Einschränkung der Bürgerrechte seit dem 11.9.2001 in den USA und Europa

Ask1 Redaktion

Geselle
Registriert
11. März 2018
Beiträge
83
Auswirkungen in den USA

Der Kampf gegen den Terrorismus wird in den USA und anderswo zunehmend dazu instrumentalisiert, die Macht des Staates auszudehnen und dabei auch gegenüber den eigenen Bürgern der Sicherheit Vorrang vor der Freiheit einzuräumen.

Den Menschen in den USA und in Europa wird glaubhaft versichert, dass neue Befugnisse, die die Macht der Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden erweitern, lediglich dem Kampf gegen Terroristen dienen. Wer sich also nicht des Terrorismus verdächtig macht, brauche auch nichts zu befürchten. http://de.wikipedia.org/wiki/Terrorismus

Patriot Act I (Provide Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism)

In Wahrheit hat sich das Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Bürgern seit dem 11.9. merklich gewandelt. Am 26. Oktober 2001 wurde der - die traditionellen Bürgerrechte einschränkende - "Patriot Act I" nach gerade mal fünf Verhandlungswochen im Kongress von Präsident Bush unterzeichnet, dessen Regelungen kaum noch mit der US-Verfassung vereinbar sind. So traten beispielsweise 1791 folgende die sogenannten "Bill of Rights", Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung in Kraft:
ZUSATZARTIKEL I der Verfassung:

Der Kongreß darf kein Gesetz erlassen, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat, die freie Religionsausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung durch Petition um Abstellung von Mißständen zu ersuchen.

ZUSATZARTIKEL IV der Verfassung:

Das Recht des Volkes auf Sicherheit der Person und der Wohnung, der Urkunden und des Eigentums, vor willkürlicher Durchsuchung, Verhaftung und Beschlagnahme darf nicht verletzt werden, und Haussuchungs- und Haftbefehle dürfen nur bei Vorliegen eines eidlich oder eidesstattlich erhärteten Rechtsgrundes ausgestellt werden und müssen die zu durchsuchende Örtlichkeit und die in Gewahrsam zu nehmenden Personen oder Gegenstände genau bezeichnen.
Im Gegensatz dazu haben die Behörden mit "Patriot Act I" nun neue Mittel an der Hand, um ohne konkreten Verdacht in die Privatsphäre der Amerikaner einzugreifen, Privathäuser/Wohnungen in Abwesenheit des Eigentümers bzw. der Mieter ohne Durchsuchungsbefehl zu durchsuchen und Ausländer beim geringsten Verdacht festzunehmen. Egal, ob es sich um Bankgeschäfte, Internetdaten, Telefongespräche oder sogar Bibliotheksausleihen bzw. Bücherkäufe handelt - nichts ist mehr vor dem Zugriff der Behörden sicher.
Ein Bürger, der sich in seiner Bücherei ein als "gefährlich" eingestuftes Buch ausleiht, kann so in die Fänge des FBI geraten und darf fortan als Terrorverdächtiger mit allen technischen Mitteln überwacht werden.
Auch Computer dürfen überwacht werden. Ermittler dürfen E-Mail-Adressen und den Zeitpunkt, an dem die E-Mail-Kommunikation stattgefunden hat, von verdächtigten Personen erfassen. Elektronische Kommunikation wird wie Telefonkommunikation behandelt werden. Der Inhalt und die Länge solcher Kommunikation kann aufgezeichnet und gegen jemanden verwendet werden.
Auch die Verhaftung verdächtiger Immigranten ist - auch wenn sie nicht gegen das Gesetz verstoßen haben - bis zu sieben Tagen, in speziellen Fällen bis zu sechs Monaten, zulässig.

Im "Patriot Act I" ist die Definition von Terror sehr weitreichend formuliert: Sie schließt "Handlungen, die dazu dienen, die Politik einer Regierung durch Einschüchterung oder Gewalt zu beeinflussen" mit ein.
Ein Freibrief, um gegen unbequeme politische Aktivisten vorgehen zu können, die so in die Nähe von Terroristen gerückt werden.

Die bestehenden Bestimmungen des gegen ausländische Spione gerichteten "Foreign Intelligence Survival Act", wurde im neuen Gesetz einfach auf amerikanische Staatsbürger und potentiell kriminelle Handlungen ausgeweitet.
Die bisherige Kontrolle, die unabhängige Gerichte über die Polizei ausübten, wurde stark eingeschränkt.
Jede Person einer öffentlichen Behöre (FBI, CIA, NSA, Einwanderungsbehörde, Zoll) kann eine solche "Verdächtigung" aussprechen. Mit diesem Gesetz sollte eine großflächige Suche nach Terroristen beginnen, deshalb wird eine solche "Verdächtigung" im Einzelfall auch nicht von einer höheren verantwortlichen Stelle auf seine Richtigkeit überprüft werden.

Der "Patriot Act" macht wichtige Errungenschaften in Folge des Watergate- Skandals rückgängig: Die Trennung zwischen der geheimdienstlichen Überwachung und der Strafverfolgung ist beim FBI aufgehoben. Daten, die bei der Strafverfolgung gewonnen wurden, können nun an die CIA und weitere US-Behörden weitergeben werden. Die Voraussetzungen für Überwachungen jeglicher Art wurden gelockert.

Patriot Act II

Selbst diese massiven Bürgerrechtsverletzungen gingen der Bush-Regierung nicht weit genug.
So schlug sie im Frühjahr 2003 in Anknüpfung an den "Patriot Act I" mit dem "Patriot Act II" ein neues Terrorgesetz vor, dessen Auswirkungen, so er verabschiedet wird, tiefgreifende Folgen für die amerikanische Gesellschaft hätte. Da die Informationen zu "Patriot Act II" jedoch über inoffizielle Kreise an die Öffentlichkeit gelangt sind, ist noch nicht abzusehen, wann und in welcher Form der Entwurf seinen Weg in das aktuelle Gesetz finden wird.

In § 101 weitet dieses Gesetz die Anwendung des Begriffs der fremden Macht (foreign power) auf alle Terrorismusverdächtigen aus.

In § 102 behindert es die Informationsfreiheit, indem es zulässt, dass jedes Sammeln von Informationen als Spionage betrachtet werden kann.

In § 103 wird der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben, das Kriegsrecht innerhalb der USA anzuwenden, auch ohne dass der Kongress den Kriegszustand festgestellt hat.

§ 106 lässt Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss zu. So gewonnene Beweismittel wären dann gerichtlich verwertbar. Ohne richterlichen Beschluss durchgeführte Durchsuchungen waren bisher illegal und die so gefundenen Beweismittel gerichtlich nicht verwertbar.

§ 122 lässt die Personenüberwachung ohne richterlichen Beschluss zu.

§ 201 des Patriot Act II.
(Section 201: Prohibition of Disclosure of Terrorism Investigation Detainee Information)

Dort heißt es:
"the government need not disclose information about individuals detained in investigations of terrorism until disclosure occurs routinely upon the initiation of criminal charges." Dieser Passus verbietet es jedem, Informationen über Personen weiterzugeben, die wegen Terrorismusverdachts verhaftet wurden, die Umstände von Festnahmen und sogar die Tatsache einer Festnahme. Die Strafverfolgungsbehörden sind ergänzend hierzu nicht verpflichtet, über solche Verhaftungen zu informieren oder die Namen der Betroffenen bekannt zugeben. Damit wäre der Bundesregierung und ihren Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit eröffnet, heimliche Verhaftungen vorzunehmen. Die Strafverfolger könnten also Personen ohne weiteres "verschwinden lassen".

Mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und Art. 9 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte ist diese Regelung unvereinbar.

Die besorgniserregende Tragweite erschließt sich erst im Zusammenhang mit dem "Patriot Act I", in dem eine Definition von Terrorismus vorgegeben ist, auf die sich der "Patriot Act II" stützt.

§ 802 des "Patriot Act I" bezeichnet für das Staatsgebiet der USA Terrorismus als "any action that endangers human life that is a violation of any federal or state law, if that appears to be intended to influence the policy of a government by intimidation or coercion".

Als Terrorismus wird so jede menschliches Leben gefährdende Handlung angesehen, die gegen Gesetze verstößt, wenn dabei der Anschein erweckt wird, dass hierdurch die Politik der Regierung beeinflusst werden soll durch Einschüchterung oder Zwang.

Jeder Teilnehmer einer nicht genehmigten Demonstration oder Kundgebung muss also damit rechnen unter Terrorismusverdacht zu geraten. Damit werden die Gesetze, die nur der Terroristenbekämpfung dienen sollen, auch für andere Zwecke einsetzbar, beispielsweise der Unterdrückung von Dissidenten und der allgemeinen Überwachung und Profilierung der Aktivitäten der Menschen.

Es würde erlauben, verdächtigen US-Bürgern die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, wenn sie Mitglied oder Unterstützer einer Gruppe sind, die die USA als "terroristische Organisation" ansehen, sie heimlich festzunehmen und in Haft zu halten, ohne das die Angehörigen informiert werden.

Auch die Todesstrafe würde auf zahlreiche terrorbezogene Verbrechen ausgeweitet werden, zum Beispiel auf die finanzielle Unterstützung von Terrorgruppen oder auf Verschwörung. Im Prinzip könnten somit sogar Menschen hingerichtet werden, die etwa für die Angehörigen von nordirischen IRA-Aktivisten oder palästinensischen Hamas-Anhängern Geld sammeln.

Da über diese Bewertung des Terrorismusverdachts aber nicht ein Richter sondern Strafverfolgungspersonal entscheidet, und dieses dann Verhaftungen nach § 201 "Patriot Act II" vornehmen darf, entsteht eine unkontrollierte und unkontrollierbare Polizeimacht, die keine Parallelen hat in der westlichen Welt.

US-Präsident George Bush hat bereits in einer seiner wöchentlichen Radioansprachen eine Verlängerung der 2005 auslaufenden Antiterrorgesetze gefordert.

Auswirkungen in Europa

Aber auch in England plant man nach Angaben des Sunday Herald neue Gesetze, die schwere Einschnitte in die Grundrechte vorsehen. Darunter das Verbot von Demonstrationen.
Danach erwägt die britische Regierung, nach einem großen terroristischen Anschlag auf Großbritannien, gesetzliche Machtbefugnisse des Ausnahmezustands einzuführen.

Bei dem Versuch, der britischen Regierung ähnliche Machtbefugnisse zu verleihen, wie sie in den Vereinigten Staaten nach dem Anschlag vom 11. September 2001 in New York durchgesetzt wurden, wird eine verstärkte Version des "civil contingencies law" in Betracht gezogen. Sie wird der Regierung die Beschneidung von wesentlichen Teilen der Menschenrechtsgesetze in Großbritannien ohne Zustimmung des Parlaments erlauben.

Die neuen Machtbefugnisse würden nur dann rechtskräftig werden, wenn der Ausnahmezustand offiziell ausgerufen würde. Im Falle der Einführung der neuen Maßnahmen würde die Regierung in der Lage sein, jede Versammlung oder Aktivität zu verbieten, die sie als Bedrohung der Sicherheit ansieht.

Desweiteren denkt man über eine Änderung der Strafprozessordnung für Prozesse gegen "Terroristen" nach. Großbritanniens Innenminister, David Blunkett, veröffentlichte ein Diskussionspapier, das die geplanten Änderungen an Anti-Terror-Gesetzen aufführt. Dazu gehören geheime Gerichtsverfahren, eine Überprüfung der Richter sowie der Anwälte vor Prozeßbeginn durch die Geheimdienste und eine deutliche Lockerung, was die Eindeutigkeit der vorgebrachten Beweise anbelangt. So würde es bei Terrorismusprozessen in Zukunft ausreichen, wenn ein Richter den Angeklagten "nach Abwägung der Wahrscheinlichkeiten" für schuldig hält, während bisher die Schuld "ohne begründete Zweifel" bewiesen werden muss. Die geplanten Gesetzesänderungen begründete Blunkett mit der Gefahr von terroristischen Selbstmordanschlägen. Wie auch in den USA plant die britische Regierung also, geheime Prozesse zu führen, zu denen nur ausgewählte Anwälte zugelassen werden und bei denen es für eine Verurteilung ausreicht, wenn der Richter glaubt, dass es "wahrscheinlich" ist, dass der Angeklagte schuldig ist.

Auch hier lässt der Begriff "Terrorismus", der als Grundlage für die Anwendung dieser Regelungen dienen soll, viel Platz für Spielraum und kann aufgrund seiner Ungenauigkeit sehr leicht für andere Vergehen angewendet werden.

Als Reaktion auf den Terroranschlag gegen das Pentagon und das World Trade Center am 11.09.2001, hat auch das Innenministerium Deutschlands Gesetze zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus entwickelt. In der Öffentlichkeit wurden diese Gesetze dann durch die Medien unter dem Namen Anti-Terror-Paket I und II (Terrorismusbekämpfungsgesetz) bekannt.

So werden unter anderem "biometrische Daten" wie Fingerabdruck und Irismuster in den Personalausweis aufgenommen, die Ermittlungskompetenzen des Bundeskriminalamtes, der Polizei und der Geheimdienste ausgeweitet und das Post- und Bankgeheimnis eingeschränkt.

Bei einer Expertenanhörung im Innenausschuss des Bundestages, warnte die überwiegende Mehrheit der Sachverständigen in vorgelegten Gutachten vor den weitgehenden Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte aller Bürger durch die Überwachungsmöglichkeiten und den fast unbegrenzten Zugriff auf Daten von Telefon-, E-Mail-, Bankverbindungen sowie Reisedaten durch Verfassungsschutzbehörden, das Bundeskriminalamt und Polizeibehörden.

Auch der Deutsche Richterbund hielt es in einer kritischen Stellungnahme "für besonders bedenklich", dass die Verfassungsschutzämter zu Ermittlungsbehörden weiterentwickelt werden, "die keiner Kontrolle der Justiz unterliegen".

Der Berliner Professor für Staats- und Verwaltungsrecht Martin Kutscha erklärte, dass Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst durch die Erweiterung ihrer Befugnisse "eine Kompetenzfülle erhalten", die diese in die Nähe der Geheimdienste totalitärer Staaten rücken. "Ohne Rücksicht auf das Übermaßverbot wird in dem Gesetzentwurf vorgeschlagen, was technisch möglich erscheint, anstatt zu prüfen, was geeignet und erforderlich ist", schrieb er in seiner Stellungnahme. Dadurch werde "der Ausnahmezustand zur Norm erhoben", viele unbescholtene Einzelpersonen würden ohne ihr Wissen in Dateisystemen erfasst, "ohne konkrete Verdachts- und Gefahrenlage".

Angesichts dieser Entwicklungen in den USA und Europa malt der US-Philosoph Richard Rorty ein düsteres Bild vom schleichenden Ende der Demokratien. Die Vision einer offenen Gesellschaft wäre nach wenigen Generationen nur noch ein Topos antiquarischer Bücher.


Weiteres zum Thema:
Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten!?


Links zum Thema:

Die Auswirkungen des 11. Septembers 2001 auf die amerikanische und deutsche Gesetzgebung im Blick auf den Datenschutz
http://www.rz.fh-ulm.de/projects/datsusi/R0304_5.html

Weitgehend unbemerkt hat US-Präsident Bush weitere Überwachungsmöglichkeiten für das FBI eingeführt
http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/16426/1.html

USA Patriot Act
http://de.wikipedia.org/wiki/Patriot_Act

http://www.whitehouse.gov/deptofhomeland/analysis/

Die nationale Sicherheitsstrategie der USA und die europäische Sicherheitsstrategie im Vergleich
http://www.geopowers.com/Konzepte/aus_zept/US-EU_Strat_Skiba.pdf

http://www.bundesregierung.de/Politikthemen/Innenpolitik-,7419/Zweites-Anti-Terrorpaket.htm

http://mitglied.lycos.de/InternetRechtOnline/Seminararbeit_Datenschutz/Anti-Terror.htm

Aktuelles zum Anti-Terror-Paket
http://www.cilip.de/terror/stellung.htm

Auch in Deutschland bahnt sich noch einiges an
http://www.fr-aktuell.de/fr_home/startseite/?cnt=441270
 

Ähnliche Beiträge

Oben