Wann ist man ein Sozialist?

HunabKu

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Hallo Winston_Smith,

mal unabhängig von Peter Sodann und auch um auf deine letzte Anspielung mal zu reagieren: Ist für dich jeder, der die sozialistische Idee für mehr oder weniger sinnvoll hält grundsätzlich ein Vollpfosten? (Tu mir bitte einen Gefallen bevor du überlegst und antwortest und stelle Sozialismus und Kommunismus NICHT als das Selbe hin. Danke)
Kannst du mir sagen, was genau du an der sozialistischen Idee schlecht findest?
Sicher hat diese Idee in der DDR versagt aber warum? Lag es vielleicht eher an der Rangehensweise und der Durchführung und an völlig verqueren Denkweisen einzelner als weniger an der Grundidee selber?

HunabKu
 

Ein_Liberaler

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Sozialismus ist noch schlimmer als Kommunismus.

Kommunismus ist eine Utopie, ähnlich wie das Schlaraffenland, unerrechbar, aber irgendwie toll.

Sozialismus ist ein angeblich notwendiger Schritt auf dem Weg zum Kommunismus und wird gekennzeichnet durch Zentralverwaltungswirtschaft. Der Marxismus sieht auch Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus und Kapitalismus als notwendige Schritte... Für den einzelnen sind sie ganz furchtbar, für die Weiterentwicklung der Gesellschaft sind sie unverzichtbar. So auch der Sozialismus. Der Sozialismus ist nichts in sich erstrebenswertes. Wenn man sich einmal klargemacht hat, daß der Kommunismus eine aberwitzige Schnapsidee ist, beginnt man sich mit Recht zu fragen, wieso man all das Leid, die Unfreiheit und die miserable materielle Versorgung, wie sie mit dem Sozialismus notwendig verbunden sind, auf sich nehmen soll, wenn der Sozialismus mangels Erreichbarkeit des Kommunismus den Endzustand darstellen soll.

Daß der Sozialismus wirtschaftlich notwendig scheitern muß, hat Ludwig von Mises in seinem Werk "Die Gemeinwirtschaft" schlüssig dargelegt, und zwar schon vor über achtzig Jahren. Daß er mit persönlicher Unfreiheit einhergeht, ergibt sich zwangsläufig.
 

Winston_Smith

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Ist für dich jeder, der die sozialistische Idee für mehr oder weniger sinnvoll hält grundsätzlich ein Vollpfosten?

Ja. Und Vollpfosten ist hier bewusst als Beleidigung gemeint. Ich könnte noch viel schlimmere Worte benutzen. Oder anders gesagt: Ich möchte niemanden in meiner Wohnung haben, der meint er wäre Sozialist.

Sozialismus ist absolut undemokratisch. Und mit Anhängern dieser Idee, also mit Antidemokraten möchte ich nichts zu tun haben.

Kleiner Tip: Besuche mal das Stasigefängnis in Hohenschönhausen. oder die Kreuze am Reichstag. Da kannst Du die Errungenschaften des Sozialismus sehen.

Sicher hat diese Idee in der DDR versagt aber warum? Lag es vielleicht eher an der Rangehensweise und der Durchführung und an völlig verqueren Denkweisen einzelner als weniger an der Grundidee selber?

Das ist das eigentlich "lustige" an der ganzen Geschichte. Die einzige Verteidigung ist, dass "die Idee" eigentlich toll ist aber nur falsch umgesetzt wird. Ganz ehrlich. Fliegende Elefanten sind auch eine tolle Idee. Aber es geht halt nicht. Auch wenn man 1000mal versucht, es ihnen bei zu bringen.

Es gibt in der gesamten Mennscheitsgeschichte nicht EIN Beispiel dafür, dass der Sozialismus den Menschen etwas gutes gebracht hat. Weder in der DDR, der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, der sozialistischen Republik Kuba oder in Deutschland unter den nationalen Sozialisten.

Vielleicht kann man auch sagen, dass der Sozialismus bisher nie gescheitert ist. Im Gegenteil. In Rahmen aller Versuche hat er jedes mal geklappt und Ergebnisse gezeigt, die für den Sozialismus typisch sind: Unterdrückung der eigenen Bevölkerung, Unfreiheit, Verfolgung anders denkender, keine Pressefreiheit, materielle Not.

ws
 

Simple Man

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Die einzige Verteidigung ist, dass "die Idee" eigentlich toll ist aber nur falsch umgesetzt wird.
Genauso lustig ist aber auch, dass das beim Kapitalismus auch nicht anders ist ... ;-) ... wenn was schiefgeht, war es der Staat oder die Notenbank oder oder oder ... :egal: ... nettes Beispiel dazu ist Milton Friedman, der meinte, dass an der (Heftigkeit der) Großen Depression die Notenbanken und ihre Geldpolitik Schuld waren ... ich meine, das muss der Mann natürlich sagen, weil ansonsten sein oberstes Theorem (die Marktwirtschaft ist in sich stabil) krachen gehen würde ... ;-)
 

dkR

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Jedenfalls funktioniert Marktwirtschaft nach den aktuellen empirischen Daten viel besser als Sozialismus. :idee:
 

Mr. Anderson

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Ab wann ist man denn eigentlich Sozialist?
Nach meiner Wahrnehmung zumindest werden Leute schon dann Sozialisten genannt, bzw. Parteien nennen sich selbst so, wenn sie einen Wohlfahrtsstaat befürworten. (zu unterscheiden von einem Sozialstaat, wie etwa Deutschland)

Also wo ist die Grenze? Ab "Schweden"? Oder ab der "DDR"?
Wenn Schweden, dann wäre ich vermutlich auch ein Sozialist.
 

Winston_Smith

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Genauso lustig ist aber auch, dass das beim Kapitalismus auch nicht anders ist ... Wink ... wenn was schiefgeht, war es der Staat oder die Notenbank oder oder oder ... ... nettes Beispiel dazu ist Milton Friedman, der meinte, dass an der (Heftigkeit der) Großen Depression die Notenbanken und ihre Geldpolitik Schuld waren ... ich meine, das muss der Mann natürlich sagen, weil ansonsten sein oberstes Theorem (die Marktwirtschaft ist in sich stabil) krachen gehen würde ...

Ich denke, dass man am Kapitalismus sehr wohl Kritik üben kann. Allerdings geht es in der aktuellen Diskussion um ein politisches System wie den Sozialismus und nicht um Wirtschaftssysteme wie Kapitalismus und Marktwirtschaft.

ws
 

Simple Man

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Bitte, dann reden wir halt über (Neo-)Liberalität ... kannst das Wort Kapitalismus in meinem zitierten Beitrag auch gerne durch (Neo-)Liberalität ersetzen ... und die Wirtschaftsordnung ist nun mal ein nicht unerheblicher Teil solcher Gesellschafts- und Polit-Systeme ... :egal: ... das daher in einer solchen Diskussion auszugrenzen, halte ich für Quatsch ...
 

Mr. Anderson

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Winston_Smith schrieb:
Allerdings geht es in der aktuellen Diskussion um ein politisches System wie den Sozialismus.
Was sind denn Deiner Meinung nach die definierenden Eigenschaften eines politischen Systems mit der Bezeichnung "Sozialismus"? Ich assoziiere damit nämlich eher ein Wirtschaftssystem.

Für die politischen Strukturen in der DDR oder der Sowjetunion würde ich Begriffe wie "Diktatur" oder "Totalitarismus" verwenden.
 

Simple Man

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Nun ja, eher eine Ideologie, denn ein System, imo ... und eine wirkliche "Legaldefinition" für Sozialismus gibt es ja nun auch nicht ... Sozialismus umfasst aber mehr, als bloß das Wirtschaftssystem (und auch mehr als nur das politische System) ... allerdings ist der Sozialismus nicht ohne Betrachtung der ökonomischen Seite zu bewerten, imo ... Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts ... ;-)
 

Mr. Anderson

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Simple Man schrieb:
Nun ja, eher eine Ideologie, denn ein System, imo ...
Als Ideologie kann ich Sozialismus ehrlich gesagt auch nicht richtig erfassen. Für Marx war Sozialismus ja ebenfalls keine Ideologie, sondern nur ein Teil einer umfassenderen Theorie.
Sozialismus (nach Marx) ist für mich zunächst ein System, in dem die Produktionsmittel verstaatlicht sind. Soviel ist schonmal klar. Alles andere ist ... "Theorie" hätte ich beinahe geschrieben; passend wäre aber eher: Auslegungssache. Die Ansichten von selbsternannten Sozialisten (und von Nicht-Sozialisten) gehen dafür zu weit auseinander.
Der Begriff "Sozialismus" wird heute ausgesprochen locker gebraucht. Ein Sozialist könnte jeder sein, von Josef Stalin bis Lionel Jospin.
allerdings ist der Sozialismus nicht ohne Betrachtung der ökonomischen Seite zu bewerten, imo ... Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts
Kommt drauf an. Sebastian Haffner beispielsweise war, sofern ich ihn richtig in Erinnerung habe, der Meinung, dass das Entscheidende am Sozialismus die Sozialisierung der Leute ist, und nicht die Wirtschaft. :egal:
 

Simple Man

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Also, wieviel umfassender als eine Ideologie soll denn etwas noch sein? :O_O: ... und ja, in diversen Sozialismusbegriffen mag es nicht primär um Wirtschaft gehen ... aber sie ist stehts auch ein Teil davon ... selbst wenn sie nicht das Entscheidende ist ... (zumal du ja selber schreibst, dass die Verstaatlichung von Produktionsmitteln Systemimmanent ist ...)
 

Mr. Anderson

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Simple Man schrieb:
Also, wieviel umfassender als eine Ideologie soll denn etwas noch sein? :O_O:
:gruebel: Ich bin nicht sicher, ob ich Deine Frage richtig verstanden habe, aber was ich meinte war, dass ich den Begriff "Sozialismus" nicht unter den Begriff "Ideologie" subsumieren kann.
und ja, in diversen Sozialismusbegriffen mag es nicht primär um Wirtschaft gehen... aber sie ist stehts auch ein Teil davon
Ja, ich bin auch der Meinung, dass das (einzig) Konstante in diesen Ideen eine Komponente ist, die etwa in die Richtung "weniger wirtschaftliche Freiheit, mehr soziale Leistungen" geht.
Was ich darin aber eben nicht erblicken kann, ist ein bestimmtes politisches System.
 

agentP

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Ja, ich bin auch der Meinung, dass das (einzig) Konstante in diesen Ideen eine Komponente ist, die etwa in die Richtung "weniger wirtschaftliche Freiheit, mehr soziale Leistungen" geht.
Was ich darin aber eben nicht erblicken kann, ist ein bestimmtes politisches System.

Selbst wenn man das so reduziert und aussen vor lässt, dass die meisten sozialisitische Theoretiker sich eben nicht nur auf die Wirtschaftspolitik beschränken, impliziert doch alleine das schon ein Staatsverständnis, das zum Beispiel dem des Liberalismus komplett widerspricht (von radikalen anarcho-sozialistischen Theorien am Rande mal abgesehen).
Um den wirtschaftlichen Ehrgeiz von Individuen zu zügeln und in "soziale Bahnen" zu lenken, braucht es einen starken Staat, eine ausgeprägte Bürokratie und das Ganze setzt eine gewisse Auffassung vom Stellenwert von Individualrechten und -freiheiten gegenüber den Rechten der Allgemeinheit voraus.
Ein sozialistisches Wunderland bräuchte eine altruisitische, korruptionsfreie und sich gerne immer wieder selbst in ihrer Macht beschränkende Beamten- und Politikerkaste, genauso wie eine liberales Wunderland eine allgemeines Verständnis bräuchte, dass ein übernahme freiwilliger Verantwortung für die Allgemeinheit nicht nur moralisch, sondern auch für einen selbst existentiell wichtig ist.
Für beides hat die Geschichte bisher nicht gerade allzu viele Beispiele bereit.
Was mir aber bisher noch niemand beantworten konnte oder wollte ist allerdings die Frage, wieso ich ausgerechnet Politikern und Beamten mehr vertrauen sollte als Unternehmern. Mir ist noch nicht aufgefallen, dass die einen sich bisher als weniger gierig und korrumpierbar und als moralisch untadeliger und kompetenter erwiesen hätten, als die anderen.
 

HunabKu

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...Ist doch lustig zu lesen, wie heftig auf ein paar kleine Sätze sofort reagiert wird.
Sozialismus ist absolut undemokratisch. Und mit Anhängern dieser Idee, also mit Antidemokraten möchte ich nichts zu tun haben.

Kleiner Tip: Besuche mal das Stasigefängnis in Hohenschönhausen. oder die Kreuze am Reichstag. Da kannst Du die Errungenschaften des Sozialismus sehen.
Ja, du hast schon recht und diese Argumentation ist typisch. Man nenn in Verbindung mit dem Sozialismus halt immer nur die schlimmen Dinge, die aufgrund der falschen Rangehensweise und des Egoismusses bzw der Habgier einzelner geschehen sind. Ich gebe dir Recht, dass der Sozialismus aufgrund der eben genannten menschlichen Eigenschaften nicht durchführbar ist und sein wird. Deshalb wäre ich mit Sicherheit auch nicht begeistert wenn wir ihn wieder bekämen. JEDE Gesellschaftsordnung ist irgendwann von einer anderen abgelöst worden weil sich herausstellte, dass sie auf Dauer nicht durchführbar sein kann. So wird es aber auch dem Kapitalismus ergehen und ich möchte Simple Man Recht geben wen er sagt, dass gewisse Dinge heute auch nicht anders sind. Wir sollten uns damit abfinden. Der Grund, warum wir bis heute noch keine Gesellschaftsordnung gefunden haben, in der jeder Mensch zu gleichen Teilen beteiligt ist, in der es keinerlei Gewalt, Machtspielchen und Habgier gibt, ist der, dass wir Menschen schlafen und uns der wirklich wichtigen Dinge nicht bewusst sind. Kurz gesagt. Wir allein sind schuld daran, wenn etwas nicht funktioniert. Die Grundidee ist es sicher nicht.
Genau deshalb bin ich auch parteilos und völlig frei von jeglichen Sympatieen irgendeiner Partei gegenüber. Das sind nämlich auch nur Menschen die all diese Eigenschaften haben, die dazu führen, dass gewisse Ideen nicht durchführbar sind.

Wir sollten uns also endlich bewusst werden, dass wir allein für alles verantwortlich sind was nicht funktioniert bzw schief geht auf dieser Welt! Ich bin davon überzeugt dass wir viele Probleme lösen könnten wenn wir uns darüber im Klaren wären. Leider sind wir das nicht.

HunabKu
 

Mr. Anderson

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agentP schrieb:
Selbst wenn man das so reduziert und aussen vor lässt, dass die meisten sozialisitische Theoretiker sich eben nicht nur auf die Wirtschaftspolitik beschränken, impliziert doch alleine das schon ein Staatsverständnis, das zum Beispiel dem des Liberalismus komplett widerspricht
Würde ich so nicht sagen. Komplett widerspricht es notwendigerweise nur den Ideen der wirtschaftlichen Freiheit, der persönlichen aber nicht.
Was mir aber bisher noch niemand beantworten konnte oder wollte ist allerdings die Frage, wieso ich ausgerechnet Politikern und Beamten mehr vertrauen sollte als Unternehmern.
Das sollte man imo gar nicht. Man sollte sie vielmehr kontrollieren. (Vertrauen kann man höchstens in gewissem Umfang vielleicht einem Lieblingspolitiker, aber auch das nicht notwendigerweise.)
Das Wort "Vertrauen" impliziert ja bereits, dass man die Entscheidungsprozesse (noch) nicht selbst vor Augen hat oder sie zumindest nicht versteht. Ansonsten hätte man kein Vertrauen in dem Sinne, sondern man "wüßte" einfach, ob sie etwas richtig oder falsch machen.
Je mehr die Entscheidungsprozesse, die einen persönlich betreffen, oder andere Dinge an denen man ein Interesse hat, im Dunkeln ablaufen, desto mehr Misstrauen ist daher grundsätzlich angebracht.

Hier müsste man natürlich auch nochmal zwischen zeitlich aktuellen Prozessen, die man nicht ordentlich zu Gesicht bekommt, und zukünftigen Prozessen unterscheiden, in die man ein bestimmtes Vertrauen setzen soll.

Einem Politiker oder einem Unternehmer würde ich übrigens grundsätzlich nicht schon wegen dieser Berufsbezeichnung mehr bzw. weniger vertrauen. Je nachdem, welche Entscheidungen sie treffen, und ob diese Entscheidungen für mich relevant sind, würde ich mich halt mehr darüber freuen, je mehr (oder sagen wir: angemessene) Kontrollinstanzen da sind, wodurch sie überprüfbar und ggf. beeinflussbar werden.
 

dkR

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Ich nehm mir da die Freiheit, ganz nch Lust und Laune zu entscheiden, ob jemand Sozialist ist oder nicht.
 

agentP

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Würde ich so nicht sagen. Komplett widerspricht es notwendigerweise nur den Ideen der wirtschaftlichen Freiheit, der persönlichen aber nicht.

Wie soll man das denn trennen? Wenn der Staat den Arbeitsmarkt oder den Mietmarkt regelt, indem er dort die Vertragsfreiheit mehr oder weniger aufhebt, dann ist das doch gleichzeitig auch ein Eingriff in die persönlichen Freiheiten der potentiellen Vertragspartner. Wenn der Staat das Kiffen nicht legalisiert, weil ihm die volkswirtschaftlichen Folgekosten zu hoch sind, dann ist das ein Eingriff in die persönlcihe Freiheit der Leute, die gerne kiffen würden, usw. usw. Wenn der Staat mich in die Rentenversicherung zwingt ebenso.
Tabaksteuer, Ökosteuer, Alkoholsteuer es gibt doch zig Beispiele, die sowohl ein Eingriff in die persönliche als auch in die wirtschaftliche Freiheit darstellen.
 

Mr. Anderson

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agentP schrieb:
Wie soll man das denn trennen?
Die Trennung existiert nunmal ;) . In unser aller Bewußtsein, nehme ich an. Und ich finde sie auch gar nicht mal so sinnlos.
Drogengebrauch fällt nunmal klassischerweise in den Bereich der persönlichen Freiheit, und Regulierungen zum Vertragsrecht und die Erhebung von Steuern fallen in den Bereich der wirtschaftlichen Freiheit.
Das eine kann durchaus Einfluss auf das andere haben, aber das heißt nicht, dass wir diese Bereiche nicht trotzdem unterscheiden und die damit verbundenen Rechte und Eingriffe nicht auch unterschiedlich bewerten.

Ich denke mir jetzt mal ein extremes Beispiel aus: Angenommen, ein Staat will stark alkoholische Getränke möglichst komplett verbieten, sieht sich aber durch irgendeine Regelung (z. B. Verfassung o.ä.) daran gehindert, die solche Eingriffe in die persönliche Freiheit verbietet. Der Staat denkt sich nun:
"Erhöhe ich einfach die Alkoholsteuer auf 10000%, dann kann sich das Zeug niemand mehr leisten. Und persönliche Freiheit wird dadurch natürlich nicht angegriffen, denn das ist ja nur Steuer, also wirtschaftliche Freiheit. Hahaaa! "
So wie der Staat es hier gerne hätte, würde das aber natürlich nicht aufgenommen werden, denn eine entsprechend hohe Steuer oder Gebühr kommt irgendwann einem Totalverbot gleich; man stelle sich z. B. - noch ein extremes Beispiel - eine Mautgebühr für alle Straßen in Höhe von 2 Millionen Euro pro Tag vor.
Wir würden die Sache aber ganz anders bewerten, wenn die Alkoholsteuer nur 5% betragen würde. Sicher, auch eine Steuer dieser Höhe hat schon einen Effekt auf die persönliche Freiheit. Wenn man alles zu Tode analysiert, ist vermutlich auch eine Alkoholsteuer 0,1% schon so ein Eingriff, denn man hat dann vielleicht ein paar Cents weniger zur Verfügung, von denen man sich sonst hätte einen Lutscher kaufen können.

Aber je nach Ausmaß und (offenkundiger) Absicht des Staates würden wir so eine Aktion anders einstufen. Wir erkennen Muster und ordnen sie ein, wir bilden "Cluster" von verschiedenen Rechten und Freiheiten und nennen sie dann z. B. "wirtschaftlich" oder "persönlich".
Es gibt Verbindungen zwischen diesen Gebieten, und es gibt auch staatliche Maßnahmen, die beide Gebiete betreffen, aber dennoch haben sie (sowie auch einzelne Rechte eines bestimmten Gebietes untereinander) unterschiedliche Wertstellungen in der Gesellschaft und man kann sie als unterschiedlich schutzwürdig betrachten.

Als Wohlfahrtsstaatbefürworter würde ich mir z. B. schon genau angucken, welche Rechte auf welchem Gebiet ich erweitern oder einschränken würde. Ich hätte keinesfalls einen Plan derart, dass ich pauschal alle persönlichen Freiheiten nach oben schraube oder wirtschaftliche nach unten.
Was man aber beobachten würde, wäre: Aha, der Kerl "wütet" vor allem auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Freiheiten, ist also vermutlich eher klassisch "links".

Auf beiden Gebieten befürworten übrigens auch die heutigen Vertreter des Liberalismus gewisse staatliche Eingriffe. Sie würden nur eben die Stellschraube anders bedienen oder sie woanders ansetzen als möglicherweise "linke" oder "rechte" Bewegungen. Insofern, also vom Aspekt der bloßen Existenz staatlicher Eingriffe her, würde ich erstmal keinen grundsätzlichen Widerspruch zum Liberalismus sehen.
 

agentP

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Aber je nach Ausmaß und (offenkundiger) Absicht des Staates würden wir so eine Aktion anders einstufen. Wir erkennen Muster und ordnen sie ein, wir bilden "Cluster" von verschiedenen Rechten und Freiheiten und nennen sie dann z. B. "wirtschaftlich" oder "persönlich".

Äh, nicht wir, sondern in dem Fall du. Andere rechnen das Recht über den eigenen Besitz oder die eigene Arbeitskraft frei verfügen zu können durchaus in den Bereich der persönlichen Freiheit und das Mietrecht oder ein gesetzlich vorgeschriebener Mindestlohn oder eine Zwangsversicherung ein Eingriff desselben. Und wenn man eine utilitaristische Wertung mal aussen von lässt, dann ist so eine Auffassung genauso plausibel wie deine Trennung.

Auf beiden Gebieten befürworten übrigens auch die heutigen Vertreter des Liberalismus gewisse staatliche Eingriffe.

Ja natürlich und nicht nur die heutigen. Für mich ist die Frage wie gesagt aber eher von welcher Seite man das Pferd aufzäumt: Vom Individuum her und seinen Rechten, die es erstmal hat und die es dem Staat freiwillig abtreten kann oder von einem "Gemeinwohl" her, dessen Wächter der Staat ist, der dann dem Individuum Rechte gewährt. Erstere Auffassung ist meiner Meinung nach eine Kernidee des Liberalismus, letzteres eine des Sozialismus (und anderer Ideologien). Dass es von diesen Ausgangspunkten aus viele Geschmacksrichtungen gibt in denen diese Kernideen mehr oder weniger ausgeprägt sind (vom Anarcho-Kapitalismus bis Ludwig Erhard und von Stalin bis zur Sozialdemokratie) muss man hoffentlich nicht extra erwähnen.


Es gibt Verbindungen zwischen diesen Gebieten, und es gibt auch staatliche Maßnahmen, die beide Gebiete betreffen, aber dennoch haben sie (sowie auch einzelne Rechte eines bestimmten Gebietes untereinander) unterschiedliche Wertstellungen in der Gesellschaft und man kann sie als unterschiedlich schutzwürdig betrachten.

Wie gesagt, du machst es dir da einfach, indem du Position beziehst, aber genau an dieser Frage, ob man wirtschaftliche von persönlichen Freiheiten überhaupt trennen kann scheiden sich ja nun gerade die Geister und genau darum dreht sich doch der Diskurs zwischen Sozialisten und Liberalen seit guten 150 Jahren. Du gehst her und sagst: "Nö, da muss man gar nicht diskutieren, da ist schon alles klar!" und beziehst damit gedankengeschichtlich eigentlich schon recht klar eine Position in der Diskussion. Das ist ja nun kein Fehler, aber man sollte sich dessen zumindest bewusst sein und nicht vergessen, dass es die andere Position auch noch gibt und auch die Anhänger und Befürworter hat. Immerhin geht es hier letzten Endes nicht um Logik oder um Objektivität, sondern um ziemlich subjektive Werte. Vielleicht ist dir das ja auch klar und bewusst und es kam für mich nicht so rüber bisher, dann bitte entschuldige, dass ich den Punkt überhaupt nochmal aufgreife.
 

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