Der Schweinehund namens soziales Netzwerk

Ragemaster

Meister
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Hi,

muss mich mal kurz darüber auslasse, obwohl ich selbst "Mitglied" bin. Sollte es so einen Beitrag schon geben bitte verschieben oder mich darauf verweisen! Sorry und danke an die Admins!

Doch nun dazu meinen Frust loszulassen. Ich bin Mitglied bei Facebook, ich war Mitglied bei studivz und ja ich weiß Bescheid über die Machenschaften, das Markteting, den Gewinn aus "sozialen Netzwerken", über Speicherung von Daten jeder Person etc.

In solchen Netzwerken kann ja jeder schreiben was er/sie will! Ist ja gut und legitim. Jeder will gern mal Aufmerksamkeit usw. aber WARUM verdammt schreibt man rein: "Oh, die Sonne scheint! Ich koche gerade! Mir ist fad!, Blöde Autofahrer die nur 30 km/h fahren, Verdammter Schnee, Komm vorbei, hab was zu essen, .............

Ich schließe mich hiermit nicht aus, aber was bewegt jemanden dies zu posten und dann auch noch übers Handy??? (geb ja zu dass ich auch reinschau aus langeweile in der arbeit, und ja, man könnte mich verurteilen weil ich ja auch ein teil dieser community bin, aber ich poste nichts, nutze jenige posts und verhalten der personen gerade für meine diplomarbeit)

Ich will eigentlich nur auf eine Diskussion hinaus, da in meinem Bekanntenkreis immer wieder die Debatte aufkommt, ob solche Netzwerke sinnvoll sind, oder sollte man sich in der heutigen Zeit eher davor hüten. Man weiß ja, dass viele Firmen, Schulen etc. Bewerber googeln oder deren Namen in diesen Netzwerken suchen und teilweise auch ablehnen sollte das jeweilige Profil nicht passen ablehnen.

Da diverse Medien solch ein Thema gerne mal verallgemeinern und für den 08/15 Bürger einfachst aufbereiten will ich hiermit mal eine Diskussion anregen in der mich interessieren würde ob hier Anwesende schon persönlicher (negative/positive) Erfahrungen bezüglich ihrer Arbeit, Leben, Umwelt gemacht haben!

dere
 

Gilgamesh

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Leg dir doch nen Fakeprofil auf Facebook zu und spiele mit. Also mir macht das Spaß. Dumm nur die, die mit ihren echten Namen und Daten auftauchen und dann noch diese Facebook Apps nutzen, wo noch mehr persönliches gesammelt wird, ohne das es dem dummen User bewust wird. :rofl:
 

DrJones

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Der Sinn von solch allgemeinem geposte wie bei Facebook oder StudiVZ
dient ja dazu, alle Leute im Freundeskreis über das zu informieren
was einen gerade bewegt oder was man macht. Der Informations
gehalt kann dabei natürlich schwanken und auch nerven.
Geht mir meistens so vor allem diese doofen Spiele.

'Mich interessiert deine Farm, dein Aquarium und was weiß ich noch
einfach nicht... :motz:'

Seit ich ein Android Handy mein eigen nenne, finde ich diese funktion
vom Handy weg was zu posten recht praktisch. allerdings hat man
dann eben auch unterwegs den unerwünschten Kram an der Backe.
Ich finde es aber interesannter etwas zu posten wenn ich zb in
der Bahn sitze und was interesanntes sehe, als einen Kommentar
von meinem Büro aus loszuschicken, a la 'Montage sind immer
so ätzend'.

Andrerseit hilft es mir sogar geld zu sparen, da ich nicht unbedingt einen
Anruf tätigen muss, oder 5 SMS an meine Freunde schicken muss,
wenn ich mich mit ihnen verabreden möchte sondern kann dies
über diverse Soziala nEtzwerke erledigen (oder über meine
InstantMessenger-App, die ich ebenfalls auf meinem Handy habe)
 

sillyLilly

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Ich bin da auch in und her gerissen.
Manchmal sehe ich es so wie du und manchmal sehe ich darin auch, wie Menschen einfach miteinander ein Teil ihres Lebens mitteilen und die Reaktionen darauf ihnen auch Gefühl von Miteinander geben.
Kommunikation ist ja nicht nur Informationsaustausch sondern auch eine soziale Interaktion, die vom Informationsfluß unabhängig einen Wert haben kann.
z.B. wenn ein "Montage sind kacke" Anworten und Reaktionen auslöst, die dem Poster/Posterin das Gefühl gibt mit dem schlechten Gefühl, welches gerade im Inneren ist, nicht alleine zu sein.
Es kann somit eine scheinbare Nähe zu Menschen herstellen und vielleicht in manchen Situationen auch für ein gutes Gefühl sorgen, dass sich andere Menschen für mich interessieren.
Diese scheinbare Nähe ist aber zweischneidig, da es nur scheinbar ist.
 

Giacomo_S

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Bin erst spät Mitglied von Facebook geworden - und habe es nach einem Monat wieder abgestellt. Für mich ist das ein Time Bandit, außerdem will ich nicht so ein öffentlicher Mensch sein.

Ich sehe jeden Tag Menschen, die als Gruppe zu uns zum Mittagessen kommen, und, statt sich zu unterhalten, ein jeder für sich allein auf seinem Gimmick herumspuken muss. Ich finde das armselig.
 

Telepathetic

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Giacomo_S schrieb:
Bin erst spät Mitglied von Facebook geworden - und habe es nach einem Monat wieder abgestellt. Für mich ist das ein Time Bandit, außerdem will ich nicht so ein öffentlicher Mensch sein.

Ich sehe jeden Tag Menschen, die als Gruppe zu uns zum Mittagessen kommen, und, statt sich zu unterhalten, ein jeder für sich allein auf seinem Gimmick herumspuken muss. Ich finde das armselig.
[Gefällt mir] *klick*

Ich hatt's ja schon in dem anderen 'Facebook, Google+ usw.' Thema geschrieben, dass ich FB nichts abgewinnen konnte. Ich bin also nach knapp 6 Wochen da wieder raus und vermisse nichts. Im Gegenteil.

Als nächstes werde ich mein StayFriends-Konto deaktivieren.

Ich find's armselig, wenn sich Menschen immer mehr in ihre privaten kleinen online-Welten zurückziehen. Ich find's armselig, dass ich mich während ich das hier schreibe, genervt fühle, weil draußen jmd. mit dem Ball spielt. :roll: Dabei hatte ich als Kind immer das Draußen sein dem Fernsehschauen vorgezogen. Was mache ich da nur? Ich weiß! Ich bastele ne Zeitmaschine! Wahay!
 

InsularMind

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Hm, bei Facebook bin ich schon relativ lange Mitglied, seit einer Zeit wo das wenige tausend Mitglieder waren, über einen Surfer-Kumpel aus Australien, der das seinerzeit vorgeschlagen hatte, zwecks in touch bleiben. Ich hätte mir auch nie träumen lassen, dass das mal so riesig werden könnte. Nun gut, ich kontaktiere dort mit einer weltweit verteilten Clique von Bekannten und habe auch einige verlinkt, die ich persönlich kenne, aber das war's dann auch schon. Bei dem ganzen Gadget, App- und Spielkram habe ich nie Teil genommen und das gibt mir auch nix. Eine Zeitlang hatte ich ein Bandprofil bzw. Arts-Profile, mangels Interesse aber wieder eingestampft. Damit kommt man auf Music und Art-Communities weiter.

Das interessante daran ist bei meinen Kontakten eigentlich, dass wir uns immer sowas schreiben wie "Lasst uns mal im IRC-Chat labern", und uns dann da irgendwo begegnen, oder über Email kommunizieren. Man zeigt sich gegenseitig, welche Tracks auf Soundcloud man mag, was grade in der Animationsfilm-Szene läuft oder man teilt seine Likes und sowas. Manche posten auch Fotos, auf denen sie lächerlich rumkommen, damit andere dumme Sprüche drunter schreiben. Ich habe keine besonderen Bedenken deswegen, aber würde selbst keine Fotos ins Internet geben. Bei Grafiken / Zeichnungen oder Musik, Gedichten finde ich's eher okay.

Den Eigenschaften von Facebook als Datenkrake und potenziellem Fremdnutzen für die Werbebranche, verkloppten und falschen Profilen und den seltsamen Einladungen im Namen von Profilen, deren Besitzer, wenn angeschrieben, nie antworten... und noch einigem anderem stehe ich auch stark skeptisch gegenüber. Andererseits muss sich dieser Auswertbarkeit jeder im Klaren darüber sein, bevor er das Web und solche Portale betritt. Wer sich da mit Klarnamen und authentischem Datensatz herumtreibt, und dann vielleicht noch sein halbes Leben drin ausbreitet ist ein bisschen schon selbst verantwortlich, dafür, was er da tut. Etwas problematisch ist es auch, dass das Löschen der eigenen Facebook-Profile so umständlich ist, und Info dazu ziemlich versteckt gehalten wird. Tja, man möchte eins gewonnene Mitglieder nicht gern wieder verlieren. Gestört haben mich auch Beschreibungen von Leuten, die Fotos von ihrer Seite löschten, welche aber nach einem halben Jahr immer noch gefunden werden konnten, oder bei der Erneuerung einer Seite immer noch gespeichert waren. :?!?: Das stimmt schon kritischer...

Man muss sich davon aber nicht die Lebenszeit oder Draußen-Zeit stehlen lassen. Zum Time Bandit gehört auch immer ein williges Opfer, das sich die Zeit rauben lässt. Ich betreibe eine Art Online-Eklektizismus, der mir genug Zeit für den Rest vom Leben belässt. Der drohenden Internetsucht bin ich früher mal mit dem Internet-Überfluss des Unnötigen entgegen getreten. Nachdem das Internet kaum so genutzt wird, wie ich mir das hätte konstruktiv vorstellen können, und der Online-Wust mir stellenweise schon zu viel zum Durchpflügen geworden ist, nehmen Dinge, die man außerhalb unternimmt, den höheren Stellenwert ein. Armselig finde ich eher, dass die Internet-Kontaktwelt sich zum Großteil an belanglosem und überflüssigem Blah-Blah aufhält, oder dem Trend der Todsexualisierung von allem und Jedem folgt. Das macht es langweilend und uninteressant.

Besonders offen gehe ich darin nicht um.
Natürlich wäre es schöner, mit den ganzen Kontakten mehr Zeit in der Welt außerhalb des WWW verbringen zu können. Wer schenkt mir seinen Learjet + Pilot für ne Weile? :mimpel:

VZ.net scheint sich so gut wie abgeschlafen zu haben, da kann man also getrost verschwinden.
 

Telepathetic

Großmeister
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InsularMind schrieb:
... der Online-Wust mir stellenweise schon zu viel zum Durchpflügen geworden ist, nehmen Dinge, die man außerhalb unternimmt, den höheren Stellenwert ein. Armselig finde ich eher, dass die Internet-Kontaktwelt sich zum Großteil an belanglosem und überflüssigem Blah-Blah aufhält, oder dem Trend der Todsexualisierung von allem und Jedem folgt. Das macht es langweilend und uninteressant.
Genau an der Stelle bin auch gerade. Ich bin zwar auch in verschiedenen online-Welten unterwegs und es macht mir auch teilweise Spaß, aber auf der anderen Seite wird mir die Zeit, die ich mich in Draußen in Bewegung befinde, wieder wichtiger. Frische Luft, Sonne, Menschen zum Greifen nahe. Echte Stimulation aller Sinne und nicht nur Stimulation über die Augen.

Ich habe neulich das erste Mal an einem Video-Chat teilgenommen und ich muß sagen, dass die Versuchung ständig im Chat zu sein, groß ist. Aber das ist genau die Wirkung, vor der ich mich schützen muß.

Dasselbe gilt für ein Forum (wobei ich da weder ask1 noch WV mit meine), in dem der Großteil des Austausches Gebabbel geworden ist und die Threads mit zu hoher Geschwindigkeit wachsen. Um da am Ball zu bleiben, müßte ich mehrmals täglich und stundenlang in dem Forum sein. Da bliebe dann aber alles Andere, Wichtigere (wie Videospielen, Fettiges und Salziges fressen und Bier saufen .. äh, moment :gruebel: ) liegen. So witzig Gebabbel auch sein kann, zuviel davon ist für mich Null-Kommunikation und irgendwann nur noch anstrengend. Da wäre ich ja nur noch am Sitzen.
 

haruc

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Moin,

ich habe den Eindruck, dass das "socializing" im Netz für einen nicht geringen Anteil meiner Mitmenschen mittlerweile wichtiger ist, als das "gesellige Beisammensein" (ohne Technologiekrücken) außerhalb der virtuellen Welt.

Aufgefallen ist mir das zum ersten Mal vor einem Jahr oder so, als ich mit ein paar Kommilitonen in der Kneipe zum Biertrinken war, und tatsächlich 2 oder 3 Individuen sich fast den ganzen Abend mit ihren Smartphones in der Ecke saßen und über Facebook miteinander kommuniziert haben.

Ganz schlimm wars dann vor 2 oder 3 Monaten, als ich an einem Kneipenquiz teilgenommen habe. Irgendwann hat sich neben unseren Tisch eine Gruppe 18-22 Jähriger (3m/4w) gesetzt, die ungelogen 2 Stunden lang nichts anderes taten, als sich gegenseitig zu erzählen, wer gerade was auf Facebook gepostet hat.
Das ist doch der Untergang des Abendlandes!

Nein, mal im Ernst. Was Menschen mit sich selbst anstellen ist mir ja egal - darf ja jeder machen was er will. Aber ich war durch diese anthropologische Einsicht zutiefst erschüttert. Nebenbei hat mir das fetteste Weib aus der Gruppe meinen Stuhl geklaut, auf dem meine Jacke hing, auf meinem Platz stand ein Teller mit Besteck und ein Glas mit Mineralwasser. Es war also wirklich nicht schwer zu erkennen, dass jemand diesen Stuhl eigentlich besetzt hat.

Auf der einen Seite ständig in virtuellen "sozialen Netzwerken" unterwegs sein, auf der andern Seite egoistisches und asozial-rücksichtsloses Verhalten an den Tag legen. Frage: Führen solche s.N. wie Facebook dazu, dass die Leute eigentlich egozentrischer werden, statt sozialer? Ich mein ein Großteil der Inhalte auf FB (so weit ich das Wahrnehmen kann) stehen direkt oder indirekt mit der Selbstdarstellung von Leuten in Bezug.

Zudem sind die Möglichkeiten der sozialen Interaktion zb. auf Facebook ja äußerst limitiert. Wenn das echte soziale Leben ein 3 mal 4 Meter großes Gemälde von Breughel ist, dann ist das soziale Leben auf Facebook ein 30x40 Pixel großes in MS-Paint erstelles Bild mit einer 8 bit-Farbpalette.

Das Rätsel um den Tisch mit den Stuhlräubern ließ sich aber relativ schnell lösen: Anhand der Gesprächsinhalte (Ausschließlich Facebook), dem Erscheinungsbild der Leute (Schlampen-Style bei 120 Kilo und 1,65m Körpergröße) und gewissen Merkmalen in der Aussprache konnte schnell festgestellt werden, dass es sich hierbei um Angehörige der sog. "bildungsfernen Schicht" handelt.

Wobei ich damit nicht sagen will, dass "bildungsferne" Menschen eher dazu neigen, ihr soziales Leben durch Facebook zu ersetzen, als "Gebildete". Ich vermute es aber.

Was ist so toll an Facebook, dass man es dem sozialen Kontakt in gemütlicher Atmosphäre vorzieht? Verstehen tu ichs nicht.

Muss allerdings gestehen, dass ich auch FB nutze, hauptsächlich als Kommunikationsmittel und zur Koordinierung von Projekten wie Bands usw. Die Oberflächlichkeit und die Ich-Bezogenheit vieler Nutzer des Netzwerks kotzt mich allerdings an.
 

InsularMind

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Gut vorstellen@haruc kann ich mir das schon, dass die ganze reduktive und stark stilisierte Kontaktwelt zu gewissen, ich nenne es mal sozial degenerativen Entwicklungen führt. Das erinnert mich an die beiden Teenie-Mädels vom Bahnhof, die Rücken an Rücken saßen und sich wohl SMS hin und her tickerten. Da ist aber nicht nur die Online-Welt ein Faktor. Vermutlich ist Dir geläufig geworden, wie sich der Beschäftigungs-Inflationsdrall mit dem Zeitverknappungsdrall so ergänzt, dass lange, komfortable Sozialisierung in aller Seelenruhe entfaltet so gar nicht mehr oft vorkommt. Wer von all dieser jungen Generationswelle fährt denn mal raus zum Picknicken, in aller Ruhe am See chillen? Wer schreibt sich noch ausführlich Briefe? Wo gibt es noch abendfüllenden Wechsel zwischen Diskussion und entspannendem Unterhalten, ohne dass einer wegrennt, weil sein Handy fiept? Lassen sich Kontakte und Treffen noch frei so koordinieren, dass man alle Kollegen an einem Termin zusammen bekommt? Oder sind nicht meist 3 oder 4 dabei, die kurz vorher noch absagen, weil irgend ein Termin dran ist, irgendwas dazwischen kommt?
Als Nebenerscheinung dieses Zeitverknappungs, Beschäftigungs-Zunahme und Wust-Entwicklungsphänomens ist mir aufgefallen, dass nicht nur Text und Sprache überall so oder so gekürzt ablaufen, sondern auch soziale Situationen im Eilverfahren ablaufen. Vielfach jedenfalls, es muss nicht überall so sein.
Der Unterschied zu früher ist, glaube ich, dass heute jede gelebte Minute mit 3-5 Mal so viel Beschäftigung oder Aufgabe belegt ist, und die menschliche Natur auch in der Kontaktwelt zugunsten der Leistungskraft und Aufgabenerfüllung zurück gesetzt wird. Die ganze Kommunikationstechnik wird dahingehend ausgefaltet und mit allerlei schillerndem, lockendem Zusatzwerk der Bequemlichkeit versehen, um die Menschen zu dauerverfügbaren Online-Zombies zu erziehen. Ob's nun wirklich die 'Bildungsfernen' eher erwischt, weiß ich nicht, aber ich schätze, die greifen auch beim kunterbunten Beiwerk Spiel- und Spaßkram eher zu. Ebenso ist mir dieser Verfall von Umgangskultur aufgefallen, wie Du beschreibst. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass bei Onlinegesprächen und Tippseleien sämtliche parasprachlichen, nonverbalen Signale wegfallen, die Betonung, die Mimik, die Gestik und eben auch die Umgangsmodalitäten oder das Erkennen selbiger verschwinden. Von daher würde ich eine soziale Degenerierung, die sich weiter entwickelt, nicht ausschließen.

Über Chaträume -- ich bin seit ca. 1997 in Chats unterwegs -- ist mir ein allmählicher Verfall der Gesprächsinhalte aufgefallen, der sich inzwischen nur noch an knappen, gekürzten Sätzen und einer hohen Quote von Verrohung und Sexualisierung zeigt. Bringt man etwas anspruchsvollere Themen ein, wird man an vielen Chats niedergemacht oder rausgeekelt.

Andererseits hat die Online-Kommunikation vielfach erst zur Kontaktfindung beigetragen, das darf man nicht vergessen. Interessengruppen, Foren, Mailinglists, Online-Themenchats und -seiten haben jede Menge Leute erst mit der Welt bekannt gemacht, und Einblicke in einander Welten sehr preiswert und leichtest möglich gemacht. Für Sonderlinge, Kontaktscheue, sozial Benachteiligte, Menschen mit sozialen Schwierigkeiten, seltenen Interessen, alternativen Partnerinteressen, AB-Status, Amateurmusiker usw. ist das Internet mit seinen Möglichkeiten eine Erfüllung geworden. 90 % meiner Bekannten hätte ich ohne Internet nie kennen gelernt.

In gewisser Weise wirkt das ganze vielleicht nivellierend. Menschen, die ansonsten eher menschenscheu verblieben, macht die Online-Kommunikation mutiger, aufgeschlossener, bringt sie ins Leben hinein, und Menschen, die im Leben stehen, reduziert es vielleicht auf weniger Ebenen. Aber es wäre schöner, all diese Ebenen in einem gesunden Verhältnis zueinander nutzen zu können.
 

Telepathetic

Großmeister
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Fraglich finde ich, ob alle Gespräche und Gesprächsgruppen im echten Leben mehr Qualität haben oder hatten als im virtuellen Raum. Unterschiede ergeben sich ja schonmal durch die Interessen, die Menschen in einer Gruppe vereint. Allerdings ist es durch die räumliche und identitätsbezogene Trennung im Internet einfacher eine erfundene Persönlichkeit darzustellen. Ebenso ist es einfacher, Unerwünschte rauszuekeln. Oder herumzutrollen. Ich bezweifle aber, dass sich die Zeiten Prä-Internet durch ein besseres Sozialverhalten der Leute ausgezeichnet haben. Meine Erinnerung sagt da etwas anderes. Ich bin nicht überall willkommen gewesen und habe auch harsche Abfuhren erteilt bekommen. Wobei mein damaliges geringeres Alter eine Rolle dabei gespielt hat. Es erscheint mir, dass z.B. die Handwerker eher geneigt sind, sehr direkt zu sein. Das kann dann schnell mit einer unfreundlichen gar angreifenden Attitüde verwechselt werden. Gebildetere Menschen, so möchte mir scheinen, neigen häufiger dazu, durch die Blume zu reden. Dahinter steckt vielleicht eine gewisse Vorsicht aus Angst vor einer negativen Reaktion.

Mir wollen aber auch manche Situationen seltsam erscheinen, wie die folgende. Da sitze ich im Warteraum und neben mir sitzt ein junger Mensch mit Netbook und Datenstick, starrt auf den Bildschirm, tippt ab und zu etwas und freut sich gelegentlich. Ich versuche Kontakt herzustellen, indem ich Fragen über Funktion und Kosten des Datensticks stelle. Ich bekomme höfliche Antworten, aber zu mehr reicht es nicht. Als die Person geht, bekomme ich keinen Abschiedsgruß, dafür einen Blick, unter dem ich mir vorkomme, als wäre irgendwas falsch mit mir. Kann natürlich getäuscht haben.

Ich kann mir gut vorstellen, dass das ständige Starren auf Fernseh- und Computer-Bildschirme auch auf die Beweglichkeit der Augen auswirkt. Vielleicht wirken deswegen so viele Augen angestrengt und verkrampft. Die Augenäpfel und die Linsen sind nicht mehr so frei beweglich, wie sie es wären, wenn sie weniger Zeit mit dem Schauen auf eine flache Oberfläche verbringen würden. Dasselbe könnte dann aber auch auf Leseratten übertragbar sein.

Ich weiß ja nicht, wie Deine Geschichte mit dem Mädel, dass Dir Deinen Stuhl geklaut hat, haruc, weitergegangen ist, aber vielleicht hat sie einfach keinerlei Aufmerksamkeit frei gehabt. Nicht bildungsfern, sondern gedankenfern? Es heißt ja, dass das Internet für eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne sorgen würde. Leider eine ziemlich lahme Entschuldigung.
 

haruc

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InsularMind schrieb:
Vermutlich ist Dir geläufig geworden, wie sich der Beschäftigungs-Inflationsdrall mit dem Zeitverknappungsdrall so ergänzt, dass lange, komfortable Sozialisierung in aller Seelenruhe entfaltet so gar nicht mehr oft vorkommt.

Das Phänomen ist mir schon so aufgefallen, nur hab ich das bisher nicht in dieser Formel begriffen. Aber es ist ein guter Punkt. Sollte die Onlinekommunikation sowie das soziale Netzwerken nicht eigentlich dazu beitragen, bestimmte durch den Tagesablauf festgelegte Zwänge, insbesondere was das Zeitmanagement anbelangt, aufzubrechen und damit flexibler zu machen? Also zumindest einen Teil des sozialen Lebens Ort- und Zeitunabhängig zu machen? Eigentlich müsste man dabei ja erwarten, dass sich dadurch der Tagesablauf der Leute entzerrt und entspannt. Das Gegenteil ist aber der Fall. (Wie du sagtest: Ständig verfügbare Onlinezombies...)

Tatsächlich nimmt die Zahl der potentiellen Akteure - wenn auch nur auf einer virtuellen Ebene - erheblich zu. Und somit auch der Bedarf an Zeit, den man für virtuelle Kommunikation aufwenden muss. Im nicht-Virtuellen Leben (ohne ständige Verfügbarkeit) ist die Zahl der potentiellen Akteure auf die gegenwärtig Anwesenden limitiert. Soziale Interaktion kann folglich nur auf "analogem Weg" und auch nur mit einer relativ kleinen Anzahl von Menschen erfolgen. Selbst auf einem Festival mit 100.000 Anwesenden kommuniziert man 95% der Zeit ja nur mit den ein und selben 10-20 Leuten. Im Virtuellen Bereich aber hat man die Möglichkeit ständig mit hunderten Menschen zu interagieren - auch wenn man sie nur einmal pro Dekade sieht. Gewiss, das ist für bestimmte Zwecke kein Nachteil, aber das war auch schon zu Telefonzeiten möglich - und allein die verbale Kommunikation übers Telefon ist 100 mal aussagekräftiger als die Online-Kommunikation. Natürlich kann man auch geschriebene Sprache durch verschiedene Mittel anreichern, um die fehlenden Signale ersetzen. Aber mal ehrlich: wer macht das schon regelmäßig und konsistent?

Das führt mich übrigens zu einer neuen Beobachtung: Ich habe beobachtet, dass einige Leute in meinem Umfeld in der letzten Zeit extrem schlecht darin sind, aus Stimme, Mimik und Gestik nonverbale Signale zu decodieren. Kommt das vielleicht daher, dass nonverbale Signale, als Bestandteil einer Sprachkultur, anerzogen sind und genau so wie Sprache gelernt werden müssen? Ich habe bei mir selbst beobachtet, dass meine Mimik (Gestik geht da ja nicht so einfach) bei virtueller Kommunikation sehr stark limitiert ist. Ich befinde mich zwar in einer Kommunikationssituation, aber das Senden nonverbaler Signale macht keinen Sinn. Deshalb lass ichs. (Man hat mir dennoch bestätigt, dass ich innonvirtuellen sozialen Situationen über eine sehr lebhafte - teilweise zu lebhafte - nonverbale Kommunikation verfüge)
Aber wie bereits erwähnt ist mir aufgefallen, dass einige Zeitgenossen nicht in der Lage sind, nonverbale Signale angemessen zur Kommunikation zu nutzen - weder aktiv noch passiv. Steckt da vielleicht eine Art Übergreifen von virtueller auf nicht-virtuelle Kommunikation dahinter?

Andererseits hat die Online-Kommunikation vielfach erst zur Kontaktfindung beigetragen, das darf man nicht vergessen. Interessengruppen, Foren, Mailinglists, Online-Themenchats und -seiten haben jede Menge Leute erst mit der Welt bekannt gemacht, und Einblicke in einander Welten sehr preiswert und leichtest möglich gemacht. Für Sonderlinge, Kontaktscheue, sozial Benachteiligte, Menschen mit sozialen Schwierigkeiten, seltenen Interessen, alternativen Partnerinteressen, AB-Status, Amateurmusiker usw. ist das Internet mit seinen Möglichkeiten eine Erfüllung geworden. 90 % meiner Bekannten hätte ich ohne Internet nie kennen gelernt.

Sicher, gerade Foren und so weiter sind ja sehr nützlich und hilfreich. Aber sie dienen eigentlich nicht dazu, nicht-virtuelles Sozialleben zu ersetzen. Zumindest nicht in dem Grad, wie es über Facebook geschieht. Weil letzteres ist ja ein echter Zeitfresser.


Telepathetic schrieb:
Ich weiß ja nicht, wie Deine Geschichte mit dem Mädel, dass Dir Deinen Stuhl geklaut hat, haruc, weitergegangen ist, aber vielleicht hat sie einfach keinerlei Aufmerksamkeit frei gehabt. Nicht bildungsfern, sondern gedankenfern? Es heißt ja, dass das Internet für eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne sorgen würde. Leider eine ziemlich lahme Entschuldigung.

Die Geschichte ging folgendermaßen weiter: Ich hab mir meine Jacke geschnappt (die auf eine Bank geworfen wurde), mir nen anderen Stuhl geholt und mich dann irgendwie an den Tisch gesetzt. Platz war eigentlich keiner mehr, weil die fette Sau ihren *rsch so weit rausstreckte, dass der PLatz, der normalerweise für 2 Leute gereicht hätte, gerade mal für sie allein gereicht hat.
Ich glaube nicht, dass es Unaufmerksamkeit war. Spätestens als sie die Jacke weggeräumt hatte, hätt es ihr in den Sinn kommen müssen, dass der Stuhl nicht frei ist... Wer sowas in Ungedanken tut, der hat seine asoziale Ader schon stark verinnerlicht. :?
 

Telepathetic

Großmeister
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haruc schrieb:
Das führt mich übrigens zu einer neuen Beobachtung: Ich habe beobachtet, dass einige Leute in meinem Umfeld in der letzten Zeit extrem schlecht darin sind, aus Stimme, Mimik und Gestik nonverbale Signale zu decodieren. Kommt das vielleicht daher, dass nonverbale Signale, als Bestandteil einer Sprachkultur, anerzogen sind und genau so wie Sprache gelernt werden müssen? Ich habe bei mir selbst beobachtet, dass meine Mimik (Gestik geht da ja nicht so einfach) bei virtueller Kommunikation sehr stark limitiert ist. Ich befinde mich zwar in einer Kommunikationssituation, aber das Senden nonverbaler Signale macht keinen Sinn. Deshalb lass ichs. (Man hat mir dennoch bestätigt, dass ich innonvirtuellen sozialen Situationen über eine sehr lebhafte - teilweise zu lebhafte - nonverbale Kommunikation verfüge)
Aber wie bereits erwähnt ist mir aufgefallen, dass einige Zeitgenossen nicht in der Lage sind, nonverbale Signale angemessen zur Kommunikation zu nutzen - weder aktiv noch passiv. Steckt da vielleicht eine Art Übergreifen von virtueller auf nicht-virtuelle Kommunikation dahinter?
Ich find's gut, dass Du die Sinnlosigkeit des Sendens nonverbaler Signale in einer virtuellen Kommunikationssituation ansprichst. Dazu fällt mir nämlich ein, dass ich irgendwann in meiner späten Kindheit / frühen Jugendzeit während des Fernsehschauens erkannt habe, dass es mir sinnlos erscheint, auf die Gesichter im Werbefernsehen zu reagieren. Ich hatte erkannt, dass all die superlieben Strahlefrauen- und Männer lügen. Ich habe dann angefangen, meine Gesichtsmuskulatur zu kontrollieren, um den Gefühlen auszuweichen, die mich zu anderer Leute gunsten motivieren sollen. Ich glaube, ich habe dann auch angefangen, diese Kontrolle während Fernsehsendungen auszuüben und ebenso im echten Leben. Ich würde dieses allerdings nicht unbedingt als falsch anerkennen, denn ich bin durchaus in der Lage Emotion zu zeigen, wenn ich der Meinung bin, das mir das Präsentierte nutzt. Ich würde mein Verhalten auch eher als notwenigen Egoismus bezeichnen, der es mir ermöglicht ein (mehr oder weniger) eigenständiges Wesen zu sein, aber jedenfalls keine Marionette irgendwelcher anderer Menschen, die meinen, sie müßten mir erzählen, was gut und was schlecht für mich ist und dabei lediglich ihre eigenen Interessen im Auge haben.


Ich denke, dass die spontanen Äußerungen des Gesichts (des Körpers) universal verständlich sind. Freude, Abneigung, Schmerz usw. kann Jede/r an Jeder und Jedem ablesen. Voraussetzung dafür sei (ich kann meine Quelle spontan nicht nennen, vllt. fällt sie mir später wieder ein), dass ein Mensch die ersten Lebensjahre unter Menschen verbringt. Andere physische Äußerungen dagegen sind mit einer vorgefassten zu einer bestimmten Gruppe gehörigen Bedeutung besetzt. Westliche Kino-Besucher würden ihre Begeisterung mit Beifall und Rufen zeigen, japanische durch Schweigen.


Jedenfalls stimme ich mit Dir überein, dass selbst Telefongespräche 100 mal aussagekräftiger sind als Online-Kommunikation. Durch die Stimme wird Bedeutung übertragen. Ein und derselbe Satz bekommt durch unterschiedliche Betonung unterschiedliche Bedeutung. Man kann natürlich Smilies einsetzen, um dem Satz eine bestimmte Bedeutung zu verleihen. Alles in allem empfinde ich Online-Kommunikation als eher gefühllos (im Sinne von fehlender emotionaler Anregung), ich bin eher unbewegt, sämtliche Emotion spielt sich im Geiste ab. Körperliche Bewegung findet nur mit den Augen und den Fingern statt. Ausnahme ist der Video-Chat. Während des Video-Chats ist mir bewußt, dass ich von den anderen Teilnehmern gesehen werde und dass diese mich auch nach meinen Körpersignalen beurteilen.


Mir fällt noch eine andere Möglichkeit ein, warum "einige Zeitgenossen nicht in der Lage sind, nonverbale Signale angemessen zur Kommunikation zu nutzen": Medikamente. Die wachsende Zahl der Vergabe von Psychopharmaka könnte durch verlangsamenden Einfluß auf die Psychomotorik und Verringerung der Aufmerksamkeit und der angemessenen Verarbeitung der Realität eine wachsende Zahl an Psycho-Zombies zur Folge haben.
(Ich habe gerade neulich erst von einer Person in meiner persönlichen Umgebung erzählt bekommen, dass sie ihr Medikament abgesetzt hat und nach Jahren auf einmal wieder tief durchschlafen kann. Der Psychiater hatte ein Schizophrenes Residuum in Folge einer anderen Störung, deren Namen ich allerdings vergessen habe, diagnostiziert und jahrelang ein Medikament zur Vorbeugung von möglichen akuten psychotischen Krisen verschrieben. Das es dieser Person aber immer besser ging, hat den Psychiater nicht davon abgehalten, zu verschreiben und zu verschreiben. Ich meine, eine Möglichkeit psychotisch zu werden, besteht einfach nur aus der Tatsache heraus, dass man psychotisch werden kann. Man psychotisch werden, weil man psychotisch werden kann. Deswegen ein Medikament zu verschreiben, dass die Lebensqualität einschränkt, macht in meinen Augen keinen Sinn. Zumal der Körper künstlich wach gehalten worden ist und der Körper Schlaf braucht, um zu heilen.)
 

Giacomo_S

Ehrenmitglied
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2.834
haruc schrieb:
Aufgefallen ist mir das zum ersten Mal vor einem Jahr oder so, als ich mit ein paar Kommilitonen in der Kneipe zum Biertrinken war, und tatsächlich 2 oder 3 Individuen sich fast den ganzen Abend mit ihren Smartphones in der Ecke saßen und über Facebook miteinander kommuniziert haben.

Die neuen Technologien erfordern eben auch eine neue Etiquette. Die Smartphones haben das noch verstärkt. Früher musste man allein im Stüberl an seinem Rechner sitzen, um an FB teilzunehmen, heute kann man das mit der Handgurke.

Beispielhaft finde ich dieses Bild:

be-with-the-friends-that-are-here.jpg


Persönlich besitze ich keinen solchen Egoverstärker. Interessant ist allerdings: Fange ich an, Zeitung zu lesen, weil mich meine Freunde durch ihr ewiges Getue mit ihren Crackberries langweilen, dann sind die darob pikiert. :argh:
 

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