backen" (Al Ahram, Kairo).
Im April verbreiteten staatlich geförderte Studenten in San Francisco ein Poster mit dem Bild eines Babys, "das nach jüdischem Ritus unter amerikanischer Lizenz geschlachtet" wurde.
Es ist kaum zu fassen, dass arabische und moslemische Medien - hinter ihnen jeweils ihre Staaten -, die notorische Fälschung der Protokolle der Weisen von Zion wieder haben auferstehen lassen. Dieses angeblich okkulte Dokument enthält den heimlichen zionistischen Plan, mit Hilfe dessen die teuflischen Juden die Weltherrschaft erobern wollen. Es sind diesem Buch schon mehr akademische Pfähle durchs Herz geschlagen worden als dem hunderttausendsten Film-Dracula, aber seine bizarren Fälschungen sind in der moslemischen Welt täglich Brot. Eine 30-teilige Serie mit 400 Schauspielern, die viele Millionen gekostet haben muss, ist für das ägyptische Fernsehen und den Rundfunk produziert worden. Und sie ist durchaus nicht als Satire gemeint.
Es sind die Protokolle, durch die sich Hamas, die islamistische Widerstandsbewegung, inspirieren lässt und die es seinen Kindern vorsetzt und behauptet, es seien die Juden, die sowohl die Reichtümer als auch die Medien der Welt besitzen. Laut Hamas - und wer würde das im Klassenzimmer oder auf der Straße hinterfragen - haben die Juden gezielt die Französische und Russische Revolution sowie den Ersten Weltkrieg angezettelt, damit das islamische Kalifat ausgelöscht und die Liga der Nationen gegründet würde, "so dass ihre Zwischenhändler die Welt regieren". (. . .)
Abgesehen von Ausmaß und Intensität der multimedialen globalen Kampagne hat es auch eine merkwürdige Veränderung der politischen Richtung gegeben. Die arabische Frustration über die Anerkennung des Staates Israel nach dem Zweiten Weltkrieg ist seit Jahrzehnten ausgedrückt worden in der Frage: "Warum sollen Araber zahlen für den Holocaust, den die Europäer angerichtet haben?"
Heutzutage wird behauptet, dass der Holocaust eine zionistische Erfindung sei. Die Heftigkeit, mit der diese These vertreten wird, ist ebenso erstaunlich wie die Missachtung jeglicher historischer Dokumentation.
Ein typischer Kolumnist in Al-Akhbar, der regierungstreuen ägyptischen Tageszeitung, schreibt am 29. April: "Diese ganze Sache (der Holocaust) ist, wie viele französische und britische Wissenschaftler inzwischen bewiesen haben, nichts anderes als eine riesige israelische Verschwörung, die lediglich darauf abzielt, den europäischen Ländern und insbesondere der deutschen Regierung Geld aus der Tasche zu ziehen. Angesichts dieser Tatsache möchte ich persönlich mich gern bei Hitler beschweren und sagen: 'Hättest du es doch nur vollbracht, Bruder, wenn es doch wirklich passiert wäre, so dass die Welt befreit atmen könnte ohne ihre Bosheit und Sünde.'" Hiri Manzour schreibt in der offiziellen palästinensischen Tageszeitung: "Die Zahl der sechs Millionen Juden, die in Auschwitz verbrannt worden sein sollen, ist eine Lüge", eine Fälschung, die von den Juden verbreitet wird als Teil ihrer internationalen "Marketing-Operation". (. . .)
Das Verblüffende an der antisemitischen Kampagne ist ihre umwerfende Verdrehung: Die arabischen und moslemischen Medien und Moscheen zeichnen die Israelis als Nazis - selbst der eher zum Einlenken bereite Barak und der Falke Scharon werden gleichermaßen mit Hakenkreuzfahnen umwunden und bluttriefendem Raubtiergebiss gezeigt - dabei sind es die Moscheen und Medien, die eine Judenfeindschaft verbreiten, wie sie nach Auschwitz führte.
Der palästinensische Anspruch auf einen Staat ist unabweisbar, und ein solcher wäre unter einer klügeren Führung längst existent. Es ist tragisch, dass die palästinensische Sache inzwischen derart rücksichtslos ausgebeutet wird - mit "dem Juden" als Codewort für extremistische Aufhetzung gegen die USA und den Westen. Dies ist ein Dschihad. Er ist gegen uns alle gerichtet, gegen alle Europäer, die "aussehen wie" Amerikaner, weil sie an die liberale Demokratie glauben und von der US-Kultur angesteckt sind. Aber dessen erste Opfer sind in Wirklichkeit die Palästinenser und die frustrierten Massen der moslemischen Welt. Ihre Anführer haben sie in drei Kriegen in die Niederlage geführt. Sie haben es nicht geschafft, ihre korrupten und inkompetenten Gesellschaften zu reformieren. Es ist bequem für sie, die Verzweiflung und Wut auf ihren Straßen gegen Israel und die Juden zu richten, die angeblich den Westen beherrschen. Aber Gesellschaften, in denen dazu ermutigt wird, Terror und Hass zu tolerieren, werden meist selbst davon vergiftet. Bernard Lewis beobachtete schon vor 16 Jahren, dass der Antisemitismus zum Bestandteil des intellektuellen Lebens der Araber wurde, "fast so sehr wie in Nazi-Deutschland". Damals setzte er noch den tröstlichen Gedanken hinzu, dass es diesem Antisemitismus an der tiefen emotionalen Verwurzelung mangele, die er in Osteuropa hatte, und "zum großen Teil nur politisch und ideologisch, intellektuell und literarisch" sei, ohne persönliche Animosität oder populäre Resonanz. Der Antisemitismus würde von den arabischen Herrschern und Eliten nur zynisch benutzt, eine rhetorische Waffe, die man wegwerfen würde, wenn man sie nicht mehr bräuchte. Aber das war vor dem jetzigen elektronischen Aufblühen des Hasses, vor der Gehirnwäsche, die ich hier skizziert habe, vor dem 11. September. Denkmuster, die den Terror akzeptieren, werden in der moslemischen Welt verankert und durch Lethargie und Vorurteile in Europa sanktioniert: Jene Palästinenser, die ihre Freudentänze am 11. September tanzten, und jene Studenten, die die grässliche Ausstellung der Pizzeria-Morde zusammenstellten, sind nicht alle Al Qaeda. Aber ihre Akzeptanz des Terrors als Ersatz für Politik lässt nichts Gutes ahnen für die Zukunft ihres Landes oder die Möglichkeit eines friedlichen politischen Dialogs in irgendeinem der arabischen Staaten.
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