Das grösste Problem, das ich sehe, ist das viele Leute gerne an Verschwörungstheorien glauben möchten, weil sie die Welt dann schön simpel machen. Verschwörungstheorien nehmen uns die Notwendigkeit über die chaotische Komplexheit der menschlichen Gesellschaft Gedanken zu machen, und geben uns "Hoffnung", daß nur eine handvoll Leute an der richtigen Stelle die ganze Menschheit "lenken" könnten.
Ich halte dies für illusorisch, gerade wenn es über einen langen Zeitraum von mehreren Generationen geht.
So - nach der kurzen Einleitung ein paar grundsätzliche Gedanken, wo ich gleich einen Vorredner zitieren kann:
Paladin schrieb:
Wenn was gutes irgendwo rauskommen soll braucht man es nicht geheimhalten oder verklären.
Man merkt, daß Du das Kind einer freiheitlichen Demokratie bist, und Du solltest (wie wir alle hier) froh darüber sein
- Aber ein Blick über unsere Landesgrenzen hinaus, und vor allem in die Geschichtsbücher zeigt doch, daß es nicht immer so freiheitlich zuging.
Ich zitiere aus "www.wikipedia.de" zum Thema Verschwörung:
In einer Verschwörung (auch Konspiration) schließen sich mehrere Personen zur Erreichung eines meist ungesetzlichen Ziels zusammen.
Wenn ich in einem diktatorischen Staat eine Veränderung in Richtung freiheitlicher Grundordnung herbeiführen möchte, dann ist das natürlich gegen die "gültigen Gesetze" (wenn sich die Machthaber überhaupt an Gesetze halten müssen). Dies ist einer der Hauptgründe, warum die Freimaurer sehr schnell eine "Geheimbewegung" wurden - weil sie nunmal nahezu überall in Europa im Laufe des 18. Jahrhunderts verboten wurden.
Was steht denn wichtiges in diesem definierenden Satz drin?
Es muss ein Ziel geben.
Wenn ich mir nun die ganzen Theorien über "Verschwörungstheorien" hier anhöre, die über viele Jahrhunderte oder gar Jahrtausende gehen sollen - ja wo bitteschön ist denn da das konkrete Ziel?
Bei den Freimaurern ist es relativ klar - es geht um die Durchsetzung einer freiheitlichen Grundordnung. Mir ist nicht mehr sonderlich klar, wozu Freimaurer in Europa noch wirklich notwendig sind, aber das ist geschenkt. Jedenfalls sind die Freimaurer in Europa kein Geheimbund mehr, und verboten ebenfalls nicht.
Tja - und was ist mit solchen behaupteten Verschwörungsgruppen, wie die "Illuminaten"? Die meisten Leute unterstellen dieser Gruppierung die "Herrschaft über die Welt"... sorry, aber das ist eigentlich kein wirkliches Ziel, sondern ein Mittel - und wenn es ein Ziel sein soll, dann ist das kein Augenblick, sondern ein Startpunkt, ab dem etwas gewisses Eintreten muss. Die Frage ist auch, wie man Herrschaft definiert.
Ich zitiere erneut Wikipedia zum Thema Herrschaft:
Herrschaft: die institutionalisierte, d. h. geregelte Machtausübung ( Macht, Hierarchien, Erzwingungsstäbe ), die zur Unterteilung einer Gesellschaft in Herrschende und Beherrschte führt. Dabei sind die Interessen dieser Gruppen diametral entgegengesetzt.
Das entscheidende ist der letzte Satz. Der zeig eigentlich eindeutig, daß eine alles umfassende Herrschaft niemals möglich ist, da Menschen nunmal immer unterschiedliche Interessen haben werden. Ich kann vielleicht die drei Staatsgewalten beherrschen - aber dadurch beherrsche ich noch lange nicht das Denken der Menschen. Ich kann zudem versuchen, die Bildung so zu beeinflussen, daß die Menschen nur noch das lernen sollen, was die Staatsführung vorgibt - aber das funktioniert halt nicht immer. Es gibt Menschen, die über das gelernte hinausblicken können, und die wird es immer geben.
Die Idee einer "Weltherrschaft" sehe ich eher als eine typische Angst vor einer "Verschwörungsgruppe" an, die in vielen Menschen herrscht. Diese Angst ist wunderbar auf das meiste anwendbar, da weder der Personenkreis klar umrissen ist, noch dieses Endziel klar definiert werden kann. Ich kann somit nahezu alles, was mir persönlich nicht gefällt in dieses Angstschema hineinzwängen.
Ach ja - ich will gar nicht abstreiten, daß es wirklich Menschen gibt, die an einer Weltherrschaft in sofern glauben, als sie sie tatsächlich herbeiführen wollen. Hitler und seine Schergen war so ein Irrer. Es ist (wie oben angedeutet) schlicht nicht möglich, eine Weltherrschaft durchzusetzen - es sei denn durch gnadenlose Gewaltherrschaft, in der alles getötet wird, was sich der Herrschaft widersetzt.
Ein weiteres Problem sehe ich in der Übermittlung des "geheimen Verschwörergedankenguts" über Generationen hinweg. Wenn die Verschwörergruppe geheim ist, muss sie ja dennoch Personen werben, die sich daran beteiligen. Da Menschen nunmal grundsätzlich unterschiedlich sind, können Menschen sich in solchen Gruppierungen auch stark widersprechen, und unterschiedliche Richtungen einschlagen wollen. Letztlich ist die Frage, was für ein Ziel propagiert wird, und welche Auswirkungen dieses Ziel auf den Rest des Lebens hat. Die Freimaurer (so habe ich durch allerdings sehr grobe Recherchen gelernt) haben vor allem dieses Freiheitsgedanken als zentrales Gedankengut erhoben, welcher allerdings mit mir seltsam anmutenden Riten und Symbolen verbunden wird. Dieser Grundgedanke ist positiv, und lässt sich im eigenen Leben recht stark interpretieren, sodaß ich einer solchen Gruppierung angehören kann.
Wenn ich eine "Weltherrschaft" aufbauen will, muss sicherlich auch klar sein, mit welchen Mitteln diese aufgebaut sein soll. Wenn diese "Weltherrschaft" nicht vom Volke ausgehen soll (also keine demokratische wäre) dann müsste sie zwangsläufig diktatorischen Charakter haben. Da die Leute, die aufgenommen werden soll, die geheime Gruppierung ja nicht kennen können, da sie geheim ist - wie soll man sicher gehen, daß die geworbenen Personen sich dieser anti-demokratischer Haltung ein Leben lang verschreiben werden? Menschen sind lernfähig, und ich kann mir durchaus vorstellen, daß eine solche Verschwörungsgruppe über Jahrhunderte nicht nur das Problem hätte, gegen den Zeitgeist (der aufgeklärten Menschen den Weg Richtung freiheitlicher Grundordnung weist) anzugehen, sondern auch den Mitgliedern eine positive Motivation abzuverlangen. Es gibt mehr und mehr Nationen, die sich hin zur Demokratie ändern. Menschen, die eine diktatorische Weltherrschaft anstreben sehen diese Entwicklung der letzten 200 Jahre sicherlich nicht besonders positiv, geschweige denn motivierend.
Die einzige Möglichkeit, die in der Tat besteht, ist daß irgendwelche Ausserirdischen seit Jahrtausenden den Kampf zwischen Gut und Böse ausfechten, und uns auf ihre jeweilige Seite ziehen wollen... na klar... und der Weihnachtsmann trifft dabei den Osterhasen, damit sie endlich mal feststellen können, wer besser im Schach ist... Märchen wie die von JvH sind ja ganz nett - aber schriftstellerisch sind Fantasy-Romane von Tolkien da doch sehr viel anspruchsvoller.
gruß
Booth
P.S. Ich weiss nicht, wieviele "grundlegende" Threads zum Thema Verschwörungen schon exitieren - bestimmt hundert...