Ich fange mal mit einem Bezug auf Schechinah an:
Mit Deinem Ansatz kann ich wenig anfangen, muss ich sagen.
Wie weit der Ansatz vom Verstehen der Texte (und mit "Verstehen" meine ich Sinnkonstruierend) weg ist, zeigt ja dann Deine Version der Geschichte vom Sündenfall, die Du hier sehr salopp und - sorry - plattironisch nacherzählt hast: Der Wert eines Ansatzes sollte sich m. E. daran messen, was er zum Verstehen beiträgt - und was weiß man aufgrund dessen jetzt mehr? Das Einzige, was mir Deine Nacherzählung transportiert hat, ist eine Haltung, das alles sei ohnehin verschwurbelt und keines weiteren Nachdenkens wert. Gut, das mag eine (vielleicht Deine?) Meinung sein, dann wäre die Diskussion jedoch auch schnell zu Ende. Und ich finde es unbefriedigend, wenn das alles sein sollte, was man aus der Geschichte herausholen kann. Ich denke mir, vielleicht ist ja auch die Geschichte gar nicht so platt und eindimensional, vielleicht kommt man mit anderen Ansätzen weiter. Und dass das tatsächlich so ist, haben ja auch einige hier schon auf verschiedene Weisen angerissen.
Dass es nur eine einzige wahre echte gültige Wahrheit gäbe, ist - so scheint es mir - ein sehr moderner Gedanke, ebenso wie die (nebenbei auch sehr ignorante) Überzeugung, Geschichte sei eine Ansammlung von Fakten. Niemand, der sich mit Geschcihte beschäftigt, wird (hoffentlich) annehmen, dass dem tatsächlich so ist: Geschichte wird grundsätzlich immer aus der Vergangenheit konstruiert, und dabei fließt zu einem nicht unerheblichen Antheil immer auch unbewusst oder bewusst die Überzeugung dessen ein, der sie gerade rekonstruiert. Aber, was bliebt sind natürlich gewisse Fakten: Ja, es gab einen Krieg zwischen Ägyptern und Hethitern, nur die Bewertung führt dann zu unterschiedlich rekonstruierter Geschichte. Aber neben diesen "politischen Ereignissen" gibt es die Mythen, Geschichten, die man sich von Göttern erzählt. Hier lassen sich keine "politischen Ereignisse" so ohne weiteres erkennen... ist das überhaupt so tatsächlich passiert? Und wenn ja, in welcher Form?
Die Geschichte der Söhne Abrahmas z. B., wo man annimmt, dass dies die Existenz der vielen Stämme erklären soll, die zum Zeitpunkt, als man die Geschichte erzählte, Lebenswirklichkeiten waren. Die Geschichte transportiert historisches - es gab und gibt diese Stämme -, aber sie liefert mehr: Sie erzählt uns auch die Ansichten der Menschen, dass alle einen gemeinsamen Urprung hatten z. B.
Zurück zum Thema:
eine Geschichte, ein Mythos, wie die Vertreibung aus dem Paradies erklärt ebenso einen gewissen Jetztzustand: Das Ergebnis am Ende ist die Lebenswirklichkeit der Menschen. Der Mythos versucht, dies rückläufig zu erklären: Wie konnte es dazu kommen. Was aber an dieser Geschichte ebenso interessiert, und einen vielleicht auch weiterbringt, sind die darin enthaltenen Meinungen über größere Menscheitsfragen: Wie ist das mit dem Sterben, wie mit der Kultur, die Lebensweise des Menschen, und die Verortung des Menschen in einen ganz übergreifendes allgemeines Weltbild.
Hier kann man ansetzen darüber nachzudenken: Lassen sich in dieser Geschichte Ansätze finden, mit denen man heute als Mensch noch etwas anfangen kann, oder auf welche Weise?
Dass der Baum der Erkenntnis die Kultur bewirkt, ist eine Interpretation. Nur eine von vielen möglichen, aber offenbar eine, die insgesamt nicht so abwegig erscheint, wenn man berücksichtigt, was das Essen von diesem Baum bewirkt. (Und danke, Tele, ich denke, ich stimme Dir zu mit Deiner Erklärung, wie das Erkennen von Gut und Böse mit Kultur zusammenhängen kann). Ist das alles, was in diesem Baum summiert wird? Warum führt das Essen der Früchte zum Tod? Dass die beiden Menschen nicht sofort tot umfallen, ist klar, bedeutet aber in keinster Weise, dass Gott gelogen hätte (weiter weg von der Geschichte kann man eigentlich kaum sein...
) Aber das Essen führt zur Vertreibung aus dem Paradies und schneidet die Menschen vom Baum des Lebens ab, ab jetzt sind sie sterblich.
Was mir hierzu noch eingefallen ist jetzt: Es gibt doch im Gilgamesch-Epos (ohne hier in extenso darauf eingehen zu wollen, also bitte keine Vortäge über die 2000 Jahre Überlieferung und die sumerischen Vorläufer etc. etc.) die Geschichte, wie Enkidu zum Gefährten des Gilgamesch gemacht wird: Wir haben einen Naturmensch, der mit den Tieren sprechen konnte und wie ein Tier lebt. Am Ende ist es ein Kulturmensch, der sich in der Welt der Menschen zurechtfindet, aber gleichzeitig verlernt hat, die "Sprache der Natur" zu sprechen, die Tiere flüchten vor ihm. Ich komme auf diese Geschichte, weil mir scheint, vielleicht findet sich in der Biblischen Paradieserzählung ein sehr ähnlicher Gedanke (und ja, natürlich stammen all diese Erzählungen aus einem weitläufig zusammengehörenden Kulturkreis, was es ein bißchen unsterstützt): Das Erkennen als Kultur führt automatisch vom Leben im paradiesischen Naturzustand weg - sozusagen als Mechanismus, der in der Schöpfung angelegt ist.
Wenn man mal die 2000 Jahre (ich übertreibe, ich weiß) christliche Interpretation dieser Stelle abwirft, die das als Sündenfall und Erbsünde dem Menschen anlastet, könnte man der Ausgangssituation doch auch etwas Positives abgewinnen: Gott hat die Welt und den Menschen erschaffen und ihn in eine Welt gesetzt, in der der Mensch seinen freien Willen benutzen kann, wählen kann. Gott ermahnt den Menschen, die Konsequenzen seines Handeln zu bedenken, lässt ihm aber freie Wahl. Und im Grunde möchte ich nicht sagen, es war schlecht, dass die beiden von der Erkenntnis gegessen haben, so wie es (seitdem, heute) ist, ist es doch eigentlich ganz schön. :-D
Das ist eine Überlegung, zu der mich die Geschichte geführt hat. Aber den Baum des Lebens habe ich dabei noch kaum berücksichtigt. Das mit den Shakern und ihre Deutung klingt ja schon mal ganz interessant. Vielleicht gibt es da noch mehr Ansätze? (Her damit ;-) )
Gruß,
Semis
Nachtrag:
Vielleicht doch einmal auf das leidige "man müsse sich bei theologischen Themen vom Materiellen lösen": Ich habe keinen Schimmer, was damit gemeint sein soll. Aber "weil man sie sonst fehlinterpretiert" klingt für mich in jedem Falle sehr einseitig. Es gibt bei den wenigsten Dingen eine einzige Lösung - was nebenbei ja in diesem Thread auch Konsenz ist (danke, Leute
) - und gerade dann, wo es darum geht, sich Gedanken darum zu machen, welche Gedanken sich andere Menschen gemacht haben (so wie hier), ist es eigentlich selbstverständlich, dass es nicht nur einen richtigen Ansatz geben kann. - Was nicht bedeutet, dass man die Ansätze nicht bewerten könnte, danach, ob sie einen zu etwas hinführen oder nicht.