Natur-Reloaded

dkR

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Nach langer Abstinenz bedingt durch Prüfungsstress hab ich endlich mal was neues gefunden:
http://www.genfrei.org/

Eine Sammlung von Pressezitaten, die einem erklären, wie gefährlich doch Gene sind.

Auch die Google-Bildersuche spuckt jede Menge aus :lol:
m_genfrei_magermilch.gif

genfrei-kl.jpg
 

dkR

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Heute widme ich mich mal einem der beliebteren Verschwörungstheorien: HIV
Wieso ausgerechnet „das HIV“ so beliebt ist, ähnliche Viren verschwörungstechnisch dafür eklatant unterrepräsentiert sind, hab ich nie verstanden.
Die beliebtesten Argumente sind dabei, dass HIV noch nie mikroskopisch nachgewiesen wurde, und dass so ziemlich jede in den 80ern getestete Blutkonserve HIV+ sei, neuere jedoch nicht mehr. Ersteres ist natürlich völliger Unfug, zweiteres wohl eher auf die damals lausigen Test mit massenhaft falschpositiven Ergebnissen zurückzuführen denn auf die Pharmaindustrie, die die Sache künstlich hochpuscht.
Das Interessante an HIV-Test ist, dass es Antikörpertest sind. Also ist der Körper durchaus in der Lage, Antikörper gegen HIV zu produzieren – sonst wär der Test immer negativ - nur haben die keine ausreichend protektive Wirkung. Dafür spricht auch, dass die Virenkonzentration im Blut nach Beginn der Antiviralen Therapie sehr schnell massiv um mehrere Größenordnungen abfällt. Entsprechend hoch muss die Turn-Over Rate sein, bzw. die Lebenszeit des Virus im Blut liegt bei wenigen Stunden. Deswegen auch die relativ lange Inkubationszeit, das Immunsystem liefert sich eine jahrelange Abwehrschlacht mit dem Virus.

Die andere beliebte Hypothese ist, dass HIV gegen 1970 in einer US-Biowaffeneinrichtung geschaffen wurde. Und danach – wieso auch immer – in homosexuellen Szene freigesetzt wurde.
Dagegen spricht:
Es gibt zwei voneinander unabhänige Viren. HIV-1 und HIV-2, mit jeweils mehreren Subtypen, deren Verbreitung sich geographisch unterscheidet.
Eine sehr ähnliche Klasse Viren Simian Immunodefiency Virus SIV findet sich bei einer großen Gruppe Affen. Genauer gesagt bei über 40 Arten, einschließlich Menschenaffen.
Die relativ späte Entdeckung des viralen Effektes in den USA dürfte zum Teil daran liegen, dass die Technologie zum Nachmessen der Zellpopulationen (Durchflußzytometrie) vorher nicht verfügbar war. Und in Afrika erst recht nicht.
Zurück zu SIV. Bastelt man aus SIV und HIV einen molekularbiologischen Stammbaum, kommt z.B. sowas raus:
siv%20tree%201.gif

Das ist jetzt ausgesprochen interessant. Zum einen sind die Subtypen M, N und O unabhänig voneinander entstanden, zum anderen sind sämtliche Viren in der Verwandtschaft vom Schimpansen (cpz). Deren SIV wiederum ist eine Rekombinante aus zwei anderen Affenarten.
Rechnet man jetzt aus der bekannten Mutationsrate von HIV-1 (bzw. dem vorherrschenden M-Typ) zurück, kommt man auf einen Übersprung von Affe auf Mensch um 1930 rum. Eine HIV+ Blutkonserve von 1959 paßt dabei von der Sequenz her wunderbar in die Mitte des aktuellen Virus und des SIVcpz. Außerdem kann man die einzelnen SIVcpz die Schimpansenpopulation zuordnen und erhält so eine ziemlich genaue Idee, aus welcher Gegend welches HIV gekommen ist. In der Gegend finden sich außerdem endemische HIV-Typen und Stämme in sehr wenigen Patienten.
Den Stammbaum zu HIV-2 spar ich mir, jedoch gibt es auch hier mehrere voneinander unabhänige Übertragungen. HIV-2 stammt auch nicht von Menschenaffen sondern von einer Mangabe (Corcoebus atys).
Allein schon die Tatsache, dass „Das HIV“ etwa ein Dutzend Viren sind, macht die Biowaffenhypothese obsolet.

Nachtrag: Der Antikörpertest ist ein schnelles und relativ (höhö) billiges Screeningverfahren. Die endgültige Bestätigung erfolgt dann mittels Nachweis der viralen RNA im Blut. Dabei kann man auch gleich noch die Zahl der Kopien/ml Blut bestimmen. Allerdings ist das ein ziemlicher Aufwand an Material und Arbeit.

hmm, vielleicht mach ich mal ne Abteilung Methoden der Molekularbiologie :gruebel:

http://scienceblogs.com/loom/uploads/siv tree 1.gif
http://www.virologie.uni-erlangen.de/bulletin/Bulletin4_06.pdf
Sharp: Kenote lecture "Origins of HIV", 3th europ. Congress of Virology
 

dkR

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Jedes Jahr aufs Neue beliebt: Die Impfdiskussion.
Um zu zeigen, wie Unsinnig Impfungen sind, mal etwas Epidemiologie.
Aus naheliegenden Gründen lässt sich nur mit meldepflichtigen Erkrankungen Statistik betreiben, z.B. mit Masern.
2001 gab es im Landkreis Coburg eine Masernepidemie mit 910 gemeldeten Erkrankten. Von diesen 910 ist bei 745 der Impfstatus bekannt. 713 (95,7%) waren nicht geimpft. Folglich waren lediglich 32 (4,3%) geimpft und wurden trotzdem krank. [1]
Schaut man sich dazu die Durchimpfungsrate der Bevölkerung in Coburg und angrenzenden Gemeinden an, wird die Sache noch erheblich aussagekräftiger:
duedeldeu4yc.jpg
[2]
Links Impfrate – im Vergleich zu Nachbargemeinden signifikant niedriger, Rechts Zahl der gemeldeten Fälle – im Vergleich zu den Nachbargemeinden deutlich höher. Die Abweichungen der Gesamtzahl zu den oben genannten ergibt sich aus unterschiedlichen Daten der Datenerhebung.

Etwa zur gleichen Zeit gab es im Kreis Leer ebenfalls eine Masernepidemie. Hier waren es 387 Erkrankungen, davon nachweislich 82% ungeimpft, 2% geimpft, 16% unbekannt. Rechnet man bei den 16% konservativ ebenfalls mit 82% Ungeimpften kommt man auf 95% Patienten, die nicht geimpft waren. Rechnet man ausgehend von den 2% der nachweislich Geimpften, erhöhen sich die 95% nochmals auf über 97%.
Bei Wikipedia findet sich neben einem erstaunlich guten Artikel diese Grafik:
800px-Masern-Faelle_USA.png


Sieht doch aus, als wären Impfungen allgemein eine gute Idee. Immerhin lassen sich durch konsequente Massenimpfungen ganze Krankheiten weltweit ausrotten, wie bei den Pocken demonstriert.

Die offizielle Statistik über „Impfschäden“ führt in D das Paul-Ehrlich-Institut [3]: Kurzfassung der Jahre 05/07
In den Jahren 2004 (2005) wurden 1237 (1393) Verdachtsfälle über
Impfnebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen gemeldet, davon 858 (919)
schwerwiegende (69% (66%)). Bei 414 (517) bzw. 33 % (37%) der Meldungen
handelte es sich um einen "Bericht über Verdachtsfälle einer über das übliche
Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Verdacht
auf Impfkomplikation) nach Infektionsschutzgesetz (IfSG)". Davon waren 251 (229)
bzw. 61% (44%) schwerwiegend....
... ergibt sich für beide Jahre eine auf alle Impfstoffe
bezogene Melderate von ca. 3 Verdachtsfällen pro 100.000 Impfstoff-Dosen....
Sowohl im Jahr 2004 als auch im Jahr 2005 wurden wenige Fälle mit bleibendem Schaden (30 (34) Fälle; jew. 2,4% aller Fälle) oder Tod (35 (23) Fälle; 2,8% (1,7%)) gemeldet. Bei der Mehrzahl dieser Fälle wurde der Zusammenhang zwischen Impfung und unerwünschtem(n) Ereignis(sen) als "unwahrscheinlich" bewertet.
Dazu muss gesagt werden, dass die gemeldeten Fälle überwiegend von den Betroffenen selbst gemeldet wurden. Wer nach einer Impfung größeren Ausschlag bekommt, kann das als Impfschaden melden.

Bei einigen Impfungen sind die "Nebenwirkungen" der beabsichtigte Effekt. Man möchte eine Reaktion des Immunsystems hervorrufen, der sich nunmal recht gerne in "grippeähnlichen Symptomen" äußert. Wenn man außerdem zur Erkältungszeit ne Weile im Wartezimmer voll mit anderen hustenden, röchelnden Gestalten sitzt, muß man sich wirklich nicht wundern, wenn man da neben der Impfung sonst was nach Hause mitnimmt. Grippeähnliche Symptome wie allgemeines Unwohlsein, Müdigkeit, leicht erhöhte Temperatur etc. sind eine direkte Folge der Interferon-Ausschüttung von Immunzellen auf virale Pathogene. Effekt ist, dass die Körperzellen in einen „Antiviral-State“ gebracht werden. Was genau das ist, weiß niemand. Aber es wirkt. Das hat nix mit dem Pathogen zu tun, nur weil die Symptome „grippeähnlich“ heißen.
Um diesen Effekt auszulösen sind in einigen Impfstoffen Entzündungsstoffe enthalten. Deren einziger Sinn ist es, eine lokale Entzündung hervorzurufen. Das steht im Widerspruch des Self/Nonself-Models der Antigenerkennung (alles was fremd ist, wird erschossen), oder auch dem "dangerous non self" (alles was fremd ist und Ärger macht, wird erschossen) passt aber zum neueren "Danger-Model" (alles was Ärger macht, wird erschossen, egal ob fremd oder eigen), das von Polly Matzinger [4] vorgeschlagen wurde. Das "Danger-Model" ist momentan das passendere, z.B. lassen sich damit einige Autoimmunerkrankungen erklären [5]. Da drinen findet sich auch die faszinierende Idee, die Immunantwort wird eigentlich von betroffenen Gewebe getriggert und garnicht vom Immunsystem ans sich.
Leider finde ich dazu keine frei zugänglichen Paper. Momentan wird z.B. an Impfadjuvantien auf DNA-Basis geforscht, um möglichst viel Immunantwort auf möglichst wenig Impfstoff zu erreichen[6]. Die Idee dahinter ist, dass man mit einer aktivierung des angeborenen immunsystems nicht nur protektive Wirkung gegen neue Pathogene erreicht – sprich Impfung – sondern auch eine effektive Antwort gegen chronische Erkrankungen wie Hepatitis oder HIV. Oder auch Tumore. Gemäß dem Dangermodel ist alles was man dazu machen muss – theoretisch gesehen – dem Imunsystem klarmachen, dass so ein Tumor keine gute Sache ist und zerstört werden sollte. Je weiter die Forschung schreitet desot mehr geht die Sache weg von der Pharmakeule hin zur Hilfe zur Selbsthilfe.



[1]http://www.rki.de/cln_048/nn_494538/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2002/12__02,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/12_02.pdf
[2] http://www.stmugv.bayern.de/gesundheit/infektionen/doc/mas_bericht_lgl.pdf
[3]http://www.pei.de/cln_048/nn_163024/SharedDocs/Downloads/bgbl/2007/impfkompl-2004-2005,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/impfkompl-2004-2005.pdf
[4] Matzinger, P. Science. 2002 Apr 12;296(5566):301-5. – absolut fantastisches Paper
[5] http://www.charite.de/anatomie/nitsch/immunologie2_zenclussen.ppt
[6] Lisziewicz J et al., Expert Opin Biol Ther. 2007 Oct;7(10):1563-74.
 

dkR

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Mir ist grad noch was zu dem "krank nach Impfung" eingefallen:
Gemäß dem Dangermodel ist es denkbar, dass das Immunsystem nach der Aktivierung durch den Impfstoff bzw. den Zusatzstoffen nen Großputz veranstaltet und alles ausräuchert, was so rumschwimmt aber keinen Ärger macht. Das Ergebnis für den Körper wären halt "grippeähnliche Symptome".
 

dkR

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Heute in der Reihe "Methoden der Molekularbiologie": Die PCR.
Ok, ohne PCR keine Molekularbiologie, daher eher "Folgen der PCR: Die Molekularbiologie"
PCR steht für Polymerase-Chain-Reaktion. Die Grundlegende Idee dahinter ist, aus wenigen DNA-Molekülen viele DNA Moleküle zu machen. Mit RNA funktioniert das erstmal nicht.

Angefangen hat das ganze mit der Entdeckung eines einzelnen lumpigen Enzyms, einer hitzestabilen Polymerase in einem völlig uninteressanten Bakterierium, dass in völlig uninteressanten heißen Quellen rumdümpelt.
Die Polymerase von Thermus aquaticus, kurz Taq.

Dieses Enzym hat zwei tolle Eigenschaften:
1) Es ist Hitzestabil
2) Es ist eine DNA-Polymerase
Inzwischen gibt es natürlich tollere, schnellere und genauerer Polymerasen für diesen zweck zu kaufen, aber Taq ist irgendwie immer noch der Alltime-Favorite.

Das Prinzip ist relativ billig:
Ein doppelsträniger DNA-Strang wird auf 94°C erhitzt (DNA juckt das erst recht nicht), um die Stränge zu trennen.
Bis jetzt schaut die Taq nur gelangweilt aus der Wäsche, mit ssDNA kann sie auch nix anfangen. Jetzt kommt das tolle:
Gibt man kleine Schnippselchen von ebenfalls einzelstrang DNA dazu (und kühlt die Temperatur etwas runter), die Dinger heißen Primer, lagert sich der Primer an seine komplementäre Stelle an und bietet einen Startpunkt für die Taq. Ein Primer für den Gegenstrang definiert das andere Ende des zu amplifizierenden Teiles.
Bei 72°C hat Taq ihr Aktivitätsmaximum und verlängert den Strang. Die maximale Länge des Amplifikates ist unter anderem davon abhänig, wie lange man der Taq Zeit läßt. Durch die Primer kann man sich quasi aussuchen, welches Stückchen man haben möchte. Oder man nimmt als Primer eine wilde Mischung aus allem und amplifiziert wahllos alles.

Nu hat man statt einem Molekül zwei. Verdoppelung in jedem Zyklus.
Das ganze macht man so etwa 40mal.
Wenn man sich ein bischen anstrengt (meherer PCRs hintereinander) bekommt man aus EINER Kopie so viel DNA wie man will. :top:

Mal vond en Sachen, die man mit mehreren Mikrogramm DNA so anstellen kann, gibt es mehrere daraus resultierende Methoden:
Zum einen kann man DNA Sequenzieren:
Ersetzt man einen Teil der Nukleotide in einem Ansatz (man braucht natürlich vier Ansätze für A, T, G, C), durch ein modifiziertes, dass zum Kettenabbruch führt, kriegt man nicht die ganze Länge sondern nur ein Amplifikat bis (stochastisch) das nächste modifizierte Nukleotid eingebaut wird. Also z.B. man kriegt ne Menge verschieden langer Amplifikate, die alle nach z.B. einem "A" aufhören. Aufgetrennt auf einem Gel kann man von unten nach oben die Sequenz ablesen.
Neue Geräte funktionieren mit Farbstoff markierten Basen, einem Laser und ner Photozelle. Das Prinzip ist im großen das Gleiche.

Als nächste lustige Sache kann man Gene zählen.
Alles was man braucht ist ein Farbstoff, der sich in die DNA einlagert und eine Photozelle. Je mehr Kopien in der Probe, umso mehr Farbstoff auf einem Fleck, desto stärker die Farbe. Dann legt man einen Zyklus fest, bei dem die Fluoreszenz des Farbstoffes einen bestimmten Wert erreicht.
Nebenher laufen PCRs mit bekannter Kopienzahl. Daraus, wann die Standard den Treshhold erreicht kann man ganz simpel die Zahl der ursprünglichen Kopien in der Probe berechnen.

Neben der Farbstoffmethode, bei der nur ein Gen quantifizierbar ist, gibt es noch einige andere Methoden über markierte Primer bzw. Sonden, mit denen man teilweise bis zu fünf Gene auf einmal quantifizieren kann. :dancingnormas:

Der genomische Fingerabdruck, Vaterschaftstest, Identifikation von wasauchimmer, Stammbäume, rekombinante Organismen, alles läuft mit PCR.

RNA läßt sich als normalerweise einzesträniges Molekül so natürlich nicht amplifizieren. Bis mal jemand nachgedacht hat, dass RNA-Viren ja ihr RNA-Genom in DNA umschreiben müssen. Die Dinger heißen Reverse-Transskriptasen (im Gegensatz zur "dogmatischen" Transskription DNA -> RNA)

Die übliche Nachweismethode, ob die PCR auch getan hat, was sie soll ist die Gelelktrophorese. DNA aufs Gel, Spannung anlegen, warten bis sich die DNA nach Größe aufgetrennt hat, färben fotographieren, fertig. Gefärbt wird normalerweise mit einem Zeug namens Ethidiumbromid. Per Theorie lagert es sich zwischen die Basnestränge, so dass man eigentlich RNA damit auch nicht anfärben können sollte. Nur hat das weder RNA noch den Leute, die seit 10 Jahren damit RNA anfärben davon jemals jemand was gesagt.
Ethidiumbromid fluoresziert unter UV-Einstrahlung hübsch orange/weiß.
Gelfotos sind normalerweise schwarz mit weisen Banden. Aus dem einfachen Grund, ausdruck erfolgt über einen Thermodrucker und der kann eh nur s/w, wieso Geld für eine Farbkamera und sonstigen schnickschnack ausgeben. In einigen Fernsehsendungen (CIS wasauchimmer) sind die Gelbilder gerne Blau. Keine Ahnung wieso, blau sind eigentlich SDS-Gele wie man sie für Proteine benutzt. Das liegt nicht am Gel, sondern am Farbstoff.

Glaubt man den Leuten, so ist Ethidiumbromid auf einer Ebene mit hochangereichertem Uran, Lava und Meteoriteneinschlägen. Ein Farbstoff der sich zwischen DNAstränge im Gel einlagert, macht das auch, wenn man ihn seich über die Finger kippt mit DNA in den Zellen. Nicht gut.
Auf der anderen Seite wird genau dieses Zeug Kiloweise in der Viehzucht in Südamerika zur Prophylaxe gegen Parasiteninfektionen in Südamerika eingesetzt. Und die Rindviecher scheinen einige Milligram im körper nicht groß zu stören.
 

dkR

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Wieder mal aktuell ist - leider Gottes - die aus Sicht der Wissenschaft völlig absurde Diskussion über Import und Gewinnung embryonaler Stammzellen.
Aktuell sieht es so aus, dass in D keine eigenen Stammzellen gewonnen werden dürfen und auch der Import ist lediglich für Zelllinien erlaubbar, die vor dem 1.1.2002 gewonnen wurden.
Kurz gesagt: sämtliche in D legalen Zellinien kann man getrost in die Tonne kloppen. Nach 5 Jahren Kultivierung haben die nicht mehr viel mit ihren Ursprungszellen gemeinsam.

Vielleicht kommt bei dieser Darstellung bischen mehr Reaktion :argh:

Die Sache stellt sich ungefähr wie folgt dar (stark vereinfacht):
Wissenschaft: Wir wollen embryonale Stammzellen!
Politik: Was fürn Ding?
Wissenschaft: Zellen aus abgetriebenen Embryos für medizinische Forschung. Genauer gesagt, das was evtl. mal ein Embryo werden will.
Medien: Die kultivieren Babys im Labor!!
Öffentlichkeit: *Schockiert*
Kirche: Leben ist heilig.
Wissenschaft: WTF? *Auf Grundgesetz deut: Forschung ist frei*
Aufgeklärte Mitmenschen: Da können ja Leute ihre Babys verkaufen. Menschenhandel!!
Komische Mitmenschen: Die wollen garantiert einen Übermenschen züchten!
"Bild" Leser: Sind da Gene drin?
Wissenschaft:*immer noch erstaunt* Die Embryos das Klo runterzuspülen ist besser als Forschung?
Öffentlichkeit: Buuuuh!
Kirche: Auch Krankheiten sind von Gott gesandt.
Alle: *Kirche ignorier*
Intelligente Leute: Gehts nicht auch anders?
Wissenschaft Teil 1: Momentan nicht
Wissenschaft Teil 2: Klar, in den USA. *Auswander*
Politik: Hm, wir brauchen eine Regelung, die keinen weiterbringt. *aktuelles Gesetz verabschied* Könnt ihr Zellinien aus dem Ausland kaufen? In Asien und Afrika haben die bestimmt die gleichen moralischen/ethischen Standards wie wir.
Ethikkomission des Bundestages: Macht doch was ihr wollt. Macht ihr eh.
Noch nicht abgewanderte Wissenschaft: *Schulterzuck* *seufz*
Medien: Forscher züchten Embryonen im Labor!
Öffentlichkeit: Gähn
Aufgeklärte Mitmenschen: Dann verkaufen Leute ihre Babys immerhin nicht in Deutschland! Sondern in China. Toll!
Politik: Jemand zufrieden?
Alle: Nein.
Politik: Hervorragend. Wo ist die nächste Wahl?
Politik zu Medien: Wir haben einen ausgewogenen Kompromiss gefunden.
Politiker im Wahlkampf: Wir werden auch in Zukunft alles tun, um die deutsche Forschung an der Weltspitze zu halten!*Forschungsgelderkürz*
Rest der Welt: *Wunder*
USA: *Über hervorragende deutsche Wissenschaftler freu*


Die zwei großen Punkte, die die Sache so absurd machen, ist die grundlegende Unterstellung, Stammzellenforscher hätten kein Gewissen und es würde ein Schwarzmarkt mit Embryonen und Stammzellen entstehen. Und, die moderne Anti-Babypille verhindert die Einnistung des Fetus, also hat eine Frau mit regelmäsigen Sex gute Chancen, jeden Monat einen befruchteten Fetus das Klo runterzuspülen. Gesellschaftlich akzeptiert und moralisch anscheinend überhaupt kein Problem. Den gleichen Fetus aber für die Forschung einzusetzen ist anscheinend sowas von verwerflich.
 

dkR

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Wir haben eine Entscheidung!

Wir vertagen das Problem 5 Jahre in die Zukunft!
Dann haben wir genau die gleichen Probleme wie jetzt, nur in 5 Jahren.
Wieso nicht automatisch ne Anpassung "Zelllinien müssen mindestens X Jahre alt sein"?
:don: :don:
 

dkR

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Mir selbst fallen gerade keine brauchbaren Themen ein, daher nur mal ein Lesetip:
http://thestutteringbrain.blogspot.com/
Tom Weidig versucht sowas wie den Überblick über den aktuellen Stand der Forschung über balbuties zu behalten. Gerade in letzter Zeit durch die Verbreitung funtkioneller Kernspintomographie hat sich bei den Neurowissenschaften doch ne ganze Menge getan.
 

dkR

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Wenn SpiegelOnline sich am Wissenschaftjournalismus versucht, macht es meistens Sinn, sich die Originalpublikation anzuschauen um zu sehen, was wirklich drin steht. Das Original zu finden ist meist nicht ganz einfach, SpOn hat ein gestörtes Verhältnis zu Quellenangaben.
Eine angenehme Ausnahme ist heute zu finden:
Forscher legen HI-Viren in Mäusen lahm

Will man Aids verhindern, muss man dem HI-Virus das Handwerk legen. Warum nicht einfach seine Gene stummschalten? Das haben Forscher nun bei Mäusen geschafft. Ihr Werkzeug - die noch junge Methode der RNA-Interferenz - hat ein enormes Potential - nicht nur bei Aids.
Gemeint ist damit folgendes (kostenloses) Paper T Cell-Specific siRNA Delivery Suppresses HIV-1 Infection in Humanized Mice.
siRNA ist eine ziemlich effektive Methode, Genexpression auf mRNA Ebene zu inhibieren (dummerweise sieht die Sache auf Proteinebene wieder ganz anders aus). Alles was man dazu tun muss, ist einen etwa 20Basen großen RNA-Strang (revers-komplementär zur Zielsequenz) in die Zelle bringen.
Zellinterne Abwehrmechanismen (gegen virale Infektionen) erledigen den Rest und zerkleinern jede passende mRNA. Ohne mRNA kein Protein, ohne Protein kein Virus. Das Prinzip ist interessant, die Details wie so oft – ermüdend. Deswegen lass ich sie einfach weg.
Das große Problem ist, die siRNA in die Zellen zu bringen. Das Paper ist genial: Kumar et al. kleben die siRNA an einen Antikörper gegen einen zellulären Rezeptor (CD7), Antikörper bindet, wird in die Zelle aufgenommen. Tada, siRNA ist in der Zelle und macht was sie soll. Kumar et al. haben eine Kombination aus einem zellulären Gen (um die Verbreitung in uninfizierte Zellen zu verhindern) und zweier viraler Gene getestet. Das Ergebnis ist eine Hemmung der Virusreplikation im Vergleich zur Kontrollgruppe von mindestens 97%. Das ist nicht schlecht für einen ersten Versuch, leider stehen im Paper keine echten Zahlen, sondern nur ein paar Diagramme.

Therapeutisch ist die Sache eher uninteressant, da der Effekt nur vorrübergehend ist bis die siRNA abgebaut ist, auch ist die Sache für eine Therapie wohl einfach zu teuer, auch wenn das System im Gegensatz zu anderen Therapien eher ungiftig ist. Und Antikörper als Peptid kann man nicht als Pille schlucken. HIV wird man auch damit also nicht los. Dazu müsste man sämtliche Blutstammzellen dazu bringen, in sämtlichen Blutzellen die entsprechende siRNA selbst zu produzieren. Momentan nicht machbar.

Die Sache ist dafür noch viel mehr Wooooot! als SpOn kapiert hat:
Damit lässt sich jedes beliebige Gen (momentan in T-Zellen) im Tiermodel regulieren!
Das ist eine funktionierende in-vivo Gentherapie! Autoimmunkrankheit? Kein Thema mehr. Krebszellen meucheln? Her mit dem Antikörper. Leute, das ist die Zukunft :jubel: :jubel:
 

dkR

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Gut, wir gehen ja mit der Zeit, darum ein (zugegeben sehr heftiges) Leserquiz (und der letze Versuch, hier mal Kommentare zu bekommen): Außerdem sind grade keine Studenten zum Quälen verfügbar. :skandal:
Wer ne Idee hat, wieso es interessant und relevant sein könnte, dass RNA-Viren (z.B. mein Lieblingsvirus HIV) außer der namensgebenden RNA auch noch DNA besitzen (also im Virus), kriegt mein unbeschränktes moderative Wohlwollen, und soviel virtuelle Kekse wie er möchte.
 

Laokoon

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Ich will nun keine falsche Antwort hinklotzen, aber trotzdem einen Kommentar hinterlassen und Kekse absahnen.

Ich hab nun schon seit ewig langer Zeit aus eigenem Antrieb keine biologischen Prozesse unter die Lupe genommen, bedanke mich aber gerade deshalb bei Dir, weil Deine Beiträge mir zeigen, dass es noch tolle Dinge hinter meinem beschränkten Interessenhorizont gibt, die es sich anzuschauen lohnt. Also schreib gefälligst weiter, hier ist Dein Kommentar :wink:
 

dkR

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Shishachilla schrieb:
DNA in RNA-Viren? Die wird doch erst in der Wirtszelle aus der RNA gebildet?!
Soweit die allgemeine Meinung. :mimpel:
Was natürlich wiederum die Einteilung in RNA/DNA-Virus verkompliziert.
Aber wären Naturwissenschaften einfach, wäre es ja Sozialpädagogik. :hide:

Aus der Wirtzelle schlüpfen dann wieder neue Viren und nehmen halt mit, was so alles im Cytoplasma rumschwimmt. Bzw. die reverse Transkription RNA->DNA fängt an, bevor eine neue Zelle infiziert ist.
Umhüllte Viren nehmen auch einen Teil der Zellmembran mit, da sind noch die entsprechenden zellulären Oberflächenproteine vorhanden. Womit man wunderbaren Unfug messen und publizieren kann.
 

dkR

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Manchmal findet man tolle Sachen, die man einfach mit der Welt teilen muß:
178px-FAGOCITOSI_BY_RAFF_.gif

:rofl:

von en.wikipedia.org
 

dkR

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Möglichkeit 1: Toll like Rezeptors, Zytokinproduktion

Möglichkeit 2: Selektionsdruck
 

Shishachilla

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Ich entschließe mich für Möglichkeit 2. Je nach Umwelteinfluss wird in die Wirtszelle eine andere DNA gebaut. Aus der RNA. Die DNA im Virus bleibt gleich. Oder wer oder wie oder was oder warum? :gruebel:
 

Sedge

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dkR schrieb:
Mama, Mama, da sind Gene drin! Das ess ich nicht. Manchmal glaub ich fast, die machen das mit Absicht. :roll:
Ach hier isser ja, der Gen-Thread ;)


Ich hatte die Tage ein lustiges (oder beängstigendes?) Erlebnis:

In einer Arztpraxis auf der Theke steht Werbung für eine "Chromoson-Therapie". Ich denk mir "da fragste doch mal die Arzthelferin was das ist!"

Ich: "Tschuldigung, was ist denn diese Chromoson-Therapie?"
Sie: "Ja, also, da wird mit Farben und Klängen, also, da wird das Gleichgewicht wieder hergestellt, also, die Zellen energetisiert!"
Ich: "Und was hat das mit dem Namen auf sich?"
Sie: "Ja das ist ja das Erbgut und die DNS und so!"
Ich: "Aber schreibt man das nicht Chromosom?
Sie: :gruebel:

Naja, ums kurz zu machen: die dort beworbene Therapie hat nichts mit Genen zu tun.

Ich finde allerdings verwunderlich, dass selbst die dort angestellte Arzthelferin keinen Schimmer hatte von was Sie redet, und das obwohl die Ärztin, für die Sie arbeitet eine solche Therapie anbietet...
 

Ein_Liberaler

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Aber zu der Ärztin, die so etwas anbietet, gehst Du weiterhin? Ist die ansonsten kompetent und nur ein bißchen abergläubisch? Oder hat sie noch soviel Standesehre, daß sie zumindest niemandem wissentlich schadet?
 

Sedge

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Ne das ist nicht meine Ärztin, bin da sozusagen nur zufällig vorbeigekommen.

Sie ist halt so ne Naturheilpraktikerin, und ich wollte ihre Behandlungsmethoden in keiner Weise angreifen, ich find nur die Reaktion der Helferin passend zu der Gen-Angst :D
 

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